COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. DeutschlandRadio Kultur Länderreport Hader trifft Berlin - Der österreichische Kabarettist gibt Auskunft - Autor Stefan May Red. Claus-Stephan Rehfeld Sdg. 13.12.2012 - 13.07 Uhr Länge 18.26 Minuten Regie Frank Merfort Moderation Josef Hader und Berlin - die Begegnung verspricht intellektuellen Zündstoff. Hader und der Berliner ecken gerne an, Hader und Berlin sind kantigen Zuschnitts. Und wenn österreichischer und berliner Humor einander begegnen, dann dürften die Synapsen glühen. Oder ist alles ganz anders? Wer Karten bekommen hat, der wird sich heute abend bei den "Wühlmäusen" in Berlin sein Bild machen können. Und wer keine Karten ergattern konnte, der lehnt sich jetzt entspannt zurück, weil Josef Hader mit Stefan May schon mal darüber gesprochen hat. Über den Berliner und den Wiener Menschenschlag, über den Humor dort und hier und natürlich über Wien und Berlin. Bitte. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Autor Ein Spätherbst-Nachmittag in Berlin-Kreuzberg: Die Sonne ist schon untergegangen, der Mariannenplatz liegt fast völlig im Dunkeln und wird nur von spärlichen Straßenlampen erhellt. Nicht weit von dem Hotel, in dem er abgestiegen ist, treffe ich, wenige Stunden vor seinem Auftritt im Kino Babylon, den österreichischen Kabarettisten Josef Hader. Wir sitzen im hinteren Gastraum eines kleinen türkischen Cafés. Die Sofas sind mit Teppichmustern verziert, die Getränke werden in kleinen Tässchen serviert. Hader ist kein Neuling in der deutschen Hauptstadt, er kennt sich aus in und mit Berlin. Im Lauf der Jahre ist er zum Stammgast geworden: Hader "Ich bin hier her gekommen erst zu einem Zeitpunkt, da gab´s das klassische Westberlin nicht mehr, das waren so die Jahre nach der Wende. Und da war Berlin so ziemlich der spannendste Ort in Europa, wo alles im Umbruch war. Man ist herkommen, ist die Schönhauser Allee raufgangen, und es waren drei Studentenlokale, wo sich Studenten selber auf Bierkisten in Kellern irgendwelche Lokale gemacht haben. Und man ist ein Jahr später gekommen, und es waren schon fünf professionelle Lokale da. Und so, von Jahr zu Jahr, hat man gesehen, wie sich die Stadt entwickelt. Mittlerweile sind Bezirke, die früher spannend gewesen sind, sind jetzt sehr brave Bezirke geworden, Prenzlauer Berg; andere Bezirke, die nicht so hip geworden sind, haben sich mehr bewahrt. Es ist noch immer eine Stadt, wo ein großes Tempo ist und wo sich schnell etwas verändert, aber es hat sich natürlich verlangsamt." Autor Er hat im Zuge seiner Berlin-Aufenthalte in unterschiedlichen Stadtteilen gewohnt, im bürgerlichen Charlottenburg ebenso wie in der weniger elitären Umgebung des Hermannplatzes in Neukölln. Diesmal ist es also Kreuzberg, und man kann sich den intellektuellen Zeitgeist-Pulsmesser Hader eigentlich gar nicht anderswo vorstellen, wie er einem so gegenüber sitzt im schwarzen Ledermantel mit dunklem Hemd und dickem Brillengestell. Dennoch ist es Zufall, dass er heute in Kreuzberg abgestiegen ist, versichert er. In Wien wohnt er im 9. Bezirk an der Grenze zum 20. In Wien haben die Bezirke, anders als in Berlin, zusätzlich zum Namen auch eine Ordnungsnummer, mit der oft schon alles gesagt ist. In diesem Fall heißt es: Bürgerlicher Bezirk an der Grenze zum Arbeiterbezirk, schwer einzuordnen, so wie Josef Hader selbst. Gibt es ein Spiegelbild Kreuzbergs in Wien? Hader "Das Kreuzberg in Wien wäre am Yppenplatz in Ottakring, da ist so ein Hauch von Kreuzberg. Wien ist halt eine kleinere Stadt, aber auch in Wien gibt´s doch recht ausdifferenzierte Bezirke. Und die Probleme sind ja nicht so unähnlich, die Probleme, die im 15. Bezirk sind in Wien, und im 16., und die hier in Kreuzberg sind. Das sind ja ähnliche Probleme. Nur, es ist halt so, in einer großen Stadt haben dieselben Probleme mehr Masse, sie sind einfach dicker, und dadurch haben sie mehr Wucht. Aber grundsätzlich: diese Multikulturalität als Chance aber gleichzeitig auch als Problem für beide Seiten, da muss man nix neu lernen in Berlin, das kennt man von Wien her." Autor Trotzdem fehlt eine der wesentlichen Ingredienzien, denn Kreuzberg gilt als Wiege der grün- alternativen Bewegung - Vergleichbares fehlt in Wien. Josef Hader dreht an seiner Kaffeetasse und überlegt, woran das liegen könnte. Wohl daran, dass die österreichischen Grünen nicht aus einer linken Protestbewegung hervorgegangen sind, meint er. Auch wenn Berlin und Wien über längere Zeit proletarische Städte, Arbeiterstädte, gewesen sind, wie er betont: Wien erscheint im Vergleich braver. Hader "Wien, von der Geschichte her, war zunächst eben eine Residenzstadt, mit einem sehr hierarchischen System. Das merkt man heute noch, wenn man im österreichischen Fernsehen mit dem Aufzug fährt, wird man unterschiedlich gegrüßt, je nachdem, in welchem Stockwerk man aussteigt. Bis heute ist Wien so eine Lakaienstadt ein bissel, wo man immer aufpassen muss, eine Stadt, wo alles viel konfliktscheuer passiert. Man möcht´ sich´s mit niemandem verderben. In Wien kann´s passieren, wenn man sich mit drei Leuten zerstreitet, dass man beruflich erledigt ist, weil nur diese drei Leute einen weiterbringen können, sonst gibt´s niemand. Berlin ist generell geprägt von einer größeren Konfliktfreudigkeit, habe ich so den Eindruck, aber auch von einem großen Selbstbewusstsein. Also ich find´, dass der Berliner oft durchaus sehr offen ist und sehr geradlinig sagt, was ihm nicht passt. Der Wiener wählt manchmal Umwege, ein bissel, und traut sich nicht immer gleich heraus damit. Das ist so ein Erbe der Habsburger wahrscheinlich." Autor Der grantelnde Wiener, der meckernde Berliner, zwei Klischees, die einen ähnlichen Volkscharakter in beiden Städten beschreiben. Oft schon ist Josef Hader auf der Bühne in die Haut solcher Charaktere geschlüpft. Hader "Es gibt in beiden Städten diese gepflegte Form der Unhöflichkeit oder der Unfreundlichkeit, die aber weitgehend ironisch gemeint ist. Und ein Wiener, der nach Berlin kommt, versteht sofort die Berliner Ironie, und ein Berliner, der nach Wien kommt, und wenn er sich dann einigermaßen in den Dialekt eingehört hat, versteht er auch die Wiener Ironie. Es sind im Grund zwei Städte, deren Bewohner sich wohlfühlen in der jeweils anderen Stadt." Autor Offenbar sind es die Konnotationen, das Mitschwingen im Gesagten, bestimmte gemeinsame Schlüsselsignale, welche die Bewohner beider Städte einander seelenverwandt machen. Eines aber vermisst Josef Hader in Berlin, wie allerdings überall anderswo auch außerhalb von Wien: Das Kaffeehaus, von dem einmal ein berühmter Literat gesagt hat, es sei deshalb so ein idealer Aufenthaltsort, weil man nicht zu Hause und dennoch nicht an der frischen Luft sei. Hader "Mein Lieblingscafé ist in Wien in Ottakring das Café Ritter. Das ist draußen an der Ottakringer Straße in der Nähe der Brauerei, und man geht quasi am Wiener Stadtrand hinein und findet ein Jugendstilcafé, ein riesiges aus der Jahrhundertwende. Autor Was nicht heißt, dass Josef Hader auf der Suche nach Cafés in Berlin nicht dennoch fündig würde - mit jenen Abstrichen natürlich, die der Wiener außerhalb seiner Stadt bei diesem Thema notgedrungen machen muss: Hader "Es gibt eben die türkischen Cafés, es gibt immer noch Künstlercafés, es gibt die heruntergerasselten Cafés in Charlottenburg, die früher total hip waren und völlig überfüllt während der Berlinale. Jetzt hat sich die Berlinale zur Mitte verlagert. Jetzt kann man dort wunderbar sitzen, und es ist halbleer, was ich ganz dringend notwendig finde. Für mich muss ein Kaffeehaus halbleer sein, dann ist es angenehm. Es hat viele Inseln, die Stadt." Autor Inseln, wo er in Ruhe arbeiten kann. Vielleicht auch überarbeiten? Das Programm aus Österreich adaptieren für Berliner Ohren und Herzen? Ist das notwendig bei soviel Gemeinsamkeiten, wie er sie soeben aufgezeigt hat? Hader "Meine Programme sind nicht so tagespolitisch und auch nicht so geografisch bezogen, dass ich sehr viel am Inhalt ändern müsste. Man kann sich natürlich fragen, ob es zum Beispiel hier in Berlin heroben einen Sinn hat, über den deutschen Papst zu sprechen, wenn lauter Heiden im Publikum sitzen, die früher vielleicht evangelisch waren." Autor Dann aber könnte es doch passieren, dass die Menschen in Berlin an anderen Stellen lachen, wenn sie zumindest von einer anderen Religion oder auch überhaupt keiner geprägt sind. Hader "Die Reaktionen des Publikums hängen eigentlich nicht so stark davon ab, ob man in Berlin oder in Wien spielt, sondern eher, ob man in einem Theater spielt, auf einer Uni oder in einem Cabaret-Lokal. Und ein bissel für mich als Österreicher in Deutschland ist auch wichtig, dass ich mir klar bin, ob ich in Niederbayern spiel´ oder in Berlin. Da muss ich die Sprache ein bissel herauf- oder hinuntertunen. Es ist eher so, dass, wenn man im Westen spielt, in den "Wühlmäusen", wo relativ g´standene Kabarett-Zuschauer kommen dann, hat man eher die klassischen Kabarettreaktionen, wenn man hier in Mitte spielt, wo alles bunt gemischt kommt, da kommen die Leute, die einen ein bissel von den Kinofilmen kennen und die klassischen Cabaret-Zuschauer haben nicht den hohen Anteil, dann ist es wieder ein bissel anders. Aber geografisch- ich könnte nicht sagen, anhand einer Publikumsreaktion, ob ich in Wien spiel´, in Berlin, in München. Ich hab´ gehört, es gibt sogar Dirigenten, die ihre Orchester nicht erkennen. Und genauso wenig erkenn´ ich mein Publikum." Autor Auch wenn Großstädte nach Haders Angaben immer ein hartes Pflaster sind, wenn man als Unbekannter zum ersten Mal dort auftritt, hat er sie inzwischen schätzen gelernt, weil er dort mehrere Tage am selben Ort bleiben kann. Hader "Die harte Arbeit bei der Tournee ist eher das, dass mandann manchmal vier Städte hat im Ruhrgebiet, alle cirka gleich groß, diese mittleren Städte, wo man in der Fußgängerzone ist und sich denkt: Bin ich jetzt in Mühlheim an der Ruhr oder schon in Neuss? Die schauen alle gleich aus. Jede Fußgängerzone schaut gleich aus, es ist immer Nebel und Herbst, und man fährt da von Stadt zu Stadt. Das sind eher die harten Tourneewochen." Autor Josef Hader, dem Fans glühende Synapsen unterstellen, ist aber kein vazierender, also umherziehender Alleinunterhalter, auch kein Transporteur politischen Humors. Hader ist ein Multitalent der Kleinkunst. Er schreibt Drehbücher und spielt in Filmen. Sein erster großer Erfolg auf der Leinwand war der Film "Indien" mit seinem Kollegen Alfred Dorfer. Hader "Es sind auch viele Leute, die wegen der Filme kommen. Und das empfinde ich als sehr angenehm, weil: Es ist gut, dieses klassische Kabarett-Publikum ein bissel durchzumischen. Oft sitzen die da wie in der Kirchen und warten auf ein Hochamt." Autor Berlin, die Stadt des Kabaretts, Wien die Stadt des Cabarets. Bereits in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts war der Austausch zwischen den zwei Städten diesbezüglich sehr rege. Hader "Das Interessante ist, dass diese Traditionen, die es zwischen den Weltkriegen gegeben hat zwischen Wien und Berlin, durchaus net tot zu kriegen sind. Die Premiere vom "Weißen Rössl" zum Beispiel, von dieser Operette, war in Berlin, und eine der, ja unter Anführungszeichen, eine der kultigsten Ideen hier in Berlin, in der Bar jeder Vernunft, war es, das "Weiße Rössl" in einer sehr ironischen und satirischen Form in das Zelt zu geben, und es war ein Riesenpublikumserfolg. Der Austausch von Künstlern ist nach wie vor da. Österreich hat immer seine Lieblingsberliner Künstler gehabt, und umgekehrt: Es ist hier der Boden für österreichisches Cabaret sicher besser als zum Beispiel im westlichsten Westdeutschland. Es gibt immer noch diesen Kulturaustausch." Autor Inzwischen ist es 18 Uhr geworden, Zeit für Josef Hader, diesen Kulturaustausch in die Tat umzusetzen und sich deshalb langsam auf den Weg zum Theater zu machen. Ziel ist die große Bühne des Kinos Babylon in Mitte. Der Kaffee ist ausgetrunken, und wir brechen auf, durchs abendliche Kreuzberg, Richtung U-Bahnhof. Es ist ein Stadtteil auf dem Weg zum lebenden Museum, immer zahlreicher von Fremden besucht und bestaunt - nicht immer zur Freude der hier Wohnenden. Hader "Ich finde, es ist so ein angenehmer Tourismus, es sind so jüngere Menschen mit Lonely Planet-Büchern, und man geht so und denkt sich: aha, jetzt haben wieder Menschen ein interessantes Café aufg´macht, das einer bestimmten Richtung gewidmet ist. Es gibt aber sehr guten Kaffee, muss man sagen, das ist der Vorteil hier der Oranienstraße, das ist in Wien keine Selbstverständlichkeit. Man muss wirklich einmal eines sagen: Es gibt Cafés in Kreuzberg, wo der Kaffee weit besser ist als in Wiener Kaffeehäusern. Der Kaffee in Wien ist eigentlich selten wirklich gut und sehr oft richtig schlecht." Autor Wir sind am Oranienplatz angekommen: Die Hauswände sind besprüht, an manchen ranken sich Grüngewächse empor, das Straßenschild der Oranienstraße ist so überpinselt, dass nun "Onanierstraße" zu lesen ist. Türkische Reisebüros und indische Restaurants wechseln einander im Straßenbild ab. Nicht weit entfernt liegt die Markthalle. Hader "Bei der Markthalle gegenüber, gibt´s a G´schäft, da gibt´ s alte Filmplakate. Und zwar richtig Original-Filmplakate aus den 70er Jahren und 60er Jahren. Da habe ich eine große Schwäche für so was. Ich bin ein ziemlicher Filmfreak, und ich geh´ immer hin und schau, ob ich mir was leisten kann." Autor Die Läden schließen langsam. Aus den Schaufenstern fällt Licht auf den Bürgersteig, drinnen sind die Besitzer mit dem Aufräumen beschäftigt. Hader "Was auch ein gewisser Unterschied ist zu Wien, nicht nur hier in Kreuzberg, sondern überall, dass die Cafés, die Geschäfte, die Lokale - dass das alles mit Witz gemacht ist und mit Hingabe, und dass oft einfach eine Idee dahinter steckt. Ich bin gestern bei einer Fischhandlung vorbeigegangen, eine normale Fischhandlung. Und das Haus hat ein Gerüst jetzt, weil Bauarbeiten sind, und bei der Fischhandlung, die jetzt so ein bissel versteckt unterm Gerüst ist, war ein großes Schild: Trotz der Bauarbeiten - wir angeln für sie weiter. Und das ist eine Ironie, das gibt´s in keiner anderen Stadt der Welt. Das ist Berlin." Autor Anderes Beispiel in Moabit: Eine Buchhandlung ist umgezogen. Im Schaufenster an der Straßenecke klebt ein Zettel: "Wir sind weiter Richtung Spreeufer gezogen - Folgen Sie uns unauffällig." Inzwischen sind wir am Kottbusser Tor angelangt. Die Aura des sozialen Brennpunkts wegstreichelnd, wird der Platz von den Einheimischen liebevoll "Kotti". Zwei Stockwerke tiefer nehmen wir einen jener modernen U-Bahn-Züge, wie es sie nun auch in Wien gibt, deren Durchgängigkeit vom Anfang bis zum Ende das wurmhaft Schlängelnde ihrer unterirdischen Bewegung sichtbar macht. Hader "Der größte Unterschied zu Wien und Berlin ist, dass in Berlin - hier grad´ ausnahmsweise nicht -, aber dass sehr viele Menschen so als fahrende Musikanten und auch Vortragende so in den Waggons mitfahren, sich immer sehr höflich vorstellen, wer sie sind, welches Schicksal sie haben und nachher sammeln gehen oder was vorspielen. Und da denk ich mir, da merkt man, dass Berlin eine sehr liberale Stadt ist, weil ich nicht weiß, wie die Wiener auf so etwas reagieren würden. Ganz stoisch sitzen´s da, und auch wenn es ihnen nicht g´fallt und einmal ein bissel zu laut ist, lassen sie es über sich ergehen. Ich hoffe natürlich, dass die Wiener auch so wären, wenn es das gäbe, aber sicher bin ich mir net. Die würden sich, glaube ich, schneller aufregen." Autor Die Fortbewegung mit dem öffentlichen Verkehrsmittel ist in beiden Städten nicht nur schneller, sondern auch lustiger, sagt Josef Hader. Mitunter fährt er Taxi - und kann selbst da vergleichen. Hader "Man merkt auch plötzlich die Ähnlichkeit in der Ironie an den Taxifahrern. Wenn die einem was erzählen, dann merkst du, beide, der Wiener und der Berliner Taxifahrer, regen sich gerne über was auf, haben aber eine sehr ironische Art sich darüber aufzuregen." Atmo Autor Orientieren kann sich Josef Hader in Berlin besser als in Wien, weil es wie auf einer Platte von West nach Ost angerichtet sei. Nur am Alexanderplatz tut er sich jedes Mal schwer, gesteht er, als wir aus dem Untergrund auftauchen und in die Weite aus Fahrstreifenvielzahl und Stockwerkvielzahl blicken. Atmo Hader "Die großen Plätze gibt es zum Beispiel in Wien nicht, die großen breiten Straßen, wo die Sonne so hineinkommt, weil es auch sehr flach ist hier. Ich finde, es gibt keine Stadt, wo die Sonne so hereinfluten kann am Abend, am Morgen wahrscheinlich a, aber da krieg´ ich´s nicht mit, wie in Berlin. Da war ich zum ersten Mal 1990, und da gab´s ja noch keine Werbeaufschriften, sondern es war pure Architektur. Und da habe ich zum ersten Mal verstanden, dass moderne Architektur etwas Tolles sein kann, weil die Gebäude so pur dagestanden sind. Ich habe damals gewohnt in dem Hochhaushotel, das jetzt ein internationaler Konzern übernommen hat, das hieß damals Hotel Forum. Und wenn man da in den oberen Stockwerken gewohnt hat, sind in der Nacht immer, ist der Wind so durchs Gebäude gestrichen, dass es immer wie ein Gruselschloss geklungen hat, wenn man geschlafen hat, war immer so ein Ton." Atmo Autor Zu DDR-Zeiten hatte das Hotelhochhaus noch Hotel Stadt Berlin geheißen, und die Berliner, die, anders als die Wiener, ihrer Stadtmöblierung immer schon gerne Spitznamen verliehen hatten, nannten es damals: Das Schnarchkombinat. Nach wenigen Schritten haben wir unser Ziel erreicht, das Kino Babylon, das im Schatten der wie ein antiker Tempel angestrahlten Volksbühne liegt. Gerade hier erinnert er sich an eine andere Berliner Spielstätte, wo er in der Vergangenheit aufgetreten ist. Atmo Hader "Das Interessante an Steglitz, wo ich im Schlossparktheater gespielt habe, ist, dass man vorher schon vermutet, dass es eine Art von Berlin gibt, wo um zehn Uhr die Gehsteige hochgeklappt werden, aber man hat sie noch nicht kennengelernt, diese Ecke. Und das war schon eine interessante Erfahrung und auch, dass man nirgendwo so wirkliches Westberliner Publikum hat. Oft nachher, wenn man mit den Leuten gesprochen hat, kam der Satz: Sie spielen ja auch im Osten. Damit meinten die genau hier: Babylon, Mitte." Atmo Autor Ob West, Mitte oder Ost: Josef Hader liebt Berlin. Er kommt immer wieder gerne in die deutsche Hauptstadt. Aber bei der Frage, ob er hier auch gerne leben würde, setzt er die Worte zögernd, tastend, als wolle er prüfen, ob ihn diese Liebe zu Berlin auch dann tragen könnte, wenn er sich nicht nur als Besucher in der Stadt aufhielte. Atmo Hader "Naja, für mich stellt sich die Frage nicht so, weil ich bin wirklich gern in Wien und hab´ dort meinen Lebensmittelpunkt, aber falls ich mal beruflich und privat jetzt nicht mitdenken muss, sondern einfach so sagen kann, dann wäre das schon die Stadt, wo ich gerne eine Zeitlang leben würde - ja." -ENDE Beitrag-