COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport vom 14.09.2010 Unerwünschte Freizügigkeit Grenzkriminalität in Sachsen Autoren Alexandra Gerlach (Beitrag 1) Michael Frentzen (Beitrag 2) MOD Unerwünschte Freizügigkeit. Grenzkriminalität in Sachsen. Am Mikrofon begrüßt Sie Claus Stephan Rehfeld. REGIE Musik kurz frei & unter Moderator weg MOD Die Öffnung einer Grenze, gar ihren Wegfall - die Deutschen feiern das in diesem Jahr. In Sachsen auch, dort hoffentlich nicht nur das entschwinden einer Grenzkontrolle. Die Öffnung der Grenzen nach Polen und Tschechien wird nicht mehr uneingeschränkt begrüßt, denn in den letzten Jahren hat vor allem der Kfz- Diebstahl im Freistaat drastisch zugenommen. Einige sächsische CDU- Abgeordnete haben daher laut darüber nachgedacht, ob es nicht sinnvoll wäre, die früheren Grenzkontrollen - dem Schengen-Abkommen zum Trotz - vorübergehend wieder einzuführen. Dieser Vorstoß hat heftige Kritik ausgelöst, aber es wird weiter darüber laut nachgedacht. Und die Landesregierung ist nun gefordert. Alexandra Gerlach berichtet. LR-k Grenzkriminalität SN / Gerlach - 3'31" E 01 (Bandmann, MdL) "Sehr geehrter Herr Bandmann, wenn es stimmt, was die Bildzeitung geschrieben hat, dass Sie dafür sind, das es an den Grenzen wenigstens wieder vorläufig Grenzkontrollen einzuführen, dann können wir dies nur begrüßen, das schreibt jemand aus Frankfurt/Oder. Was wir jeden Tag nur über unsere Zeitung erfahren, ist negativ genug und nicht mehr tragbar!" AUT Zahlreiche Zuschriften wie diese hat der sächsische CDU-Politiker Volker Bandmann in den letzten Wochen erhalten. Das erfüllt den innenpolitischen Sprecher der CDU im Landtag mit Genugtuung. Denn mittlerweile füllen die Presseausschnitte über Diebstahlsdelikte in der Grenzregion, die Bandmann tagtäglich von seiner Sekretärin ausschneiden und sammeln lässt, mehrere Aktenordner. Einbrüche, gestohlene Fahrzeugen aller Art - vom Fahrrad, Behindertenfahrzeug oder Luxus-Karosse bis zum Traktor mit Mähwerk - sind darin dokumentiert. Längst rät der Görlitzer Landtagsabgeordnete dem PKW- Besitzer, in eine Parkkralle oder mobile Lenkradsperre zu investieren. Der Kfz- Klau in Sachsen sei längst zu einer Landplage geworden, sagt er. E 02 (Bandman) "Wir tragen hier eine Last für ganz Deutschland, und hier sehe ich auch die Bundespolitik massiv in der Verantwortung, was die Personalausstattung und eventuell das Abziehen von Abordnungen in andere Räume nach München oder nach Stuttgart, so dass ich fordere, dass neben einer zeitweiligen Einführung der Grenzkontrollen auch die Abordnungen beendet werden. Die Leute, die eigentlich hier ihren Dienst verrichten würden, doch abgeordnet werden, in Gebiete, wo sie möglicherweise Däumchen drehen." G 01 Straßenkontrolle AUT Bandmanns Vorschlag ist nicht nur bei der Opposition auf ein zwiespältiges Echo getroffen, doch das rührt ihn wenig: E 03 (Bandmann) "Also das ist natürlich eine Forderung, die schräg steht zu allem bisherigen Denken, das ist uns auch als CDU-Kreisverband schon bewusst gewesen, aber wir müssen - Deutschland, Polen und Tschechen - gemeinsam diesem Spuk ein Ende setzen!" AUT In der Tat sind seit Inkrafttreten des Schengener Abkommen an der ehemaligen Ostgrenze der Europäischen Union, im Dezember 2007, viel weniger Bundespolizisten in der Grenzregion im Einsatz. Zudem muss die sächsische Landespolizei Stellenkürzungen hinnehmen. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich will deshalb noch im September bei einem Besuch in Tschechien das Thema ansprechen. E 04 (Tillich, MP) "Wir müssen die Zusammenarbeit mit den polnischen Sicherheitskräften verbessern, aber auch mit den tschechischen Partnern verbessern." AUT Die Nachbarn auf der polnischen Seite habe man bereits sensibilisiert für das Problem, sagt Sachsens Innenminister Marcus Ulbig, CDU. Denn längst sei eindeutig, dass es bei sich bei den Kfz-Dieben keinesfalls um kleine Fische handele, sondern: E 05 (Ulbig, Innenmin.) "Dass wir es hier mit international agierenden Banden zu tun haben." AUT Seit 3 Jahren gibt es inzwischen die "Sonderkommission Mobile" und seit kurzem die deutsch-polnisch besetzte Fahndungsgruppe "Neiße". Im Grenzraum bündeln die Fahnder aus den drei Nachbarländern ihre Kompetenzen und verfolgen neuerdings gemeinsam Straftäter, die sich nach Osten absetzen wollen. Um den Dieben das Handwerk zu legen brauche es schnelle Kommunikationswege, sagt Uwe Horbaschk, Pressesprecher der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien. Doch die mangelnden Sprachkenntnisse der Beamten auf allen Seiten im Dreiländereck seien nach wie vor ein große Hürde bei der Verfolgung der Straftäter. -ENDE Beitrag 1/Gerlach- MOD "Ein Paradies für Diebe". Das ist für die "Super-Illu" das Dreiländereck rund um Zittau mit Sachsen, Tschechien und Polen. Wie "Paradiese" für Diebe aussehen, wissen wir nicht, aber - so die Fakten - der südöstlichste Zipfel des Freistaats gilt als Autoklau-Hochburg. Nirgendwo sonst in Sachsen werden so viele Autos aufgebrochen. Schuld daran sei Schengen, sagen nicht wenige Einheimische, also der Wegfall der Personenkontrollen seit 2007. Michael Frantzen war in einem Grenzort unterwegs, wo das Misstrauen grassiert - genauso wie das Gefühl, in Stich gelassen worden zu sein. LR-l Die eigenartige Empörung / Frantzen - 14'33" A 01 Vogelgezwitscher Regie: Kurz frei stehen lassen und dann unter O-Ton blenden E 01 (Fritz) "Den Tag der Grenzöffnung von Schengen feiern alle Kriminellen als Feiertag. Der Selbstbedienungsladen hat geöffnet. Der Pförtner ist weg. Wir sind wieder Freiwild." E 02 (Noack) "Kommt vor, dass ich auch mal aus Köln nen Anruf kriege: Ob man denn hier nu mit seinem Auto sicher sein könnte?" E 03 (Liebscher) "Also sicher kann man gar nimma sein." AUT In Ebersbach. In der sächsischen Grenzstadt geht die Angst um. Würde man auf den ersten Blick gar nicht vermuten: Idyllisch ist es hier. Die engen Gassen sind aus Kopfsteinpflaster, viele Häuser aus Fachwerk. Am Horizont schimmern satt grüne Bergwälder und sanfte Hügel, auf denen die Pferde vor sich hin grasen. Alles ganz friedlich. "So kann man sich täuschen." Kfz-Mechaniker Wolfgang Liebscher verzieht das Gesicht. E 04 (Liebscher) "Innerhalb von den letzten zwei Monaten sind se sicher fünf Mal auf dem Grundstück gewesen. Zum einen sind die Einbrecher hier auf den Hof. Die sind ran an die Fahrzeuge, haben die auf Steine gestellt, mit nem Stein die Scheiben eingeschlagen, Autoradios ausgebaut. Der größte Einbruch war eigentlich, wo se in der Werkstatt waren: Dort haben se Computertechnik und Diagnosetechnik in großem Stil mitgenommen. Eigentlich das, was unsere Existenz nen bisschen runtergeschmissen hat. Also, im Ganzen schätzt man irgendwo nen Schaden von 40-45.000." AUT Hätte er sich auch nicht träumen lassen - der Endvierziger, damals, nach der Wende, als er seine Kfz-Werkstatt in der Innenstadt aufmachte: Dass ihm einmal die Angst im Nacken sitzen - und er das Werkstattgelände in eine Art Hochsicherheitstrakt verwandeln würde. E 05 (Liebscher) "Mit Sicherheitstechnik jämmerlich aufgerüstet - das kostet richtig Geld. Mit Verbindung zum BGS, Polizei. Und zu mir nach Hause. Ich werde im Haus jetzt selber verständigt, wenn dort irgendwas wieder is. Auf dem Platz. Ist schon vorgefallen. Es ist meistens in der Nacht, von zwei und drei bis halb vier." AUT So wie dem Kfz-Mechaniker geht es vielen Ebersbachern. Bei Christian Kretschmar sind sie auch schon ins Haus gestiegen. Ist schon länger her, seitdem, meint der pensionierte Chefarzt des Kreiskrankenhauses hier, habe er "aufgerüstet". Alarmanlage, Bewegungsmelder, was es halt so gibt an Sicherheitstechnik. Ist ja auch nicht umsonst Gründungsmitglied und Vorsitzender der "Bürgerinitiative Grenzsicherheit." Jedes "Delikt" im Ort wird vom gut 80jährigen, der fast als Zwillingsbruder des ehemaligen SPD-Chefs Hans-Jochen Vogel durchgehen könnte, penibel in einen dickem Aktenorder abgeheftet. E 06 (Kretschmar) "Wir haben in den letzten Tagen erst wieder Einbrüche hier erlebt, wo die Täter, die überwiegend aus Tschechien kommen, mit großen Äxten stabile Haustüren eingeschlagen haben. Heizkörper, Kupferrohre abgebaut. Und abtransportiert haben. Diese Diebstähle, die über längere Zeit dauern, beweisen immer wieder, dass die Polizeipräsenz völlig ungenügend ist. Bedingt einfach durch die fehlenden Beamten, die in ner geringen Zahl im Dreischichtsystem Riesengebiete zu überblicken haben." E 07 (Horbaschk) "Wir haben ja einen relativ großen Dienstbezirk zu betreuen. 1,7 Mal so groß wie das Bundesland Saarland, um nur mal ne räumliche Vorstellung zu bekommen." AUT Erklärt der Pressesprecher der für Ebersbach zuständigen Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien, Uwe Horbaschk. E08 (Horbaschk) "Etwa 1200 Vollzugsbeamte versehen hier ihren Dienst. Natürlich: Wir als Polizei wünschen uns auch immer mehr Leute. Wir müssen aber mit den Bedingungen, die wir hier haben und es ist bekannt, dass es einen Personalabbau bei der sächsischen Polizei gibt und auch noch geben wird ...mit diesem Personalbestand, den wir haben, müssen wir unsere Hausaufgaben machen." AUT Mehr als 2400 Polizeistellen sollen in ganz Sachsen noch abgebaut werden. Schwierig also - das mit den "sicherheitsrelevanten Hausaufgaben" - auch in Ebersbach. Eine Polizeistelle sucht im Ort vergeblich. Dafür verrichtet ein "Bürgerpolizist" seinen Dienst, der provisorisch in einem Verwaltungsgebäude der Stadtverwaltung Unterschlupf gefunden hat und mit dem man sich auch gerne unterhalten hätte, was sich aber trotz diverser Telefonate nicht einrichten ließ. Wenn etwas ist im Ort, muss die personell auch nicht gerade üppig ausgestattete Wache im sieben Kilometer entfernten Seifhennersdorf ran. Ganz schön weit weg. Bürgermeister Bernd Noack kennt das Dilemma. Der Mann mit dem graumelierten Kord-Jackett und der randlosen Brille hat zurzeit einiges um die Ohren. Die Augustflut hat Ebersbach voll erwischt: 74 Häuser wurden überflutet, der Gesamtschaden liegt bei gut drei Millionen Euro. Schon wieder schlechte Nachrichten. Langsam macht sich der Bürgermeister Sorgen um den Ruf seiner Gemeinde. Natürlich weiß auch Noack, dass Ebersbach und die anderen Städte im Grenzgebiet um Zittau die höchste "Kriminalitätsbelastung" in Sachsen haben, wie es offiziell heißt; dass in der Region letztes Jahr 869 Autos gestohlen wurden, 50 Prozent mehr als 2008; dass sie mit 15182 Fällen auch bei den Diebstahldelikten ganz vorne liegen. Und das alles, stöhnt Noack, weil Land und Bund am falschen Ende sparen, seitdem Ende Dezember 2007 im Zuge von Schengen die Schlagbäume fielen. E 09 (Noack) "Wir waren überhaupt nicht gegen die Grenzöffnung. Aber wir haben damals schon gesehen: 60 Prozent weniger Bundespolizei wird zu einer Erhöhung der Kriminalität führen, weil einfach der Druck nicht mehr so da ist. Das betrifft mehrere hundert Beamte, die jetzte nach Magdeburg, Frankfurt oder München gegangen worden sind. Die Umsetzung findet auch noch in diesem Jahr statt, soll in diesem Jahr abgeschlossen werden. Wir werden danach weniger als die Hälfte der Beamten hier haben. Also circa noch 300 Beamte." A 02 Auto Regie: Frei stehen lassen und dann unter 3. Atmo blenden A 03 Waffengeschäft (Kunde) "Ich glaub, ich nehm die hier für 15 gleich." (Fritz) "Gut!" (Kasse ruckelt) (Fritz) "So!" (Kunde) Alle klar. Tschüssi!" Regie: Frei stehen lassen und dann unter Autor blenden AUT Zumindest er verdient nicht schlecht an der hohen Kriminalität in Ebersbach und Umgebung: Waffenhändler Gunter Fritz. Bei Fritz ist nichts dem Zufall überlassen - sicherheitstechnisch. Draußen, vor dem Eingang, wacht ein überlebensgroßer Pappsoldat im Nato-Outfit, drinnen finden sich auf 30 Quadratmetern Verkaufsfläche neben Büchern wie "Adolf Hitler im Grenzgebiet Oberlausitz- Böhmen" gelbe Metallschilder mit der Aufschrift "Vorsicht vor dem Hund - und Besitzer", Kaufpreis: 12,90 Euro. Und zum "Aktionspreis" von fünfzig Euro: Eine "Submachine Gun". Verkauft er nicht so viele von. Das ist bei seinem "Standardsortiment" anders. E 10 (Fritz) "Es geht los bei Pfeffersprays, wenn man dem Ganoven direkt gegenüber steht, sich erst Mal wehren kann. Bis zu Schreckschusswaffen; Alarmsysteme. Also alles das, was man gezwungen ist zu kaufen, weil ja unser Staat den garantierten Schutz nicht mehr gewährleisten kann. Oder will." AUT Auf DEN Staat und DIE Politiker ist Gunter Fritz nicht gut zu sprechen. Machen leere Versprechungen, sagt er. Drücken sich vor unbequemen Wahrheiten - aus "politischer Korrektheit". Dabei ist die Sache doch ganz klar. E 11 (Fritz) "Der Angriff erfolgt aus dem Ausland." AUT Ist sich Gunter Fritz sicher. E 12 (Fritz) "Das waren Tschechen." AUT So schlicht das Weltbild eines Gunter Fritz auch sein mag - in Ebersbach und anderswo im Zittauer Grenzgebiet ist es weit verbreitet. Wo man auch hinkommt: Überall erzählen die Leute Geschichten über die "Räuber von drüben". Wie die vom Rasenmäher, den ein bestohlener Ebersbacher vis-a-vis seines Grundstückes auf tschechischer Seite munter seine Runden ziehen sah. Oder dem Fahrradladen, der schon so oft aufgebrochen wurde, dass sich der Besitzer gar nicht mehr die Mühe macht, die Einbrüche seiner Versicherung zu melden. Uwe Horbaschk kennt die Geschichten. Natürlich könne man vor dem Problem der Grenzkriminalität nicht die Augen verschließen, meint der Polizeisprecher. Schließlich sei das Wohlstandsgefälle zwischen Tschechien und Polen einerseits und Deutschland andererseits immer noch groß. Aber: Alles auf DIE Tschechen und DIE Polen zu schieben, gehe auch nicht. E 13 (Horbaschk) "Generell muss man sagen, dass bei allen Straftaten der Anteil ausländischer Täter unter zwanzig Prozent liegt. Also, diese Auffassung, dass alle Täter aus Polen oder Tschechien kommen, die ist nicht unbedingt zu bestätigen." AUT Feindbild Tschechien - das geht auch Bernd Noack gegen den Strich. Lästig sei das mit der Grenzkriminalität, meint der Ebersbacher Bürgermeister. Nur: Die Oberlausitzer profitierten auch von den offenen Grenzen. E 14 (Noack) "Wir haben jetzt auch sehr viele tschechische Kunden, die hier gerade im Handel nen bedeutenden Teil des Umsatzes mit machen. Also, für uns hat sich wirtschaftlich die Grenzöffnung in jedem Fall sehr positiv ausgewirkt. Bei Obi oder gerade in hochwertigen Möbeln, Textilien, elektronischen Geräten finden die größten Umsätze mit den tschechischen Kunden statt. So dass auch Obi bei uns hier drei tschechische Verkäufer eingestellt hat." AUT Meint der Ebersbacher Bürgermeister, nur um hinzuzufügen, nun sei es an der Dresdner Landesregierung, den Menschen das Gefühl zurückzugeben, man nehme ihre Sorgen ernst und packe das Kriminalitätsproblem an. Problem erkannt, wir handeln. Tönt es aus dem sächsischen Innenministerium. Der zuständige Minister Markus Ulbig verweist gerne auf erste Erfolge durch den "dichten Fahnungsschleier", der sich über die Region gelegt habe. Allein tausend Beamte seien bei einer Großaktion Ende Juni auf den Autobahnen und Bundesstraßen unterwegs gewesen. Zum Teil inkognito, wie der Pressesprecher der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien, Uwe Horbaschk, betont. E 15 (Horbaschk) "Nicht alle Dinge sind für die Öffentlichkeit erkennbar. Es wird zivil, es wird verdeckt gearbeitet. Es ist ein taktisches Einsatzmittel, um hier dem Täter auf die Schliche zu kommen. Sind Beamte, die in Zivilfahrzeugen unterwegs sind und hier nach bestimmten taktischen Gesichtspunkten vorgehen." AUT Wie diese "taktischen Gesichtspunkte" aussehen; in welchem rechtlichen Rahmen die verdeckten Ermittler agieren - kein Kommentar, schallt es unisono aus der lokalen Polizeidirektion und dem Innenministerium in Dresden. Dort erfährt man stattdessen, dass der Herr Minister vor kurzem einen "KfZ-Sicherheitsgipfel" einberufen habe, bei dem die Autoindustrie aufgefordert wurde, doch bitte schön mehr für die Diebstahlsicherheit zu tun. Es gebe da "gewisse Innovationsdefizite", monierte Innenminister Ulbig. Christian Kretschmar von der "Bürgerinitiative Grenzsicherheit" hat davon auch gehört. Und kann es immer noch nicht fassen. E 16 (Kretschmar) "Großen Summen gehen hier in die Sicherheit. Und das ist die Schizophrenie wieder der Politiker. Sie sagen: Wir wollen ein freies Europa! Wir wollen ein Europa ohne Grenzen! Die Polizei sagt: IHR müsst euch schützen! Ihr müsst Zäune bauen! Ihr müsst feste Gitter vor die Fenster machen! Ihr müsst Sicherheitsanlagen haben! Die Leute müssen sich wieder in Burgen einigeln. Und das ist eigentlich nicht der Sinn eines modernen Europas." AUT Sich über den Sinn eines modernen Europas Gedanken zu machen - darauf würde Wolfgang Liebscher nicht kommen. Hat ja auch andere Sorgen. Die letzten zwei Einbrüche in seiner Kfz-Werkstatt haben Spuren hinterlassen bei dem stillen Mann mit dem ergrauten Haar. E 17 (Liebscher) "Wir haben jetzt schon überlegt, ob man nitt besser aufhört mit der ganzen Sache. Es geht ins Geld. Und das nächste ist eben diese psychologische Belastung, die man eigentlich hat. Man schläft unruhig. Man ist eigentlich selbst die Nacht, wenn man kurz munter wird: Komm los! Sachen angezogen. Wir gehen mal fix nen Rundgang machen! Was ist? Man wird ja nicht umsonst munter." AUT Methode Selbsthilfe: Etliche Ebersbacher haben es Wolfgang Liebscher nachgemacht - und beispielsweise in ihre Autos GPS-Ortungsgeräte eingebaut, mit denen sie zur Not, auf eigene Faust, ihr gestohlenes Gefährt aufspüren können. Es vergehe kaum ein Tag, erzählt der Kzf-Mechaniker, an dem seine Familie am Abendbrottisch nicht über die Grenzkriminalität rede. Und was man dagegen tun könne. Im neuen Zonenrandgebiet. E 18 (Liebscher) "Mein Sohn hat sich so ne Waffe zugelegt. Und sagt: Sobald ich dort irgendetwas sehe: Ich werde die einsetzen." E 19 (Fritz) "Wenn sie das zweite oder dritte Mal innerhalb eines Jahres ausgeraubt wurden, hat das mit martialisch nichts mehr zu tun. Das ist Verzweiflung. Dann kündigt wohlmöglich noch die Versicherung. Dann kommen sie auf die schwarze Liste, finden keine Versicherung mehr. Dann müssen sie sich ausrüsten. Denn nach dem nächsten Einbruch können se sich erschießen." AUT Ähnlich wie die NPD, die seit geraumer Zeit in Ebersbach im Stadtrat sitzt, hat Gunter Fritz, der Mann mit den Waffen und deneinfachen Lösungen auch schon eine Idee, wie man das "Problem mit den Ganoven von drüben" in den Griff kriegen könnte. E 20 (Fritz) "Wem tut denn das was, wenn er an der Grenze kontrolliert wird? Das stört doch nur den Kriminellen. Der ehrliche Bürger kalkuliert einen Stopp von zehn Minuten an der Grenze ein. Zeigt seinen Ausweis und kann weiterfahren. Nur der Kriminelle fühlt sich dadurch beengt und belästigt." AUT Kontrollen an den Grenzen - für Uwe Horbaschk kommt das nicht in Frage. Der Polizeisprecher aus Görlitz will etwas ganz anderes: Grenzen überwinden. E 21 (Horbaschk) "Wenn wir nicht miteinander, mit den Kollegen in Polen und auch in Tschechien arbeiten, haben wir den falschen Weg begangen. Und diese Arbeit gibt es bereits: Wo unter anderem Lagebilder ausgetauscht werden, wo gegenseitig Ermittlungsergebnisse hin und her geschoben werden. Und zusätzlich haben wir ja seit diesem Sommer die gemeinsame Fahndungsgruppe Neiße, wo polnische und sächsische Beamte miteinander auf Streife gehen. Wir haben seit vielen Jahren gemeinsame Streifen - auch trinational: Tschechisch, polnisch und sächsisch besetzt." E 22 (Noack) "Das ist in keinem Falle ausreichend." AUT Hält Ebersbachs Stadtvater dagegen. E 23 (Noack) "Es gibt keine direkte Grenzbeobachtung mehr, sondern die Beamten bestreifen das Grenzgebiet bis in dreißig Kilometer Tiefe. Und unsere Forderung ist: Vernünftige Strukturen zu schaffen, die auf Dauer das Phänomen Grenzkriminalität zurückdrängen. Und das bedeutet, dass wir natürlich auch proportional mehr Beamte der Landes- und auch der Bundespolizei brauchen." AUT Danach sieht es nicht aus. Sachsens Innenminister Ulbrig will weiter Polizeistellen schließen. Schlechte Karten für Ebersbach. Und Wolfgang Liebscher. E 24 (Liebscher) "Also, wird das irgendwann wieder so werden, wie's schon mal in Ebersbach war: Es wird ne Bürgerwehr wahrscheinlich gegründet. Die dann sagt: Gut, OK, wir haben jetzt Leute, die abends dann ab und zu mal nen Rundgang laufen. Weil: Polizeipräsenz ist gleich Null." -Ende Beitrag 2/Frantzen- MOD Unerwünschte Freizügigkeit. Grenzkriminalität in Sachsen. Michael Frantzen und Alexandra Gerlach nahmen sich des Themas an. Morgen dann im Länderreport geht es um die Frage "Was wird bleiben?" Denn zehn Jahre Internationale Bauausstellung Lausitz nähern sich dem Finale. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Script Ablaufplan-