Hörspiel Feature Radiokunst Feature Zuflucht auf Probe - Schmerwitz und die Geflüchteten Autor: Florian Guckelsberger Regie: Friederike Wigger Redaktion: Christiane Habermalz Produktion: Deutschlandfunk 2025 Erstsendung: Dienstag, 04.02.2025, 19:15 Uhr Es sprachen: Talin Lopez, Florens Schmidt, Robert Frank, Nicolas Sidiropulos, Sina Martens, Lisa Hrdina Ton und Technik: Hermann Leppich Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Atmo 1 Schmerwitz im Winter Sprecher 1 Am Ortsrand von Schmerwitz steht ein großes weißes Gebäude. Die Alten erinnern sich, dass hier früher die Kampfgruppen schliefen, die die DDR im Dorf ausbilden ließ. Sie nennen es: Haus Fünf. Für den Landkreis Potsdam-Mittelmark ist es eine Gemeinschaftsunterkunft. Und die Geflüchteten, die seit einem halben Jahr in dem Haus leben, sagen: Zuhause. Atmo 2 Weihnachtsmusik (wird langsam lauter) Sprecher 1 Das Haus mit den vielen Namen ist ein nüchterner, 50 Meter langer Kasten, etwas mehr als 100 Zimmer auf vier Stockwerken. Doppelverglaste Fenster, Linoleum, weiße Wände. Das Gebäude ist geschmückt, bald ist Weihnachten. O-Ton 1 Jean Rouh (Englisch): I am nervous. I hope they'll ... I mean, I hope we will have a good vote at the end. And I hope that they are happy with what we are doing here. OV 1 Ich bin nervös ... Ich hoffe, die Abstimmung läuft gut und die Menschen sind zufrieden mit dem, was wir hier tun. Sprecher 1 Es ist der 12. Dezember. Heute endet die Probezeit für das Projekt und die Bewohner des Hauses. Sechs Monate haben die Schmerwitzer dem Exile Media Hub gegeben. Jetzt stimmt das Dorf ab: Dürfen die Geflüchteten bleiben? O-Ton 2 Sareh Oveysi (Englisch): No, I don't want to think about negative things. As you know, yeah, I had enough negative things in my life. Then I want to have a hope for everything. OV 2 Ich will keine negativen Gedanken haben. Ich habe viel Schlimmes erlebt. Jetzt möchte ich Hoffnung haben. Sprecher 1 Jean Rouh und Sareh Oveysi legen Weihnachtsplätzchen auf Teller, füllen Kaffeekannen mit Glühwein; und warten auf die Menschen aus dem Dorf. O-Ton 3 Jean Rouh (Englisch): After the elections two months ago, it shows that Schmerwitz has voted for AFD. Not all of Schmerwitz, but many people at Schmerwitz voted for AFD. And that made me nervous. And maybe because of that, I'm nervous now. OV 1 Ich hoffe, dass alles gut geht. Aber bei der Wahl vor zwei Monaten, da hat Schmerwitz AfD gewählt. Nicht alle, aber viele. Deswegen bin ich jetzt nervös. Musik Zitatorin Zuflucht auf Probe - Schmerwitz und die Geflüchteten Ein Feature von Florian Guckelsberger Atmo 3 Auf der Terrasse O-Ton 4 Arif Fakorizada (Englisch): Our Heim is quite cool. Quite cool. We are having good rooms and the building is quite good. Most of the time we are sitting together here, enjoying life. Making fun, cooking together sometimes. That is what I like about this place a lot. Comparatively than other Heim, it is quite better ... no. It is the best, I can say. OV 3 Unser Heim cool. Wirklich cool. Die Zimmer sind schön, das Gebäude auch. Wir verbringen Zeit miteinander, genießen das Leben. Wir haben Spaß, manchmal kochen wir zusammen. Das mag ich an diesem Ort. Im Vergleich zu anderen ist unser Heim viel besser. Nein, es ist das Beste! Sprecher 1 Arif Fakorizada kommt aus Afghanistan. O-Ton 5 Arif Fakorizada (Englisch): Before I was in Eisenhüttenstadt and the other one was in Frankfurt Oder. Then I came here and join. Everybody here has a specific skill. Some are photographers, artists, musicians. I am a software developer, software engineer. OV 3 Vorher war ich in Eisenhüttenstadt und in Frankfurt Oder. Dann kam ich hierher. Jeder hat spezielle Fähigkeiten. Hier leben Künstler, Fotografen und Musiker. Ich bin Programmierer. Musik Sprecher 1 Schmerwitz in Brandenburg ist ein Nest mit 336 Einwohnern. Mit rund 20 anderen Geflüchteten teilt Arif Fakorizada sich das große Haus am Dorfrand. Das Exile Media Hub ist ein Projekt, das geflüchteten Medienschaffenden in Brandenburg eine sichere Bleibe und einen Ort zum Arbeiten verschaffen soll. Im Erdgeschoß gibt es ein großes Wohnzimmer, eine Küche, zwei Bäder und drei Räume, die als Fitnessraum sowie als provisorisches Aufnahme- und Fotostudio dienen. Im ersten Stock schlafen die Geflüchteten. Zwei Stockwerke stehen leer. Das ist der Deal. Denn die Dorfbewohner hatten protestiert, als der Landkreis im Dorf über 100 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unterbringen wollte. Zu viele für ein kleines Dorf, in dem bereits Syrer und Ukrainer leben, fanden die Schmerwitzer; und demonstrierten vor dem Kreistag. O-Ton 6 Claudia Kocerka: Also wir haben ja im Prinzip dagegen protestiert, dass dort nochmal eine GU hinkommt. Es ging ja nicht darum, dass wir keine Flüchtlinge haben wollten, aber wir wollten eben nicht noch mehr, noch eine höhere Dichte haben, als sowieso schon da war, genau. O-Ton 7 Anwohner X: Also gerade im Dorf war ja ein bisschen schlimmer mit den Syrern und das alles. Weil sie wollten uns ja hier mit über 250 Asylanten vollstopfen, sage ich jetzt mal so. O-Ton 8 Britta Aisch: Also mir ging es eigentlich darum, einfach zu sagen: Nee, nicht noch mehr Flüchtlinge. Ja, es reicht doch, wir sind ja wahrscheinlich wirklich der Ort bundesweit, der prozentual die meisten Flüchtlinge hat. Muss man sich einfach nochmal ausrechnen. Also, wenn ich mir vorstelle, Bad Belzig hat wie viele Einwohner? 8000? Wenn da 4000 Flüchtlinge wären, 50 Prozent Flüchtlinge, würde doch keiner machen. O-Ton 9 Jürgen Gottschalk: Man fühlte sich eben von den Lebensgewohnheiten der Ausländer in Anführungsstrichen gestört. Also schlafen bis Mittag, sage ich mal, abends das Leben zu genießen. Ja, während der normale, sage ich mal, Deutsche früh um sechs aufsteht, sich zur Arbeit fertig macht und dann abends um zehn wieder ins Bett geht. O-Ton 10 Anwohner X: Schimpfen tun sie alle....Wo wir das im ersten Moment erfahren haben, dass wir auch über 100 kommen sollten, und dann habe ich persönlich mit dem Bürgermeister gesprochen, weil er mich mal mitgenommen hat, und da hat er mir das Projekt erklärt unterwegs. Und da habe ich gesagt, das ist ja besser, als wenn Sie dann noch 150 Flüchtlinge ... richtige Flüchtlinge, reinhauen. Sprecher 1 Das Projekt, das ist das Exile Media Hub. Musik Ein Kompromiss, auf den sich das Dorf bei einer Abstimmung einlässt. Maximal 30 Medienschaffende aus Kriegs- und Krisengebieten, statt hundert geflüchtete Ukrainer. Ende des Jahres, verspricht der Bürgermeister, darf das Dorf erneut abstimmen, ob das Exile Media Hub und seine Bewohner bleiben dürfen. Ein halbes Jahr Zeit, um die Dorfbewohner für sich einzunehmen. Atmo 4 Musik im Raum Sprecher 1 Ein lauer Abend im September. Zitatorin 90 Tage bis zur Abstimmung O-Ton 11 Klaas Glenewinkel: Mir geht es weniger um das sexuell Explizite. Sondern jetzt eher um die Gesamtinszenierung. Dass wir uns ja hier im Haupt-Wohnzimmer einer Gemeinschaftsunterkunft befinden. Dass es vielleicht besser wäre, dass irgendwie an den Rand zu hängen. Sprecher 1 Im Exile Media Hub wird eine Foto-Ausstellung aufgebaut. Klaas Glenewinkel steht im Gemeinschafts-Wohnzimmer und betrachtet skeptisch ein Bild an der Wand. Neben ihm die Fotografin Sareh Oveysi. Die Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigt eine Frau, in deren offenem Mund ein Ball steckt, der von einem um ihren Kopf geschlungenen Lederriemen gehalten wird. O-Ton 12 Klaas Glenewinkel (Englisch): But who am I to decide? Sprecher 1 Klaas Glenewinkel hat das Exile Media Hub ins Leben gerufen. Zusammen mit seiner Frau leitet er MICT - Media in Cooperation and Transition. Die Organisation richtet weltweit Schutzräume für Medienschaffende auf der Flucht ein. Das Projekt in Schmerwitz ist das erste der Organisation in Deutschland. Aber warum in einem winzigen Dorf weitab vom Schuss? In Hamburg und Berlin, sagt Glenewinkel, habe er keine Immobilie für das Hub gefunden. Dann lernte er den Bürgermeister der Gemeinde kennen, zu der Schmerwitz gehört, Marco Beckendorf. Der war sofort begeistert von der Idee. O-Ton 13 Sareh Oveysi (Englisch): To see my art, makes me like really good. Because I come from somewhere, always they didn't want to see. And then right now, it's like a different situation and it makes me like really happy and excited. Always I didn't publish, because I was not in super safe countries. In Turkey, Iran ... that is why I was thinking, maybe here, I can do that. OV 2 Meine Kunst so zu sehen, fühlt sich gut an. Wo ich herkomme, wäre das nicht möglich gewesen. Jetzt bin ich sehr glücklich und aufgeregt. Ich konnte nie veröffentlichen, denn ich war nie an wirklich sicheren Orten, ob im Iran oder in der Türkei. Aber in Deutschland habe ich mir gedacht, da muss sowas doch möglich sein. Musik Sprecher 1 Jede der hier hängenden Aufnahmen hätte Oveysi in ihrer Heimat Iran ins Gefängnis gebracht. Nackte Frauen, unverhüllte Haare und ein schwarzer Schleier, der die gezeigten Körper mehr betont als verhüllt. Fotos, an denen sie auf ihrer Flucht über Georgien und die Türkei gearbeitet hat. Aber auch für die Schmerwitzer sind manche ihrer Bilder vielleicht gewöhnungsbedürftig. O-Ton 14 Klaas Glenewinkel: Ich persönlich find die beiden Bilder problematisch. Genau. Weil da geht es ja um ... äh. Wie heißt denn das? BDS? (lacht) Jean Rough (Englisch): I think they are totally fine. They are totally fine with the people living here. They even helped her to hang all the pictures on the walls. OV 1 Ich finde die Bilder unproblematisch. Die anderen im Haus sehen das auch entspannt. Sie haben Sareh ja sogar beim Aufhängen geholfen. Sprecher 1 Es war nicht einfach, erzählt Glenewinkel, Geflüchtete zu finden, die gut ins Exile Media Hub passen. In Brandenburgs Erstaufnahmeeinrichtungen sei das Interesse zwar groß gewesen. Aber dort habe man die Berufe der Bewohner gar nicht gekannt. Mehrfach sei er nach Frankfurt Oder und nach Eisenhüttenstadt gefahren und habe Interviews mit mühsam einzeln identifizierten Journalisten oder Künstlern geführt. Ihm sei vor allem wichtig gewesen, dass auch die Geflüchteten wissen, worauf sie sich einlassen - also auf ein kleines Dorf, mehr als eine Autostunde von Berlin entfernt. Dafür mit der Chance, in kleinen Ateliers oder Büroräumen wieder an Projekten arbeiten zu können. Atmo 5 Unterwegs in Schmerwitz Zitatorin Noch 87 Tage bis zur Abstimmung. Sprecher 1 Die Bewohner des Exile Media Hub wollen die Dorfbewohner mit einbeziehen in ihre Arbeit, ihnen zeigen, was sie dort eigentlich tun. Gar nicht so einfach. O-Ton 15 Sareh Oveysi (Englisch): We are going to Elke ... Elke? She is 60 years old. OV 2 Wir sind auf dem Weg zu Elke. Sie ist 60 Jahre alt. Jean Rouh (Englisch): More. I think more than 70. OV 1 Ne, die ist noch älter. Über 70. O-Ton 15a Sareh Oveysi (Englisch): And we wanna ask her about the project I am doing right now to shoot village people. Especially, like 60 years or 70 years old. The idea comes from supporting people who can be in social less. But I want to support and show them. OV 2 Ich will sie fragen, ob sie Lust hat, bei meinem Projekt mitzumachen. Ich würde gerne alte Menschen aus Schmerwitz fotografieren. Die Idee ist, Menschen zu zeigen, die nicht mehr so oft aus dem Haus kommen. Sprecher 1 Jean Rouh hat der jungen Fotografin versprochen, ihr mit Kontakten im Dorf zu helfen. Er stammt aus Damaskus, kam selber 2015 als Kriegsflüchtling nach Schmerwitz. Heute lebt er im Nachbarort und ist Projektleiter des Exile Media Hub. Ein Anwohner kommt den beiden entgegen, doch die alte Dame ist nicht in ihrer Wohnung. O-Ton 16 Sareh Oveysi: Hallo, guten Tag Anwohner: Hallo! Jean Rouh (Englisch): We should come like really early, like 8 o'clock maximum. OV 1 Wir hätten früher kommen müssen, am besten vor 8 Uhr. Sareh Oveysi (Englisch) Can you write something? We can write something and just put, you know? This is fourth time we come. Fourth time, yeah? Fourth time we come and she's not here. OV 2 Kannst Du ihr nicht einen Zettel schreiben? Wir sind jetzt zum vierten Mal hier und nie ist sie zu Hause. Sprecher 1 Enttäuscht schaut Oveysi in die dunkle Wohnung. Auf dem Rückweg zeigt Rouh auf ein Haus am Dorfrand. O-Ton 17 Jean Rouh (Englisch): Actually, my parents were living here. OV 1 ...hier haben meine Eltern gelebt. Sareh Oveysi (Englisch): No! Jean Rouh (Englisch): Yes, in this apartment, in this flat. And when I first came to Germany, I lived with them for a couple of months. So, because of that, I know Schmerwitz and the people in Schmerwitz. It's really nice place, I love it here. Really calm and... Yeah, and the people are really nice OV 1 in dieser Wohnung haben wir die ersten Monate gewohnt. Darum kenne ich das Dorf und die Menschen. Es gefällt mir richtig gut hier, ein ruhiger Ort mit freundlichen Menschen. Musik O-Ton 18 Britta Aisch: Und wir haben uns immer darauf berufen, dass wir es eigentlich vorgemacht haben, 2015, mit der Initiative, die hier unser Nachbar Herr Blatt ins Leben gerufen hat, Willkommen Schmerwitz. Und da wurden dann den Familien, da kamen die ersten syrischen Familien hier an. Und da wurden den Familien ein bis zwei Paten hier zugeordnet, das waren Freiwillige hier aus dem Ort. O-Ton 19 Claudia Kocerka: Ja, also wir waren halt alle super engagiert. Es war natürlich eine total aufgewühlte, emotionale Stimmung damals in Deutschland, also mit den vielen Flüchtlingen und dem Krieg und allem. O-Ton 20 Frau Thomas: Wir haben eine ganze Menge hier an Flüchtlingen und als die ersten damals kamen, waren wir, nämlich mein Mann, der lebt ja nicht mehr. Mein Mann und ich, diejenigen, die da sehr viel gespendet haben und hingebracht haben, dass sie sich erstmal einigermaßen einrichten konnten. Aber im Laufe der Zeit sind es eben so viele geworden und ich finde, die sind auch teilweise manchmal sehr unfreundlich. O-Ton 21 Herr Bondieck: Das ist mit den Syrern und so weiter, die hier auch noch in der Gegend und dass wir drauf und zugucken müssen, wie die alles vermüllen hier, ja, auf Deutsch. Frau Bondieck: Ja, gucken sie sich da die Kleidercontainer an. Da muss die Gemeinde schon oft kommen und aufräumen. Herr Bondieck: So sieht die Sache aus. Begeistert sind wir nicht. Frau Bondieck: Und es gibt schon viele Familien, oder etliche Familien, die weggezogen sind von hier, weil der Krach von den Kindern zu doll war, auch zu lange in der Woche, bis nachts, halb elf, wo andere Leute arbeiten müssen. O-Ton 22 Britta Aisch: Im Ortskern sind eben Kinder laut. Aber da kann man auch mit den Kindern sprechen. Das ist nicht schlimm. Wenn die da oben Fußball spielen. Olaf Aisch: Man hört es ja, wenn sie oben Fußball spielen. Und dann geht es halt, yalla, yalla. Und dann auf Syrisch. Der da oben wohnt, der das nicht gewöhnt ist, dem gehen natürlich die Haare hoch. O-Ton 23 Claudia Kocerka: Na ja, die sitzen dann eben auch viel draußen in größeren Gruppierungen und es ist gar nicht, das ist gar nicht schlimm, aber es ist eben, wir sind halt viele auf engem Raum hier, die eben verschiedene Bedürfnisse haben und da gab es dann eben immer wieder Konfliktpotenzial und Anspannungspotenzial oder dass eben der Müll auch viel überall hingeworfen wird, wahrscheinlich von den Kindern, die haben da eben eine andere, ja weiß ich nicht, anderen Bezug dazu, genau. Zitatorin 82 Tage bis zur Abstimmung. Musik Sprecher 1 21. September. Einige Bewohner des Exile Media Hubs haben sich auf der Terrasse versammelt. Da ist der Programmierer Arif Fakorizada aus Afghanistan, der Schach liebt. Ilya und Daria sind geflohene Journalisten aus Russland und dem Sudan, die ihre vollen Namen lieber nicht nennen möchten. Da sind der Musikproduzent William Waters aus Südafrika und der kurdische Umweltaktivist Hawar Ahmadi. Die iranische Fotografin Sareh Oveysi und der sudanesische Programmierer Awab Hassan sind ebenfalls gekommen. O-Ton 24 Klaas Glenewinkel (Englisch): Okay, tomorrow are elections here. And this is very interesting. But you know a little bit about German politics? Nothing? Maybe you don't want to know. Sprecher 1 indirekt: Morgen wird hier gewählt. Das wird spannend, sagt Glenewinkel. Und fragt, was sie über Politik wissen, über deutsche Politik. Nichts? Arif Fakorizada (Englisch): Ali is the one who is following the news and he knows everything. OV 3 Ali kennt sich gut aus, er schaut Nachrichten. Kim (Englisch): He told me that there are two things, SPD and AfD. OV 5 Er hat gesagt, es gibt zwei Parteien. SPD und AfD. William Waters (Englisch): CDU. Sareh Oveysi (Englisch): This is new? CDU? OV 2 CDU? Ist die neu? Arif Fakorizada (Englisch): CDU is the most important party I think with AfD and this East of Germany, you know. OV 3 Die CDU und die AfD sind die beiden wichtigsten Parteien im Osten von Deutschland. Kim (Englisch): So, who do you think is going to win? OV 5 Was glaubst Du, wer wird gewinnen? Klaas Glenewinkel (Englisch): The single party which gets the most votes is a party which is hostile to refugees. Sprecher 1 Die stärkste Partei im Osten ist eine, die Flüchtlinge eben ablehnt. Arif Fakorizada (Englisch): Like AfD, you mean? OV 3 Wie die AfD, oder? Klaas Glenewinkel (Englisch): That's the one. Sareh Oveysi (Englisch): I heard Brandenburg, they will win. There are many. OV 2 Ich habe gehört, sie werden in Brandenburg gewinnen. Sie sind viele. O-Ton 25 Klaas Glenewinkel (Englisch): Before we started this project, here we talked a lot with the residents with the people from the village here. And so, I hope they have now a good image of refugees because everybody I meet, who was here, came here said: Oh, they're so nice and stuff. So, this village here is okay with politics. So, there's not many right-wing people in this village. But tomorrow we will know the truth. Sprecher 1 Schon bevor das Projekt gestartet sei, habe man viel mit den Leuten hier gesprochen, sagt Glenewinkel. Sie werden schon ein gutes Bild von den Geflüchteten haben. Und nein, er glaube nicht, dass es hier viele Rechte gibt... Frei: But tomorrow we will know the truth. Zäsur Musik O-Ton 26 Sareh Oveysi (Englisch): When it's my birthday, I'm really happy. But last birthday I had, it was in camp. And I wasn't happy. I was really alone. The picture I have a really painful is like, I put the candle in piece of the cake, a small cake. And then, in front of a window, it wasn't good ... (weint) OV 2 An meinem Geburtstag geht es mir eigentlich immer gut. Aber letztes Jahr war ich im Lager. Ich war traurig, und sehr einsam. Die Erinnerung tut weh. Ich habe eine Kerze in so einen kleinen Kuchen gesteckt ... Sprecher 1 Sareh Oveysi erzählt von ihrem Weg nach Schmerwitz. Von ihrer Zeit in der Erstaufnahmeeinrichtung in Frankfurt Oder. Sie wurde 1988 in Teheran geboren. Schon ihre Mutter interessierte sich für Fotografie. O-Ton 27 Sareh Oveysi (Englisch): My mom, she was really interested about the video and photo, but never she didn't go work out. And it's just she had because my father knows she likes he take for him a camera and say his are that old one. And then when we were child, me and my brother always we were in front of my mom camera in home to do something for her. OV 2 Meine Mutter wollte immer fotografieren und filmen, aber sie konnte nie damit arbeiten. Also hat mein Vater ihr eine alte Kamera gekauft. Mein Bruder und ich mussten dann zu Hause ständig für sie posieren. Sprecher 1 Später will auch Sareh Fotografin werden. Sie mietet ein Studio und dekoriert es mit Plastikblumen, die sie von ihrem Vater zur Eröffnung geschenkt bekommt. Doch schnell langweilt sie sich bei den immergleichen Portraits von schwangeren Frauen, Babys und glücklichen Familien. O-Ton 28 Sareh Oveysi (Englisch): And then we had like, I start my favorite shooting. There are like a lot of problem. You couldn't just focus. Oh, I want to put, you know, you couldn't focus on art and photo. And I just start to have a shooting art in artistic way. And then I had some shooting like portrait without hijab. And I start to share in Instagram just to have more energy. You know, I mean, to take more motivation to when people like I do more, you know, I'm artistic. OV 2 Irgendwann habe ich angefangen, künstlerisch zu arbeiten. Im Iran war das nicht so einfach, wir hatten viele Probleme. Einfach nur Kunst machen zu wollen, ist nicht leicht. Aber ich bin anspruchsvoller geworden. Und dann habe ich Frauen ohne Kopftuch fotografiert und die Bilder auf Instagram geteilt. Das hat mir so viel Energie gegeben, die Kunst hat mich motiviert. Sprecher 1 Oveysi wird von der Geheimpolizei vorgeladen und sie und ihre Eltern beschließen, dass es für sie keine sichere Zukunft in Iran gibt. Sie flieht. Musik O-Ton 29 Sareh Oveysi (Farsi): ?? ??? ???? ??? ??? ????? ??? ??? ????? ??? ????? ??? ??? ?? ?????? ????? ?????? ?????? ??? ?????? ????? ??? ????? ? ?? ????? ? ?? ?????? ???? ???? ???? ?????? ?? OV 2 Aus diesem Schleier Aus dieser Dunkelheit Aus diesem Kummer Den du um uns gewoben hast Wir fürchten die Stille nicht Wir sind Schmetterlinge Aus der Dunkelheit, aus der Trauer Aus tausend Kokons werden wir schlüpfen Atmo 6 Sommerfest Sprecher 1 22. September 2024. Landtagswahlen in Brandenburg. Und Sommerfest im Exile Media Hub. Haus und Bewohner haben sich herausgeputzt, das ganze Dorf ist eingeladen. Es gibt Getränke, Kaffee und Kuchen und einen Fernseher, an dem alle am Abend die Landtagswahl verfolgen wollen. Zitatorin Noch 81 Tage bis zur Abstimmung O-Ton 30 Klaas Glenewinkel: Wer hätte das gedacht, das so viele Leute kommen? Hello! Hi! Good to See you! Habt ihr alle Kaffee? Sprecher 1 Klaas Glenewinkel hat eine Gruppe syrischer Jungs aus dem Dorf entdeckt, die unsicher herumstehen und nicht so recht zu wissen scheinen, was sie mit sich anfangen sollen. O-Ton 31 Klaas Glenewinkel: Wie viele Kinder gibt es denn hier aus Syrien? Was würdet ihr schätzen? Junge: Keine Ahnung. Kann man nicht zählen. Klaas Glenewinkel: Na, mehr als zehn oder weniger als zehn? Junge: Mehr! Kann sein ... richtig mehr! Klaas Glenewinkel: Richtig mehr? Junge: Das kann man nicht zählen. Klaas Glenewinkel: Habt ihr schon den Kuchen probiert? Kann ich euch einladen? Sprecher 1 Die Gäste sitzen m Schatten der Markise und genießen den warmen Herbsttag. Aus dem Dorf sind ein paar Neugierige gekommen. Arif hat ein Schachbrett aufgebaut, Jean ist im Gespräch mit Hausmeisterin Elke Knauer und Sareh hilft, Getränke an die Gäste auszuschenken. O-Ton 32 Klaas Glenewinkel: Erstmal herzlich willkommen. Wir freuen uns alle riesig, dass so viele gekommen sind heute. Ich finde das ganz toll, dass wir jetzt hier so viele sind und sich so viele dafür interessieren, was wir hier machen. Sprecher 1 Als es Abend wird, rollt William Waters den Fernseher auf die Terrasse. O-Ton 33 ARD-Wahlstudio: Hier jetzt die Zahlen für die Parteien in Brandenburg. SPD mit leichtem Vorsprung stärkste Partei, knapp 5 Punkte gewonnen. 32 Prozent. Die AfD knapp dahinter mit 30 Prozent. Die CDU mit ihrem vermutlich schlechtesten Ergebnis in Ostdeutschland überhaupt: 12 Prozent, minus 4 Punkte. Die Grünen 5 Prozent, halbiert. Knapp an der Fünfprozenthürde, die Linke weit drunter, 3 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht zieht mit 12 Prozent sicher in den Landtag ein. Die anderen Parteien kommen auf 4,3 Prozent, darunter die FDP mit weniger als einem Prozentpunkt. O-Ton 34 Alice Weidel im TV: Wir sind extrem zufrieden mit dem Ergebnis, aber wir sehen natürlich, dass hier taktisch abgestimmt wurde und die Stimmen auf Herrn Woidke gegangen sind. Aber das muss man einfach so akzeptieren. Das ist lediglich eine Etappe. Der Osten ist blau. Wir sind stärkste Kraft im Osten. Musik Sprecher 1 Der Landeswahlleiter meldet für Schmerwitz folgendes amtliches Endergebnis: Von 187 Wahlberechtigten haben 116 gewählt. Stärkste Kraft ist das Bündnis Sahra Wagenknecht mit 32 Stimmen. Sie liegt knapp vor der AfD mit 30 Stimmen. Zusammen erhalten diese beiden Parteien mehr als die Hälfte aller abgegebenen Stimmen. O-Ton 35 Anwohner X: Ich habe damit gerechnet, dass die AfD so abschneidet. Weil man ja der Altpartei nichts mehr zutraut. Das ist im Prinzip Protestwahl, die meisten, ob die alle überzeugt von der AfD waren oder von Sahra Wagenknecht, glaub ich kaum, also das ist bloß ... die haben die Schnauze voll. O-Ton 36 Frau Bondieck: Da waren wir schon etwas geschockt, dass so viel doch die AfD gewählt haben. Ich denke schon, dass es ein Protest ist, aber ob es richtig ist, glaube ich nicht. O-Ton 37 Jürgen Gottschalk: Ja, es gibt sicher radikale Leute, heute. Aber die Frage ist immer, warum sind die Leute so radikal geworden? Es gab ja nirgends eine Erziehung, die gesagt hat, wir wollen alles so wieder haben wie im Dritten Reich. O-Ton 38 Claudia Kocerka: Also die Wahlergebnisse waren ja in vielen Bundesländern und Landkreisen unterirdisch. Also ich denke eher, das hat wirklich was mit der allgemeinen Entwicklung zu tun. Das war ja schon in den vergangenen Wahlen so und mit unserer Bundesregierung, dass die Stimmung eben gekippt ist. O-Ton 39 Olaf Aisch: Das sind ja mehr oder weniger die Protestwähler. Britta Aisch: Ja, die sich aber auch nicht mit einem Parteiprogramm auseinandersetzen oder lesen, sondern wirklich sagen, ich wähle Protest. Es muss sich hier was ändern. Aber es kann sich nichts ändern, wenn du hier AfD wählst. Das ist doch Schwachsinn. Olaf Aisch: Meine jüngeren Kollegen, die kannste alle fragen, die diskutieren auch nicht. die sagen eiskalt, ich wähle, und auch wenn ich noch einen zweiten Stimmzettel hätte, ich wähle AfD. Britta Aisch: Auweia. Atmo 7 Beat aus dem Lautsprecher O-Ton 40 William Waters (Englisch): Okay, let's do this, yeah? We're going to record, this is our session, our beat is on 120 BPM, and that's the record. OV 6 Alles klar, kann es losgehen? Wir nehmen das jetzt mit 120 beats per minute auf. Zitatorin Noch 42 Tage bis zur Abstimmung O-Ton 41 William Waters (Englisch): Okay, there we go. (räuspert sich und singt) Yeah, yeah / Waters / I say a prayer / I say a prayer / I let love lead the way and then I fall and say my prayers on my knees / I'm talking to the man upstairs / he got the keys to open up heaven's pearly gates / who is this? / Will Waters, the only one. Sprecher 1 William Waters nimmt die Kopfhörer ab und stoppt die Aufnahme. O-Ton 42 William Waters (Englisch): Welcome to my session. This is my screen and the software that I use. Pretty much what happens is, like I said earlier, it's difficult to have a routine. It's difficult to have a routine when you're not employed, not studying, you're getting it. OV 6 Das ist der Laptop und die Software die ich benutze. So läuft das. Es ist nicht einfach sich eine Routine aufzubauen, wenn man keinen Job hat und nicht studiert. Sprecher 1s Waters sitzt im Büro im Erdgeschoß des Exile Media Hubs. Von seinem Laptop führt ein Kabel zum Mikrofon, das er in eine Röhre aus provisorisch aufgerolltem Schaumstoff gesteckt hat, um gegen den Hall in dem leeren Zimmer anzukommen. O-Ton 43 William Waters (Englisch): I'm a bit skeptical towards violence in my songs. I know rap music has a connection to violence, a lot. I've seen violence, I'm terrified of it. OV 6 Ich bin in meinen Songs sehr zurückhaltend, was Gewalt angeht. Obwohl das im Rap eigentlich immer eine Rolle spielt. Ich habe Gewalt erlebt und wirklich Angst davor. Hier in Deutschland fühl ich mich sicherer. Sprecher 1 Waters ist aus Südafrika nach Deutschland gekommen. Ein Land, in dem viele Menschen unter hoher Kriminalität leiden. O-Ton 44 William Waters (Englisch): Very peaceful. That's the first word. Peace, peace, peace, peace. You only appreciate peace when you're coming from chaos. (macht die Musik aus) Most people, 70%, are so into themselves and their space. Like, they're so security-driven, they're protective of their space, which is understandable. But those who are open to have us are really genuine, I think, and we enjoy them. OV 6 Schmerwitz ist so friedlich. Unglaublich friedlich! Nur wenn du aus dem Chaos kommst, weißt du das wirklich zu schätzen. Die meisten Menschen im Dorf sind aber so mit sich selbst beschäftigt. Sie versuchen, ihren Platz zu verteidigen. Ich versteh das. Aber die, die offen sind, mit denen verstehen wir uns super. Sprecher 1 Wie hat der Musiker den Wahlabend erlebt? Hat ihn überrascht, dass fremdenfeindliche Parteien auch in Schmerwitz so gut abgeschnitten haben? O-Ton 45 William Waters (Englisch): Honestly speaking, I was not, I was not surprised. I can see it, I can feel it. (...) But other than that, I was not surprised. I don't say I blame them, everyone has their own choice, but surprise, no. (...) Yeah, a lot of times, come on, I'm black. What do you expect? I'm black. I'm not going to be really welcomed in every room, and, like, I know it, and I live with it, and there's nothing to do about it. (...) We spoke about it, but not for much, not for long. The thing is, also we are not, the thing is we are not that familiar with German politics. So even when we sat, when we spoke about it, we were like, oh, they voted AFD, but then the main thing everyone was like, oh, at least we thank God they didn't win, so we can breathe for another day and see what happens after that. OV 6 Überrascht war ich nicht, ehrlich gesagt. Ich sehe das und ich spüre das jeden Tag. Ich verurteile niemanden, jeder trifft seine Wahl: aber überrascht war ich nicht. Was glaubst Du, ich bin Schwarz. Ich weiß genau, dass ich nicht überall willkommen bin. Daran kann ich nichts ändern, also lebe ich damit. Mit den anderen habe ich nicht viel über die Wahl gesprochen. Wir verstehen nicht so viel von deutscher Politik. Aber alle waren froh, dass die AfD nicht gewonnen hat. Wir können also erstmal weitermachen und abwarten, was passiert. Sprecher 1 Waters sagt, mit Musik könne er seine Gefühle verarbeiten. In seinem letzten Stück bedankt er sich bei Menschen, die ihm in den letzten Monaten den Rücken gestärkt haben. Menschen aus dem Haus, dem Dorf und der Umgebung. O-Ton 46 William Waters (Englisch): Although, personally, when I'm on my own I feel certain rage. I would not say that this area has a reason for me to feel that way I can't blame it on the area or the music. In the summer I would ride towards Klein Glien. Then before you get to Klein Glien, there's that long stretch after that hill. So while you're riding you can just like scream. And I'd just go there and just scream sooooo loud! So, so loud. OV 6 Obwohl, manchmal, wenn ich alleine bin, dann spüre ich auch diese Wut. Daran ist niemand Schuld, es passiert einfach. Dann steige ich auf mein Fahrrad und fahre Richtung Klein Glien. Da gibt es einen langen Abschnitt, wo es nur bergab geht. Und da rase ich runter und schreie. Ich fahre einfach immer schneller und schreie immer lauter! So laut! Musik-Trenner Atmo 9 Schmerwitz im Herbst Sprecher 1 Nur wenige Meter vom Schmerwitzer Gutshof entfernt, lebt Christel Ladeweg in einem kleinen Fachwerkhaus, dem ältesten Haus hier. Niemand wohnt länger in Schmerwitz als sie. O-Ton 47 Christel Ladeweg: Hallo? Autor: Hallo. Darf ich? Grüße Sie, hallo. Christel Ladeweg: Grüß Sie Autor: Soll ich die Schuhe ausziehen? Christel Ladeweg: Ne, die können sie anlassen. Aber ne Tasse Kaffee mach ich erstmal, ja? Autor: Wo ist ihr Hund? Christel Ladeweg: Der ist in der der Stube.... Sprecher 1 Wir setzen uns an den Tisch in der kleinen Küche. Hund Elli ist ins Wohnzimmer geflüchtet. O-Ton 48 Christel Ladeweg: Wenn ich Ihnen das jetzt sage, wo ich geboren bin, dann glauben Sie mir das nicht. Ich bin in Schlesien geboren. Meine Eltern sind auch Flüchtlinge. Und das ganze Dorf war ja hier, seit 1945 waren da lauter Flüchtlinge. Und da waren zwei Baracken, wo sie gewohnt haben. Also ganz schön eng gewohnt. Musik Sprecher 1 Schmerwitz liegt im Fläming. Einem Teil Brandenburgs, der seinen Namen protestantischen Glaubensflüchtlingen verdankt. Wie in vielen Regionen Deutschlands hat auch hier über Jahrhunderte die Migration das Leben geprägt. Niederländer, Schweizer Kolonisten und Hugenotten kamen seit dem 17. Jahrhundert. Brandenburger wanderten nach Amerika, Polen und Russland aus. Später kamen Heimatvertriebene und Gastarbeiter, Spätaussiedler und Russlanddeutsche. Die Familie Ladeweg floh nach dem Zweiten Weltkrieg vor den Sowjets hierher - und fand eine neue Heimat. Heute blickt sie dennoch mit Skepsis auf die Menschen, die jetzt hierher geflohen sind. O-Ton 49 Christel Ladeweg: Ja, ich weiß auch nicht, dass man hier so vielleicht hier nicht unterdrückt wird, aber dass wir eben dann in der Minderheit sind und dass man dann eben doch nicht mehr so das Sagen hat hier. Dass wir so direkt überlaufen werden. Es ist eben sehr unruhig geworden hier, weil auch viel Polizeieinsatz ist, ja. Und eine Nacht haben sie hier irgendwie einen festgenagelt. Wen sie da gesucht und gefunden haben, weiß ich nicht. Jedenfalls haben wir, ja, wir haben protestiert ja das hier mit diesen Ausländern. Wir waren ja mit unseren Plakaten, wir waren ja auch in Werder gewesen, hier beim Landtag. Da war so eine große Versammlung, wo der ganze Landtag zusammenkam und da haben wir uns ja dann hingestellt mit unseren Plakaten. Autor: Was stand da drauf? Christel Ladeweg: Zum Beispiel, dass das nicht in Ordnung ist, dass hier mehr Flüchtlinge hier sind als Einwohner. Jedenfalls war das ja auch nicht richtig hier und weil sie ja jetzt so viel, die wollten ja das ganze Altenheim da vollpropfen sozusagen mit Ausländern und das war nicht gut. Sprecher 1 Ob sie angesichts der Geflüchteten ab und an daran denkt, wie ihre Eltern vor sieben Jahrzehnten nach Schmerwitz kamen? O-Ton 50 Christel Ladeweg: Also ich denke mir damals hier, dass man das nicht vergleichen kann, weil, das ist ja aus, da sind ja Deutsche vertrieben worden und die sind ja hier aufgenommen worden, hier in dem Deutschland. Und die kommen ja da aus Schlesien und so, was jetzt Polen ist. Und ich bin immer der Meinung, dass kann man damit nicht vergleichen, denn das sind ja total fremde Leute für uns. Verstehen Sie das? Musik Zitatorin Von: Polizeidirektion West / Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Sehr geehrter Herr Guckelsberger, ich habe ihre Anfrage über die zuständige Dienststelle recherchieren lassen. Dort hat man mir mitgeteilt, dass es in den vergangenen zwei Jahren - im Kontext mit Geflüchteten in Schmerwitz - zu keiner signifikanten Steigerung polizeilicher Einsätze kam. Weiter heißt es, dass die Gemeinschaftsunterkunft in Schmerwitz - im Vergleich zu anderen Unterkünften - sogar weniger polizeilich in Erscheinung tritt. Mit freundlichen Grüßen aus Brandenburg an der Havel Im Auftrag Oliver Bergholz Polizeihauptkommissar Atmo 10 Schmerwitz im Herbst Sprecher 1 Das Laub der Bäume hat sich längst verfärbt. Raureif an den Fensterscheiben des Exile Media Hub. Ein träger Morgen im November. Zitatorin: Noch 27 Tage bis zur Abstimmung Sprecher 1 Sareh Oveysi hantiert in dem kleinen Fotoatelier und trifft letzte Vorbereitungen. Wie eine kleine Wolke hängt der mit Stoff bespannte Blitzschirm im Raum. O-Ton 51 Elke Knauer: Ich gucke zu Gabi Schrader: Mein Mann hat zumindest gestattet ... Sareh Oveysi: Ah, hello! Wie geht es Dir? Schön, ich habe dich hier. Ich weiß, in Deutsch ... Gabi Schrader: Gabi! Sareh Oveysi: Gabi, okay (lacht) Sprecher 1 Im Flur vor dem kleinen Atelier stehen zwei Frauen. Die Hausmeisterin Elke Knauer hat ihre Freundin Gabi Schrader mitgebracht. Beide sind aufgeregt. O-Ton 52 Gabi Schrader: Mein Mann hat gesagt: Frei ja. Sareh Oveysi (Englisch) It is just portrait for face. Autor: Es geht nur um ein Foto von ihrem Gesicht. Gabi Schrader: Mein Mann hat nichts dagegen, bis hierher ... darf es auch frei sein, von hinten. Je nachdem, was nötig ist ... Sprecher 1 Es ist Oveysis erstes Fotoshooting in Schmerwitz. Die Frauen kichern und sind bester Stimmung. O-Ton 53 Autor: Sie würde gerne ein Portrait machen und da würde man den Hals sehen, ungefähr so bis hier. Wenn der Teil sozusagen frei ist. Alles andere ...Autor: leider steh ich jetzt auch noch hier rum.... Gabi Schrader: Ist okay. Ich habe vier Söhne. O-Ton 54 Sareh Oveysi: Magst Du Musik? Sprecher 1: Oveysi holt ihr Handy raus und schaltet die Kleine Box an, die auf dem Sofa des Ateliers steht. Gabi Schrader: Äh, ja. Sareh Oveysi: Ja? Wir können haben eine music play. Aber was ist your Lieblingsmusic? Gabi Schrader: Oh Gott. Schlager. Ich bin alt. Gabi Schrader: Matthias Reim! Sareh Oveysi (Englisch) This one? Gabi Schrader: Jo. Sareh Oveysi: There are many songs. Ich liebe dich? Gabi Schrader: Richtig, jaja. Sareh Oveysi: Nice, ich liebe dich ... Sprecher 1: Noch bevor Matthias Reim in Fahrt kommt, hat Gabi Schrader schon ihre Bluse aufgeknöpft und vorsichtig die Träger ihres BHs über die Schulter gestreift. Freundin Elke ist begeistert. O-Ton 55 Sareh Oveysi (Denglisch): And ... deine Brille? Ja, that's great! Schön, schön! Eins, zwei, drei. Ohh. Elke Knauer: Und? Sareh Oveysi (Englisch): Beautiful. I like it. Yes, different one. One two. Perfect. Sprecher 1: Oveysi dreht die Musik auf. Der Auslöser klickt und der Blitz friert die Bewegungen in dem kleinen Atelier am Rande des Dorfes für Milisekunden ein. O-Ton 56 Sarah Oveysi (Englisch): Last one. I really wanna if she can close and ... (atmet hörbar aus) and listen to the music. And then I take the last photo. OV 2 So, letztes Foto. Genieß die Musik, lass dich fallen! Fotoapparat klicken O-Ton 57 Sareh Oveysi (Englisch): You like it? Gabi Schrader: Ja, super. Ich dachte, ich muss erst noch schminken und ... Sareh Oveysi (Denglisch): Du bist wie Schauspielerin. Smile ... do this singing. People sometime come and do..... They can't even breath. Du bist sehr, sehr relaxed and beautiful. Gabi Schrader: Ich habe mich gefreut auf den Termin, weil es zwischen den vielen Arbeiten die nicht immer schön sind, das heute einfach was war, wo ich gedacht habe. Ja! Das will ich. Sprecher 1 Gabi Schrader greift nach ihrer Bluse während Sareh Oveysi die Bilder auf der Kamera durchgeht. O-Ton 58 Gabi Schrader: Ich habe vorhin überlegt, mit meiner Geschäftsführerin. Wir haben am 13. November in unserer Geschäftsführung eine Mitgliederversammlung. Und meine Idee war, deine Fotos da mal zu zeigen. Um den Menschen zu zeigen: Flüchtling ist mehr als nur Stress im Container. Sareh Oveysi (Englisch) That is so great! (lacht) You are really good with planning. I am in! What is I am in? Autor: Bin ich dabei. Sareh Oveysi: Bin ich dabei! Musikakzent Zitator 14 Tage bis zur Abstimmung O-Ton 59 Anwohner X: Ja, wir haben es gesehen, wir haben auch den Zettel gehabt, aber ich weiß nicht [lacht], ich habe kein Interesse da irgendwie, wie soll man sagen, näher zu kommen irgendwie. O-Ton 60 Herr Bondieck: Also wir können da nichts Negatives zu diesem Projekt sagen und nichts Positives, wir können eigentlich gar nichts dazu sagen. Frau Bondieck: Ja, wir haben eigentlich gar keine Ahnung davon. Herr Bondieck: Ich bin der Meinung, wir müssen das sowieso dulden, ob wir etwas wollen oder nicht. Der Landrat gibt das vor, der Landkreis, und dann fertig. O-Ton 61 Claudia Kocerka: Also ich persönlich finde das Projekt gut, sehr gut. Also habe ich da eine ganz positive Einstellung dazu, auch für die Menschen, die da leben und auch für uns im Dorf, genau. O-Ton 62 Jürgen Gottschalk: Heutzutage, sage ich mal, ist für uns Schmerwitz auch ein Ort der Ansiedlung von Ausländern. Weil, hier gibt es einen ganz großen Wohnblock oder mehrere Wohnblocks, wo viele Flüchtlinge untergebracht worden sind, sodass also die Dorfbevölkerung, was wir in Bad Belzig mitbekommen, schon negativ reagiert, sich als übervölkert fühlt. O-Ton 63 Britta Aisch: Also wir sind ja wirklich sehr, sehr offen und wir sind ja wirklich ein, wie sagt man, also so ein Dorf wie so ein bunter Blumenstrauß mit sehr, sehr viel Vielfalt und kann ja auch gut sein für so einen Ort, ja. O-Ton 64 Jürgen Gottschalk: Und wenn man denn natürlich die Zeitung noch liest. Ja, und da ist wieder der und da ist wieder das passiert. Oder wenn ich hier bei uns im Ort höre, hinter vorgehaltener Hand, Rauschgift kannst du da oben am Ausländerheim praktisch kriegen. Ja, das sind so negative Tendenzen, die will man nicht. O-Ton 65 Herr Bondieck: Vor allen Dingen wissen Sie, das kann ja nicht sein, die rennen ja alle mit ihrem Kopftuch rum und so weiter, wenn ich nach der Türkei oder sonst wo in ein Land reise, dann muss ich mich deren Sitten und Gebräuche anpassen, ansonsten habe ich ein Problem in den Ländern. In Deutschland ist alles möglich. Hier kann jeder rumrennen, wie er will und das finde ich nicht richtig, wenn man hierherkommt, muss man alle Konsequenzen sehen, auch die Kultur annehmen und dergleichen, da muss man sich nicht auf den Teppich knien und stundenlang beten oder irgendwas. Meine persönliche Meinung dazu. O-Ton 66 Claudia Kocerka: Ich glaube, dass niemand ein Problem damit hat. Also das kann ich mir nicht vorstellen. Es fühlt sich nicht so an auch für mich, was ich so an Stimmung mitbekomme hier. Also wir waren da, also ich zumindest war eigentlich sehr froh dann, dass es so umgesetzt wurde, wie es umgesetzt wurde, genau. Musik Sprecher 1 Einen Tag vor der Abstimmung in Schmerwitz wird Dietmar Woidke mit den Stimmen von SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht zum Ministerpräsidenten gewählt. Im Koalitionsvertrag heißt es: Zitatorin Wir stehen zum Grundrecht auf Asyl und bieten asylberechtigten Personen Schutz. Gleichzeitig erkennen wir den Handlungsbedarf zur Begrenzung und besseren Steuerung von Migration. Deswegen unterstützt Brandenburg alle geeigneten und rechtssicheren Maßnahmen zur Eindämmung, Verhinderung und Zurückweisung von illegaler und irregulärer Migration. O-Ton 67 Klaas Glenewinkel (Englisch): Hey Google, play English Christmas songs. Computer (Englisch): Sure, playing the album "50 Favorite Christmas Carols from England on deezer" Atmo 11 Weihnachtsmusik Zitatorin: Tag der Abstimmung Atmo 12 Küche Sprecher 1 Arif Fakorizada und Sareh Oveysi stehen in der Küche des Exile Media Hub. Sie schneiden Christstollen in Scheiben. O-Ton 68 Arif Fakorizada (Englisch): Should I put the Glühwein in? So, there is no formula, just heat and... Klaas Glenewinkel (Englisch): Just heat it, ja. Arif Fakorizada (Englisch): Cool. Sareh Oveysi (Englisch): You know what is that? Because you can try before guests coming, but not drink all. Sprecher 1 Der Tag der Abstimmung ist da. Die Dorfbewohner sind eingeladen zur Diskussion. Langsam füllen sich die Tische mit Gläsern und Kuchen, Spekulatius und Stollen. Stühle müssen umgestellt werden, dann ist alles bereit. Die Kerzen brennen. Auch der Bürgermeister ist gekommen. Klaas Glenewinkel wirkt zufrieden. O-Ton 69 Klaas Glenewinkel: Also das ist doch jetzt total gut, oder? Ich würde mal sagen, die schönste Flüchtlingsunterkunft in Deutschland. Sprecher 1 Und dann passiert: fast nichts. Nach und nach kommen drei Schmerwitzerinnen, ein Schmerwitzer und ein Lokalreporter herein, legen Mäntel und Mützen ab. Schnell wird klar: Das Dorf wird sich heute nicht im Exile Media Hub versammeln. Wird nicht abstimmen. Was bedeutet das für die Bewohner des Haus 5? Bürgermeister Marco Beckendorf ergreift das Wort. O-Ton 70 Marco Beckendorf: Ich würde dann mal starten, ja? Akademisches Viertel ist vorbei. Erstmal möchte ich euch alle begrüßen im Namen der Gemeinde Wiesenburg Mark und auch im Namen ... (im Hintergrund wird ein Weihnachtschoral immer lauter) ... Achso, die Musik. Birigt Kaiser: Kann das jemand ausmachen? Das ist zu viel für mich. (lachen) O-Ton 71 Marco Beckendorf: Wenn auch heute nicht viele Schmerwitzerinnen und Schmerwitzer gekommen sind, ich habe die letzten Wochen wirklich jeden Schmerwitzer, den ich getroffen habe, gefragt nach seiner Meinung. Und es war durchgehend die gleiche Meinung. Und zwar: Sie finden das gut, das sich hier gekümmert wird. Und ansonsten kriegt man eigentlich gar nichts mit. O-Ton 72 Birgit Kaiser: Ich bin die Ortvorsteherin von Schlamau und Schmerwitz und ich habe seit unserem letzten Treffen hier keine negativen Erfahrungen im Dorf gemacht. Alle sind zufrieden mit dem Projekt. Sagen, man merkt euch eben gar nicht in dem Sinn. Also es kommt keine negative Kritik in dem Sinn über. Ich würde jetzt eigentlich auch gerne mal wissen, von den neuen Bewohnern hier, ob ihr euch hier wohlfühlt. Wie ihr hier angekommen seid in Schmerwitz. O-Ton 73 Awab Hassan: Ich fühle, dass ich hier in der Gesellschaft nicht isoliert bin. Nicht wie ich in Frankfurt zum Beispiel gefühlt habe. Ja, ich fühle mich ganz wohl hier in Schmerwitz. Sprecher 1: Dann meldet sich Johannes Blatt, der die Willkommens-Initiative für Syrer gestartet hat, die 2015 nach Schmerwitz gekommen sind. O-Ton 74: Also ich kann auch noch was dazu sagen, weil, ihr hattet ja gesagt, Abstimmung. Und ich finde auch, das macht jetzt mit vier anwesenden Schmerwitzerinnen und Schmerwitzern ganz wenig Sinn. Das ist für mich ein Zeichen dafür, dass es vielen einfach egal ist. Die sind indifferent davon, es berührt sie nicht, es macht keinen Ärger. Ihr habt euer Versprechen eingelöst. Es gab die Einladung, die Leute wussten Bescheid.... O-Ton 75 Anwohnerin: Und ihr habt jetzt gesagt, das ist ein öffentliches Gebäude. Was kann man denn hier nutzen? O-Ton 76 Klaas Glenewinkel: Es gibt hier so ein Gym. Also für die unter euch, die ein bisschen Muskeln aufbauen möchten, haben wir ein Gym da hinten eingerichtet. Anwohnerin: Da könnten junge Männer auch hin? Ich denke an die älteren Schüler, die machen doch schon sowas in Belzig, da können sie hier hin? Klaas Glenewinkel: Vielleicht gibt es auch junge Leute, die gerne mal lernen wollen, wie man Videos schneidet oder wie man Musik produziert. Anwohnerin: Das kann man hier machen? Klaas Glenewinkel: Wir haben richtig professionellen südafrikanische Musikproduzenten. Wir haben eine tolle Fotografin, das weißt du selbst, und wir haben das alles da. Musik Zitatorin: Zuflucht auf Probe O-Ton 77 Arif Fakorizada: Entschuldigung, ich habe eine Frage. Wie können wir einen Link von Telegram-Gruppe bekommen? Anwohnerin: Müssen wir da die anderen fragen? Anwohnerin 2: Also bei der Dorfgruppe nicht. Das können wir gleich machen. Dann sind alle dabei. Klaas Glenewinkel: Dann gehört man hier wirklich dazu. (alle lachen) Zitatorin weiter: Schmerwitz und die Geflüchteten. Ein Feature von Florian Guckelsberger. O-Ton 78 Klaas Glenewinkel: Also ich habe eine Idee. Ilja hat einen Führerschein, wir haben ja den Sam-e.V.-Bus. Ich glaube, der würde die Mobilität für das ganze Dorf wahnsinnig verbessern, wenn dieser Bus einen Fahrer hätte. Das könnte Ilya sein. Aber es gibt acht Dinge, die muss er tun, um seinen Führerschein umzumelden. Wenn jemand Russisch-Deutsch wäre, der könnte das mit Ilya sicherlich total schnell durchziehen. Anwohnerin: Genau, das könnte man eigentlich auch in die Telegram-Gruppe schreiben. Weil, ich weiß nicht, wer jetzt gerade Russisch fließend spricht und Deutsch. Journalist: Deine Nachbarin. Anwohnerin: Meine Nachbarin? Journalist: Karin, die ist Russischlehrerin im Gymnasium. Anwohnerin: Kenne ich gar nicht (lacht) (Gespräch fading out) Zitatorin Es sprachen: Talin Lopez, Florens Schmidt, Robert Frank, Nicolas Sidiropulos, Sina Martens, Lisa Hrdina Ton: Hermann Leppich Regie: Friederike Wigger Redaktion: Christiane Habermalz Eine Produktion des Deutschlandfunks 2025 3