COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Forschung und Gesellschaft Rettungsschirm aus Gasgemischen Lässt sich der Klimawandel mit Geo-Engineering beherrschen? Autor : Peter Kirsten Redakteur : René Aguigah Sendung : 9. Juni 2011 / 19:30 Uhr Regie : Stefanie Lazai Besetzung : Frank Arnold; Robert Frank Musikakzent bis "...Naturwissenschaften" Sprecher Eine zarte Hülle aus Gas, Wasserdampf und Staub umschließt die Erde. Sie erreicht in ihrer Stärke nicht einmal ein Hundertstel des Erddurchmessers. Staunend durfte sie der Mensch vom Weltraum aus wahrnehmen. Aus irdischer Perspektive bleibt ihm nur der Blick auf das vertraute Blau des Himmels, das Dichter und Künstler inspirierte: Zitator Verloren ins weite Blau, blick ich oft hinauf an den Aether und hinein ins heilige Meer, und mir ist, als öffnet' ein verwandter Geist mir die Arme, als löste der Schmerz der Einsamkeit sich auf ins Leben der Gottheit. Sprecher Hölderlin notierte diese Zeilen aus dem späten Hyperion-Fragment in jenen Jahren, die wir als Ende des vorindustriellen Zeitalters bestimmen: den Ausgang des 18. Jahrhunderts. Heute ist die Erdatmosphäre eines der meist untersuchten Objekt der exakten Naturwissenschaften. Fünf Millionen mal eine Milliarde Tonnen beträgt die Masse der Atmosphäre. Ein unvorstellbar großer Betrag. Mit ihrem Sauerstoff wurde Leben auf der Erde möglich, und ihre natürliche Beschaffenheit sorgte für eine bewundernswert gleichbleibende Temperatur. Aber hinter diesem Gleichgewicht verbirgt sich eine große Verletzlichkeit, die der Mensch erst spät erkannte. Weniger als ein Tausendstel der riesigen Atmosphärenmasse fallen auf die sogenannten Treibhausgase, allen voran das Kohlendioxid. Und doch ist der seit dem vorindustriellen Zeitalter gemessene Anstieg durch die Emissionen aus Industrie und Verkehr von einer Wirkung, die Ängste um das künftige Weltklima auslöst. Das Kytoto-Protokoll von 1997, die großen Konferenzen von Kopenhagen 2009 und Cancun 2010 sind Marken, die für den Versuch stehen, das anhaltende Wachstum der CO2-Emissionen in den Griff zu bekommen. Beim letzten Treffen in Cancun hat sich die Weltgemeinschaft zumindest darauf verständigt, mehr als zwei Grad Celsius Temperaturanstieg nicht zuzulassen. Aber wie? Das blieb ungesagt: Die CO2 - Emissionen wachsen stärker als früher: 1. O-Ton Hans-Joachim Schellnhuber Wir sagen, was legen die Regierungen auf den Tisch, nach Kopenhagen, Cancun usw. Das kann man verrechnen, dann kann man eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Temperatur entwickeln, angeben und dort ist es so, dass die Wahrscheinlichkeit bei jetzigem Fahrplan für die Einhaltung der 2Grad-Leitplanke vielleicht bei 10% liegt. Das ist verdammt wenig, es geht darum, ob die Erde anders sein wird als sie während der gesamten Entwicklung des Homo Sapiens vorgefunden wurde. Da sind glaub ich 10% Chance das zu verhindern lächerlich wenig. Ich würde sogar sagen, wenn es umgekehrt wäre, wenn es eine 90%ige Chance wäre, dann wäre sie noch viel zu gering. Sprecher Unter führenden Klimaexperten, zu denen der Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung Hans-Joachim Schellnhuber zählt, hat sich anhaltende Skepsis darüber breit gemacht, dass die internationale Politik je zu einer wirksamen Reduktion und Vermeidung der CO2-Emissionen findet. Globale Klimapolitik und Klimawissenschaft driften auseinander. Wissenschaftliche Projektionen über einen bedrohlichen Temperaturanstieg einerseits und die Mühsal im politischen Raum andererseits haben den Boden für alternative Forschungen bereitet, mit technologischen Mitteln das Klima zu beeinflussen. "Geo-Engineering" oder auch "Climate Engineering" hat Konjunktur bekommen. Ein aktueller Ausdruck für diese Entwicklung ist das dreitägige Expertentreffen in zehn Tagen, zu dem der Weltklimarat, das "Intergovernemental Panel on Climate Change", IPCC, nach Peru eingeladen hat. Zum ersten Mal will sich das IPCC mit den Möglichkeiten und Risiken des Geo-Engineering befassen. In seiner Begründung heißt es: Zitator Geo-Engineering, oder die gezielte groß angelegte Manipulation der planetaren Umwelt wird zunehmend als eine potenzielle Strategie diskutiert, dem anthropogenen Klimawandel entgegenzuwirken. 2. O-Ton Hauke Schmidt Für mich das entscheidende Argument, dass man dort Forschung betreiben sollte, ist, dass diese Forschung betrieben wird unabhängig davon ob wir das tun oder nicht, weil die Interessen einfach sehr groß sind. Und ich denke es ist wichtig unabhängige Wissenschaft, die nicht von Interessengruppen geleitet ist, zu dem Thema zu betreiben um festzustellen, ob diese Vorschläge, die vorhanden sind überhaupt seriös sind. Sprecher Hauke Schmidt gehört zu den wenigen Wissenschaftler in Deutschland, die zum Geo-Engineering forschen. Wie der amerikanische Wissenschaftshistoriker James Fleming in seinem 2010 erschienen Buch "Fixing the Sky" akribisch nachweist, reichen die Anfänge des Geo-Engineering bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Im Grunde kristallisierten sich schon damals die beiden Hauptstrategien des Geo-Engineering heraus: zum einen das "Carbon Dioxide Removal", die CDR- Technologie, die dem CO2-Anstieg in der Atmosphäre auf zwei Weisen begegnen soll: einmal durch die künstliche Rückgewinnung des Kohlendioxids, und dann auch durch die Verstärkung natürlicher Prozesse, die CO2 aufnehmen und speichern. Zum anderen gibt es das "Solar Radiation Management", die SRM-Technologie, die darauf baut, die Sonneneinstrahlung auf der Erde zu reduzieren um so einen Abkühlungseffekt zu erzielen. Was heute auffällt, beschreibt der Umweltethiker Konrad Ott von der Universität Greifswald so: 3. O-Ton Konrad Ott: Mittlerweile kann man in den USA schon von einem regelrechten Hype sprechen. Konservative Politiker wie Newt Gingrich haben jetzt sogar schon Postwurfsendungen durchgeführt, wo sie Geo- Engineering als eine schnelle, billige und effektive Lösung des Klimaproblems anpreisen. USA ist die eine Seite, die europäischen, jetzt nicht nur die deutschen, die europäischen Wissenschaftler haben sich im Grunde eher skeptischer positioniert und man wird in den kommenden Jahren sehen müssen wie sich dieser transatlantische Dialog zwischen den verschiedenen Wissenschaftskulturen aber auch zwischen den verschiedenen politischen Kulturen entwickeln wird. Sprecher Der Weltklimarat als Gremium der Vereinten Nationen verfolgt bei seiner Initiative keine Partikularinteressen. Viel eher drückt sie den Ernst der Situation aus. Nur wenige Tage vor dem enttäuschenden Klimagipfel in Kopenhagen beging der Wissenschaftsausschuss im amerikanischen Kongress ein ähnliches Debüt: Am 5. November 2009 setzte er das erste von drei Hearings an, die sich dem Problemkreis des Geo-Engineering in seinen beiden Varianten widmeten. Die anderen folgten im Februar und im März 2010. Eingeladen waren international renommierte Experten und Wissenschaftsmanager aus den USA und Großbritannien, die zu den drei großen Themenkreisen "Bewertung der Auswirkungen von großen Klimainterventionen", den "wissenschaftlichen Grundlagen und ingenieurtechnischen Herausforderungen" und zuletzt der "inländischen und internationalen Steuerung der Forschung" sprachen. Eine der Schlussfolgerungen, in die diese aufwendige und umfassende Behandlung des Geo-Engineering mündete, lautet: Zitator In den nächsten zehn Jahren wird sich die Debatte um das Geo- Engineering verstärken. Die Forschung wird zu zunehmend plausiblen und wirtschaftlich gangbaren Wegen führen, um die Umwelt zu modifizieren. Gleichzeitig wird der politische und soziale Druck wachsen - sowohl darauf, die Pläne in die Tat umzusetzen ... als auch die Geo - Engineering-Forschung zu begrenzen. Sprecher Die USA und Großbritannien wollen gemeinsam an den erforderlichen Steuerungsstrukturen für die Forschung und an der Überwachung potenzieller Demonstrationsprojekte arbeiten. Es liegt auf der Hand, dass bei einigen der Geo-Engineering-Maßnahmen, sollten sie Realität werden, auch viel Geld verdient werden kann. Hans-Joachim Schellnhuber: 4. O-Ton Hans-Joachim Schellnhuber Es gibt direkte wirtschaftliche Interessen, also Kollegen von mir, die sehr früh begonnen haben über solche Verfahren nachzudenken, haben private Firmen gegründet und hoffen wahrscheinlich damit ein großes Geschäft zu machen. Ich finde das zumindest problematisch, ich will aber keine Namen nennen. Vom Standpunkt der Weltwirtschaft und der OECD-Länder ist es natürlich so, dass die Denkfigur des Geo -Engineering gewissermaßen ein generelles Feigenblatt darstellt, hinter dem man seinen Mangel an Klimaschutz verstecken kann. Nämlich: Man verspricht der Öffentlichkeit eine Zauberlösung und kann weitermachen wie bisher. Sprecher Während des zweiten Hearings im Februar 2010 erläuterte der aus Heidelberg stammende Geophysiker Klaus Lackner einen Ansatz für die CDR-Technologie, der wie eine Science-Fiction-Idee anmutet und doch bestechend einleuchtend erscheint. Er geht zurück auf eingeführte Verfahren, wie sie schon lange bei U-Booten angewendet werden: Luft wird durch ein Aggregat geleitet, in dem ihre CO2- Moleküle mit einem Stoff reagieren, der sie chemisch bindet. Wie bei einem Filter wird das Kohlendioxid so zurückgehalten, während die anderen Gase passieren dürfen. In seinem Vortrag beschreibt Klaus Lackner die Vorzüge des Verfahrens so: Zitator Abscheidung von Kohlendioxid aus der Luft und mineralische Karbonateinlagerung sind zwei wichtige Instrumente bei der Stabilisierung der Kohlendioxidkonzentration, ohne dabei auf kohlenstoffreiche Energieträger und kohlenstoffreiche Brennstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin zu verzichten... Weil sie innerhalb des bestehenden Kohlenstoffkreislaufs funktionieren, haben sie auch viel weniger unbeabsichtigte Folgen als viele andere Ansätze des Geo- Engineering. Sprecher Klaus Lackner ist auch Mitbegründer eines Technologieunternehmens, das diese Verfahren zu Gewinnung von CO2 aus der Luft entwickelt. Er wirbt in zahlreichen Artikeln intensiv für sein Projekt. Auch in Deutschland erschienen Beiträge zur "Großen Wäsche für das Klima" oder zu den "Künstlichen Bäumen", die ähnlich der Natur das CO2 aus der Luft aufnehmen. In nächster Zeit sollen Demonstrationsmodelle entstehen, die pro Tag eine Tonne bis zu mehreren hundert Tonnen CO2 binden können. Die Attraktivität liegt auf der Hand: So würde prinzipiell ein Management der Kohlendioxidkonzentration der Atmosphäre durch den Menschen möglich. Was dem Projekt allerdings an Argumenten zugrunde liegt, ist gerade in Deutschland kaum mehrheitsfähig. Auch die Bewertung des Experten Schellnhuber ist verhalten: 5. O-Ton Hans-Joachim Schellnhuber Die Wahl, die wirkliche Wahl, ist eben nicht der Zaubertrick sondern die Wahl ist zwischen zwei gewaltigen Anstrengungen auf globaler Dimension, zwei transformativen Veränderungen, nämlich entweder eine Neuerfindung des industriellen Metabolismus weg von fossilen Brennstoffen hin zu den erneuerbaren oder eben eine Geo- Engineering-Großtechnologie, nämlich die Extraktion von CO2, die eine Infrastruktur schaffen würde gegen die alles was wir im Augenblick haben, inklusive der Ölindustrie relativ, ja, minimal erscheint. Sprecher Trotz aller Skepsis: Bei jedem Treffen mit Klimawissenschaftlern, ausnahmslos, hört man die Hoffnung, dass sich die internationale Staatengemeinschaft doch noch zu wirksamen Reduktionen der Treibhausgas-Emissionen entschließt. Aber alle Maßnahmen, das ist die einfache Wahrheit, müssen heute auf einer Zeitskala betrachtet und danach befragt werden, wann und wie sie wirken. Man kann den Zusammenhang zwischen steigenden menschenverursachten Kohlendioxid-Emissionen und der Erhöhung der globalen Temperatur nicht einfach für 20, 30 oder mehr Jahre fortschreiben. Das Dilemma besteht in Folgendem: In der Umgebung der international akzeptierten 2-Grad-Grenze können natürliche Prozesse auftreten, die einen schnelleren, sich selbst verstärkenden Temperaturanstieg auslösen. 6. O-Ton Hans-Joachim Schellnhuber Was wir im Augenblick gerade erforscht haben und veröffentlichen, ist, dass man einen Kollaps des grönländischen Eisschildes bei einer globalen Erwärmung zwischen 1,3 und 2,3 Grad Celsius erwarten kann. Das ist keine Aussage wie schnell es geht, aber das Ergebnis wäre 7 Meter Meeresspiegelanstieg, ja. Das allein sollte schon ausreichen zu sagen jenseits der 2Grad sollten wir unsere Welt einfach nicht führen, auf jeden Fall. Und wir sind in der Tat und das ist ein Forschungsprojekt, das ich selber initiiert habe, wir denken in der Tat über diese Rückkopplungen nach, wenn z.B. Permafrost in Sibieren und Alaska auftaut, dann wird Methan und CO2 zusätzlich freigesetzt, das, um abzuschätzen wie das den Treibhauseffekt, den Mensch gemachten, noch verstärken würde und das sind relativ ungemütliche Szenarien. Sprecher Geo-Engineering ist der "Plan B" - für den Fall der Fälle -, diese Prozesse nicht zuzulassen bzw. gegenzusteuern. Aber auch dieser Plan B muss sich in seinen verschiedenen Varianten auf der Zeitskala messen lassen. Die CO2-Abscheidung ist eine herausragende Technik der CDR- Strategie, allerdings bei weitem nicht die einzige. Vorgeschlagen werden unter anderem auch die Wiederaufforstung großer Flächen; die Ansiedlung spezieller Pflanzen; die - allerdings bisher in Versuchen misslungene - Düngung der Ozeane mit Eisensulfat; und eine künstliche Ozeanzirkulation, bei der CO2-reiches Oberflächenwasser in tiefe Regionen geleitet wird. Diese Maßnahmen dienen allesamt dazu, das Vermögen natürlicher Prozesse zur CO2- Aufnahme und -Speicherung zu nutzen, und von einigen Klimawissenschaftlern werden sie mit Wohlwollen begleitet. Musikakzent bis Zitatende Zitator Am 25. März 2039 begannen Indonesien und die Philippinen, Ballons in die Atmosphäre zu senden, die ungefähr eine Megatonne Schwefel pro Jahr in die Atmosphäre einbringen sollten, um die Oberflächentemperatur der Erde um 1 Grad Celsius abzusenken....Eineinhalb Jahre stiegen täglich die Ballons in die Luft, und gegen Ende des Jahres 2040 war auf dem gesamten Planeten ein deutlicher Abkühleffekt zu spüren. Man hatte noch nicht wieder ganz den "Normalzustand" des späten 20. Jahrhunderts erreicht, aber immerhin war es wieder so ähnlich wie in den 2020er Jahren. Und dann brach der Vulkan Toba aus... Sprecher So beschreibt der kanadische Militärhistoriker Gwynne Dyer in seinem Buch "Schlachtfeld Erde" die fiktive Realisierung einer SRM-Strategie, die die Natur nachahmt. Sie tritt in der Natur immer dann auf, wenn ein Vulkan ausbricht und Riesenmengen von Schwefel in die Atmosphäre schleudert - so wie der Vulkan Pinatubo im Jahre 1991. Die Schwefelaerosole, die sich dadurch in der Stratosphäre gebildet haben, bewirkten eine Verminderung der Sonneneinstrahlung und dadurch einen Abkühlungseffekt auf der Erde von einem halben Grad Celsius. Aber die Natur antwortet eben auch ungeplant, wie Dyer drastisch ausmalt: nach der künstlichen folgte durch den Ausbruch des Toba eine weitere Abkühlung. Das Resultat waren verheerende Missernten. Im vergangenen Jahrzehnt geriet, angeregt etwa durch Artikel von Nobelpreisträger Paul Crutzen, diese SRM-Technik verstärkt ins Blickfeld. Im "Jahrbuch für Ökologie" 2010 schreibt Crutzen zum Thema "Erdabkühlung durch Sulfatinjektion in die Stratosphäre": Zitator Wenn nennenswerte Reduktionen der globalen Treibhausgasemissionen nicht zustande kommen und die Temperaturen rasch steigen, wird Climate Engineering zu einer kurzfristig wirkenden Option der Temperatursenkung werden. Eine solche Modifizierung kann, das mag ein Vorteil sein, auch schnell wieder beendet werden, wenn unvorhergesehene größere Nebeneffekte auftreten sollten. Es besteht also Bedarf, die negativen wie die positiven Effekte des vorgestellten Ansatzes sorgfältig einzuschätzen. Sprecher Das Interesse an der SRM-Technik ist bis heute rapid gestiegen, allerdings wird seine Zulässigkeit kontrovers diskutiert. Gegenüber der CDR-Strategie, die geopolitisch nahezu konfliktfrei realisiert werden könnte, bedürfte SRM einer sehr belastbaren internationalen Übereinkunft. Aber noch ein anderer wesentlicher Unterschied ist zu beachten: Während sich CDR-Maßnahmen nur verzögert in der Klimaentwicklung bemerkbar machen, wirkt die Reduktion der Sonneneinstrahlung durch SRM relativ schnell und ist weniger kostenintensiv. Das macht es als last exit strategy vordergründig so überzeugend. So ist das Pro und Contra des Geo-Engineering insgesamt außerordentlich komplex. Auch der Umweltethiker Konrad Ott unterscheidet die beiden großen Strategien und differenziert beim ethisch konfliktreichen SRM zwischen... 7. O-Ton Konrad Ott: ... theoretischer Forschung, zwischen eher kleinen kontrollierten Experimenten, zwischen großflächigen Experimenten, die dann schon halbe Kontinente umfassen müssten und dem endgültigen Einsatz dieser Technologie. Und man kann sich natürlich widerspruchsfrei für theoretische Forschung einsetzen aber gegen großmaßstäbliche Feldversuche. Und diese Unterscheidungen eröffnen zunächst einmal ein Feld von möglichen Positionen und dann kann man bestimmte Gründe heranziehen um zu sagen, das dürfen wir tun, das sollen wir tun, das sollten wir nicht tun, das dürfen wir auf keinen Fall tun. Dann kommen die eigentlichen Handlungsanweisungen ins Spiel. Sprecher Bei der Sichtung der Argumentationslandschaft zur Reduktion von Sonneneinstrahlung durch SRM kehren bestimmte Muster immer wieder. Unter den Pro-Argumenten, die beständig auftauchen, sieht Konrad Ott nur eines von Gewicht. Es besagt: Zitator ...das wir moralisch verpflichtet sind, sämtliche Optionen zu erforschen, um zukünftigen Generationen eine optimale Entscheidungsgrundlage zu bereiten. Es bezieht sich primär auf Forschungen bis hin zu Feldversuchen, nicht auf den Einsatz. Dieses Argument kann mit weiteren Argumenten gestützt werden, die besagen, dass man sich für Notsituationen vorbereiten und auch unliebsame "ultima ratio"-Optionen verfügen können sollte. Sprecher Übrigens, eine Handlungsanweisung gibt es schon: Im Oktober 2010 wurde auf der Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen in Japan ein Geo-Engineering-Moratorium für größere Experimente verabschiedet. Seit Juli 2009 läuft ein von der EU gefördertes internationales Forschungsprojekt zum Thema "Auswirkungen und Risiken des Engineering der Sonnenstrahlung zur Begrenzung des Klimawandels". Einrichtungen aus Frankreich, Norwegen und Deutschland sind an diesem Projekt beteiligt. Hauke Schmidt am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg ist Koordinator dieses Projekts: 8. O-Ton Hauke Schmidt Wir haben uns in unserem Projekt auf drei Methoden beschränkt, es werden natürlich sehr viel mehr Methoden diskutiert. Zwei davon sind diejenigen, die in den letzten Jahren am meisten Aufmerksamkeit erregt haben, das ist zum einen die Sulfatinjektion in die Stratosphäre , dann ist es eine Manipulation von Wolken durch zusätzliches Einbringen von Kondensationskeimen, das ist im Wesentlichen zusätzliches Einbringen von Seesalztröpfchen und dann gibt es auch noch den Vorschlag, dass man Spiegel in den Weltraum schicken könnte, die einen Teil des Sonnenlichts bereits im Weltall reflektieren. Nur erscheint das vielleicht noch weniger realistisch, es ist allerdings in den Modellen relativ gut zu realisieren und damit eine gute Möglichkeit die Modelle zu vergleichen. Sprecher Inzwischen gibt es auch schon Ergebnisse, die an großen Klimaprojektionsmodellen gewonnen wurden. Die Fortentwicklung dieser Modelle ist eine Aufgabe internationaler Kooperation für sich. Klimamodelle benötigen große Computer - und Programmierleistungen. Deshalb gibt es nur wenige Zentren auf der Welt, die diesen Aufwand tragen können. Alle fünf, sechs Jahre werden in diesen Zentren Modellvergleichsstudien durchgeführt, bei denen mit dem gleichen Anstieg der Treibhausgase das künftige Klima berechnet wird. Diese Modelle - auf dem neuesten Stand - werden auch für das Climate Engineering-Projekt herangezogen: 9. O-Ton Hauke Schmidt Nach den Annahmen, die wir in den Modellen treffen - den globalen Temperaturanstieg könnte man demnach ausgleichen. Wobei wenn wir jetzt auf das Sulfat - Geo - Engineering wieder schauen, da, abhängig vom Modell, durchaus unterschiedliche Mengen an Sulfat eingebracht werden müssen. Da besteht eine große Unsicherheit, aber wenn man wirklich in die Vollen geht, das heißt wenn man großskalig große Mengen der Sulfataerosole einbringt, gehen wir davon aus, dass die Temperatur, dass die globale Temperatur reduziert werden kann, zum Beispiel auf ein vorindustrielles Level, das heißt aber nicht, wenn die globale Temperatur gleich ist, dass die Temperatur auch regional überall auf dem Globus auf das vorindustrielle Niveau gebracht werden kann, sondern zum Beispiel die meisten Modelle gehen davon aus, dass in hohen Breiten die Temperatur eher etwas erhöht wäre und in niedrigeren Breiten die Temperatur eher etwas reduziert wäre. Sprecher Diese Forschungen sind buchstäblich Neuland. Hauke Schmidt erwähnt auch die Wechselwirkungen zwischen Aerosolen, Wolken und Strahlung, die heute noch relativ schlecht verstanden werden. Das heißt, um die Einflüsse der Geo-Engineering-Methoden besser abschätzen zu können, wird weiter geforscht. Eine erste Antwort auf die Frage nach möglichen Nebenwirkungen betrifft den Niederschlag: 10. O-Ton Hauke Schmidt Da haben wir jetzt erste Simulationen verglichen, noch nicht zu den Aerosolen sondern mit einem vereinfachten Ansatz aber eben für alle Modelle gleich und sehen zum Beispiel, dass ein Klima unter Geo - Engineering global einen geringeren Niederschlag aufweisen würde verglichen mit einem zum Beispiel vorindustriellen Klima. Aktuell mit der Klimaerwärmung haben wir einen steigenden Niederschlag global, Geo-Engineering würde das mehr als kompensieren. Das heißt, man müsste mit geringerem Niederschlag rechnen. Das ist eine Antwort, die in den Modellen relativ robust ist, das heißt die Modelle zeigen das alle, alle, die wir bisher angeschaut haben. Sprecher Noch ganz offen ist die Frage, wo sich die Niederschläge regional ändern würden. Hier könnten sich, wenn Nutzen und Schaden regional unterschiedlich verteilt sein würden, erhebliche ethische Probleme ergeben. Nach einer Antwort wird derzeit gesucht - wie überhaupt die Nebenwirkungen und Risiken substantieller Teil des Projekts sind. Die Befunde zeigen, dass eine Schwefelinjektion im großen Maßstab die Erholung der Ozonschicht verlangsamen würde. Auch Auswirkungen auf die Photosynthese und das Pflanzenwachstum wären zu erwarten. Hinzu kommt die Einsicht, mit der SRM-Strategie die zunehmende Versauerung der Ozeane durch den vermehrten Eintrag von Kohlendioxid nicht verhindern zu können. 11. O-Ton Hauke Schmidt Aber alle Erfahrung mit massiven Eingriffen in die Natur zeigt eigentlich, dass häufig Effekte auftreten, die man vorher nicht bedacht hat, also damit muß man natürlich rechnen. Viele Methoden des Geo - Engineering wären im Laufe von einigen Jahren sicherlich wieder abschaltbar, aber dann bleibt das Klimaproblem, das heißt, das muß man sich natürlich klar machen bevor man zu solchen Methoden greift und auch wenn ich wissenschaftliche Vorträge zu diesem Thema halte oder auch öffentlich zu diesem Thema spreche, der letzte Ratschlag ist eigentlich immer, wir können die Beherrschbarkeit dieser Methoden nicht garantieren auch wenn wir sie noch so gut untersuchen mit unseren Computermodellen, das heißt wir sollten unser Hauptaugenmerk wirklich darauf legen, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Sprecher Die Reaktionen auf den von der Klimawissenschaft formulierten Problemdruck scheinen in den unterschiedlichen wissenschaftlichen und politischen Kulturen verschieden zu sein. Reduzierung und Vermeidung der Kohlendioxidemissionen an der Quelle ist das erklärte Ziel in Deutschland und der EU, auch wenn die Wirkung auf das globale Klima begrenzt ist. Eine Hoffnung könnte die globale Vielfalt der Anstrengungen sein. Daran wird trotz aller Rückschläge gearbeitet. Die Klimakonferenz in Durban im Dezember wäre die nächste Chance der Weltgemeinschaft . Aber die Dringlichkeit, von der Klimawissenschaft selbst befördert, führt auch zu der Frage, was getan werden kann, wenn sich solche Hoffnungen nicht erfüllen. Wie lange hilft der Verweis auf das Wünschbare, auf die Vermeidung des Kohlendioxid, das sich der ungeteilten Zustimmung sicher sein kann? Der nachdenkliche Beobachter erinnert sich an einen Gedanken des Philosophen Hans Blumenberg. Blumenberg beschreibt die Bewusstwerdung des Menschen, als dieser einst aus den vertrauten Wäldern in die freie Savanne zog und sich hier mit dem fernen Horizont konfrontiert sah, hinter dem die unbekannte Gefahr lauert: Zitator Der nackte Horizont ist der uranfängliche Gegner des menschlichen Bewusstseins und seiner Weltvertrautheit, insofern Widerpart auch der Vernunft, als sie an den Begriff als Vorgriff auf das noch Abwesende, aber erwartbar Bestimmte und Mögliche gebunden ist. Der Inbegriff von Rationalität ist daher Prävention. Prävention ist Einstellung auf alles, was in einem gegebenen Horizont möglich ist. Musikakzent bis Ende Sprecher Wie sähe eine Wirklichkeit aus, in der die Sonneneinstrahlung durch Solar Radiation Management vermindert werden würde? Was würde verloren gehen durch die Schwefelaerosole in der Atmosphäre? Für Jahre, vielleicht aber auch für Jahrzehnte und mehr: die funkelnden Sterne in der Nacht, das vertraute Blau des Himmels... Befürworter, die dieser Technik zuneigen, aus Notwendigkeit, verbinden mit solchen Verlusten eher eine ästhetische Präferenz. Der Umweltethiker Konrad Ott möchte dieser Vereinfachung nicht folgen: 12. O-Ton Konrad Ott: Dieses unter dem Himmel sein oder mit Hölderlin gesprochen, die "liebliche Bläue" des Äthers zu spüren ist etwas anderes als wenn ich mich im Grunde für einen blauen oder grauen Pullover des Morgens entscheide. Und meine Intuition ist, dass es mehr und andres ist als nur eine ästhetische Präferenz. Sprecher: Das Dilemma mit dem ungebremsten Temperaturanstieg auf der einen Seite und den Maßnahmen des Geo-Engineering auf der anderen ist in der Welt. Vielleicht erweist sich der umstrittene Geo- Engineering-Plan B irgendwann einmal als exotische Variante technophiler Projektionen. Aber bis dahin wird er uns begleiten. ----------------------------------------------------------------------------- Quellen: Hans Blumenberg: Beschreibung des Menschen, Suhrkamp 2006 (Zitat S. 565) Gwynne Dyer: Schlachtfeld Erde. Klimakriege im 21. Jahrhundert, aus dem Englischen von Susanne Held, Klett-Cotta, Stuttgart 2010 James Fleming: Fixing the Sky, Columbia University Press 2010 Jahrbuch der Ökologie 2011: Die Klima -Manipulateure, Hirzel 2010 (Zitate Konrad Ott S. 25, Paul Crutzen S. 35) Internetveröffentlichungen Commitee on Science and Technologie U.S.Houses of Representatives 1. Hearing zum Geo - Engineering http://gop.science.house.gov/Media/hearings/full09/nov5/charter.pdf 2. Hearing zum Geo - Engineering http://democrats.science.house.gov/Media/File/Commdocs/hearings/ 2010/Energy/4feb/Hearing_Charter.pdf 3. Hearing zum Geo - Engineering http://democrats.science.house.gov/Media/File/Commdocs/hearings/ 2010/Full/18mar/Hearing_Charter.pdf (Zitat S. 7) Mitteilung des IPCC zum Expertentreffen in Perus http://www.ipcc-wg3.de/meetings/expert-meetings-and- workshops/em-geoengineering Klaus S. Lackner (Vortrag im 2. Hearing): Air Capture and Mineal Sequestration - Tools fort he Fighting Climate Change (Zitat S. 2) http://democrats.science.house.gov/Media/file/Commdocs/hearings/2 010/Energy/4feb/Lackner_Testimony.pdf Klaus S. Lackner: Große Wäsche für das Klima, in Spektrum der Wissenschaft, Januar 2011 1