COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Die Kleine Sprachgeschichte. Badisch - Oder: Warum die da so anders sprechen - Autor Uschi Götz Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 25.11.2010 - 13.07 Uhr Länge 19'35" Sprecher Reinhold Weiser Moderation Die Badener sind immer dann Badener, wenn sie für Schwaben gehalten werden. Und wenn sie in der Vernunftehe mit den Württembergern zu kurz kommen. Dann fühlen sie als geschlossene starke Stammesgemeinschaft, was sie sonst ja eigentlich nicht sind. Nicht einmal sprachlich gibt es den Badener. Denn bei den Badenern kommt so einiges zusammen. Landschaftlich vom weitläufigen Rheintal über den dunklen Schwarzwald bis hin zu ein wenig Bodensee. Sprachlich wird mit vielen Zungen geschwätzt-gebabbelt: Kurpfälzisch, Südfränkisch, Niederalemannisch und Hochalemannisch. Und mental gelten die Kaiserstühler als hitzig, die Mannheimer Bloomäuler als gesprächig und die Freiburger Bobbele als etwas maulfaul. Es gibt also einiges zu erzählen. Die Kleine Sprachgeschichte. Badisch. Uschi Götz notierte, warum die da so anders sprechen. -folgt Script Sendung- Script Sendung E 01 Dialektcollage (Frau) Mir wolldet doch so ein richtige schene badische Obend macha. Jo, Pfeifadeckel, nix war. Bude wer mer fascht abgbrannt. Lass dr no verzehle. (Mann) Dr Pfarr ist drob net schlecht erbost, er fand gar firchid an zu tue. Er schild und schild, haut ab und zu auf Kanzel herre schwer. Do sprengt dr Hirschwirt zmol uf und rieft: Wa wer häd leer? (Mann) Drom muss mr unsre Kinder ah beleera, früh ond ganz gena, was so a Weinstock alles braucht, bis das es Wein gibt, wo was taugt. (Mann) Dörflich, städtlich, sonnig lache, dort am Jagst ond Dauberstrand. Sisch so lieblich schee ond harrlich, wie wenn all Tach Sonndig wer. SPR Sie sprechen keine gemeinsame Sprache, obwohl sie zusammengehören. Manch einer behauptet sogar, sie verstehen sich nicht einmal untereinander, also rein sprachlich natürlich. Aber werden sie jenseits der Landesgrenze für Schwaben gehalten - was immer der Fall ist - dann sind Badener echte Badener. E 02 (Hug) Ja, das kann man schon sagen, doch (lacht) das würde ich nicht zurückweisen. Das ist sicher nicht im ganzen Land gleich. Also zum Beispiel in der Kurpfalz zum Beispiel spielt das keine große Rolle. Aber hier schon eher und oft auch in Karlsruhe. Also die Karlsruher haben natürlich ein gewisses Kompensationsbedürfnis für den Verlust der Landeshauptstadt und kämpfen schon mehr, als wir hier zum Beispiel im Freiburger Raum, für mehr Prestige, mehr Durchsetzung von eigenen Interessen. Im Grund ist ja diese Gegenüberstellung von Schwäbisch und Badisch eher auf der Ebene des Humors als auf der Ebene, wo man nun wirklich kämpfen würde. Und die meisten Schwabenwitze stammen aus dem Schwäbischen. SPR Der Witz ist so bösartig, dass ihn ein Badener erzählen muss. Wolfgang Hug, Professor für Geschichte ganz allgemein, aber besonders für die badische: E 03 (Hug) Wenn ein Freiburger seinen alten Benz in Sindelfingen ... SPR ... also im schwäbischen Sindelfingen. E 04 (Hug) Wenn ein Freiburger seinen alten Benz in Sindelfingen vorfährt und fragt, ob er den noch mal reparieren lassen kann oder was die vorschlagen, dann sagen die: Nein, nein den lassen sie da, den kann man am besten gleich verschrotten. Dann war der Freiburger erschrocken und hat gefragt: Ja, aber was kostet es dann? Dann sagt der Sindelfinger: Ah sie kommen aus Freiburg, aus dem Badischen? Wenn sie drin sitzen bleiben, kostet es gar nichts! M 01 Auszug Freiburg Badnerlied (Fußballstadion) SPR Der wohl bekannteste Vertreter der Badener ist zurzeit ein Fußballer: Bundestrainer Joachim, Jogi, Löw. Löw ist in Schönau im Schwarzwald geboren, also Mitten in Baden. Löw spricht Badisch, Alemannisch, wenn auch eine Hochform des Dialekts. Aber schon ein paar Dörfer hinter Schönau wird es für den Ungeübten ganz unverständlich, der eine oder andere wähnt sich gar sprachlich schon in der Schweiz. E 05 (Mann) Sisch wieder Sonndig und der Bruch, dass man in Chirche gohd. Der Hirschwirt leiht sich glei oh, nur Roßknecht kämed spot. Zwar isch es zwölfe gsi die Nacht. Die heime Bu und Knecht am Samschtig hen se gern am Buli ein ficht und becht. SPR Ein alemannischer Dialekt, häufig auch als badischer Dialekt bezeichnet. D e n badischen Dialekt gibt es nicht. Badisch ist ein politischer Begriff und wird deshalb in linguistischer Sicht dem Fränkischen zugeordnet. Ob die fränkischen Sprachen und Mundarten wiederum eine Sprachfamilie darstellen, darüber sind sich auch Sprachwissenschaftler nicht einig. Der Historiker und Literaturwissenschaftler Wilhelm Engelbert Oeftering stellte zu Beginn des letzten Jahrhunderts fest: "Badisch - das ist der Ausgleich zwischen Alemannischem und Fränkischem. Diese zwei sind seine Eckpfeiler, aber das Badische legt den Gewölbebogen darüber." G 01 Atmo: Holztreppe/ Schritte SPR Lieblich, warm - die Sproch. So wie das Land. Der Schriftsteller Karl Julius Weber stellte einst sinngemäß fest, das Baden keine Festung habe. Übertragen auf die Sprache trifft das auch zu. Die Gegend um Freiburger gilt als eine der wärmsten Regionen in ganz Deutschland. Die Sonne scheint im Vergleich zum Rest der Republik am längsten in Freiburg. Frankreich ist nicht weit und ein Stück weiter kommt auch schon die Schweiz. Aber Freiburg und das Markgräflerland sind nur ein Teil von Baden. G 02 Atmo: Klingeln SPR Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Deutsches Seminar. Arbeitsbereich Badisches Wörterbuch. G 03 Atmo: Schritte SPR Hinter der Tür verzettelt sich gerade ein Mann. Tobias Streck, Sprachwissenschaftler. Herr über Tausende von Worten. Er übersetzt badische Wörter ins Hochdeutsche. Das haben vor ihm schon viele getan, 1919 wurde mit der Arbeit am ersten Band des Badischen Wörterbuchs begonnen. Streck wird der Letzte sein, er arbeitet am letzten Band. G 04 Atmo: Bibliothek SPR Die Bibliothek des Badischen Wörterbuchs. Wörterbücher vom Regalboden bis an die Decke. Schweizer Wörterbücher, Schwäbische, Pfälzische und viele mehr. G 05 Atmo: kurz Bibliothek SPR Von Seealemannisch bis Niederpfälzisch, fast von allen Dialekten gibt es Hörproben gespeichert im Computer. G 06 Atmo: Blättern im Buch SPR Der erste schriftliche Band des Badischen Wörterbuchs lag 1925 vor, weitere folgten in den letzten Jahrzehnten. Mittlerweile ist die Sprachforschung beim S C H angekommen: E 07 (Streck) Die sind alphabetisch sortiert. Und der Band 4 endet mit SCH, Schwurm oder so etwas. SPR Schwurm? Schwurm. Auch der Sprachforscher muss kurz überlegen. Ach ja, Vogelschwurm, Fischschwurm, der Menschenschwurm. Schwurm heißt Schwarm. Der Sprachforscher Streck wird die badische Sproch von Sch bis Z übersetzen. In etwa zehn Jahren will Streck fertig sein. Zehn Jahre von Sch bis Z. G 07 Atmo: Kasten SPR Das Ende wird bald hinter dem Zistig kommen. In den kleinen Schubladen in der Bibliothek steht es schon: Zistig! E 08 (Streck) Da haben wir jetzt Zistag bis Zosneck. Zosneck weiß ich nicht und Zistag ist der ... in meinem Heimdialekt wäre es der Zistig, der Dienstag. SPR Aber am Bodensee heißt der Dienstag anders als in Heilbronn oder in Mannheim oder in Osterburken. Alles muss noch erforscht werden. E 09 (Streck) Wenn wir uns das weiter anschauen, dann wäre das hier ein Verweis, wo wir noch mehr Informationen finden können. SDS ist der schweizer-deutsche Sprachatlas. Wie sieht es mit der Verbreitung in der Schweiz aus und was gibt es da noch für uns Interessantes, weil das ja direkt an unser Gebiet angrenzt. SPR Zumindest was den Alemannischen Dialekt anbelangt. Aber Alemannisch ist einer von vielen Dialekten, die in Baden gesprochen werden. Der Sprachwissenschaftler greift zur Landkarte. E 10 (Streck) Auf der Karte sieht man das ganz gut. Das sind so die Hauptdialektregionen. Wenn wir uns den badischen Teil angucken, wieder im Norden beginnen, dann sehen wir den Bereich, in dem die fränkischen Dialekte gesprochen werden, die werden hier in dieser Karte unterteilt in Rheinfränkisch und Südfränkisch. SPR Südwestlich liegt der Alemannische Sprachraum an, der wiederum dreigeteilt ist. Im nördlichen Bereich wird Oberrheinalemannisch, auch Niederalemannisch genannt, gesprochen. Südlich von Freiburg liegt eine starke Dialektgrenze, die man an der bekannten K-Verschiebung erkennt. E 11 (Streck) Ab ein paar Kilometer südlich von Freiburg sagt man dann zum Beispiel nicht mehr Kind, sondern Chind. Und das nennt man dann Süd- oder Hochalemannisch und der größte Teil der Schweiz spricht dann auch Südalemannisch. SPR Egal, ob Hoch- oder Niederalemannisch, für einen Norddeutschen hört sich das alles gleich an. Alemannisch für Anfänger: E 12 Nei lueget doch das Spinnli a, wie's zarti Fäde zwirne cha! Bas Gvatter meinsch, chasch's au ne so? De wirsch mers, traui, blibe lo. Es machts so subtil und so nett, i wott nit, aßi 's z'hasple hätt. G 08 Atmo: Blättern E 13 (Streck) Im sprachwissenschaftlichen Sinne gibt es eigentlich keinen badischen Dialekt, sondern es gibt ein ehemaliges Land Baden. Und in diesem ehemaligen Land Baden werden ganz unterschiedliche Dialekte gesprochen. Und das ist genau das Dilemma, das man bei so einer Arbeit wie dem Badischen Wörterbuch hat. Nämlich, dass das Untersuchungsgebiet das ehemalige Großherzogtum Baden umfasst und zu diesem Gebiet eben ganz im Norden eigentlich ein Fränkisches Dialektgebiet gehört, dann weiter im Süden ein alemannisches Dialektgebiet, das man noch in weitere Teildialektgebiete unterteilen kann. Insofern ist es im sprachwissenschaftlichen Sinne eine sehr komplexe Aufgabe, ein Wörterbuch für eine Region zu machen, in der so viele unterschiedliche Dialekte gesprochen werden. SPR Und jeder Stamm, wenn man ihn denn als solchen bezeichnen kann, besteht auf seinen Wurzeln und seiner Sprache. Das geht so weit, dass ein Kurpfälzer nicht in die große Familie der Badener aufgenommen werden möchte. An dieser Stelle zumindest nicht. Ähnlich verhält es sich mit den Franken. Auch sie möchten ihre eigene Sprachgeschichte erzählt wissen und nicht mit den Alemannen in einem Sprachtopf landen. Die Pfälzer, die Babbler, und die störrischen Franken halt, sagen die Alemannen. Doch wie konnte aus denen ein Land werden? Napoleon war es, sagt der Professor Hug: E 14 (Hug) Also er hat eben den Willen gehabt, die Verhältnisse nach Vernunft zu ordnen und nicht nach gewachsenen historisch gegebenen Traditionen weiterleben zu lassen. Und vernünftig war natürlich, dass aus einer solchen reichen Vielfalt von Herrschaftsverhältnissen, Rechtsverhältnissen, Währungen, Bildungseinrichtungen usw. eine gewisse Einheitlichkeit geschaffen wird. Dabei hat er natürlich auch sehr nationale Interessen für Frankreich gehabt. Aber Tatsache ist, dass er aus dieser Vielfalt hier am Oberrhein einmal dieses Großherzogtum Baden geschaffen hat, auf der anderen Seite das Königreich Württemberg - und beide haben Bestand gehabt bis nach dem 2.Weltkrieg. Und sie jetzt in diesem Bundesland Baden-Württemberg ja eigentlich auch immer noch so etwas wie eine historisch gewachsene Identität. SPR Nach dem Ende Napoleons versuchten die Großmächte auf dem Wiener Kongress mit einer neuen Friedensordnung die politischen Verhältnisse in Deutschland und Europa zu stärken. In Deutschland sollten die von Napoleon geschaffenen Mittelstaaten als sogenannte dritte Kraft neben Österreich und Preußen in ihrem Bestand erhalten werden. Das galt auch für Baden. Die Bevölkerung war nun verschiedenartig zusammengesetzt: Etwa ein Viertel waren zuvor Vorderösterreicher gewesen, ein weiteres Viertel Pfälzer. Aus den Reichsstädten und den Adelsherrschaften kamen nochmals mehr als eine Viertelmillion Menschen dazu. Nur kurz war Ruhe, dann folgte die Achtundvierziger Revolution. Auch als badische Revolution bekannt. Ausgelöst wurde die Bewegung durch die Pariser Februarrevolution. Die Nachrichten aus Frankreich erreichten die Öffentlichkeit zuerst in den badischen Städten am Rhein. E 15 (Hug) Ja, es war ein Aufstand der zunächst einmal nur Missstände überwinden wollte oder angeklagt hat, der aber zunehmend durch den verhärteten Widerstand der Regierung zu einem Volksaufstand geworden ist. Es gab kein Dorf, wirklich kein Dorf, in dem es nicht solche Zellen gab, also Volksverein hieß das meistens oder Bürgerwehr, in denen sich die gesammelt haben, die zunächst einmal protestierten, aber sich dann auch bewaffnet haben, um neue Verhältnisse zu schaffen. Das einzigartige, was es ja sonst an den übrigen an der deutschen Revolution beteiligten Ländern so nicht gegeben hat, war, dass die regulärer Armee sich der Revolution hier in Baden angeschlossen hat und einen regelrechten Krieg geführt hat. SPR Nach dreiwöchiger Belagerung wurde 1849 die umkämpfte Festung Rastatt von preußischen Truppen eingenommen. Zumindest sprachlich setzen sich die Preußen nie in Baden durch. Im aktiven Wortschatz aller Badener finden sich bis heute viele französische Wörter. E 16 (Hug) Und zwar so sehr, dass das heute kein Mensch als Französisch betrachtet. Ein junger Mann sagt, der bussiert dauernd, dann ist das halt ein badisches oder ein alemannisches Wort, obwohl es ein französisches ist. SPR Das Land hat viel erlebt, was sich scheinbar im Charakter vieler Badener widerspiegelt. Sie haben sich ihre Ruhe bewahrt, sind kompromissbereiter als der Rest Deutschlands. Sagt man. Nicht von ungefähr heißt es im Volksmund, wenn ein Kompromiss gefunden werden muss: Nehmen wir doch den Badischen Weg. Das bedeutet: weniger hitzig, sachlich, alle Argumente auf den Tisch: E 17 (Hug) Es wird auch gepflegt. Man gibt auch gerne damit an, mit der badischen Gemütlichkeit und Freundlichkeit. Aber das hat halt unter anderem historische Wurzeln in dem, was ich schon angedeutet habe mit der konfessionellen Vielfalt, mit der Vielfalt der Herrschaften - man war immer gezwungen sich zu arrangieren. Da konnte keiner sagen, ich kriege mit Gewalt mein Ziel durch. Die mussten immer Kompromisse schließen und haben erlebt, dass das die bessere Lösung ist. SPR Aber eben nicht alle. Es sind ja auch noch Franken unter den Badenern, und zwar nicht wenige. Während die einen als gemütlich und kompromissbereit gelten, wird den Franken eine gewisse Durchsetzungskraft nachgesagt. Dr. Christoph Bühler vom Landesverein Schwäbische Heimat: E 18 (Bühler) Deswegen ist es auch jetzt für uns als badische Heimat sehr schwer, die Main-Franken, hier Wertheim, Tauberbischofsheim, Osterburken noch irgendwo einzubeziehen. Die sind auch gar nicht mehr im Regierungsbezirk Karlsruhe drin! Bei der Gebietsreform 1972 sind die zum Regierungsbezirk Stuttgart gekommen. Also ist es im Grund Ausland, aber wir sagen, es ist Baden. Und irgendwo haben wir schon noch die strenge Absicht, dort hinten mal wieder irgendwo die badische Fahne aufzupflanzen. (lacht) SPR Bühler ist Historiker, Alemanne und lebt seit 40 Jahren im Exil, wie er sagt, in der früheren Residenzstadt Heidelberg. Gemeinsam mit anderen Vereinsmitgliedern reist er seit einigen Monaten mit der Wanderausstellung "100 Badische Jahre" durch die Lande. 100 Jahre, so alt ist der Landesverein nun. Damals regierten in Karlsruhe Großherzog Friedrich II. von Baden und Großherzogin Hilda von Nassau das kleine Land mit etwa zwei Millionen Einwohnern. Viele Gelehrte konstatierten damals einen Rückgang der althergebrachten Traditionen und Lebensstile. Die Badischen Heimat wurde gegründet. Noch etwas früher hatte jedoch der Großherzog eine Idee, die man heutzutage wohl eine Marketingstrategie nennen würde. E 19 (Bühler) Er hat versucht, hier eine Klammer zu schaffen, das badische Bewusstsein zu stärken. Und dann ist seine Frau, ich verkürze das jetzt mal so ein bisschen, ist seine Frau in den Schwarzwald gefahren und fand die Gutachter- Tracht so wunderhübsch, so malerisch und dann hat sie gesagt: Die is so schee, die ist so schön, die lieb ich. Und von Stund an war die Gutachter Tracht, hier mit dem roten Bollenhut und dem schwarzen Bollenhut, das Urbild der badischen Tracht. SPR Ein paar Täler weiter, in Hausen im Wiesental, verbrachte einst der Dichter Johann Peter Hebel teilweise seine Kindheit. Er gilt als der wohl meist unterschätzteste deutsche Klassiker. Hebel hat die Sprache zwischen Schwarzwald und Basel literaturfähig gemacht. Die erste Auflage seiner "Alemannischen Gedichte" erschien jedoch noch anonym. Hebel fürchtete möglicherweise für einen ungebildeten Mann vom Lande gehalten zu werden. Als sein schönstes Gedicht gilt in Literaturkreisen das Gedicht "Die Vergänglichkeit". ZIT "Der Bub seit zum Aetti: Fast allmol, Aetti, wenn mer's Röttler Schloß so vor den Auge stoht, se denki dra, obs üsem Hus echt au e mol so goht. Stohts denn nit dört, so schudrig, wie der Tod im Basler Todtetanz? Es gruset eim, wie länger as me's bschaut. Und üser Hus, es sitzt io wie ne Chilchli uffem Berg, und d'Fenster glitzeren, es isch e Staat. Schwetz, Aetti, gohts em echterst au no so? I mein emol, es chönn schier gar nit sy." SPR In dem Gedicht um Sterben und Vergehen verarbeitet Hebel eigene Erfahrungen vom Tod seiner Mutter. Der Schweizer Germanist Peter von Matt: E 20 (von Matt) Mit den Alemannischen Gedichten hat er eigentlich die neuzeitlichere Dialekt- oder Mundartdichtung begründet. Es gibt hier eine große Spannweite, es gibt viele, die sind wirklich sehr schön, sehr hübsch, sehr beschaulich, wo man nichts dagegen hat, aber wo man auch nicht besonders tief berührt wird, wenn man nicht unmittelbar aus jener Gegend stammt. Aber daneben gibt es einige, vor allem das Gedicht 'Die Vergänglichkeit', das alle Normen sprengt. G 09 Atmo: Treppe / Klingel (Freiburg) SPR Lange nach Hebel standen die Badener vor einer neuen kulturellen Herausforderung. Im Dezember 1951 stimmten Württemberg und Baden über eine Länderfusion ab. Die überwiegende Mehrheit war für die Zusammenlegung. Im April 1952 wurde das Bundesland Baden-Württemberg gegründet. Sprachwissenschaftler Streck hat deshalb noch ein paar Zettel mehr im Kasten. E 21 (Streck) Ja, das variiert ein bisschen dann im Alemannischen. Wir haben im Schwäbischen ja vorwiegend das le und im Alemannischen, vor allem im südlichen Alemannischen haben wir dann eher das li. Grad im Südalemannischen haben wir dann oft die gerundeten Vokale dann beim Haus - im Alemannischen Hus und im Südalemannischen in der Verkleinerungsform dann das Hüsle. SPR Im Schwäbischen gräbt man mit einem Schäufele ein Loch in die Erde, im Kaiserstuhl isst man Schäufele. Damit ist noch lange nicht geklärt, wie die Schaufel ins Wörterbuch kommt. G 10 Atmo: Blättern SPR Sprachwissenschaftler Streck blättert im vierten Wörterbuch, Seite zweihundert irgendwas. Gesucht wird das Wort: Schaufel, die Schaufel. Einfach eigentlich, aber ab jetzt wird's kompliziert. Mehr noch, ab hier versteht der Laie, warum es von Sch bis Z mindesten zehn Jahre dauern wird mit dem letzten Badischen Wörterbuch. Jetzt geht's mit der Schaufel rauf und runter: Vom Bodensee bis in den Odenwald über Osterburken nach Franken direkt in den Schwarzwald mit kurzem Halt im Markgräflerland mit ungezählten Sprachvarianten in der Kurpfalz - und immer wieder ist es das Alemannische, was zu hören ist. E 22 (Streck) "Schaauffel" in Schenkenzell im Raum Messkirch verbreitet, in Pfullendorf belegt; dann gibt's die Schauuufel in Heinstätten, Gutenstein - und so ist das für das ganze badische Gebiet hier aufgegliedert. Wir haben dann die Varianten mit einem Monophtong, also mit einem einfachen Vokal, das wäre so die typische alemannische Sprechweise: Schufel. Oder dann im Hanauer Land, in der Ortenau, nördlicher mittlerer Schwarzwald, und dann im nördlichen Schwarzwald und zum Teil in der Wartenau mit einem ü: Schüfel, Schüffel, Schufle, die Schufle. -ENDE Sprachgeschichte Badisch/Götz- 1