COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel vom 28.02.2010 "Ich möchte richtigen Schnee sehen" Kenias beste Fußballerin Doreen Omondo spielt für ein Jahr in Bremen Von Jörg Hafkemeyer Atmo 1 Hallenfußballtraining (allgemeine Geräusche) Bremen. Der Stadtteil Woltmershausen. Ein altes, tristes Industrieviertel zwischen Neustädter Hafen und Weser. Mittendrin ein weitläufiger Sportkomplex. Hallenfußball wird hier jeden Abend gespielt. Von jungen Männern und Frauen. Auf kleinen durch Banden voneinander abgetrennten Feldern hetzen junge, grün-weiß gekleidete Frauen über den grünen Kunststoffboden. Treten vehement gegen einen Lederball. Drei gegen drei spielen sie. Mit fliegendem Wechsel. Konzentriert beobachtet von einer kräftigen jungen Frau. Birte Brüggemann ist bei Werder Bremen Trainerin. Für die Frauen. Ihr Kollege Norman Ebenthal steht ein wenig abseits, schaut ihr und den Sportlerinnen zu. 1.O-Ton (2) 24" Norman Ebenthal Frauenfußball gibt's es erst seit 2007 bei Werder Bremen, also wir sind eine relativ junge Mannschaft. Wir hatten eigentlich das Ziel 2007 innerhalb von vier Jahren in die zweite Bundesliga aufzusteigen, haben das jetzt in der Hälfte der Zeit geschafft, sehr erfolgreich, wie man sieht und schlagen uns da, glaube ich, ganz wacker, und sind jetzt auf dem achten Tabellenplatz, im Mittelfeld. Das ist unser Saisonziel auch. Atmo 1 Hallenfußballtraining bleibt weiter Norman Ebenthal zuckt fast entschuldigend mit den Schultern, wir würden ja lieber draußen trainieren. Aber bei den Witterungsverhältnissen. Da geht gar nichts. Also hat sich die erste Frauenmannschaft in das nasse, dunkle und kalte Woltmershausen verzogen. Hier treffen sie sich dreimal die Woche und werden von Birte Brüggemann gescheucht. 2 2.O-Ton (6) 12" Norman Ebenthal Birte Brüggemann ist eine der wenigen Fußballfrauen, die auch die DFB- Fußballlehrerlizenz haben, in Köln, an der Sporthochschule gemacht, wie ihrer männlichen Kollegen, die in der Bundesliga bekannt sind. Atmo 2 Training mit Mädchenstimmen Die Trainerin steht mit einer jungen schlanken, fast elegant wirkenden Frau zusammen. Hoch gewachsen, dunkle Hautfarbe, dunkle, feste, dicht zusammengebundene Haare. Mit sehr wachen, fast strahlenden Augen hört Doreen Nabwire Omondo der freundlichen blonden Trainerin zu. Doreen Omondo kommt aus der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Hat dort Straßenfußball gespielt. In den Slums, später auf schlechten Plätzen. Sind Birgit Brüggemann oder die Werder-Bremen-Scouts bis nach Nairobi geflogen, um Talente wie Doreen zu entdecken? 3.O-Ton (16) 31" Birgit Brüggemann Ich habe Flugangst und werde nicht so weit fliegen. Aber Willi Lemke, unser Aufsichtsratsvorsitzender, kennt Doreen und hat einfach mal versucht, Kontakt zu uns aufzunehmen. Hat sie sehr empfohlen. Dodo war gerade in Deutschland, hat in Bremen bei uns trainiert und wir haben einfach gesagt, wir können uns vorstellen, sie als Spielerin zu haben und das Werder sie für alle sozialen Projekte nutzen kann als Botschafterin, weil Doreenda ja sehr viel Erfahrung hat und so ist das dann eigentlich entstanden. Atmo 2 Training mit Mädchenstimmen bleibt Die Geschichte ist noch viel spannender und hat natürlich sehr viel mit Willi Lemke zu tun. Wie so vieles in Bremen und vor allem beim SV Werder. Und es hat damit zu tun, dass man sich in Bremen gerne Geschichten erzählt. Nicht nur über die örtlichen Stadtmusikanten, über Kuddel Daddel Du, über den Klabautermann und Otto Rehagel. 2 Dessen Lieblingscafe das Casablanca an der Ecke zur Mozartstraße im Ostertorviertel ist, gleich neben dem Theater am Goetheplatz. Die neueste Geschichte dreht sich um die junge Frau aus Kenia, die an diesem Abend in Woltmershausen in der Halle Fußball spielt. Sie dreht sich um eine Halbschwester des US-Präsidenten Barack Obama und, natürlich, um Willi Lemke. Der UN-Sonderberater für Sport und Aufsichtsratsvorsitzende von Werder ist wie immer auf Reisen und nicht zu sprechen. Doreen macht gerade eine Pause. Hat sich auswechseln lassen. 4.O-Ton (27) 31" Doreen Omondo (ENGLISCH/ E) Ich liebe Fußball und ich würde gerne Profi werden. Und drei , vier Jahre im Profifußball spielen. Dann will ich zurück nach Kenia. Ich habe dort einige Projekte, in denen ich arbeiten werde. Eins ist für junge Mädchen, das heißt "Mädchen-Freiheit" in Nairobi. Das ist ein Projekt, das ich mit Freundinnen in`s Leben gerufen habe. Der Grund für dieses Projekt ist, es ist in Kenia jungen Frauen verboten, Fußball zu spielen, wenn sie älter als 20 Jahre alt sind. Wir kümmern uns um sie. Die meisten sind auch Waisen. Die hatten nie die Chance eine gute Ausbildung zu bekommen. Atmo 3 Trainingsspiel der jungen Frauen Sie kann gar nicht mehr aufhören. Erzählt von einer Spielerin in Naoribi, die war eine gute Verteidigerin, hatte aber keine Eltern, kein Geld, keine Ausbildung und wurde Prostituierte. Sie musste überleben. Mit Fußball spielen ging das nicht. Doreen erzählt, dass sie die junge Frau nicht aufhalten konnte. Sie wurde eine Prostituierte. Sie hatte keine andere Option. Das Training: Schnell geht es zu und mit kräftigem körperlichen Einsatz. Birte Brüggemann spornt ihre jungen Spielerinnen an, von denen die meisten noch eine Menge zu lernen habe. Auch Doreen Omondo. 3 5.O-Ton (17) 23" Birte Brüggemannn Ich kenne mehr afrikanische Fußballlehrer als Fußballerinnen. Und teilweise eben auch aus der Distanz. Ich glaube, sie ist teilweise eine typische afrikanische Spielerin: Sie ist technisch sehr stark, sie ist sehr schnell, sie ist nicht kaputt zu kriegen, also, das ist Wahnsinn, was sie läuft, ist allerdings, das ist sicherlich noch ein Manko, taktisch nicht gut ausgebildet, so, was das Anbietverhalten betrifft und ja, auch das Defensivverhalten, aber alles in allem natürlich insgesamt ist sie für uns, für diese Liga eine gute Spielerin. Atmo 3 Trainingsspiel der jungen Frauen bleibt weiter Barfuss Fußball spielen hat sie in der Straßen der Armenviertel von Nairobi gelernt. Auma Obama, die Halbschwester des US-Präsidenten arbeitet in Kenia für die Hilfsorganisation Care. Sie lernt Doreen kennen und weiß, dass der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon einen Sonderberater für Sport hat: Willi Lemke, den früheren Bremer Bildungssenator und Marathonläufer. Willi Lemke und Auma Obama treffen sich auf einer Tagung der Vereinten Nationen. Sie erzählt dem Bremer von dem Mädchen. Wenig später ist sie in Deutschland, steht für Werder Bremen auf dem Platz und erzielt in ihrem ersten Spiel gleich zwei Tore. 6.O-Ton (32) 30" Doreen Omondo ( E ) Ich muss als erstes einmal sagen: Unter den Ländern, die ich besuchen wollte, war Deutschland nicht dabei. Das erste Land, welches ich besuchte, war Norwegen. Danach ein paar Länder in Afrika. Und ich war in den USA. An Deutschland habe ich überhaupt nicht gedacht. Ich wusste nichts von Deutschland und hatte es gar nicht auf dem Schirm. Bis ich im Jahr 2006 zur Straßenfußballweltmeisterschaft nach Berlin kam. Ich traf einen Freund. Der hatte früher in Kenia gelebt. 4 Atmo 3 Trainingsspiel der jungen Frauen bleibt weiter Kenia gewinnt mit Doreen. Zuhause sind die Menschen begeistert. Norman Ebenthal schaut ihr beim Training interessiert zu: 7.O-Ton (8) 27" Norman Ebenthal In jedem Fall ist sie eine talentierte Fußballerin. Sie ist ja nicht umsonst eines der größten Talente in Afrika, hat einen unglaublichen Lebensweg im Fußball hinter sich schon für ihre junge 22 Jahre, hat schon an diversen Turnieren teilgenommen mit der kenianischen Jugendauswahl ist bei vielen Turnieren Spielerin des Turniers geworden, aber natürlich auch noch entwicklungsfähig und jetzt 2. Bundesliga bei uns ist jetzt, glaube ich, auch noch mal eine neue Herausforderung für sie. Atmo 1 Frauentraining in der Halle (allgemeine Geräusche) Vor allen Dingen im Winter. Einen Vorteil hat der jedoch für die junge Frau. Väterchen Frost hat ihr einen Wunsch erfüllt. Sie hat zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee gesehen. 8.O-Ton (35) 34" Doreen Omondo ( E ) Natürlich war das wunderbar. Ich habe Schnee zum ersten Mal vom Flugzeug aus gesehen. Kurz vor der Landung dann, sah ich einfach alles in weiß. Ich dachte, oh mein Gott, was ist das. Das muss Schnee sein. Es sah so schön, zauberhaft aus Ganz weiß. Für mich war das - wie soll ich sagen - ich hörte fast zu Denken auf, starrte auf den Schnee Leider habe ich vergessen, zu fotografieren. Es sah alles so,...... sehr friedlich aus. 5 9.O-Ton (19) 14" Birte Brüggemann Das ist für uns Trainer ein schönes Bild, wenn wir auf den Platz gehen, weil man schon in ihrem Gesicht sieht, dass sie sich nicht wirklich wohl fühlt. Und man muss auch, wenn man ganz ehrlich ist, sagen, dass sie sich sehr, sehr bemüht, aber es an ihrer Leistung teilweise auch sieht. Es ist natürlich unangenehm für sie derzeit. . Atmo 1 Frauentraining in der Halle bleibt weiter Die 22jährige ist in den Augen ihrer Trainerin ein "Superfrau und eine klasse Fußballerin". Und die wiederum ist "sehr stolz in Deutschland sein zu dürfen". Das ist, findet sie, die große Chance ihres Lebens. Weshalb sie auch Deutsch lernt. 10.O-Ton (34) 15" Doreen Omondo Mein Deutsch geht besser und besser jeden Tag..... es geht wieder besser. Atmo 1 Frauentraining in der Halle bleibt weiter Das Training geht zu Ende. 90 Minuten. Die jungen Spielerinnen sind geschafft. Wollen unter die Dusche, zur anschließenden Mannschaftsbesprechung und dann nach Hause. Doreen muss am nächsten morgen früh hoch. Um 8.15 trifft sie Im Gymnasium Obervieland Schüler aus zwei neunten Klassen. Doreen arbeitet im Sozialmanagement von Werder Bremen, über das ihre Trainerin sagt: 6 11.O-O-Ton (21) 59" Birte Brüggemann Wie viele Vereine, ist Werder Bremen auch ein Verein, der sich sozial engagiert. Ich würde fast behaupten, dass Werder Bremen der Verein schlechthin mit sozialem Engagement ist. Auch das steht und fällt, glaube ich sehr, mit unserem Geschäftsführer Klaus-Dieter Fischer, der einfach ein riesengroßes Herz für das soziale Engagement hat, immer wieder neue Projekte in`s Leben ruft, und auch das gehört eben auch wirklich zu einer sozialen Aufgabe eines Großvereins, der, das muss man ja einfach sagen, ein Wirtschaftsunternehmen mit nicht wenig Geld ist. Profifußball ist halt ein Geldgeschäft und an diesem Geschäft sollen eben auch die teilhaben, die so zu sagen bedürftig sind, aus verschiedensten gründen und auf verschiedenen Ebenen. Das sind Projekte vom Kidsclub angefangen. Wir haben viele Mitglieder über 60 Jahre. In der Abteilung ist Dodo ja im Moment tätig. In der Abteilung Sozialmanagement, dass Mitglieder über 60, im so genannten 60plus- Kurs bestimmte Dinge machen können. Wir haben ein Projekt 100 Schulen, 100 Vereine. Wir gehen jetzt auf Tour und irgendwann wird sicherlich auch ein neues Projekt geben, das Werder-World-Wide heißt, auch wieder mit Bezug zu Afrika sicherlich auch da seine Wurzeln haben wird, und, und, und, und. Atmo 5 (40") Dodo redet und allgemeine Klassengeräusche Am nächsten Morgen. Das Gymnasium Obervieland in der Alfred Faust Straße. Ein klotziger Plattenbau. Beton. Stahl. Glas. Wie in Osterholz- Scharmbek oder in der Neuen Vahr. Die Schule hat mehr den Charakter einer Anstalt. Abweisend. Kalt. Unpersönlich. Ein Sanierungsfall. Im Klassenzimmer vor Beginn des Unterrichts, redet Doreen mit einigen Schülerinnen. Sieben Jungen und sechs Mädchen sind gekommen. Der raum bestätigt den äußeren Eindruck: 26 kleine rechteckige Fenster. Zwei Handwaschbecken. Eine Tafel mit Kreide. Geräte für naturwissenschaftlichen Unterricht. Die sind ebenso alt wie die Tische an denen die Schüler zu zweit auf wackligen Stühlen Platz nehmen. 7 Die Schüler sind verlegen. Hinrich Lau, der Lehrer, fordert sie immer wieder auf, Doreen Fragen zu stellen. Das klappt nicht gut. Die Englischkenntnisse der jungen Leute sind bestürzend. Die in Geografie offenbar auch. Doreen erzählt, wo sie in Deutschland überall gewesen ist. Unter anderem in Jena. Jena? Doreen blickt in ahnungslose Gesichter. Niemand weiß, wo die Stadt liegt. Erneut betretenes Schweigen. Atmo 4 (1:51) Dodo Spricht Englisch, danach ruhige Klassen- Geräusche, der Lehrer spricht Als es gar nicht mehr weiter geht schlägt Doreen vor, erst einmal den Film zu zeigen der über sie gemacht wurde. Er erzählt sozusagen einen teil ihrer Lebensgeschichte. Große Erleichterung bei den Schülern und Lehrer Lau. Der sitzt vorne auf einem Tisch. Ein Abspielgerät wird beschafft. Es funktioniert nicht. Es wird weg gebracht. Ein Neues geholt. Der Film beginnt: Atmo 6 (1:06) DER FILM ZWISCHEN WELLBLECH UND WELT- BÜHNE (Bitte am Anfang 20" und am Ende 20" Frei stehen lassen: Er endet mit EIN MÄRCHEN OHNE HAPPY END? Ein Schüler ist eingenickt. Am Film kann das nicht liegen. Der ist sehr interessant gemacht. Lehrer Lau sitzt weiter vorn neben der Leinwand auf einem Tisch. Doreen beobachtet die Schüler. Zwei Mädchen tuscheln. Eine schaut aus dem Fenster. Diese morgendliche Veranstaltung findet im Rahmen des Politikunterrichts statt. Werder Bremen arbeitet eng mit dem Gymnasium im Stadtteil Obervieland zusammen. Betrachtet es als eine Talentschule. 8 Atmo 7 (32") DER FILM TEIL II: DOREEN HATTE ANDERE PLÄNE Die ersten 12" frei stehen lassen am Ende auch Zwei Schüler kommen sehr verspätet. Hocken sich hin. Blicken sich um, Doreen an. Wissen augenscheinlich nicht worum es geht. Schauen sich den Film an. Reden mit einander. Lehrer Lau sitzt nach wie vor neben der Leinwand auf einem Tisch. Atmo 4 (1:51) nur die ruhigen Klassengeräusche nehmen Der Film wird angehalten. Es ist Pause, alle stehen auf drängen durch die schmale Tür auf den Gang. Zwei Schülerinnen stehen mit Doreen zusammen. So etwas wie ein Gespräch kommt zustande. Doreen erzählt ihnen über die letzten Wahlen in ihrem Land, bei denen so furchtbar betrogen wurde. 12.O-Ton (28) 49" Doreen Omondo ( E ) Der Kandidat Raila Odinga war der klare Favorit bei diesen Wahlen 2007. Niemand zweifelte daran, dass er Präsident werden und Kibaki ablösen würde. Was geschah nun? Kibaki ließ die Wahlen fälschen. Viele, viele Menschen waren darüber sehr sauer, wütend. Sie gingen auf die Straßen, schlugen, bekämpften sich. Doch das ist nicht das Schlimmste. Das Übelste ist, Kibaki und Odinga sind nun an der Spitze. Es waren die armen Menschen, die sich bei den Protesten töteten, während die beiden Männer mit ihren Funktionären in aller Ruhe und allem Reichtum leben in ihren Villen und mit ihrem Reichtum und ihre Familien werden geschützt. Atmo 4 (1:51) wieder nur die ruhigen Klassengeräusche nehmen Die zwei ihr Zuhörenden schütteln ungläubig den Kopf. Können es gar nicht fassen. Wissen aber auch nichts über Kenia und die politische Situation dort. Wie schlimm, wie korrupt es ist. Politikunterricht auf dem Gang. Wahlen in Kenia. 9 13.O-Ton (29) 33" Doreen Omondo ( E ) Du stimmst ab. Nichts ändert sich. Du hungerst, leidest weiter. Du stimmst ab und bei den Protesten verlierst Du Deinen Bruder, Deinen Freund. Im Jahr nach den Wahlen, 2008, war es wirklich richtig schlimm. Viele Menschen starben während und nach den Auseinandersetzungen auf den Straßen. Menschen wurden getötet oder aus ihren Hütten, Wohnungen vertrieben. Sie wussten nicht, wo sie hin sollten. Zur selben Zeit, als die Straßenschlachten tobten, lebten die beiden Kandidaten weiter wie bisher und auch nach diesen ganzen Kämpfen und den vielen Toten: Sie sind an der Macht und haben bekommen was sie wollten. Ich hatte niemals vorher abgestimmt bei Wahlen. Das war das erste Mal. Ich werde das nie wieder tun. Atmo 4 (1:51) wiederum nur die ruhigen Klassengeräusche nehmen Die Pause ist um. Sie gehen hinein. Niemand außer den beiden Jugendlichen hat sich sonst in den vergangenen Minuten zu ihr gesellt, Fragen gestellt. Lehrer Lau sitzt schon wieder auf seinem Tisch. Doreen erzählt ihren beiden Begleiterinnen noch zum Thema arm und reich in Kenia. 14.O-Ton (30) 29" Doreen Omondo ( E ) Außerdem, auch für uns, die wir in den Slums von Nairobi geboren wurden und dort aufwuchsen... Du kennst die Unterschiede nicht. Du kennst nur die Slums: Hier wirst du geboren, hier wächst Du auf, hier lebst du, und du merkst, dieses Leben ist sehr, sehr schwer. Und du siehst andere Plätze, andere Menschen in Nairobi. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Arm und Reich bei uns. Die Chance, aus diesem Elend heraus zu kommen, berichtet Doreen den jugendlichen Zuhörern, sei sehr gering. Die wenigsten schaffen das und wenn sie es schaffen, durch Glück und harte Arbeit. Denn in den Slums gibt es nicht nur Armut und Krankheiten. 10 Es gibt Dienstahl, Überfälle und Drogen, es gibt Gangs und Erpressung. Es gibt keine Sicherheit. Das gilt auch für sie selbst, erzählt sie. Ich kann ausgeraubt, überfallen, zusammen geschlagen werden. Das geschieht jede Nacht. Atmo 8 (1:09) DER FILM GEHT WEITER: ALS ICH KLEIN WAR; WAR ICH SEHR; SEHR SCHÜCHTERN: ER ENDET MIT: ...GAB DOREEN ALLES FÜR 50 EURO IM MONAT. ACHTUNG REGIE: DIESE ATMO SOLL FREI STEHEN BLEIBEN: Atmo 4 (1:51) Dodo spricht Englisch, danach ruhige Klassenge- Räusche, der Lehrer spricht In der Pause hat Doreen mit einem nachsichtigen Lächeln gesagt, nicht an allen Schulen sei es so zäh wie an diesem Morgen mit den Neuntklässlern. Sie arbeitet gern in der Sozialabteilung des Bundesligisten. Von dort aus werden Schulen, Fans aber auch Randgruppen betreut. Und es geht ihr natürlich auch darum, etwas gegen Rassendiskriminierung in Deutschland zu tun. Deshalb erzählt sie den Jugendlichen immer wieder und nachdrücklich über die Wellblechhütte, über die Slums oder über die Schulen in ihrem Heimatland. 15.O-Ton (31) 35" Doreen Omondo (E) Bei uns muss man um sieben Uhr morgens in der Schule sein. Pünktlich. Und viele Kinder haben sehr weite Wege, gehen zu Fuß oder fahren mit den kleinen, engen, überfüllten Bussen, den Matatus, das sind unsere öffentlichen Verkehrsmittel. Jeden Morgen haben die Kinder Probleme, mit diesen Matatus zu fahren, weil. manche Fahrer wollen die Kinder nicht mitnehmen, weil sie nicht zu bezahlen brauchen. Sie nehmen sie einfach nicht mit, weil sie Kinder sind. Häufig finden sich Erwachsene, die für die Kids bezahlen. 11 Atmo 12 (31") Doreen spricht englisch (wo sie gelebt hat) Sie erzählt, dass sie sehr weit weg von zu Hause ist, dass es ihr manchmal fehlt und dann kommt doch noch eine Frage. Was ihr an Deutschland gut gefällt? 16.O-Ton (36) 13" Doreen Omondo (E) Die Menschen hier gefallen mir gut. Vor allem diejenigen, die mich hier aufgenommen, mich begrüßt haben. Alle sind freundlich. Negatives habe ich nicht erlebt. Die Leute lächeln mich an auf der Straße. Reden mit mir. Böses habe ich in Deutschland noch nicht erlebt. Atmo 12 bitter weiter nehmen Und was fehlt ihr hier in Bremen, fragt dann ein anderer Schüler. 17.O-Ton (37) 35" Doreen Omondo (E) Natürlich das Essen. Das ist in Bremen wirklich sehr anders als bei uns daheim.....Ich vermisse die kenianische Küche. Manchmal kaufe ich Sache, um zu kochen. Aber es fehlt immer etwas und ich weiß nicht, wo ich es bekommen kann. Das Essen ist hier komplett anders als in Kenia. Deswegen kommt es vor, dass ich manchmal überhaupt nicht koche. Augenblicklich kommt es mir so vor, dass ich mühsam überlebe, weil ich zwar Hunger habe ich aber nicht weiß, was ich essen soll. Das vor letzte Mal habe ich einfach Lebensmittel von zu Hause mitgebracht. Do die sind alle. Und beim letzten Mal habe ich sie vergessen. Ich vermisse einfach das Essen zuhause. Atmo 11 (1:36) DER FILM GEHT WEITER: Die Slumbewohner aus Kenia hohlten den Pokal. ENDET MIT: Zuhause Schauten alle zu - am Ende die ganze Nation. Bitte am Anfang und am Ende frei stehen lassen! 12 Doreen Omondo will in Deutschland soviel wie möglich lernen, aufsaugen. Sie will nach einem Jahr in Bremen nach Nairobi zurück. Sie will Vorbild sein. Seit der Weltmeisterschaft 2006 macht sie mit beim Programm des Weltverbandes FIFA "Football for hope". Schon in Nairobi hat sie eine Fußball-AG an der deutschen Schule unterrichtet. Weshalb sie sich auch an diesem Vormittag im Obervielander Gymnasium nicht fremd fühlt. Sie hätte nur von den Schülern mehr Fragen, mehr Neugierde erwartet. Sie sagt das sehr nachdrücklich, sehr konzentriert. Berichtet den Schülern, dass in Kenia Kinder in den Schulen geschlagen werden. Keine Fragen dazu. Atmo 5 (40") Doreen und allgemeine Geräusche Dann sind die zähen zwei Stunden vorbei. Lehrer Lau steht von seinem Tisch auf. Die Schüler sagen Tschüß. Hinrich Lau spricht später davon, dass die zwei Stunden eine Bereicherung gewesen sind. Doreen hat heute noch Deutsch-Unterricht, dann arbeitet sie in der Sozialabteilung. Am Abend ist Training. Atmo 2 Training und Mädchenstimmen Trainerin Birte Brüggemann hat die jungen Frauen um sich versammelt. Doreen ist auch gekommen. Sie macht trotz des langen Tages keinen erschöpften Eindruck, eher einen entspannten. Sie ist mit dem Bus gekommen. Vom Weser Stadion, da wo Werders Geschäftsstelle ist, wieder in das Sportzentrum in Woltmershausen. Bremen ist flächenmäßig länger als breit. Die Fahrt dauert lang. Sie scheint sich in Bremen eingelebt zu haben. Norman Ebenthal neigt den Kopf nach rechts, scheint davon nicht ganz so überzeugt zu sein. 13 18.O-Ton (9) 25" Norman Ebenthal Das ist ganz klar, dass sie Anlaufzeit braucht, um sich zu akklimatisieren. Vor allen Dingen, wenn man aus Kenia kommt und dann im Winter auch noch nach Deutschland, die Hauptzeit in Deutschland verbringt. Das ist dann schon schwierig, richtig anzukommen. Aber wir haben da, glaube ich, ein ganz gutes System gefunden halt mit der Mannschaft, dann mit ihrem Job im Sozialmanagement bei Werder Bremen, wo sie immer unter Leuten ist und immer den Kontakt zu anderen Mitmenschen hat und klappt ganz gut, glaube ich. Atmo 2 Training mit Mädchenstimmen Es ist ein ganz schön hartes Training. Sehr professionell. Betreuer Norman Ebenthal ist auch wieder da. Sind die jungen Frauen eigentlich Profis? 19.O-Ton (3) 11" Norman Ebenthal Mit Frauenfußball kann man bei Werder noch kein Geld verdienen. Aber auch allgemein in Deutschland hat der Stellenwert des Frauenfußballs was die finanziellen Dinge angeht, nicht den Stellenwert wie er beim Herrenfußball ist. Atmo 2 Training mit Mädchenstimmen Er dreht sich um, schaut Birgit Brüggemann dabei zu, wie sie der Mannschaft etwas erklärt, nimmt den Gedanken noch einmal auf und fügt hinzu: 14 20.O-Ton (4) 17" Norman Ebenthal Es gibt einige, wenige Frauen, die Fußballprofis sind. Ich sage mal, eine Birgit Prinz, da prominentes Beispiel, kann zur Zeit, denke ich, mit Frauenfußball ganz gut leben, geht aber auch noch ihrem normalen Beruf nach und wird es, denke ich, nach ihrer Karriere auch noch tun. Atmo 2 Training mit Mädchenstimmen Vielleicht wird das einmal anders, wenn die Mädchen und jungen Frauen einmal älter geworden sind, die jetzt durch das enge Karree rennen, gegen die Bälle treten, weiter laufen und wieder schießen. 21.O-Ton (1) 17" Norman Ebenthal Es ist wirklich eine sehr junge Mannschaft. Ich würde jetzt mal das Durchschnittsalter auf 19, 20 schätzen. Wir haben teilweise noch einige Schülerinnen in der Mannschaft, hauptsächlich aber Studentinnen, einige sind bei der Bundeswehr und einige auch im Berufsleben schon. Atmo 3 Trainingsspiel der jungen Frauen Die Trainerin hat sich an die Bande gestellt, führt und unterweist ihre Spielerinnen mit großer Genauigkeit und Nachdruck. 22.O-Ton (15) 5" Birgit Brüggemann Insgesamt sind wir 38 Frauen und im Mädchenbereich ist die Zahl identisch. Atmo 3 Trainingsspiel der jungen Frauen bleibt weiter Sie ist von Doreen begeistert auch wenn sie glaubt, dass es zur großen Profikarriere angesichts der allgemeinen Umstände im Frauenfußball noch nicht reicht. 15 Aber, sie ist fleißig, hängt sich rein, gibt nicht auf. Das gilt auch für das Erlernen der Deutschen Sprache, was für die junge Kenianerin richtig schwierig ist. 23.O-Ton (10) 10" Norman Ebenthal Doro hat im ersten halben Jahr, als sie bei uns war, einen Sprachkurs gemacht in Deutsch. Sie konnte aber auch schon sehr gut Deutsch, weil sie halt schon in Kenia an einer deutschen Schule Fußball gelehrt hat. Atmo 3 Trainingsspiel der jungen Frauen bleibt weiter Doreen hat sich auswechseln lassen. Es ist kurz vor Trainingsschluss. Wie sie ihr Spiel findet? 24.O-Ton (33) 13" Doreen Omondo (E) Es wird jeden Tag besser. Ich merke, dass ich jeden Tag besser werde, ich denke, das ist so weit, so gut. Atmo 2 Training mit Mädchenstimmen Bevor sie sich verabschiedet, sagt sie auf die Frage, was sie an ihrem Heimatland Kenia besonders mag: 25.O-Ton (38) 12" Doreen Omondo Unsere Kultur. Die Leute sind sehr freundlich und nett. Sie sind sehr warm. Atmo 2 Training mit Mädchenstimmen bleibt am Ende frei stehen!