Hörspiel Feature Radiokunst Das Feature Die Grüne Mauer (1/5) Folge 1: Senegal - Waldarbeit ist Sozialarbeit Autorin: Bettina Rühl Regie: Anna Panknin Redaktion: Wolfgang Schiller Produktion: Deutschlandfunk 2024 Erstsendung: Dienstag, 04. Juni 2024, 19.15 Uhr Es sprachen: Jean Paul Beck, Hüseyin Michael Cirpici, Justine Hauer, Jochen Langner, Claudia Mischke, Heiko Obermöller, Anna Panknin und die Autorin. Ton und Technik: Christoph Rieseberg und Thomas Widdig Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) Atmo Maschine Pflanzlöcher Autorin: Was wie eine Kettensäge klingt, ist das Gegenteil: eine Maschine, die beim Pflanzen von Bäumen hilft. Ein Arbeiter führt den Erdbohrer an zwei Haltegriffen, dazwischen die rotierende Spirale, darauf ein Motor und ein kleiner Benzintank. Der Mann trägt einen grünen Kittel, "Reforestation", "Wiederaufforstung" steht in großen weißen Buchstaben auf dem Rücken. In der Sahelzone des Senegal sind an diesem Morgen dutzende Männer und Frauen mit dem Setzen von Bäumen beschäftigt: Der erste Trupp bohrt die Löcher, ein weiterer pflanzt. O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Je suis Oumar Abdoulaye Ba, je suis le directeur général de l'Agence sénégalaise de la reforestation et de la Grande Muraille verte. Sprecher 1: Ich bin Oumar Abdoulaye Ba, Generaldirektor der "Senegalesischen Agentur für Aufforstung und die Große Grüne Mauer". Atmo Pflanzen Autorin: Der Direktor ist eher klein gewachsen, aber er sprüht vor Energie. Mit wachsender Ungeduld beobachtet Ba, wie sein Team mit Messbändern versucht, die exakten Abstände zwischen den Pflanzlöchern zu markieren. Nach kurzer Zeit schnappt sich der Direktor einen Erdbohrer, misst die Meter mit gleichmäßigen Schritten ab und legt so in Windeseile fest, wo das nächste Loch gebohrt werden muss. Sein Begleittross müht sich, mit ihm Schritt zu halten. Tatsächlich drängt die Zeit O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Il faut comprendre que le Sénégal perd 300 terrains de football par jour du à la désertification. Si nous en faisons moins que 300, nous perdons du terrain. Nous sommes dans un pays où il ne pleut que pendant deux mois. Si vous prenez 300 terrains de football multiplié par 365 jours et vous le divisez par les deux mois d'hivernage - posez-vous la question à savoir combien de terrains de football nous devrons planter et conserver par jour pour pouvoir rattraper la machine. Sprecher 1: Der Senegal verliert durch den Vormarsch der Wüste täglich die Fläche von 300 Fußballfeldern an nutzbarem Land. Wenn wir es nicht schaffen, jeden Tag eine ebenso große Fläche wieder fruchtbar zu machen, verlieren wir im Wettlauf gegen die Wüste weiter an Boden. Und das in einer Region, in der es im Jahr nur zwei Monate lang regnet. Da wir nur in der Regenzeit aufforsten können, müssen wir in dieser kurzen Zeit aufholen, was wir in zwölf Monaten verlieren. Da können Sie sich ja ausrechnen, wie viele Fußballfelder wir in diesen zwei Monaten Regenzeit täglich neu bepflanzen und wieder fruchtbar machen müssen, um auch nur auszugleichen, was wir verlieren. Autorin: Ein paar Millionen mehr Bäume will die senegalesische Regierung in den nächsten Jahren neu setzen. Als Teil eines geradezu utopischen Megaprojekts: Bis 2030 soll die so genannte "Große Grüne Mauer" entstehen, ein Gürtel aus Bäumen und Grünflächen, der im Senegal beginnt und sich quer durch den Kontinent erstreckt, auf einer Länge von fast 8000 Kilometern. Am Ende soll die wieder begrünte Fläche 100 Millionen Hektar bedecken, elf Länder im Sahel sind beteiligt. Die Afrikanische Union hat das Projekt schon 2007 beschlossen. O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Pour moi, c'est une bénédiction. // Je suis là aujourd'hui pour servir la nature, l'environnement et aider les populations à développer une stratégie de reboisement qui puisse les aider à atteindre d'abord la résilience alimentaire, ensuite d'atténir les effets du changement climatique et en même temps de développer les connaissances locales qui permettent de conserver la santé des sols, de développer des connaissances qui permettent de conserver l'eau. Sprecher 1: Ich empfinde es als Segen, dass ich Teil davon sein darf. Ich bin hier, um der Natur zu dienen und der Bevölkerung dabei zu helfen, erfolgreich wieder aufzuforsten. Die Menschen brauchen Bäume, um auch in Zukunft noch ausreichend Lebensmittel anbauen können, die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern und die Böden gesund zu halten. Nur dann wird die Erde in der Lage sein, das Regenwasser aufzunehmen. Autorin: Ich bin Bettina Rühl und das ist meine Feature-Reihe "Die grüne Mauer - Wie der Sahel gegen die Klimakrise kämpft." Der Sahel, die halbtrockene Zone südlich der Sahara, hat in den vergangenen Jahren vor allem durch Terrorismus, bewaffnete Konflikte und Militärcoups von sich reden gemacht. Die Menschen in der Region zählen zu den ärmsten der Welt, leiden besonders unter den Folgen des Klimawandels. Umso mehr interessiert mich das Projekt einer "Großen Grünen Mauer": Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den politischen Krisen, dem Terrorismus und der Klimakrise? Kann die Große Grüne Mauer zu Lösungen beitragen, ist sie ein Projekt, das Mut macht? Dafür bin ich in fünf Länder gereist, die sich an der Großen Grünen Mauer beteiligen: in den Senegal und nach Burkina Faso, in den Tschad, nach Nigeria und nach Äthiopien. Ich habe Menschen getroffen, die daran glauben, dass ihr Leben dort trotz aller Krisen noch eine Zukunft hat. Sprecher 2: Die grüne Mauer - Wie der Sahel gegen die Klimakrise kämpft. Eine Feature-Reihe von Bettina Rühl Folge 1: Senegal - Waldarbeit ist Sozialarbeit Atmo Baumschule Autorin: Das Dorf, in dem Ba seine ersten Lebensjahre verbrachte, liegt heute auf der Trasse der Großen Grünen Mauer, von der Baumschule, in der wir für das Interview sitzen, nicht weit entfernt. O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Donc j'ai vu les conditions de vie des populations, j'ai grandi dans ces conditions et je les connaît très bien. Sprecher 1: Ich weiß deshalb, unter welchen Bedingungen die Menschen hier leben, ich bin ja selbst damit groß geworden. Autorin: Seine Mutter sei erst 12 Jahre alt gewesen, als er geboren wurde, erzählt Ba. Sie habe ihn noch auf dem Rücken getragen, als sie schon wieder mit seiner Schwester schwanger war. O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Obtenir de l'eau était difficile parce que les puits étaient entre 70 et 80 jusqu'à 100 mètres de profondeur et qu'il fallait cuisiner avec du bois mort. Donc il fallait chercher du bois tous les jours. Et que les conditions n'étaient pas réunies pour qu'on puisse subvenir à nos besoins. Et je me rappelle aussi qu'elle faisait le tour des bâtiments abandonnés pour ramasser des bouts de papier, de sacs de ciment pour les croûtes, pour me permettre d'avoir un cahier de 32 pages pour pouvoir prendre note à l'école. // Je me rappelle d'avoir été renvoyée à plusieurs reprises pour manque de stylos. // Les conditions de vie étaient très difficiles, mais ça a été une motivation pour moi parce que la seule chose que je savais, c'est que si je ne faisais pas d'efforts, je me retrouverai dans les mêmes conditions, voire pire, que celles que j'ai vues. Sprecher 1: An Wasser zu kommen war schwierig, weil die Brunnen bis zu 100 Meter tief waren. Um kochen zu können, musste meine Mutter jeden Tag totes Holz suchen. Sie war so arm, dass sie uns nicht ausreichend versorgen konnte. Ich erinnere mich daran, dass sie in verlassenen Gebäuden nach leeren Zementsäcken und anderen Papierresten suchte. Daraus machte sie mir Hefte, damit ich in der Schule mitschreiben konnte. Mehrmals wurde ich aus dem Unterricht nach Hause geschickt, weil ich keinen Stift hatte. Das Leben war hart, aber für mich war das ein Ansporn. Ich wusste: wenn ich mich nicht anstrenge, werde ich immer in dieser Armut leben, oder sogar unter noch härteren Bedingungen. Autorin: Dank eines Stipendiums konnte er Informatik studieren, fand in Washington einen gut bezahlten Job, lebte 22 Jahre lang in den USA. Von dort habe ihn der damalige senegalesische Präsident Macky Sall abgeworben, damit er die Große Grüne Mauer im Senegal realisiere. Das Projekt brauche vor allem ein besseres Management, habe Sall gesagt, für das Fachwissen gebe es genug Experten in der Agentur für die Große Grüne Mauer. Als er zusagte und seinen Job in Washington aufgab, hätten ihn viele für verrückt erklärt, sagt Ba. O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Chacun a ses convictions. J'avais le pressentiment et la conviction qu'il fallait revenir au pays pour servir. Il fallait revenir au pays pour développer les choses et je n'ai pas regretté de le faire. Sprecher 1: Jeder hat seine Überzeugungen. Ich war immer davon überzeugt, dass ich irgendwann in den Senegal zurückkehren muss, um nützlich zu sein und etwas nach vorne zu bringen. Ich habe nicht bedauert, dass ich das gemacht habe. Autorin: Ba befehligt eine Task Force von 10.000 Menschen, 7000 davon haben einen Vertrag von der Agentur für die Große Grüne Mauer. Kann das reichen? Vielleicht, sagt Ba, aber nicht ohne Technik, ohne Maschinen, ohne mehr Forschung. Damit das Pflanzen schneller geht, hat er beispielsweise die Erdbohrer angeschafft, die wie Kettensägen klingen. Er hat motorisierte Dreiräder mit Tanks entwickeln lassen, die zum Bewässern über die Parzellen fahren können. Und er hat ein Team von fast 160 Wissenschaftlern angeheuert. Sie forschen zur Bodenqualität, zum Wassermanagement und zu neuen, grünen Energiequellen, die in den abgelegenen Sahelregionen für die Aufforstung genutzt werden können. Auch Sozialwissenschaftler sind dabei, die gemeinsam mit der Bevölkerung neue Einkommensmöglichkeiten entwickeln sollen. O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Quand vous prenez la Grande muraille verte comme juste un tracé d'arbre, des arbres plantés, vous faussez carrément le système. C'est pourquoi les gens me posent la question, à savoir tout le temps : A quel pourcentage êtes-vous ? Je leur pose la question à savoir : Mais qu'est-ce que c'est le tracé de la Grande Muraille Verte ? Est-ce un tracé d'arbre ? Ou est-ce des écosystèmes qu'il faut construire pour les communautés ? Et c'est ca qui fait la différence. Sprecher 1: Wer in der Großen Grünen Mauer nur eine neu gepflanzte Baumreihe sieht, hat nicht verstanden, worum es geht. Ich werde immer wieder gefragt: "Wie viel Prozent davon haben Sie schon umgesetzt?" Ich frage dann zurück: "Wissen Sie denn, was die Große Grüne Mauer ist?" Geht es nur um eine Reihe von Bäumen? Oder um ein Mosaik von Ökosystemen, die zum Nutzen der Bevölkerung wieder hergestellt werden? Es geht um Letzteres, und das ist ein großer Unterschied. Atmo Amadou Ba pflanzt einen Setzling Autorin: Amadou Ba kniet auf der Erde und beugt sich über ein Pflanzloch. Vorsichtig löst er das Plastiktütchen von dem kleinen Erdballen, in dem der Setzling steckt - eine kleine Wüstendattel. Das Öl der Kerne ist für die Pflege von Haut und Haar beliebt, lässt sich viel teurer verkaufen als die Früchte. Blätter, Früchte und Sprossen dienen außerdem als Viehfutter, Äste als Feuerholz. O-Ton Amadou Ba Sprecher 2: Ich bin froh, dass ich bei der Aufforstung mitmachen kann. Wenn es an einem Ort keine Bäume mehr gibt, regnet es weniger. Wenn es wieder mehr regnet, hilft das unseren Tieren, sie finden dann wieder Futter. Ich pflanze also nicht nur, weil ich dafür bezahlt werde, sondern auch für meine Schafe. Atmo Pflanzaktion Autorin: Amadou Ba, 26 Jahre alt, arbeitet seit rund zwei Jahren für die Agentur der Großen Grünen Mauer. Er versorgt die Setzlinge in der Baumschule und hilft beim Pflanzen, sofern in der Regenzeit dafür ausreichend Wasser fällt - was immer seltener der Fall ist. In den drei Wochen vor meinem Besuch haben Amadou Ba und seine Kollegen den Himmel mehrmals täglich nach Wolken abgesucht, vergeblich und mit steigender Unruhe, weil immer noch nichts zu sehen war. Dabei hätte es laut Kalender längst regnen müssen. Am Tag zuvor wurde der Himmel endlich schwarz, am Nachmittag brachen die Wolken. Heute Morgen konnte Ba den grünen Kittel anziehen, mit dem Wort "Reforestation" auf dem Rücken. O-Ton Amadou Ba Sprecher 2: Früher habe ich hier in der Gegend keinen Job gefunden. Wenn ich Geld brauchte, bin ich in die nächste Stadt gegangen und habe ein Schaf verkauft. Jetzt kann ich immer bei meiner Familie sein und werde am Ende jeden Monats bezahlt. Atmo Sahel Autorin: Mit den Schafen, Ziegen und Rindern ist das im Sahel so eine Sache: Viehzucht ist fast die einzige Lebensgrundlage, Ackerbau wegen der Trockenheit kaum möglich, was wachsen soll, muss bewässert werden. Ohne die Tiere geht es also nicht - aber mit ihnen ist die Wieder-Aufforstung schwierig: Ziegen, Schafe und Rinder werden in der kargen Region nicht auf Weiden gehalten, sondern stromern herum, suchen sich ihr Futter selbst, fressen sich ihren Weg durch die Setzlinge. Gegen Ziegen, vor allem kleine, hilft nur ein Maschendrahtzaun. O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Le grillage coûte excessivement cher. Il coûte dans l'ordre de 10 € le mètre. // Nous plantons quelquefois sans grillage, parce qu'il faut, il faut continuer à planter. C'est pourquoi le taux de survie est un peu faible. Sprecher 1: Maschendrahtzaun ist sehr teuer, er kostet etwa 10 Euro pro Meter. Manchmal pflanzen wir deshalb ohne Zäune, weil wir weiterkommen müssen. Das ist einer der Gründe, weshalb die Überlebensrate der Setzlinge insgesamt etwas niedrig ist. Atmo Pflanzen Autorin: Heute wird eine kleine Parzelle in Widou bepflanzt, die Fläche ist einen Hektar groß, 100 mal 100 Meter. Sie ist eingezäunt, der Preis dafür: rund 4000 Euro. Nicht weit von hier entfernt nahm die Große Grüne Mauer im Senegal 2008 ihren Anfang, die Region liegt rund 450 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Dakar. Saîkel Sow ist Dorfchef von Widou, mit der Erfahrung von vielen Jahrzehnten. O-Ton Saîkel Sow Sprecher 3: Als das Projekt hier 2008 losging, hat sich erstmal vieles verbessert. Dank der Bäume gab es viel mehr Grün. Das ging so bis etwa 2014, aber seitdem läuft es nicht mehr gut. Es wirkt so, als würde sich niemand mehr um die neu gepflanzten Bäumchen kümmern, oder als wären sie krank, viele gehen jedenfalls ein. Das macht uns Sorgen. Autorin: In den vergangenen Jahren gab es an der "Großen Grünen Mauer" viel Kritik: Das Projekt gehe zu langsam voran und sei zu teuer. Zu wenige der neuen Bäume überlebten, zu viel Geld sei in den verschiedenen Ländern veruntreut worden und verschwunden. Was an den Vorwürfen daran ist, lässt sich nur an jedem Einzelfall überprüfen: Das Gesamtprojekt der Grünen Mauer in elf Ländern zerfällt in hunderte oder gar tausende Vorhaben, die durch unterschiedlichste Geber finanziert werden: die jeweiligen afrikanischen Regierungen, mehrere Programme der Vereinten Nationen, Entwicklungsagenturen und Hilfsorganisationen. Das schafft eine Unübersichtlichkeit, die auch Oumar Abdoulaye Ba kritisiert: O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Malheureusement, il n y a pas de coordination entre le financement et les projets, s'il y avait de financement entre le coordination et des projets, on aurait certainement eu des meilleurs resultats. // Il faut que les acteurs travaillent ensemble. Il faut former une coalition nationale qu'on puisse savoir qui est en train de faire quoi, et de beneficier des experiences des uns et des autres. // Il y a enormement des financements qui sont destines à la grande Muraille verte qui ne sont jamais arrive à la grande Muraille verte. Sprecher 1: Leider gibt es keine Koordination zwischen den unterschiedlichen Geldgebern mit ihren Projekten. Wenn das anders wäre, hätten wir sicherlich bessere Ergebnisse. Alle Akteure müssten eine Koalition bilden, damit wir wissen, wer was tut. Und damit wir von den Erfahrungen der anderen lernen können. Autorin: Ba kritisiert einen zweiten wichtigen Punkt: O-Ton 14 Oumar Abdoulaye Ba Il y a énormément des financements qui sont destinés à la grande Muraille verte qui ne sont jamais arrivé à la grande Muraille verte. Sprecher 1: Es gibt sehr viele Gelder, die für die Große Grüne Mauer zugesagt wurden, die aber auf Projektebene niemals angekommen sind. Autorin: Das hat laut Ba unterschiedlichste Gründe: Ein Teil sei sicher veruntreut worden oder zweckentfremdet. Außerdem sind die Antragsverfahren für die Empfängerländer womöglich zu kompliziert. Ein Beispiel: der so genannte "One Planet Summit" im Januar 2021 in Paris. Mehrere Regierungen und Entwicklungsbanken stellten fast 16 Milliarden US-Dollar in Aussicht, um das Projekt im Sahel endlich nach vorne zu bringen. Das Geld sollte bis 2025 ausgezahlt sein. Im Frühjahr 2024 - und damit kurz vor dem Ende der Laufzeit - haben die Geber nach UN-Angaben 80 Prozent der zugesagten Gelder bereitgestellt, aber nur 13 Prozent wurden in Projekte umgesetzt. Ob der Rest nur noch nicht abgerufen oder veruntreut wurde, konnten die Vereinten Nationen bis zum Abschluss der Recherchen nicht beantworten. Die Gesamtkosten für die Große Grüne Mauer werden von der UNO auf bis zu 45 Milliarden Dollar geschätzt. Bei solchen Summen liegt die Frage nahe, ob sich der Aufwand lohnt. Wissenschaftler der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn sind der Frage nachgegangen. Ihr Fazit, veröffentlicht Ende 2021: Trotz aller Schwierigkeiten sei die Investition wirtschaftlich sinnvoll. Allerdings drohten die vielen bewaffneten Konflikte den Erfolg des Projekts zu gefährden. O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Vous conviendrez avec moi quand vous devrez porter une kalachnikov pour aller planter des arbres, cet arbre n'a pas de chance de survie et n'est pas donné à n'importe qui de le faire. Sprecher 1: Sie werden mir zustimmen, dass die Bäume kaum eine Überlebenschance haben, wenn Sie eine Kalaschnikow tragen müssen, um sie pflanzen zu können. Abgesehen davon, dass es nicht jedermanns Sache ist, so etwas zu tun. Autorin: In Nigeria ist das tatsächlich so: Da bräuchten die Förster in vielen Regionen militärischen Begleitschutz, um die Trasse der Großen Grünen Mauer erreichen zu können. Atmo erste Parzelle Autorin: Ein paar Kilometer von Widou entfernt, stehe ich zwischen lauter Akazien, etwa alle acht Meter wächst der nächste Baum. Irgendwo auf dieser Fläche von knapp sieben Quadratkilometern wurde 2008 der erste Baum der Großen Grünen Mauer gepflanzt. Zwischen den Akazien wächst Gras, ich sehe eine Herde Rinder und ein paar Ziegen, die weiden. Ihr Dung liefert Nährstoffe für Bäume, Sträucher und Gras. Hier und da liegt totes Holz, das werden Frauen vermutlich zum Kochen nutzen. Es weht ein strammer Wind, dank der Grasnarbe wirbelt er wenig Staub auf. Der Förster Amadou Badji hat mich hierher begleitet, er ist für die neuen Aufforstungsflächen verantwortlich. O-Ton Amadou Badji Le Forestier, c'est avant tout un agent de développement. // Vous savez, ces populations, il y a les services de protection. Leurs cases, les clôtures de leurs maisons. Tout est fait à base de produits issus de la forêt. // Ils ont besoin de cuisiner. Et s'il n'y a pas de gaz, on utilise le bois pour cuisiner. Donc on est obligé de leur garantir cela. Mais tout en régularisant ce qu'il prélève de la forêt pour éviter faire en sorte que ce qu'ils prélèvent ne soit pas trop en dessus des capacités de la forêt. En quelque sorte, c'est ça. Sprecher 4: Als Förster ist man in erster Linie ein Entwicklungshelfer. Die Menschen brauchen Schutz. Das Material für ihre Hütten oder Häuser und Zäune suchen sie im Wald. Und sie müssen kochen können. Wenn es kein Gas gibt, benutzen sie dafür Holz. Wir sind verpflichtet, ihnen den Zugang dazu zu garantieren. Aber gleichzeitig müssen wir regulieren, was sie dem Wald entnehmen, damit sie ihn nicht übernutzen und zerstören. O-Ton Oumar Abdoulaye Ba La reforestation doit répondre au mode de vie des communautés. Si aujourd'hui nous, ce que nous avons appris aujourd'hui de la communauté de la Grande Muraille verte, c'est que quand vous plantez des arbres, il faut avoir des espaces de cultures fourragères pour le bétail, parce que // quand vous ne les aidez pas à avoir de la disponibilité d'herbes pour nourrir leur bétail - généralement, les animaux broutent les arbres qu'on vous plante et donc vous revenez au même point de départ tous les années et on finira par vous poser la question: où est passé l'argent? Et vous n'auriez pas de réponse. Sprecher 1: Die Wiederaufforstung muss an die Lebensweise der Menschen angepasst sein. Als Verantwortliche der Großen Grünen Mauer haben wir inzwischen gelernt, dass man auch Flächen für den Anbau von Futterpflanzen haben muss, wenn man Bäume großziehen will. Ansonsten frisst das Vieh jedes Jahr die Setzlinge, die wir gerade gepflanzt haben, und am Ende jeden Jahres stehen Sie wieder am Ausgangspunkt. Man wird Sie fragen: Wo ist das Geld geblieben? Und Sie werden keine Antwort haben. Autorin: Oumar Abdoulaye Ba ist erst seit Ende 2022 Direktor der senegalesischen Agentur für Wiederaufforstung und die Große Grüne Mauer. Die Fehler der Vergangenheit kann er kritisieren - er war ja nicht beteiligt. Ba sagt, er wolle vieles anders machen als seine Vorgänger, neuen Schwung in das Projekt bringen. O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Je reste convaincu aussi que c'est la terre, l'agriculture, l'agroforesterie qui est capable de créer de l'emploi pour les jeunes en grande quantité, surtout des jeunes qui n'ont pas été à l'université et qui n'ont pas eu la chance d'avoir de grande diplôme. Sprecher 1: Ich bleibe davon überzeugt, dass wir in der Landwirtschaft und der Agroforstwirtschaft Arbeitsplätze für sehr viele junge Menschen schaffen können. Und zwar vor allem für diejenigen, die weder studieren konnten noch eine Ausbildung haben. O-Ton Oumar Abdoulaye Ba Je reste convaincu que c'est cette alternative qui peut lutter contre l'exode rural // qui est en train de tuer nos démocraties. Parce que quand il y a changement climatique, les populations quittent le monde rural pour se rendre dans les grandes villes à la recherche d'un emploi dans une monde meilleur. // Quand l'Etat n'est pas capable de répondre à certaines demandes, généralement ça dégénère. C'est de l'impatience qui se développe. Nous avons vu que les pays du Sahel aujourd'hui sont des pays en insécurité totale. C'est du simplement à ce changement climatique parce que le changement climatique crée des conditions de vie très, très difficile, donc ça amène de l'instabilité. // Je reste convaincu aussi que c'est la Terre qui est capable de régler ce problème d'immigration clandestine parce que nos États, surtout ceux des pays du Sahel, souffrent de l'immigration clandestine. C'est de la main d'œuvre qui disparaît. Ce sont des jeunes qui sont capables de travailler la terre, de faire de la production, donc de générer une économie qui partent. Sprecher 1: Ich bin außerdem davon überzeugt, dass es wir dadurch die Landflucht bekämpfen können. Sie ist dabei, unsere Demokratien zu töten. Wenn der Klimawandel das Leben auf dem Land immer schwieriger macht, ziehen immer mehr Menschen auf der Suche nach Arbeit in die Städte. Angesichts der enormen Nachfrage schafft der Staat es nicht, allen auch nur die grundlegenden Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Die Menschen werden ungeduldig und unzufrieden, das führt zu Instabilität. In den Ländern der Sahelzone ist die Sicherheitslage schlecht, sie sind politisch instabil. Und ich bin mir sicher, dass wir ein weiteres Problem lösen können, wenn wir es schaffen, den Boden wieder fruchtbar zu machen: das der illegalen Migration. Sie ist vor allem für uns im Sahel ein Problem: Uns fehlen die jungen Menschen, die den Boden bestellen und die Wirtschaft in Schwung bringen können, weil sie weggehen. Atmo Dakar Autorin: Dakar, die Hauptstadt. Ich schiebe mich fast auf Körperkontakt durch eine der Straßen im Zentrum. Automatisierte Megaphone plärren Sonderangebote heraus, für Computer, Ventilatoren, Fitnessgeräte oder Schuhe - alles wird hier am Straßenrand verkauft. Die Assistenten der Busfahren rufen ihre Fahrziele aus, und Getränkeverkäufer schlagen an Limonade-Flaschen, um klappernd Kunden zu locken. 1,4 Millionen Menschen leben in Dakar, rund 18 Millionen sind es im ganzen Land, das etwa halb so groß ist wie Deutschland. Der Senegal gilt als politisch und wirtschaftlich stabil - ein Leuchtturm in einer instabilen Region. Seit 2020 gab es auf dem afrikanischen Kontinent neun Militärputsche, gleich zwei davon in Burkina Faso und zwei in Mali. Die relative Stabilität im Senegal lockt Investoren, sie treiben die Preise nach oben: Dakar gilt als eine der teuersten Städte auf dem Kontinent. Auch der Staat hat investiert: in einen neuen Flughafen, Straßen, Infrastruktur - das meiste davon auf Pump. So hat Dakar an Glanz gewonnen, aber auf dem Land ist Armut noch immer weit verbreitet. Die Hauptstadt ist ein anderer Planet als die abgelegenen Dörfer im Sahel. Atmo Rap von Moonya: "Il est temps" Hey On a des dirigeants qui font tout pour nous maintenir dans l'ignorance (yeah) Si nous voulons un meilleur futur, il nous appartient d'en planter les semences (yeah, yeah) Assumons notre part de responsabilité Même si l'impérialisme nous tue A l'esclavage nous avons survécu. Sprecherin 1: Wir haben Führer, die alles tun, um uns in Unwissenheit zu halten. Wenn wir eine bessere Zukunft wollen, liegt es an uns, die Saat dafür zu legen. Lasst uns unseren Teil der Verantwortung übernehmen. Auch wenn der Imperialismus uns tötet - die Sklaverei haben wir überlebt. Atmo Hintergrund Moonya Autorin: Ich treffe Moonya, Anfang 40, in ihrer geräumigen Wohnung in Dakar. Die Rapperin und Journalistin weiß, dass sie zu den Privilegierten gehört: Ihre Eltern konnten ihr eine solide Ausbildung bezahlen, sie hat in Frankreich studiert, kam in den Senegal zurück, hat sechs Jahre lang als Journalistin gearbeitet. Dann fand sie es sei Zeit für deutlichere Worte, für scharfe Kritik an der Politik und an den Verhältnissen im Senegal. Auch, damit eine gute Ausbildung in Zukunft nicht länger zu den Privilegien gehört. Der ihr wichtigste Rap: "Il est temps", "Es ist Zeit": Atmo 13 Rap Moonya Si je suis en colère, c'est parce qu'on se laisse faire Comme des chèvres, on se laisse traire Il est temps qu'il soit temps qu'on se donne le temps de prendre le ton, car bientôt il sera trop tard et on en aura plus le temps! Hey ! Fatalisme et lâcheté, Corruptibilité car nous nous faisons acheter // Alors j'invoque le Nègre en moi, qu'il s'lève Et qu'enfin les fils de Kem s'élèvent Il est temps qu'il soit temps qu'on se donne le temps de prendre le ton, car bientôt il sera trop tard et on en aura plus le temps! Sprecherin 1: Wenn ich wütend bin, dann deshalb, weil wir uns alles gefallen lassen. Wie Ziegen lassen wir uns melken. Es ist Zeit, dass es Zeit ist, dass wir uns die Zeit nehmen, den Ton anzugeben, denn bald wird es zu spät sein, und wir werden keine Zeit mehr haben! Während Afrika stirbt, schwelgen wir in Banalitäten. Also rufe ich den Neger in mir an, dass er sich erhebt. Es ist Zeit, dass wir den Ton angeben, denn bald wird es zu spät sein und wir werden keine Zeit mehr haben! Autorin: Moonya ist Teil einer Bewegung, die im Senegal seit rund zehn Jahren immer lauter wird. Junge Erwachsene, die meisten gut ausgebildet, kritisieren die etablierte Politik: die krasse soziale Ungleichheit, die Korruption der Eliten, den immer noch dominanten Einfluss der früheren Kolonialmacht Frankreich. Im Fokus: die aus der Kolonialzeit stammende Währung CFA Franc. Sie ist bis heute in einem festen Wechselkurs an den Euro gekoppelt, steht unter der Aufsicht Frankreichs und der Eurozone. Senegals junge Generation will sich von solchen Abhängigkeiten befreien, fordert endlich volle Gleichberechtigung in den internationalen Beziehungen. O-Ton Moonya On est tellement dans la merde que personne ne sait comment ça va se finir. Mais il faut que ça finisse. Il faut, il faut qu'il y ait une nouvelle Afrique, il faut qu'on puisse se relever. Il faut qu'on puisse vivre dignement parce que finalement, c'est une question de dignité. // Donc est ce que les militaires c'est la solution? Je ne sais pas. Honnêtement, je ne sais pas. Mais il faut que ça s'arrête. // Il faut que les gens comprennent que le système de Françafrique, oui, le bon petit nègre soit toi et travaille pour moi et te donne des cacahuètes, c'est terminé. On en veut plus, on en veut plus. Sprecherin 1: Wir stecken so tief in der Scheiße, dass niemand weiß, wie das enden wird. Aber es muss enden! Es muss ein neues Afrika geben, wir müssen wieder in Würde leben können - letztendlich ist es eine Frage der Würde. Ist das Militär also die Lösung? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir das jetzige System beenden müssen. Die Leute müssen verstehen, dass das System der Françafrique zu Ende ist. Ein System, in dem man uns für gute, kleine Neger hält, die für andere arbeiten und als Belohnung ein paar Erdnüsschen kriegen. Wir wollen das nicht mehr. O-Ton Moonya Maintenant, est ce que le putsch est une solution? Franchement, je ne sais pas. // Mais // comme on dit, il faut faire attention aux nouveaux dieux. Il faut faire attention de ne pas chasser un colon pour en remettre un autre. Sprecherin 1: Kann ein Putsch die Lösung sein? Offen gesagt, ich weiß es nicht. Aber bei uns gibt es einen Ausdruck, der sagt: Vor neuen Göttern muss man sich in Acht nehmen. Man muss aufpassen, dass man nicht nur den einen Kolonialherren durch einen anderen ersetzt. Autorin: Moonya spielt auf Russland an, der gefeierte neue so genannte "Sicherheitspartner" in Burkina Faso, Mali und Niger. Dem sind in allen drei Ländern Militärputsche und der Bruch mit Frankreich vorausgegangen. Atmo Sahel Autorin: Am Rand der Asphaltstraße, die in Linguère nach Norden führt, steht ein unscheinbares rotbraunes Tor. Es gibt kein Hinweisschild und keinen Namen, doch dahinter soll Hoffnung sein: Atmo gemeinschaftlich Unkraut jäten Autorin: Das Tor führt zu einem Baustein der Großen Grünen Mauer: einem "Tolou Keur", einem gemeinschaftlich betriebenen Garten. Es ist früh am Vormittag, zwei Dutzend junge Frauen und Männer sind dabei, Unkraut zu jäten und die Pflanzen zu gießen. Atmo Albereien Autorin: In einer Ecke des Gartens albert Yero Ba herum, einer der jungen Trainees. Er hält fünf andere junge Leute bei Laune, die mit ihm zusammen den Boden zur Aussaat vorbereiten. "Du musst mit Yero sprechen", haben mir alle geraten, deshalb unterbreche ich ihn bei der Arbeit. Das lässt er sich gerne gefallen. O-Ton Yero Ba Cette juillet on a démarré, et depuis-là, on nous a formé sur les nouveau haute cultures. Avec une équipe dynamique, // C'est nous-mêmes qui ont confectionné cette case pour le pâturage des chèvres. Tout ça, on a travaillé ça en groupe. Sprecher 2: Wir haben letztes Jahr im Juli angefangen, seitdem haben wir hier neue Anbautechniken gelernt. Wir sind alle sehr motiviert, alles was Sie hier sehen, haben wir selbst gebaut, bis hin zu dem Heuschober für das Ziegenfutter. Wir arbeiten als Gruppe zusammen, jeder teilt sein Wissen mit den anderen. Autorin: Das besondere an den Gemeinschaftsgärten: Die Furchen sind im Kreis angelegt. Die Idee dafür stammt aus Brasilien. Verschiedene Bäume werden strategisch so gepflanzt, dass die größeren die schwächeren schützen. In den Beeten wachsen Früchte, Gemüse und Kräuter: Papayas, Mangos, Meerrettich oder Salbei, die der Trockenheit trotzen können. Dank der kreisförmigen Beete können die Wurzeln nach innen wachsen, so wird das Wasser besser gespeichert. Flüssigkeiten und Bakterien werden quasi "eingefangen", was auch die Kompostierung erleichtert. Etwa dreißig dieser gemeinschaftlich betriebenen Kreisgärten gibt es angeblich bereits auf der Trasse der Großen Grünen Mauer. Atmo allgemeine Aktivitäten O-Ton Autorin Comment est-ce que tu vois ton avenir? Est-ce que tu vas être un entrepreneur ou bien qu'est-ce que tu vas faire ? Autorin: Ich frage Yero Ba, wie er sich seine Zukunft vorstellt. O-Ton Yero Ba Donc je viens de vous le dire, moi je suis diplômé en multimedia, internet et communication. // Donc, on apprend ça quand je peux accumuler ca avec les multimédia et nous sommes dans l'ère numérique, ce sera une bonne chose pour moi. Parce que j'envisage une plate-forme pour pouvoir avoir le vente en ligne comme les gens le font. Pourquoi pas dans ce zone agro-pastorale ? // Comme on dit: daral en ligne, c'est à dire mieux le vendre des légumes et des chèvres et des moutons dans une zone agro-pastorale, ça c'est une idée. Sprecher 2: Ich habe Ihnen ja schon erzählt, dass ich Multimedia-Designer bin. Was ich hier lerne, würde ich gerne mit dem verbinden, was ich schon kann - wir leben schließlich im digitalen Zeitalter. Ich möchte deshalb ein Portal für den Online-Verkauf der Produkte bauen, die wir hier anbauen. Warum sollte es so etwas auch bei uns gehen, in dieser Gegend, die von Ackerbau und Viehzucht geprägt ist? So könnten wir unser Gemüse, die Ziegen und Schafe besser verkaufen. Atmo Schritte und Gießen Autorin: In einer anderen Ecke des Gemeinschaftsgartens gießt Mustafa - Wollmütze, Trainingshose und T-Shirt - aus einer Kanne Wasser in einen kleinen, kreisrunden Graben. In dessen erhöhter Mitte steht ein Setzling. Durch den kleinen Hügel verhindert Mustafa, dass das Wasser die Wurzeln freilegt. Um was für ein Bäumchen es sich handelt, hat Mustafa vergessen. Der 25-Jährige arbeitet erst seit drei Wochen hier, hat vorher noch nie gegärtnert, war nie in der Schule und hat, bevor er hierherkam, nur durch Gelegenheitsjobs und mit Glück etwas Geld verdient. O-Ton Mustafa Ici, maintenant, on n'est pas payé, mais il faut travailler pour prendre connaissance. Sprecher 3: Hier werden wir nicht bezahlt, wir sollen erst einmal arbeiten und dabei etwas lernen. Autorin: Mustafa macht die Ausbildung Spaß, aber trotzdem überlegt er, sie abzubrechen. O-Ton Mustafa / Autorin / Mustafa Parce que là, dans ma maison, je n'ai pas de chambre. // J'aurais besoin de salaire pour payer une chambre. // Maintenant, mon pere, on na pas de moyen, ma mere est malade. // mes parents n'ont pas de moyens. Et je suis le premier fils de mon pere. On doit nous aider, parce que ici, Il n y a pas de travail au Senegal. C'est pour quoi beaucoup de jeunes sont sorti. // Ici à Linguère, il n'y a pas beaucoup de jeune. Parce qu'ils sont parti dans beaucoup de pays. Sprecher 3: Zu Hause bei meinen Eltern haben wir nicht genug Platz, ich wohne anderswo zur Miete, dafür brauche ich Geld. Meine Eltern haben nichts, meine Mutter ist krank. Ich bin der älteste Sohn und muss meine Familie unterstützen. Aber im Senegal gibt es keine Arbeit, deshalb gehen so viele junge Menschen weg. Hier in Linguère leben kaum noch junge Leute. Sie sind weg, in allen möglichen Ländern. Da, wo es Geld gibt. O-Ton Autorin Est-ce que beaucoup de tes amis sont en Europe? Autorin: Ich frage ihn, ob viele seiner Freunde in Europa sind. O-Ton Mustafa Oui, beaucoup meme! Au Senegal, il n y a pas beaucoup de jeunes. Il n y a pas beaucoup de jeunes. Tous les jeunes sont partis. Sprecher 3: Sehr viele! Von den Jungen ist kaum jemand im Senegal geblieben. Autorin: Die meisten machen sich in langen, bunt bemalten hölzernen Fischerbooten auf den Weg, von Dakar aus sind es 1500 Kilometer Seeweg bis zu den Kanaren, dem Außenposten Europas. Wer überlebt, braucht mindestens fünf Tage. Etliche von Mustafas Freunden überlebten die Überfahrt nicht. O-Ton Mustafa / Autorin Ca depasse 20 meme! // Parque quand un galp parte, il y a 100 gens, seulement 10 on survecu. Mais 90 sont mort. Meme avant hier, il y a 11 amis qui est mouri dans l'eau. Sprecher 3: Mehr als 20. Wenn ein Fischerboot mit 100 Menschen an Bord kentert, überleben höchstens zehn. Die übrigen 90 ertrinken. Erst vorgestern sind elf meiner Freunde ertrunken. O-Ton Autorin / Mustafa Autorin: Onze? Mustafa: 9:22 oui. Autorin: Onze amis? Mustafa: Onze Autorin: Trotzdem will auch Mustafa weg. O-Ton Mustafa Je veux travailler ici pour le Sahel. Mais si je trouve quelqu'un qui va m'aider, je vais partir. Sprecher 3: Ich würde gerne im Sahel arbeiten. Aber wenn ich jemanden finde, der mich dabei unterstützt, gehe ich weg. O-Ton Autorin Même risquer ta vie ou bien ? Autorin: Obwohl er dadurch sein Leben riskieren würde? O-Ton Mustafa Oui, c'est mon choix. Sprecher 3: Ja. Das wäre meine Entscheidung. Atmo Hintergrundgeräusche Tolou Keur Autorin: Im Schatten eines Baumes wartet Oberst Gore Diop, der mich hierher begleitet hat. Er ist Agronom mit Schwerpunkt tropische Forstwirtschaft und Direktor der Großen Grünen Mauer. Diop hat in Frankreich studiert, direkt danach zog es ihn in den Senegal zurück - der Gedanke, in Europa zu bleiben, habe ihn noch nicht einmal gestreift. Wie im Senegal üblich, hat er als Förster eine militärische Grundausbildung und einen militärischen Rang. O-Ton Autorin Mais la création du travail, c'est plutôt offrir des formations pour que les gens puissent être indépendants comme entrepreneurs? Autorin: Mit dem im Ohr, was mir Yero und Mustafa erzählt haben, frage ich Oberst Diop, was eigentlich mit "Arbeitsplätzen" gemeint ist. Schließlich heißt es immer wieder, dass durch das Projekt der Großen Grünen Mauer auch "grüne" Arbeitsplätze geschaffen werden sollen: Zehn Millionen sollen es bis 2030 werden, in den elf beteiligten Ländern zusammen. Aber offenbar meint das vor allem, Ausbildungen zu ermöglichen, damit sich die Menschen anschließend erfolgreich selbstständig machen - statt ihr Leben auf dem Weg nach Europa zu riskieren? O-Ton Colonel Gore Diop Exactement. // Tout le monde ne pourra pas être salarié. // Donc il y aura un accompagnement qui se fera encore, mais c'est pour les préparer pour qu'à la fin des programmes Xeyu Ndaw Yi l'emploi des jeunes qu'ils puissent s'installer au niveau de Tolou Keur, générer une production qui pourra leur permettre quand même de pouvoir satisfaire leurs besoins. // Donc à la longue, tout le monde sera agri-entrepreneur. Sprecher 4: Wir können nicht alle Menschen dauerhaft bezahlen. Nach der Ausbildung werden wir sie in den Tolou Keur und ähnlichen Projekten noch etwas unterstützen. Sie sollen sich aber darauf vorbereiten, dass sich mit Hilfe des Gelernten eine eigene Produktion aufbauen, von der sie leben können. Unser Ziel ist, dass am Ende alle Agrarunternehmer sind. Autorin: Menschen wie der Kommunikationsdesigner Yero Ba werden die Chance voraussichtlich nutzen können. Auch andere, die wenigstens noch zu Hause wohnen können und von ihren Eltern mitversorgt werden. Aber wer gar kein Geld hat, so wie Mustafa, und sogar seinerseits die Verantwortung trägt für seine Eltern und Geschwister, der kann sich das Leben während der Ausbildung nicht leisten. Der kann die Chance gar nicht ergreifen, die ihm geboten wird. Atmo Kutschfahrt im Saloum Delta Autorin: Wir fahren mit einem Pferdewagen über die Insel Mar Lodj, sie liegt im Saloum-Delta. Das Meersalz knirscht unter den Rädern, obwohl das Ufer längst hinter uns liegt. O-Ton Fatou Ndyoe Bon, moi je pense que les pays du nord ont une grosse responsabilité, parce qu'aujourd'hui l'Afrique subit les effets du changement climatique, des conséquences qu'ils n'ont pas créé, ils n'ont pas crée de ces causes-là. Les grandes industries, les pollutions, etc. - je pense que c'est ça vient de l'Europe, et aujourd'hui l'Afrique, c'est un pays vulnérable, ils subissent réellement. Et vous avez vu - parce qu'on parle des conséquences des impacts du changement climatique, il faut venir sur place voir maintenant les dégâts, et les dégâts sont là. Sprecherin 2: Ich denke, dass die Länder des Nordens eine große Verantwortung tragen, denn Afrika leidet heute unter den Auswirkungen des Klimawandels, zu dessen Ursachen der Kontinent kaum beigetragen hat. Afrika ist verwundbar, die Menschen hier leiden wirklich sehr unter den Folgen. Um das Ausmaß zu begreifen, muss man sich die Schäden vor Ort ansehen. O-Ton Dialog Fatou Ndoye / Autorin On ne peut plus cultiver. Sprecherin 2: Hier kann man nichts mehr anbauen. O-Ton Autorin Donc on peut voir à l'œil nu. Autorin: Das sieht man mit bloßem Auge. O-Ton Fatou Nue, voilà. Bon, là, avec la pluie, on ne le voit pas bien, mais si tu arrive ici vers le mois du mars, tu vois que c'est tout blanc de sel. Sprecherin 2: Und das, obwohl wir gerade Regenzeit haben. Wenn Du im März kommst, ist hier vom Salz alles weiß. O-Ton Autorin Et auparavant, c'était effectivement des champs ? Autorin: Früher waren hier wirklich Felder? O-Ton Fatou Ndoye C'était des champs. // Voilà, comment c'est blanc. C'est des couches de sel. Et le reste, là-bas, ça commence... Ce n'est pas encore attaqué par la salinité. Sprecherin 2: Genau. Siehst du, wie weiß da drüben alles ist? Das sind Schichten von Salz. Weiter von der Küste entfernt sind die Felder noch nicht so versalzen, da fängt es erst an. Autorin: Der Anblick der weißen Flächen, die im gleißenden Sonnenlicht glitzern, beunruhigt Fatou Ndoye. Dabei ist die Soziologin den Anblick längst gewohnt: Salz, das sich auf einst fruchtbaren Ackerboden legt. Ndoye lebt in der Hauptstadt Dakar, ist aber seit mehr als zwei Jahrzehnten regelmäßig im Delta. O-Ton Fatou Ndoye Je suis coordinatrice dans une ONG qui s'occupe des questions de sécurité alimentaire, des questions d'environnement et de genre. // Et au fil du temps, j'ai constaté le lien étroit entre les activités liées à la sécurité alimentaire et l'environnement, et je pense que depuis 2002, j'ai entamé donc des actions dans une zone très fragile, très victime des impacts du changement climatique. Notamment les îles Dionewar et Niodior qui sont dans le Delta de Saloum, et c'est à partir de là que j'ai.... Je me suis marié avec l'environment. Sprecherin 2: Ich koordiniere die Arbeit einer Nichtregierungsorganisation, die sich mit Fragen von Ernährungssicherheit, Umwelt und Gender befasst. Im Laufe der Zeit ist mir bewusst geworden, wie eng die Ernährungssicherheit mit dem Zustand der Umwelt verbunden ist. Seit 2002 arbeite ich hier, das Ökosystem ist besonders verletzlich, die Region leidet stark unter den Folgen des Klimawandels. Das gilt vor allem für die Inseln Dionewar und Niodior im Delta des Saloum-Flusses. Für mich gibt es nichts Wichtigeres mehr als die Umwelt. Autorin: Fatou Ndoye sitzt in einem schicken, traditionellen Kleid auf dem Pferdewage, dazu trägt sie ein aufwändig gebundenes Kopftuch und hat ein farblich passendes Schultertuch dabei. Wenn sie nicht gerade irgendwo mit anpackt, sind ihre Hände ständig in Bewegung. Fatou Ndoye hat wie Oberst Diop in Frankreich studiert. O-Ton Fatou Ndoye C'est vrai qu'il y a beaucoup de gens qui rêvent de l'Europe. Mais pour moi, clairement, si on a la possibilité de rester chez soi, il n'y a rien de tel. Bon, c'est vrai que beaucoup de personnes, ils vont en aventure, parfois il y a des gens qui n'ont pas fait des études etc qui vont pour rechercher des lendemains meilleurs. Mais moi personnellement, j'avais décidé de rentrer chez moi et d'autant plus que j'ai étudié et peut être que j'aurai l'opportunité de travailler. Et Dieu merci, j'ai trouvé cette opportunité-là de travailler et d'accompagner des populations qui sont un peu dans des difficultés. Et ça a été mon souhait, tout comme j'ai fait quand même les sciences sociales, particulièrement la sociologie, qui va créer un lien avec cela. Et depuis lors, je continue à travailler dans ce même domaine. Sprecherin 2: Es stimmt, dass viele Menschen von Europa träumen. Aber für mich ist klar: Wenn man die Möglichkeit hat, zu Hause zu bleiben, gibt es nichts Besseres. Deshalb habe ich beschlossen, in den Senegal zurückzugehen. Vor allem, weil ich studiert habe und wusste, dass ich vielleicht die Chance habe, einen Job zu finden. Und Gott sei Dank habe ich tatsächlich die Möglichkeit zu arbeiten und Menschen zu begleiten, die in einer schwierigen Lage sind. Das war immer mein Wunsch, deshalb habe ich Sozialwissenschaften studiert. Seit ich zurückgekommen bin, arbeite ich in diesem Bereich. Autorin: Jetzt zeigt sie wieder auf versalzene Flächen, an denen wir vorbeifahren, und auf ein Feld. Früher hätten die Menschen dort Reis angebaut, nun wächst Hirse. Ndoye hat für das traditionelle Getreide geworben. O-Ton Fatou Ndoye Mille n'a pas besoin de beaucoup d'eau, contrairement au riz. Le riz a besoin de 5000 litres d'eau. Sprecherin 2: Hirse braucht weniger Wasser als Reis. Reis braucht bis zu 5000 Liter. O-Ton Autorin Par kilo? O-Ton Fatou Ndoye Oui, pour croitre. Et le mil a besoin de 400 litre d'eau. Donc le mil est beaucoup plus adapté par rapport aux effets du changements climatique. // Et nous, on l'avait delaissé chez nous, et tout le travail de valorisation des produits locaux consistait justement a permettre aux consomateurs de revenir a la culture de mil et a la consommation de mil. Sprecherin 2: Ja, um zu wachen. Hirse braucht 400 Liter. Sie ist an die Folgen des Klimawandels also viel besser angepasst als Reis. Hier im Senegal hatten wir die Hirse fast vergessen. Dann haben sich Viele wieder für lokale Produkte eingesetzt, auch Hirse, damit sie wieder mehr angebaut und gegessen werden kann. Atmo Unkraut jäten O-Ton Fatou Thiam Sprecherin 1: Oft steigt das Meer so hoch, dass es sogar unsere Felder erreicht. Wenn es sehr heiß ist und das Wasser verdunstet, bleibt das Salz zurück. Einige Felder mussten wir schon aufgeben, der Boden ist mittlerweile zu salzig. Das Meer macht mir Angst, weil es immer weiter steigt. Atmo Unkrät jäten Autorin: Ich stehe neben der Bäuerin Fatou Thiam auf ihrem Erdnussfeld, sie ist eine der Frauen, mit denen Fatou Ndoye seit Jahren arbeitet: um mit ihnen gegen die Folgen des Klimawandels zu kämpfen und um für sie neue Einnahmequellen zu erschließen. Seit Generationen schuften die Frauen auf den Äckern, aber sie leben immer schlechter davon. Thiam jätet das Unkraut zwischen den kleinen Pflänzchen mit einer Hacke. Nur zum Pflügen nutzen sie hier Pferde oder Ochsen, sagt Thiam. Mit Traktoren arbeitet niemand - Maschinen und Treibstoff sind viel zu teuer. Atmo Vögel im Saloum Delta Autorin: Die senegalesische Regierung hat das Gebiet südlich der Hauptstadt Dakar, in dem die Sine in den Saloum mündet, schon 1976 zum Nationalpark erklärt. Seit 2011 zählen die Vereinten Nationen das Feuchtgebiet zum Welterbe, vor allem wegen seines großen Mangrovenbestands, Heimat für mehr als 250 Vogelarten. O-Ton Fatou Ndoye J'adore la mer. Je suis, comme je le dis toujours, je suis Lebou. Je suis née au bord de la mer. J'ai ... tous nos jeux d'enfance, c'était à la mer. Sprecherin 2: Ich liebe das Meer. Ich stamme aus einer Ethnie von Fischern, bin eine Lebou. Ich bin am Meer geboren, als Kinder haben wir immer am Strand gespielt. Das Meer liegt mir also wirklich am Herzen. O-Ton Fatou Ndoye Donc vraiment, pour moi, c'est quelque chose qui me tient à cœur. Malheureusement, quand on voit l'avancée de toutes les terres qui sont perdues, les plages qui sont perdues - toute la côte du Senegal est en train de se dégrader et ça, c'est des conséquences néfastes. Sprecherin 2: Es bedrückt mich, wenn ich sehe, wie der Meeresspiegel steigt, wie viel Land verloren geht, wie viele Strände verschwinden - die gesamte Küste des Senegal wird immer mehr zerstört, und das hat schlimme Folgen. Atmo Meer Wellen hoch Autorin: Der Atlantik nimmt sich im westafrikanischen Senegal jedes Jahr zwei bis drei Meter von der Küste - oder mehr. Und der Meeresspiegel steigt hier durch die Erderwärmung besonders schnell. Wegen seiner langen und dicht besiedelten Küstenlinie ist der Senegal besonders stark vom Klimawandel betroffen. Dabei trägt er nur 0,03 Prozent zum globalen Ausstoß von Treibhausgasen bei. Steigende Meeresspiegel sind eine Folge der Erderwärmung, denn mit steigenden Temperaturen dehnt das Wasser sich aus. Außerdem schmelzen Gletscher und Eisschilde, dadurch fließt mehr Wasser ins Meer, was die Gezeiten und Wellen verstärkt. Küstenerosion und Überschwemmungen nehmen zu, und in der Nähe der Küsten wird das Grundwasser salzig. Atmo Hof Präsidentin, Stimmen, Hahn Autorin: Wir sind bei Nima Sarr, sie ist Präsidentin der Frauenunion von Mar Fafako, einem Ort auf der Insel Mar Lodj. Auf ihrem großzügigen Grundstück haben sich einige Mitglieder der Frauenunion von Mar Fafako getroffen. Sarr wohnt in einem großen, zweistöckigen Steinhaus, das von außen gekachelt ist - im Senegal ein Zeichen von Wohlstand. Rund um das Haus verläuft eine Steinbank, auf der viele Besucherinnen und Besucher Platz finden können. Sarr trägt ein leuchtend rotes Kleid und ein Kopftuch in der gleichen Farbe. Sie wirkt wie 50, ist aber 20 Jahre älter. O-Tom Nina Sarr Sprecherin 1: Ich habe früher Fisch geräuchert und getrocknet. Aber das habe ich aufgegeben. Autorin: Und zwar nicht etwa wegen ihres Alters, denn für ihre Großfamilie braucht sie immer noch Geld. Aber es gebe nicht mehr genug Fisch, sagt Sarr. Sie nennt dafür mehrere Gründe: Die Bevölkerung wachse schnell, immer mehr Menschen versuchten, von der Fischerei zu leben - und übernutzten die Bestände. Darüber hinaus fischen vor allem chinesische, russische und europäische Schiffe die Bestände vor Senegals Küste leer. Und: Im Senegal gibt es immer mehr Fischmehlfabriken. Die dürfen eigentlich nur Abfälle verarbeiten, kaufen tatsächlich aber oft frischen Fang, und der Bevölkerung damit das Essen weg. Fisch, im Senegal früher ein Grundnahrungsmittel, ist für viele inzwischen zu teuer. Im Saloum-Delta gebe es außerdem ein weiteres Problem, meint Nima Sarr, das habe mit dem Klimawandel zu tun. O-Ton Nima Sarr Sprecherin 1: Der Meeresspiegel steigt, das ist einer der Gründe, warum wir hier im Delta weniger Fisch fangen. Autorin: Mangroven gelten als Kinderstube des Ozeans, weil hier Fische laichen und Jungfische aufwachsen. Doch die Mangroven leiden, wenn die Salzkonzentration zu hoch wird. Nima Sarr war früher eine erfolgreiche Unternehmerin, davon zeugt ihr großes Haus. In den guten Zeiten hatte sie vier feste Mitarbeiter, beschäftigte in der Saison bis zu 100 Arbeitskräfte. Sie halfen ihr beim Fang und beim Räuchern der Fische. Wenn es gut lief, produzierte Sarr im Monat bis zu zehn Tonnen Räucherfisch, machte ein paar hundert Euro Gewinn - also nach Abzug aller Kosten. Vor vier Jahren gab sie auf, so wie die anderen Frauen von Mar Farfako. Fatou Ndoye und andere Hilfsorganisationen unterstützen die Frauen dabei, neue Einkommensquellen zu erschließen: Sie sammeln nun Muscheln, die sie konservieren und verkaufen, kochen Früchte zu Marmelade ein, stellen lokalen Käse her. Atmo 27 Begrüßung beim Mangroven pflanzen O-Ton Fatou Ndoye Ici, on est en train de préparer les propagules. // Ici, les personnes d'âge mûr sont là pour préparer. Et de l'autre côté, les plus jeunes vont reboiser. Sprecherin 2: Wir sind dabei, die Mangroven-Keimlinge vorzubereiten. Das machen wir älteren Frauen, die jüngeren sind da hinten mit dem Aufforsten beschäftigt. Autorin: Fatou Ndoye, die immerhin schon in den 50ern ist, sitzt neben anderen älteren Frauen im Sand. In ihrer Mitte türmt sich ein Berg mit den Keimlingen: kleine Stängel, manche haben erste Wurzeln und Blätter. Mangrovensamen keimen am Mutterbaum und fallen dann ins Wasser, wo sie wurzeln. Vor zwei Tagen haben die jungen Frauen von Mar Lodj hunderte eingesammelt, die heute gepflanzt werden sollen. Ndoye hilft bei der Triage: Jeder Keimling wird geprüft, ob er gesund ist oder beispielsweise von Krabben beschädigt wurde. Die guten kommen in Eimer, die von den jüngeren Frauen abgeholt werden. Atmo Pflanzen Autorin: Das Pflanzen, über Stunden gebückt in der gleißenden Sonne, ist Knochenarbeit. In langen Reihen stehen die Frauen nebeneinander, orientieren sich an einem straff gespannten Seil, damit die neuen Bäume später nicht kreuz und quer wachsen. Wenn alle fertig sind, geht es einen Meter nach vorne, so arbeiten sich die Frauen von Mar Lodj Hektar für Hektar voran - 20 Hektar wollen sie heute schaffen, ein paar Männer und rund hundert Frauen machen mit. O-Ton Maye Djom Sprecherin 1: Es ist uns wichtig, die Mangroven wieder aufzuforsten. Das ist Teil unseres Kampfes gegen den Klimawandel. Atmo Pflanzen O-Ton Maye Djom Sprecherin 1: Die Folgen des Klimawandels sind schwer zu ertragen. An dieser Stelle wuchs früher dichter Mangrovenwald, kein Mensch traute sich hierher. Wir hatten Angst vor den wilden Tieren. Jetzt wächst hier nichts mehr, die ganze Fläche ist leer. Dabei brauchen wir die Mangroven, um Austernkulturen und andere Meeresfrüchte zu haben. Früher lebten hier viele Fische, sie haben sich zwischen den Mangroven vermehrt. Heute gibt es das alles nicht mehr, weil wir zu viele Mangroven gefällt haben, und weil sie unter dem Klimawandel leiden. O-Ton Fatou Ndoye Les mangroves, on plante, et puis ça pousse un peu. // Et maintenant, c'est surtout aussi lié à la pluie, parce que la plante a besoin aussi de la pluie. Quand c'est trop salé, par exemple s'ils vivent que de l'eau salé, ça ne grandit pas. Et quand ca pleut beaucoup, là, ça permet aux arbres de reprendre et de pousser plus vite. // C'est un cercle vicieux. Mais quand même, ils y arrivent, par example la bande là bas, nous l'avons reboisé en 2014 je crois. Ou 2012? Ca devient touffues. Sprecherin 2: Wie gut die Mangroven nach dem Pflanzen wachsen, hängt vor allem vom Niederschlag ab. Sie vertragen zwar Salzwasser, brauchen aber auch Regen. Wenn das Wasser allzu salzig ist, wachsen sie kaum, wenn es viel regnet, wachsen sie schnell. Es ist ein Teufelskreis. Trotzdem erreichen die Frauen viel. Sehen Sie Mangrovenstreifen dort drüben? Den haben wir 2014 oder 2012 gepflanzt, jetzt ist das dichter Wald. Atmo Bootsfahrt mit Gesang Autorin: Nach der der stundenlangen Arbeit quetschen sich alle in zwei Pirogen und fahren nach Hause, gut gelaunt und zufrieden. Eine der Frauen hat sich einen leeren Eimer gegriffen und angefangen zu trommeln. Fatou Ndoye singt und klatscht mit. O-Ton Fatou Ndoye Oui, c'est des femmes avec qui on a développé vraiment des complicités. On est ensemble depuis plusieurs années, on travaille, on partage les joies, on partage les peines etc. // Mais aujourd'hui, avec la situation actuelle, on a vu qu'elles ont vraiment des difficultés. Mais malgré ces difficultés là, elles essaient de développer des initiatives pour améliorer leurs conditions de vie. Donc ça aussi, c'est à saluer parce qu'elles ne sont pas resté les bras croisés. Elles se lèvent tous les jours, elles travaillent, elles se débrouillent, même si elles ont des ressources assez maigre - quand même, elles arrivent à s'en sortir. Voilà, Elles cherchent à trouver leurs propres solutions. Sprecherin 2: Ich fühle mich diese Frauen sehr verbunden, schließlich arbeiten wir seit vielen Jahren zusammen, wir teilen Freude und Kummer. Ich weiß, dass sie es angesichts der aktuellen Situation wirklich schwer haben. Trotz allem versuchen sie immer wieder, Initiativen zu entwickeln, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Mich beeindruckt, dass sie nicht untätig bleiben. Sie stehen jeden Tag auf, arbeiten, schlagen sich durch. Das schaffen sie, selbst wenn sie nur ganz wenig haben. Sie versuchen, ihre eigenen Lösungen zu finden. Sprecher 2 In der nächsten Folge O-Ton Blandine Sankara C'est une question de vie ou de mort. Et aujourd'hui, on parle de 2 millions de d'hectares de terres. Qu'est ce que vous voulez? On a pas d'autres terres. C'est la terre du Burkina, c'est la terre du Burkina. On dit on va pas fuir les terres, donc il faut trouver des moins, il faut qu'on on y aille. Sprecherin 1: Es ist eine Frage von Leben und Tod. Heute reden wir davon, dass in Burkina Faso schon zwei Millionen Hektar Boden unfruchtbar geworden sind. Was wäre die Alternative? Wir haben kein anderes Land als das in Burkina Faso. Wir können es nicht einfach aufgeben und fliehen. Also müssen wir Wege finden, wie wir es wieder fruchtbar machen können. Sprecher 2 Die Grüne Mauer - Wie der Sahel gegen die Klimakrise kämpft Eine Feature-Reihe von Bettina Rühl Folge 1 Senegal - Waldarbeit ist Sozialarbeit Es sprachen: Jean Paul Beck, Hüseyin Michael Cirpici, Justine Hauer, Jochen Langner, Claudia Mischke, Heiko Obermöller, Anna Panknin und die Autorin. Ton und Technik: Christoph Rieseberg und Thomas Widdig Factchecking: Leo Becker, Jule Dieterle, Johanna Klenke, Kathrin Krautwasser, Laura Mattausch, Melanie Miklautsch, Karin Petrich und Andreas Schöllig. Regie: Anna Panknin Redaktion: Wolfgang Schiller Die Recherche wurde gefördert von der Filmstiftung und Medienstiftung NRW. Eine Produktion des Deutschlandfunks 2024 2