Hörspiel Feature Radiokunst Das Feature Die Erntemacher Wie die Ernährung in Afrika gesichert werden kann Autorin: Bettina Rühl Regie: Nikolai von Koslowski Redaktion: Wolfgang Schiller, Nikolaus Steiner Produktion: WDR/Deutschlandfunk 2023 Erstsendung: Dienstag, 10.10.2023, 19.15 Uhr Langfassung Es sprachen: Lena Stolze, Henning Nöhren, Merle Wasmuth, Tilmar Kuhn, Nina Weniger und Maximilian Held Technische Realisation: Pascal Thinius Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Erzählerin: Eine kenianische Kuh schnuppert neugierig am Mikrofon. Sie heißt Chemitie und ist ein kleines Wunder. Eine Überlebende der letzten schweren Dürre in Kenia, die mehr als zwei Jahre dauerte. Zweieinhalb Millionen andere Tiere haben es nicht geschafft, sind zwischen 2021 und 2023 verhungert oder verdurstet: Rinder, Schafe, Ziegen, Kamele und Esel. Wenn das Vieh stirbt, ist das in halbtrockenen Regionen wie hier im Nordwesten Kenias für die Menschen lebensgefährlich, ihre Tiere sind Nahrungsquelle, Lebensversicherung, Bankkonto. Chemitie gehört Nancy Kemboi. Die Bäuerin hat ihre ganze kleine Herde durch die harte, trockene Zeit gebracht: 16 Kühe und 22 Schafe, außerdem ihre Hühner. OT Nancy Kemboi I've got a lot of money. The cows eat grass, grass is so many. I have got a lot of milk, I sell it, I got money. I sell honey, I get money. I sell grass when I have very many - I get money. I have got fresh air, I have a kitchen garden there - there are vegetables, I sell them, I get money. So I see it is very nice. Sprecherin 1: Ich habe eine Menge Geld. Das Gras auf meinen Weiden wächst üppig, meine Kühe haben genug zu fressen. Deshalb geben sie viel Milch, die ich verkaufe und gut daran verdiene. Ich habe außerdem Bienenstöcke, der Honig bringt mir ebenfalls viel Geld. Wenn das Gras sehr gut gewachsen ist, verkaufe ich es an andere Bauern. Ich baue auch Gemüse und etwas Getreide an, den Überschuss verkaufe ich. Musik: DJ Raph - Ikondera Ansage Die Erntemacher Wie die Ernährung in Afrika gesichert werden kann Ein Feature von Bettina Rühl Erzählerin: Nancy Kemboi fühlt sich reich - je nach Ertrag verdient sie etwa 400 Euro im Monat. Eine Seltenheit im halbtrockenen Baringo, Kembois Heimat im Nordwesten Kenias. Dort fällt der Regen nur spärlich - und bleibt immer häufiger aus. Zuletzt fünf Regenzeiten in Folge. Auch in anderen Regionen des Kontinents nimmt die Trockenheit zu - mit katastrophalen Folgen: Laut den Vereinten Nationen leidet in Afrika jeder fünfte Mensch unter Hunger, mehr als doppelt so viele Menschen wie im weltweiten Durchschnitt. Die Gründe: Dürren und Überschwemmungen infolge der Klimakrise, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine mit steigenden Preisen für Getreide, Dünger, Lebensmittel und Energie. Musik: cont. Wie schafft es die Bäuerin Kemboi, trotz alledem genug zu essen zu haben? Wie konnte sie sogar etwas Wohlstand aufbauen? Was ließe sich von ihr lernen, um die Ernährungssicherheit in Afrika zu verbessern? Auf der Suche nach Antworten bin im Sommer 2023 durch Kenia gereist. Erzählerin: Nancy Kemboi hat das Tor zu ihrer Weide aufgestoßen, eine Machete in der Hand. Die Kühe und Schafe gucken hoch, Kemboi geht an ihnen vorbei zu einem jungen Akazienbaum. OT Nancy Kemboi When we want to prune, we just look at this one. This one will remain, and this one. So we remove this one. Autorin: The weaker one. Erzählerin: Das Bäumchen hat zwei Triebe, die Bäuerin erklärt, dass sie den schwächeren entfernen möchte - und legt auch schon los. Sobald sie den Ast in der Hand hat, schabt sie mit ihrer Machete die Dornen ab. OT Nancy Kemboi They pick you, and even when you want to give the cow, they will pick the cow. So we remove the thorns, and then it will be firewood and at the same time the fodder for the cow. Sprecherin 1: Sie könnten mich und meine Kühe verletzten, die Rinde will ich verfüttern. Wenn ich die Dornen abmache, kann ich die Rinde als Futter nutzen und den Ast als Brennholz. Erzählerin: Die kleineren Äste und Blätter breitet sie auf dem Boden aus, das schütze die Erde vor Erosion, sagt Kemboi: Beim nächsten Regen könne das Wasser nicht so schnell ablaufen. Reste der Rinde seien ein guter Dünger, dadurch werde die Qualität ihres Weidelandes besser. Aus Sicht der Bäuerin hat ihre Erfolgsgeschichte vor acht Jahren begonnen. 2015 nahm sie an einer Schulung der Hilfsorganisation World Vision teil und lernte, wie sie verarmte und entwaldete Böden wieder begrünen kann: indem sie vorhandene, unterirdische Wurzeln gerodeter Bäume austreiben lässt. Die jungen Schösslinge muss sie vor Ziegen und anderen Tieren schützen und sie gezielt beschneiden, so dass sie zu kräftigen Bäumen werden. Das Ergebnis steht nun in lockeren Abständen auf Kembois Weideland. "FMNR" heißt diese Methode, das Kürzel steht für "Farmer Managed Natural Regeneration", "Natürliche Regeneration durch die Landwirte" OT Nancy Kemboi We used to cut trees, we cut even a very big tree, whereby you can get shade. But we used it within one day: we cut it, we burn charcoal, and we eat in one day. And you have disturbed the forest, you have destroyed the trees, unless now, these trees are helping me now. Because I have got shade, I have got firewood, these flowers, I have got beehives, so I am earning from the honey, through flowers, and I do not disturb the trees. Sprecherin 1: Früher haben wir die Bäume gefällt, sogar sehr große, obwohl sie uns Schatten geben könnten. Wir haben daraus Holzkohle gemacht und von den Einnahmen Essen gekauft - innerhalb eines Tages war alles weg. Und dafür habe ich damals den Wald zerstört, während mir die Bäume jetzt helfen: Sie spenden Schatten, liefern Brennholz, und wenn sie blühen, zieht das Bienen an. Ich habe mittlerweile einige Bienenstöcke und verdiene am Verkauf des Honigs. Erzählerin: Dass sie die Bäume nun stehen lässt, dabei aber gezielt beschneidet und nutzt, hat vieles zum Besseren verändert - nicht zuletzt ihr Einkommen: Der Boden kann das Wasser besser halten und ist reicher an Nährstoffen. Das Gras wächst dichter, das Vieh hat mehr zu fressen und gibt deshalb viel mehr Milch. In Dürreperioden kann Kemboi Rinde verfüttern, während ihre Nachbarn den Tieren zuletzt nur noch Pappe anbieten konnten, um wenigstens deren Mägen zu füllen. Unter den Schösslingen, die aus der Erde kommen, sind auch Aloe Vera, Sandelholz und andere medizinische Pflanzen, die Kemboi nun wieder für ihre Familie nutzt - von ihrer Großmutter hatte sie die Anwendungen noch gelernt, aber zwischendurch aus den Augen verloren. Und die Bienen liefern nicht nur Honig, sondern sorgen durch das Bestäuben dafür, dass auch andere Pflanzen noch besser wachsen. Lauter Vorteile - aber das Wichtigste scheint noch etwas anderes zu sein: OT Nancy Kemboi We start having another mind. So the mind comes changed. We manage. FMNR is farmer managed. So I learn about farmer managed. I manage everything. Up to now, I manage even the chicken, and the beehives there, I have got a kitchen garden, I have got everything. Bevor FMNR, I was having nothing. I had no vegetables, no firewood. So the time I was using to go for firewood, I go for kitchen garden. Sprecherin 1: Unsere Grundeinstellung hat sich verändert. FMNR bedeutet ja, dass die Bauern bei der natürlichen Regeneration das Management übernehmen. Ich manage jetzt alles, auch meine Hühner, die Bienenstöcke und meinen Gemüsegarten. Seitdem fehlt es mir an nichts. Bevor ich mit FMNR angefangen habe, fehlte es mir an allem. Ich hatte kein Gemüse, kein Brennholz. Die Zeit, die ich früher brauchte, um Feuerholz zu sammeln, nutze ich jetzt, um in meinem Gemüsegarten zu arbeiten. Erzählerin: Kemboi nimmt mich mit in ihren Garten. Sie war Anfang 50, als sie FMNR gelernt und damit gleichzeitig ihren Blick auf die natürlichen Ressourcen und ihren landwirtschaftlichen Betrieb grundsätzlich verändert hat. Sie geht mir voraus, zeigt mir Mais und Perlhirse, Sorghum, Erdnüsse, Bananen, Orangen, rote Paprika, diverse Blattgemüse, Butternut-Kürbis und vieles mehr. Ich fühle mich wie in einem Supermarkt - es gibt hier praktisch alles. OT Nancy Kemboi So this one is... Autorin: Red onion. Kemboi: Yes, red onion. Erzählerin: Gerade hält sie mir eine rote Zwiebel entgegen, die sie aus der Erde gezogen hat. OT Nancy Kemboi It is doing well in this area. But people does not know. They say it is not doing - but it is doing. This is a very good one. Sprecherin 1: Zwiebeln wachsen sehr gut hier, die Leute wissen das bloß nicht. Sie sagen, dass man bei uns keine anbauen kann. Aber das stimmt nicht - guckt Dir die hier an, wie gut sie aussieht. OT Nancy Kemboi Autorin: So you just tried? Kemboi: I am trying but I am now getting money. This one is ten bob. Sprecherin 1: Ich hab's einfach probiert, und jetzt verdiene ich Geld damit - diese hier kann ich für 10 Shilling verkaufen. Erzählerin: Einen Teich, in dem sie Regenwasser auffängt, hat Kemboi auch. Rund herum wächst Gras, damit der Regen möglichst wenig Erde ins Wasser spült. Früher brauchte Kemboi ihre Pflanzen nicht zu bewässern, da reichte der Regen sogar für den Anbau von Mais. Infolge der Klimakrise ist das heute anders: die Dürrezeiten sind länger, die Regenzeiten unberechenbar, Starkregenfälle häufiger und oft so heftig, dass der ausgetrocknete Boden die Fluten nicht aufnehmen kann. Das Regenwasser für die spätere Bewässerung zu sammeln, ist in Zeiten der Klimakrise überlebenswichtig. OT Nancy Kemboi Autorin: It is very tidious work, isn't it, when you come with the buckets? Kemboi: Yeah, it is very tidious (lacht). Erzählerin: Das Gießen sei anstrengend, bestätigt Kemboi - lacht aber dabei und wirkt unermüdlich. Drei Stunden ist sie jeden Nachmittag damit beschäftigt. Um es sich leichter zu machen, spart sie auf ein Bewässerungssystem. Außerdem tut sie alles, um das wenige Wasser möglichst effektiv zu nutzen. Einzelne Pflanzen hat sie in Vertiefungen gestellt, andere Beete komplett etwas tiefer in den Boden gelegt. Beide Techniken halten das wenige Wasser länger zurück. Gehört hat sie davon bei unterschiedlichen Schulungen, die von staatlichen Landwirtschaftsberatern und Hilfsorganisationen angeboten werden. Dabei werden auch schnell reifende Getreidesorten vorgestellt, Neuzüchtungen als Antwort auf den Wassermangel infolge der Klimakrise. Oder es wird gezeigt, welche Pflanzen voneinander profitieren, wenn sie nahe beieinander wachsen - so wie in Kembois Garten. OT Autorin / Kemboi Autorin: You seem to be very responsive to everything that you are told, isn't it? You try everything. Kemboi: Yeah. I don't want to miss anything. (Lachen) Erzählerin: Sie scheinen alles umzusetzen, was Ihnen gezeigt wird. Und alles auszuprobieren. Sprecherin 1: Ja! Ich will nichts unversucht lassen. Erzählerin: Warum greifen Sie Ratschläge auf, und andere nicht? OT Nancy Kemboi They don't risk things. But me, I am risking. If I hear something, I have to try: will it work or not? Sprecherin 1: Sie wollen kein Risiko eingehen. Bei mir ist das anders. Wenn ich von etwas höre, muss ich wissen, ob es funktioniert oder nicht. Erzählerin: Kemboi ist verheiratet, ihr Mann und sie rechnen ihre Einnahmen aber getrennt. Allein durch den Verkauf von Milch und Honig verdient sie im Jahr - sofern es keine schwere Dürre gibt - das Dreifache des kenianischen Mindestlohns. Hinzu kommt das Geld aus dem Verkauf von Eiern, Gemüse und Heu. Getreide für den eigenen Verbrauch und das Vieh wächst ebenfalls auf ihrem Acker: Mais, Perlhirse, Sorghum. Das Geld hat gereicht, um allen ihren fünf Kindern ein Studium oder eine Ausbildung zu bezahlen, wobei sie selbst nur auf der Grundschule war, für mehr hatten ihre Eltern kein Geld. Ist Kembois Erfolgsrezept übertragbar? Landwirtschaftliche Schulungen, von denen sie so viel profitiert, bekommen auch andere. Im Unterschied zu vielen anderen kenianischen Frauen hat sie allerdings Zugang zu Land, sie bewirtschaftet eine 16 Hektar große Fläche, das entspricht etwa 22 Fußballfeldern. Das Land gehört zwar ihrem Mann Kebruto, doch der sieht in der Gleichberechtigung einen Schlüssel zum Erfolg. OT Nancys Mann Kebruto Kemboi Sprecher 1: Haushalte, in denen die Männer ihren Frauen vorschreiben, was sie zu tun haben, stehen wirtschaftlich schlechter da als diejenigen, in denen die Eheleute zusammen daran arbeiten, möglichst viel produzieren zu können. Musik: DJ Raph (cont.) Erzählerin: Von dem Besuch bei Kemboi nehme ich drei Erkenntnisse mit: Erstens, es sind bereits einige Techniken bekannt, mit denen auf die Folgen der Klimakrise reagiert werden kann. Zweitens, dazu gehört FMNR - eine kostenfreie Methode, um die Bodenqualität und damit den Ertrag zu verbessern. Drittens, Faktoren wie der Zugang zu Land und kulturelle Praktiken entscheiden mit darüber, ob Menschen hungern oder sich ernähren können. Aber warum ist Kembois Erfolgsgeschichte bislang eine Ausnahme? Und welche weiteren Möglichkeiten gibt es für Kleinbäuerinnen wie sie, ihre Erträge trotz der Folgen der Klimakrise zu steigern? Und: Welche Antworten hat die kenianische Regierung? OT Joel Koskei Joel Koskei: Welcome! Erzählerin: Joel Koskei ist einer von drei staatlichen Landwirtschaftsberater für die Region, in der Nancy Kemboi lebt. Die drei sind für 19.000 bäuerliche Haushalte zuständig. Seit 2016 arbeiten sie mit World Vision zusammen, was die Einführung von FMNR angeht. Dort, wo die Methode angewendet wird, sei die Produktivität pro Flächeneinheit beim Mais um ein Drittel gestiegen. Ein wichtiger Wert, denn Mais ist in Kenia Grundnahrungsmittel. Bei der Beratung geht es auch um das richtige Saatgut, neben der Bodenfruchtbarkeit ist das ein zweiter wichtiger Faktor, um die Produktivität zu steigern und Ernteausfälle möglichst zu verhindern. OT Joel Koskei For now, we are majorly promoting the indigenous crops, because these indigenous crops, they're either drought tolerant, or they mature early. We call them drought escaping crops, or they're disease resistant. So those are the ones which we are promoting right now. Or, maybe for crops such as maize, and beans, we grow the hybrids. Sprecher 2: Im Moment empfehlen wir bei vielen Pflanzen vor allem die einheimischen Sorten, weil sie entweder dürretolerant sind oder sehr schnell reifen, und sie sind auch weniger anfällig für Krankheiten. Bei Kulturen wie Mais und Bohnen halten wir allerdings hybride Zuchtsorten für besser. Erzählerin: Warum? OT Joel Koskei Because of the productivity. Yeah. The productivity is high, unlike in the indigenous ones, the production per unit area. Yes. We have those varieties which have been developed for the dry areas. These ones have been developed for the dry areas. They mature within four months. Sprecher 2: Weil die Produktivität höher ist als bei den einheimischen Sorten: Sie bringen mehr Ertrag pro Flächeneinheit. Wir haben eine hybride Maissorte, die extra für trockene und halbtrockene Regionen entwickelt wurde. Sie ist innerhalb von nur vier Monaten erntereif. Erzählerin: Dass sie in nur vier statt in sechs Monaten reift, ist in Zeiten der Klimakrise ein wichtiger Faktor: So kann die Ernte vielleicht gerettet werden, auch wenn die Regenzeit spärlich ist und zu früh abbricht. Kenianische Forschungsinstitute und Universitäten züchten nicht nur neue, angepasste Maissorten, sondern forschen auch zu Leguminosen, also Hülsenfrüchtlern wie Erbsen oder Bohnen. OT Joel Koskei We have some varieties of green grams which matures in two months. So, we do actually advocate for these varieties which matures early. Sprecher 2: Es gibt jetzt einige Sorten von Bohnen, vor allem Mungo-Bohnen, die in zwei Monaten reifen. Wir setzen uns vor allem für diese schnell reifenden Sorten ein. Erzählerin: Leguminosen, also Hülsenfrüchtler, liefern nicht nur ein eiweißreiches Lebensmittel, sondern verbessern auch die Bodenqualität: Sie lockern ihn auf und schützen vor Erosion. An ihrem Wurzelwerk binden sie den Stickstoff aus der Luft, was die teure und umweltbelastende Zufuhr von Stickstoffdünger überflüssig macht. Darüber hinaus geben sie wichtige Nährstoffe an den Boden ab und verbessern die Qualität durch den Aufbau von Humus. Blätter und Stängel sind wertvolles Viehfutter. Die Zucht-Sorten haben allerdings nicht nur Vorteile, räumt Koskei ein: OT Joel Koskei It is relatively expensive to buy the developed seeds, either from the Kenya research organization, the research organizations, or from the universities. It is more expensive than the indigenous seeds from the farmers. But when you buy those certified, it has those qualities actually of maybe high yielding, they mature, faster, and maybe they are tolerant to maybe some pests or diseases. Sprecher 2: Das gezüchtete Saatgut ist relativ teuer, egal ob es von den kenianischen Forschungsinstituten stammt, oder von den Universitäten. In jedem Fall ist es teurer als das einheimische Saatgut von den Bauern. Aber beim Blick auf den Preis muss man bedenken, dass das zertifizierte Saatgut viele Vorteile hat: Der Ertrag ist höher, es reift schneller und ist vielleicht auch noch tolerant gegenüber einigen Schädlingen oder Krankheiten. Erzählerin: Für das gezüchtete Saatgut müssen die Landwirte beim Mais etwa ein Drittel mehr bezahlen, bei den Mungo-Bohnen ist der Preis knapp doppelt so hoch. Und: Wer auf eine Hybridsorte umsteigt, muss das Saatgut jedes Jahr beim Hersteller kaufen - bei traditionellen Sorten können Bäuerinnen und Bauern etwas von ihrer Ernte für die nächste Aussaat aufheben. Die Abhängigkeit von Saatguthändlern ist für die meisten Kleinbauern ein großes Problem, weil sie wenig Geld haben. Die Zurückhaltung der Bäuerinnen und Bauern, was die - kostenlose - Begrünungsmethode FMNR angeht, überrascht mich dagegen: Nur etwa vierzig Prozent wenden sie auf ihrem Weide- oder Ackerland an, schätzt Landwirtschaftsberater Koskei. OT Joel Koskei What happens is that our farmers, they, what they do, they say, "We wait and see." They want to see the first ones, those who have succeeded, then they can also do what? Adopt. Sprecher 2: Wenn unsere Landwirte von etwas Neuem hören, warten sie erstmal ab, wollen zunächst sehen, ob andere, die sich vorwagen, mit der neuen Methode Erfolg haben. Erst wenn sie beobachten, dass andere dadurch bessere Erträge haben, übernehmen sie Neuerung auch. Erzählerin: Allerdings seien drei Landwirtschaftsberater für 19.000 Haushalte auch viel zu wenig, betont Koskei. Ich frage ihn, wie aus seiner Sicht die Ernährungssicherheit in Kenia verbessert werden könnte - trotz Klimakrise und steigender Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt. OT Joel Koskei One, we need to move away from rain-fed agriculture to irrigated agriculture by investing in the irrigation infrastructure, construction of those dams and the small farm ponds for the farmers. Secondly, that high cost of inputs. Maybe the, one, government subsidized fertilizer. And secondly, farmers forming an organization, maybe a farmer producer organization, so that they can pool their resources together and buy the inputs in bulk. 29:31 And that one will be cheaper. Three, capacity building of these farmers on the new technologies. As the climate change, we need to come up with new technology. So, we require that capacity building. Maybe, thirdly on issues of soil fertility, we need to protect maybe the catchment areas. We build the soil conservation structures so that the soils are retained and their fertility is also retained so that they're not washed away by the rains. Sprecher 2: Erstens müssen wir vom Regenfeldbau zur Bewässerungslandwirtschaft übergehen, indem wir in die Bewässerungsinfrastruktur, den Bau von Dämmen und kleinen Teichen für die Landwirte investieren. Zweitens müssen wir die hohen Kosten für Betriebsmittel senken, vielleicht durch staatlich subventionierte, chemische Düngemittel. Außerdem könnten sich die Landwirte zusammenschließen und zusammen einkaufen, damit sie Mengenrabatte bekommen. Darüber hinaus müssen wir die Bäuerinnen und Bauern noch stärker mit neuen Technologien vertraut machen, die sie wegen der Klimakrise einführen müssen. Und schließlich müssen wir die Wassereinzugsgebiete durch Strukturen im Boden schützen, damit die Starkregenfälle die Erde nicht wegspülen. Erzählerin: Lösungsansätze gebe es genug, bestätigt Koskei meinen Eindruck. Was aus seiner Sicht am meisten fehle, sei Geld. Nicht zuletzt, weil die Regierung nicht genug in den Sektor investiere, kritisiert der Berater. Im vergangenen Jahr waren es nur gut drei Prozent des Haushalts. Dabei ist die Landwirtschaft in Kenia die zentrale wirtschaftliche Stütze, ebenso wie in vielen anderen afrikanischen Staaten. In den Ländern südlich der Sahara arbeiten knapp zwei Drittel der Bevölkerung im Agrarsektor - das sind mehr als 215 Millionen Menschen. Trotzdem investieren die meisten Staaten nur sehr wenig in die Entwicklung der Landwirtschaft. Musik: DJ Raph (cont.) Erzählerin: Ich bin Richtung Osten weitergefahren, in einen anderen Landkreis Kenias: Tharaka-Nithi. Sechs Frauen stehen im Kreis, dreschen mit Ästen auf die Schoten von Mungo-Bohnen ein, die sie auf einer Plane ausgebreitet haben. Ihr traditioneller Gesang soll ihnen Kraft geben und sie motivieren, weiterzumachen. Die sechs gehören zu einer bäuerlichen Selbsthilfegruppe, die von der kenianischen Hilfsorganisation SAPAD beraten wird. Sie treffen sich regelmäßig auf dem Grundstück von Stella Karimi, der Vorsitzenden. OT Stella Karimi We started our group 2018. Our objective was to help each other to uplift his living style. We decided to have lessons which will help us in our life. We started learning about how we can improve our farming skills. So, we started learning about fertilizers, how we can make our own fertilizers using our traditional trees. We started learning how we can keep our seeds for planting the coming season. Sprecherin 1: Wir haben unsere Gruppe 2018 gegründet, um uns gegenseitig zu helfen und unseren Lebensstandard zu verbessern. Wir haben uns darum gekümmert, dass wir landwirtschaftliche Beratung bekommen, um unsere Ernten verbessern zu können. So haben wir erfahren, wie wichtig Dünger ist, und wie wir ihn aus Dung und mithilfe unserer traditionellen Bäume selbst herstellen können. Wir haben auch gelernt, wie wir unser Saatgut am besten für die nächste Saison aufbewahren können. Erzählerin: Dass sie sich überhaupt nach Unterstützung umschauten, hatte damit zu tun, dass ihre Erträge in den Jahren zuvor drastisch zurückgegangen waren. Und das habe nicht nur am fehlenden Regen gelegen, sagt Karimi. OT Stella Karimi Sprecherin 1: Wir haben zum Teil weniger als die Hälfte geerntet - auch, weil der Boden nicht mehr fruchtbar war. Erzählerin: Bevor sie anfingen, ihren eigenen, biologischen Dünger herzustellen, düngten sie ihre Felder überhaupt nicht - weil sie sich Kunstdünger nicht leisten konnten, und weil man ihn in ihrer abgelegenen Region auch nicht kaufen kann. Ähnlich die Situation bei der Schädlings-bekämpfung: chemische Pestizide sind für sie unerschwinglich. Dasselbe gilt für Hybrid-sorten, deren Saatgut sie jedes Jahr wieder kaufen müssten. OT Stella Karimi Sprecherin 1: Jetzt ernten wir wieder deutlich mehr, weil wir gelernt haben, die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern. Außerdem achten wir nun auf die Fruchtfolge. Erzählerin: Dass der Regen zu selten fällt, bleibt ein großes Problem. Obwohl die indigenen Sorten, die sie nutzen, alle binnen weniger Wochen reifen und deshalb weniger darunter leiden, wenn eine Regenzeit zu kurz ausfällt. Ein Teich zum Auffangen des Wassers könnte eine Lösung sein, ähnlich wie bei der erfolgreichen Bäuerin Nancy Kemboi. Allerdings liegen Welten zwischen den Erträgen Kembois und dem Einkommen der Frauen, die ich in Tharaka treffe. OT Stella Karimi Sprecherin 1: Was ich ernte, reicht nicht für den Unterhalt meiner Familie. Um Geld zu sparen, essen wir weniger, nur zwei Mahlzeiten statt drei, damit ich die Schulgebühren bezahlen kann. Erzählerin: Eins ihrer drei Kinder zu Hause zu lassen, kommt für Karimi nicht in Frage. Ebenso wenig wie für die anderen Frauen der Selbsthilfegruppe. 5000 Shilling brauche sie im Monat, sagt Karimi, beim jetzigen Wechselkurs gut 30 Euro: vor allem für Schulgeld, außerdem Medikamente und Kleidung. Die Strategie der Frauen: Nach der Ernte verkaufen sie den Großteil dessen, was sie eingebracht haben, und zahlen das fällige Schulgeld. Später, wenn ihre Speicher leer sind, suchen sie sich Arbeit als Tagelöhnerinnen. Aber solche Jobs sind rar: Tharaka-Nithi ist eine arme Gegend, kaum jemand hat hier größere Ländereien. Dass Familien wie die von Karimi nicht satt werden, liegt also nicht nur an der geringen Produktivität ihrer Felder, sondern auch an deren begrenzter Größe und an fehlenden anderen Einkommensquellen. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich die Situation seit Februar 2022 nochmals dramatisch verschärft - nicht nur in Kenia, sondern auf dem gesamten Kontinent. OT Francisco Mari Wer hätte gedacht, dass ein Krieg in Europa jetzt auch noch auf Afrika runter prasselt und Hunger schafft? Erzählerin: Fragt Francisco Mari, Referent für Welternährung, Agrarhandel und Meerespolitik bei dem kirchlichen Hilfswerk Brot für die Welt. Der Krieg habe zunächst vor allem die Lebensmittelpreise nach oben getrieben, besonders spürbar beim Weizen. Das sei in vielen afrikanischen Ländern ein großes Problem. In Nordafrika basiert fast die Hälfte der täglichen Kalorien auf Weizenprodukten, erklärt Mari. In anderen Ländern wurde die Preisspirale nach oben getrieben, weil Kunstdünger aus Russland deutlich teurer wurde - und das kriegführende Land auf dem globalen Markt ein wichtiger Lieferant ist. Das habe die Inflation noch weiter verschärft, die schon mit der globalen Corona-Pandemie begonnen hat. OT Francisco Mari Sodass wir im letzten Jahr eigentlich bis vor ein paar Monaten hohe Inflationsraten hatten von fast 100 %, also in vielen Ländern, die ich in der Zeit bereiste, war es erschreckend zu sehen, dass sich manchmal die Preise auch für lokale Grundnahrungsmittel, verdoppelt haben. Denn dazu kam natürlich auch die hohen Transportpreise. Erzählerin: Und die schlagen sich bei allen Produkten nieder. Selbst die kenianischen Bohnen, die nur auf den Markt in der nächsten Stadt gebracht werden müssen, sind jetzt deshalb deutlich teurer. Weil die Bäuerinnen und Bauern nicht nur Lebensmittel produzieren, sondern ihrerseits auch kaufen, leiden sie ebenfalls unter den höheren Kosten auf dem Markt. OT Francisco Mari Weltweit, auch in Afrika - letztendlich gibt es genug. Das Problem ist ja, man muss es sich leisten können. Erzählerin: In vielen afrikanischen Haushalten werden 60 bis 70 Prozent des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben - in Deutschland sind es im Durchschnitt knapp zehn Prozent. Das lässt uns mehr Spielraum, auf Preissteigerungen bei Lebensmitteln zu reagieren. Menschen wie Stella Karimi dagegen sind sehr schnell an dem Punkt, dass sie am Essen sparen müssen, um sich anderes leisten zu können. Und sie haben noch ein anderes Problem: Wenn ihre Kundinnen und Kunden sich ihre Gemüse oder ihr Getreide nicht leisten können, bleiben sie auf ihrem Angebot sitzen. Das heißt: Womöglich hungert ein nennenswerter Anteil der Bevölkerung, obwohl genug Lebensmittel in der Region produziert werden. OT Francisco Mari Wir haben das mal berechnet: Seit 1960 im Prinzip die Bevölkerung zwar sich vervierfacht hat, die afrikanische Bevölkerung, aber die Agrarproduktion sich versechsfacht hat. Also es ist durchaus, trotz der großen Schwierigkeiten, der kleinen Flächen, der wenigen geringen Industrialisierung, Klimawandel, manchmal auch Wassermangel - es ist trotzdem den Bäuerinnen und Bauern in den letzten 50 Jahren gelungen, zum großen Teil ihre Bevölkerung nach wie vor zu ernähren, auch zu einem Anteil, der zumindest nicht große, riesige 50, 60 % der Menschen hungern lässt. Trotzdem: Die Importabhängigkeit hat sich verdoppelt von zehn auf 20 %. Aber es ist nicht so, dass man sie nicht reduzieren könnte. Erzählerin: Davon ist auch die Agrarkommissarin der Afrikanischen Union überzeugt, Josefa Sacko. Im Interview mit dem Nachrichtenportal Euractiv erklärte sie im Januar 2023, die ausfallenden Getreidelieferungen aus der Ukraine seien für Afrika eine Chance, die eigene Produktion auszubauen. Laut Sacko zahlt der Kontinent jedes Jahr 45 Milliarden US-Dollar für Lebensmittelimporte - Geld, das stattdessen in die eigene Landwirtschaft fließen könnte, meint die AU-Agrarkommissarin, um so die Importe zu ersetzen. OT Francisco Mari Das Wichtigste wird aber sein, dass man sich in der Unterstützung und in der Vorsorge vor solchen Krisen auf die konzentriert, die tatsächlich den Schlüssel in der Hand haben, nämlich das sind in Afrika zumindest die Produzentinnen und Produzenten selber. Sie sind am flexibelsten, sie kennen ihre Böden, sie kennen ihre Märkte, sie kennen die Bedarfe auch der Menschen, ihre Kundinnen, und sie zu unterstützen mit vielfältigen Maßnahmen, auch mit Entwicklung eines Saatguts, was tatsächlich auf solche neuen Krisen reagieren kann und das man auch austauschen kann. Erzählerin: Das bedeutet laut Mari, auch wieder auf Anbausorten zurückzukommen, die über Jahrhunderte die Menschen in Afrika ernährt haben. Die aber aufgrund einer falschen Moderne in der Landwirtschaft ersetzt worden seien. Was also kann und muss nun konkret getan werden? Musik: DJ Raph (cont.) Erzählerin: Um das herauszufinden, treffe ich in der kenianischen Hauptstadt Nairobi Sarah Mbago-Bhunu. OT Sarah Mbago-Bhunu I think the food systems are broken and unhealthy because the current way that we are producing and consuming food is not necessarily sustainable. Sprecherin 2: Ich glaube, dass die Lebensmittelsysteme kaputt und ungesund sind, weil wir unsere Lebensmittel global derzeit in einer Art und Weise produzieren und konsumieren, die nicht unbedingt nachhaltig ist. Erzählerin: Sarah Mbago-Bhunu ist im Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung, kurz IFAD, für Ost- und Südafrika zuständig. Die UN-Organisation hat ihren regionalen Sitz in Nairobi. OT Sarah Mbago-Bhunu So, those large farms where majority of food is produced potentially in the global north, and where there's economies of scale for food production, and this is how then it arrives in these countries looking at global supply chains with multinationals, is not a sustainable footprint. So, they are using water and land, all the factors of production in an unsustainable way. And we know that agriculture grown in an industrial way is a big emitter of CO2 emissions. And so, we also know there's about 500 million small-scale farmers who could actually produce the same quantities of food in a very sustainable way if they are provided with a means to do that, and if they are paid the real value of food. Sprecherin 2: Die großen landwirtschaftlichen Betriebe, in denen der Großteil der Lebensmittel potenziell produziert wird, liegen im globalen Norden. Diese Betriebe haben durch ihre Größe Produktions- und Preisvorteile, aber gleichzeitig produzieren sie oft nicht nachhaltig. Wir wissen, dass die industriell betriebene Landwirtschaft ein großer Verursacher von CO2-Emissionen ist. Wir wissen auch, dass es etwa 500 Millionen Kleinbauern gibt, die die gleichen Mengen an Lebensmitteln auf sehr nachhaltige Weise produzieren könnten, wenn man ihnen die Mittel dazu zur Verfügung stellen und sie für den tatsächlichen Wert der Lebensmittel bezahlen würde. Erzählerin: Für einen solchen Preis müsste eingerechnet und honoriert werden, was Kleinbäuerinnen und Kleinbauern für den Erhalt der Umwelt tun: zum Beispiel durch das Verhindern von Bodenerosion oder die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit. Der Fonds IFAD hat die Aufgabe, Gelder für die Unterstützung von Kleinbäuerinnen und landlosen Landarbeitern zu gewinnen. Mbago-Bhunu ist davon überzeugt, dass Kleinbauern ihre Produktivität trotz der Klimakrise leicht steigern könnten, wenn sie Zugang zu Krediten hätten und investieren könnten - beispielsweise in Systeme zum Auffangen von Regenwasser, in den Umstieg auf Bewässerungslandwirtschaft. OT Sarah Mbago-Bhunu Small scale farmers cannot access resources because of the perception that they're very risky. Instead of looking at them as a problem and too risky to finance, we have to look at innovative ways in which we can provide them with access to this funding. So, cooperative models have worked for years, they've worked in other continents as well. And being able to register cooperatives legally in a context in which they are recognized, rural enterprises who can borrow and transact would be already a step in unlocking access to finance. Sprecherin 2: Kleinbauern haben keinen Zugang zu Krediten, weil sie nicht als nicht vertrauenswürdig gelten. Aber anstatt sie als Problem zu betrachten, müssen wir nach innovativen Wegen suchen, wie wir ihnen Zugang zu Finanzierungen verschaffen können. Genossenschaftsmodelle haben sich seit vielen Jahren bewährt, auch auf anderen Kontinenten. Eine Möglichkeit wäre, Genossenschaften so zu registrieren, dass sie als ländliche Unternehmen anerkannt sind. Dann könnten sie Kredite aufnehmen und Geschäfte abwickeln. Das wäre ein erster Schritt, um ihnen Zugang zu Finanzierungsmodellen zu ermöglichen. Musik: DJ Raph (cont.) Erzählerin: Aber es gibt noch eine andere, vielversprechende Idee, wie Kleinbäuerinnen und Kleinbauern durch ein neues System der Lebensmittelproduktion mehr Geld verdienen könnten. Chrysantus Tanga geht durch die Gänge eines Forschungsinstituts in Nairobi. Der Wissenschaftler wirkt immer gut aufgelegt. Er ist davon überzeugt, eine einfache Lösung für das scheinbar unlösbare Problem der Ernährungssicherheit in Afrika gefunden zu haben - eine "silver bullet", wie er sagt. Wir stehen in einem Raum mit bunten Plastikkisten, sie sind fast bis zur Decke aufeinander-gestapelt. Es riecht ein bisschen muffig, aber nicht sehr intensiv. OT Chrysantus Tanga All these crates are for mealworm. All these crates. Sprecher 1: In allen diesen Kisten sind Mehlwürmer. Erzählerin: Und zwar rund zwei Kilogramm pro Kiste. Tanga hebt eine der Kisten vom Stapel. Die Mehlwürmer sind auf den ersten Blick nicht zu sehen, sondern nur Weizenkleie. OT Chrysantus Tanga They are fed only on wheat bran. Which is again another waste product. 3:17 so you place the larvae, you find the larvae in the wheat bran, so when the larvae feed on wheat bran, they chew the stuff to fine powder. This is fertilizer. Do you see this? Sprecher 1: Wir füttern sie ausschließlich mit Weizenkleie, einem Abfallprodukt. Beim Fressen zerkleinern sie die Kleie noch weiter zu kleinem Staub. Dieser Staub ist ein wertvoller Dünger. Erzählerin: Tanga schiebt die Kleie mit einer Hand zur Seite, darunter wimmeln die Würmer. Tanga weiß natürlich, dass ein solcher Anblick nicht in allen Kulturen Appetit anregt. Er dagegen sieht in Insekten eine wertvolle Nahrungsquelles - und greift in die Kiste. OT Chrysantus Tanga Even this one, you can eat it - it is very nice. It is like milk in the mouth. (Lacht) Sprecher 1: Sogar diese hier - die kann man essen. Sie schmecken ein bisschen nach Milch. Erzählerin: Tanga verspricht mir, am nächsten Tag in der Kantine des Forschungsinstituts ein paar Produkte zur Verkostung zubereiten zu lassen. Die Kantine gehört zum ICIPE, dem "Internationalen Zentrum für Insektenphysiologie und -ökologie". Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen seit vielen Jahren, wie Insekten auf ökologische Weise kontrolliert werden können, um den Verlust von Ernten zu verhindern - zum Beispiel durch katastrophale Heuschreckenplagen, wie zuletzt von 2019 bis 2021 in Ostafrika. Inzwischen hätten sie für die Bekämpfung von Heuschrecken viele wirksame Lösungen entwickelt, die ohne Chemikalien auskommen, sagt Tanga. OT Chrysantus Tanga We are now focusing on food or feed. Just keep the colony going and see how can we train people. Sprecher 1: Jetzt konzentrieren wir uns darauf, wie Heuschrecken als Lebensmittel oder Futtermittel genutzt werden können. Wir halten unsere Kolonie nur noch am Leben, um Menschen in der Haltung von Heuschrecken auszubilden. Erzählerin: Die Kontrolle anderer Insekten, wie dem Mais-Schädling Herbst-Heerwurm, beschäftigt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ICIPE weiter. Parallel dazu erforschen sie in einem neuen Bereich, wie Insekten als alternative Nahrungsquelle für Menschen und Tiere genutzt werden können. Im Fokus: Mehlwürmer, Heuschrecken und Black Soldier Flies. Die Larven dieser Fliegenart verwandeln selbst Fäkalien in hochwertiges Eiweiß. Im Raum mit den Mehlwürmern hat sich Tanga ein Sieb geholt, er schaufelt mit der Hand etwas von der Weizenkleie-Mehlwurm-Mischung hinein. OT Chrysantus Tanga We sieve... that is mealworm. And this has 62 percent protein. In Europe they are used for Hamburger. You can just roast this, oven roast them, put them on a Hamburger, and the price doubles. Sprecher 1: Nach dem Sieben bleiben die Mehlwürmer übrig. Sie bestehen zu 62 Prozent aus Protein. In Europa werden daraus heute schon Hamburger gemacht. Sie sind doppelt so teuer, wie die normalen. OT Chrysantus Tanga You see all this? It is a delicacy! It is a high value food product. And even the other insects when you go to Uganda where they sell the green grasshoppers, 100 gr of that goes for 2,08 Dollar. Which means more than beef. Sprecher 1: Siehst Du das? Eine Delikatesse! Ein Lebensmittel mit einem sehr hohen Nährwert. Das gilt auch für andere Insekten. In Uganda verkaufen sie zum Beispiel grüne Grashüpfer, 100 Gramm für 2,08 Dollar. Das ist doppelt so teuer wie Rindfleisch. Erzählerin: Die Anregung für das Forschungsprojekt am ICIPE kam 2010 von der Landwirtschafts-organisation der Vereinten Nationen, der FAO. Hintergrund waren der Kampf gegen Mangelernährung und die Tatsache, dass Millionen von Menschen weltweit nicht wissen, wo ihre nächste Mahlzeit herkommt - sie sind ernährungsunsicher. OT Chrysantus Tanga Given also that our current food systems are actually more linear, so people start thinking of how can we look at a more circular food systems? Sprecher 1: Eine weitere Grundüberlegung war, dass unsere gegenwärtigen Lebensmittelsysteme linear sind. So entstand die Frage, ob wir nicht kreisförmige Lebensmittelsystem entwickeln könnten. Autorin: What do you mean by linear? Erzählerin: Was meinen Sie mit "linear"? OT Chrysantus Tanga We depend a lot on huge land to produce it and so much inputs. For example, we want to grow crop. We need a huge amount of land. You need a lot of water for irrigation and so on. The current production system also have very high ecological footprint. There's massive emission of greenhouse gases. So the question is: are there other food systems that could produce food with little amount of water, little amount of space and also less amount of greenhouse gas emission. That's being more circular. You know, that will benefit the environment, benefits the growing population and so on and so forth. Sprecher 1: Wir brauchen zurzeit riesige Flächen, um unsere Lebensmittel zu produzieren, und jede weitere Menge Ressourcen. Wenn wir zum Beispiel Getreide anbauen wollen, brauchen wir sehr viel Land. Wir brauchen viel Wasser für die Bewässerung und so weiter. Der ökologische Fußabdruck unseres derzeitigen Systems der Lebensmittelproduktion ist sehr groß - die Landwirtschaft ist für den Ausstoß vieler Treibhausgase verantwortlich. Die Frage ist also: Gibt es andere Lebensmittelsysteme, die kreislauffähiger sind, die also mit wenig Wasser, wenig Platz und weniger Treibhausgasemissionen auskommen? Das käme der Umwelt zugute, und der wachsenden Bevölkerung. Erzählerin: Die Produktion von Insekten als Futter- und Lebensmittel sei eine Antwort, davon sind nicht nur die Forschenden am ICIPE überzeugt. Insekten gibt es überall, ihr Lebenszyklus ist extrem kurz, sie brauchen kaum Platz und kaum Wasser. Und: Sie ernähren sich von Abfällen aller Art, die sie in Eiweiß verwandeln, die Überreste sind als Dünger zu nutzen. Wenn sie verfüttert werden, können die Ausscheidungen der Tiere wieder als Futter für Insekten dienen - ein Kreislauf. Für die Produktion von einem Kilo Insekten sei außerdem nur ein Liter Wasser nötig, sagt Tanga. Dagegen brauche es 1500 Liter, um ein Kilo Rindfleisch zu erzeugen. Studien zufolge gibt es weltweit 2000 nutzbare Insektenarten, davon gut 520 in Afrika. Für schätzungsweise zwei Milliarden Menschen weltweit seien Insekten bereits heute Teil der Nahrung. In den meisten afrikanischen Ländern stünden sie auf die eine oder andere Art auf dem Speiseplan. Kamerun, Tangas Heimatland, gehört dazu. OT Chrysantus Tanga I was born in the village. We live in the heart of the rainforest, you know, where most of the insects actually thrive. All the huge caterpillars, crickets, grasshoppers. So, insect was like a daily routine for me, you know, where our parents, when you go to the farm during the planting season, you know, crickets are hovering everywhere, you know. They normally harvest these insects and bring them home as a gift to us, you know. While they are cooking in the kitchen, we are there roasting our crickets, you know, to cushion the hunger a little bit, you know, before the main food is prepared, you know. And also, being a major protein source, you know, it's normally used as a side dish, you know. As you're eating your food, there's some crickets that has been fried, and they share them among the children, you know. So, it's something I've grown with, and I have so much passion when it comes to eating insects. Sprecher 1: Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, wir lebten im Herzen des Regenwalds. Da gibt es jede Menge Insekten, alle die großen Raupen, Grillen und Heuschrecken. Wenn unsere Eltern während der Pflanzsaison auf den Feldern arbeiteten, schweben etliche Grillen um sie herum. Unsere Eltern sammelten diese Insekten ein und brachten sie uns als Geschenk mit nach Hause. Während sie in der Küche kochten, rösteten wir schon mal unsere Grillen, um den ersten Hunger zu stillen. Weil sie so viel Protein enthalten, wurden geröstete Grillen vor allem Kindern häufig als Beilage gegeben. Ich bin also damit aufgewachsen und ich esse Insekten leidenschaftlich gerne. Erzählerin: Sein Team entwickelt aber nicht nur Rezepte und Produkte für die Lebensmittelindustrie, sondern eben auch Tierfutter. Die Idee: Hühner oder Schweine nicht länger mit Soja oder Fischmehl zu füttern, sondern mit Insekten. Das Soja und die Fische blieben für die Menschen übrig, was wichtig wäre, weil sich viele sicher auch in Zukunft nicht für Insekten begeistern lassen. Und: Die einfache und billige Aufzucht von Mehlwürmern, Black Soldier Flies oder Heuschrecken, die vor allem von Abfällen leben, könnte eine zusätzliche Einnahmequelle für Kleinbauern sein. Musik: DJ Raph (cont.) OT Ashton Omuyoma (kocht) I am deep frying them. Erzählerin: Der Koch Ashton Omuyoma hat panierte Heuschrecken ins heiße Fett gelegt, sie bruzzeln vor sich hin. Vorher hat er den Kopf der Insekten entfernt, die Eingeweide rausgeholt und sie dann wie ein Schnitzel paniert, mit Currypulver, Paprika und weißem Pfeffer leicht scharf gewürzt. OT Ashton Omuyoma I come from Western, we traditionally eat them. Sprecher 2: Ich komme aus Westkenia, Heuschrecken gehören bei uns traditionell zur Ernährung. Erzählerin: Paniert und frittiert sind die Heuschrecken nicht als solche erkennen. Das reduziert den Ekel bei denen, die nicht an Insekten auf dem Speiseplan gewöhnt sind. Währenddessen backt Küchenchefin Jane Mwaura ein Mehlwurm-Omelett aus. Wenn sie ins heiße Fett kommen, sieht es aus, aus würden die Würmer krabbeln. Ich gucke ihr zu und kann mir im Moment noch nicht vorstellen, dass ich das Omelett nachher probieren werde. Leichter geht die Vorstellung bei den Insektenkeksen und dem Hefezopf mit Insektenmehl, die Jane Mwaura backt: In das Mehl mischt sie neben den üblichen Zutaten entweder ein paar Gramm gemahlene Grillen, oder gemahlene Heuschrecken. Die Idee hinter diesen Rezepten: Das Eiweiß verbessert den Nährwert, aber die Insekten sind beim Essen nicht als solche zu erkennen. Bei der Verkostung spricht Chrysantus Tanga uns Mut zu, einige Studierende sind auch dabei. Außer Tanga prescht niemand richtig vor, obwohl Küchenchefin Mwaura das kleine Buffet wirklich nett angerichtet hat. Die meisten fangen - so wie ich - mit dem Hefezopf oder den Keksen an. Der Zopf ist mein Favorit, ich hätte erwartet, dass er etwas muffig schmeckt, das tut er aber nicht, dank der Insekten eher etwas nussig. Die frittierten Heuschrecken schmecken nach den Gewürzen der Panade und sind ansonsten angenehm knusprig. Beim Mehlwurm-Omelett fallen die Würmer vor allem optisch auf - für mich wird das auch in Zukunft Überwindung erfordern. Musik: DJ Raph (cont.) Was mich zu meiner Frage vom Anfang meiner Recherchen zurückbringt: Woran liegt es, dass viele Lösungen nur zögerlich oder gar nicht angewendet werden? Wege, um die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern, die Produktivität zu erhöhen, mehr Ernährungssicherheit zu bieten? So wie schnell reifende Getreidesorten, Mischkulturen oder die Methode zur Regeneration der Böden, FMNR? Erzählerin: Die Frage führt mich nach Bonn, zum Zentrum für Entwicklungsforschung. OT Irene Ojuok My name is Irene Ojuok. I am a Kenyan currently doing my doctoral studies at the Center for Development Research, Right Livelihood College, where I am focusing on land degradation and farmer managed natural regeneration. Sprecherin 2: Ich heiße Irene Ojuok. Ich bin Kenianerin und promoviere zurzeit am Right Livelihood College, das zum Zentrum für Entwicklungsforschung gehört. Ich konzentriere mich auf Landdegradation und die von Landwirten verwaltete natürliche Regeneration. Erzählerin: Irene Ojuok hat ihre Daten in Baringo im Norden Kenias erhoben, sie kennt auch Nancy Kemboi, die Bäuerin, die wir am Anfang gehört haben. Ojuok will wissen, wie wirksam die natürliche Regenration der Böden, kurz FMNR, die Bodenfruchtbarkeit verbessert. Und wie nachhaltig sie die Probleme der Bäuerinnen und Bauern löst. Ojuok untersucht außerdem, warum Landwirte diese Methode anwenden - oder eben auch nicht. Noch ist sie in der Auswertung ihrer Daten, aber eine erste Antwort hat sie: OT Irene Ojuok So, one of the reasons why the uptake of FMNR has not reached to the scale, I think is because the principle behind it is what sometimes takes a little bit of time for someone to understand. Because, if it's about just regenerating trees, then it would face the same struggles like tree planting is facing, water stress and the rest. But the principle behind it gives the farmer the opportunity to connect and connect with the challenges that he or she's facing, and how FMNR responds to these challenges. And so then, that becomes the propelling factor of the motivation. Sprecherin 2: Dass FMNR noch nicht so weit verbreitet ist, liegt meiner Meinung nach unter anderem daran, dass es manchmal ein wenig dauert, bis jemand das Prinzip dahinter versteht. Denn wenn es nur um die Regeneration von Bäumen ginge, hätte man mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie beim Anpflanzen von Bäumen. Zum Beispiel die Frage: Nutzt man das wenige Wasser, das man hat, für die Bewässerung der Bäume oder den Haushalt? Aber wenn sie das dahinterliegende Prinzip verstanden haben, merken sie, dass FMNR eine Lösung für ihre unterschiedlichen Schwierigkeiten sein kann. Das motiviert dann natürlich, diese Methode anzuwenden. Erzählerin: Den Forscherinnen und Forschern hier geht es nicht nur darum, auf eine einzelne Maßnahme zu blicken, sondern auf das ganze System - in diese Richtung habe sich die Forschung insgesamt weiterentwickelt, sagt Till Stellmacher. Er koordiniert das Right Livelihood College in Bonn. Stellmachers zentrale Forschungsfrage: Wie kann man in Afrika Armut lindern und die Ernährungssicherheit verbessern? OT Till Stellmacher Es ist möglich, auch in Regionen, die als prekär gelten im Moment, genug Nahrungsmittel zu produzieren. Erzählerin: Stellmacher untersucht, warum das nicht passiert. OT Till Stellmacher Also es geht nicht rein um die Frage: Was kann auf einem Acker von zwei Hektar angebaut werden und was sind da die Höchstmengen, die da produziert werden können? Sondern es geht um die Beweggründe der Bauern und im Prinzip um das relativ einfache Thema: Warum bauen Bauern eine Sache an und eine andere Sache nicht? Da geht es um soziale Netzwerke, da geht es um Kooperativen, da gibt es, geht es um die Rolle der Regierung, so was wie traditionelle Formen von Landnutzung. Das sind Themen, mit denen wir uns hier beschäftigen. Erzählerin: Und die Antwort, nach vielen Forschungsjahren? OT Till Stellmacher Das ist ein großes Mosaik, ein großes - ja, ein Puzzle von verschiedenen Lösungsansätzen, Also das wird sicherlich in 20 Jahren ein anderes ländliches Afrika sein, als was wir von heute kennen. Es wird bestimmt noch diverser sein. Verschiedene Regionen werden sicherlich prosperieren. Das sehen wir auch heute schon. Es gibt natürlich auch bestimmt noch in 20 Jahren auch Regionen, die im Prinzip abgehängt sind, wie wir das in Europa heutzutage auch haben. Die Frage ist bloß, wie man Ungleichheit reduzieren kann und Ideen umsetzt, dass ländliches Afrika nicht gleich Kleinbauern bedeutet. Also es geht auch darum, über die Idee von Kleinbauerntum, über Landwirtschaft hinaus Visionen für den ländlichen Raum in Afrika zu entwickeln. Erzählerin: Es gäbe also viele Mosaiksteinchen, um auch in Afrika trotz der Klimakrise genug Lebensmittel für alle zu produzieren. Ob das gelingt oder nicht, und ob sich dann alle auch genug Nahrung leisten können, wird allerdings nur zu einem geringen Teil auf dem Acker entschieden. Sondern berührt Fragen von Verteilung, Förderung, Marktzugang, Machtverhältnissen. Mir kommt nochmal das Fazit von Francisco Mari in den Sinn, dem Ernährungsexperten von Brot für die Welt: Den Schlüssel haben Produzentinnen und Produzenten in Afrika selbst in der Hand, Menschen also wie Nancy Kemboi und ihre weniger erfolgreichen Kolleginnen. Doch das alleine wird nicht reichen - um den Wandel wirklich umsetzen zu können, werden sie Unterstützung brauchen. Auch aus Europa und Deutschland. Musik: DJ Raph (cont.) Absage: Die Erntemacher Wie die Ernährung in Afrika gesichert werden kann Ein Feature von Bettina Rühl. Es sprachen: Lena Stolze, Henning Nöhren, Merle Wasmuth, Tilmar Kuhn, Nina Weniger und Maximilian Held. Technische Realisation: Pascal Thinius Regieassistenz: Oliver Martin Regie: Nikolai von Koslowski Redaktion: Nikolaus Steiner und Johanna Tirnthal Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks mit dem Deutschlandfunk 2023 1