Deutschlandradio Kultur Länderreport COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Starke Bauchschmerzen - Die Länder, die Kommunen, die Schulden und der Fiskalpakt - Autor Andreas Baum Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 28.06.2012 - 13.07 Uhr Länge 19 Minuten Moderation Der europäische Fiskalpakt wird die Schuldendisziplin für Kommunen und Länder um ein erhebliches verschärfen. Statt ab 2020 wären für sie neue Kredite schon ab 2014 tabu. Vier Länder, Bayern, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, sind darauf im Prinzip eingestellt, schon im vergangenen Jahr kamen sie ohne neue Schulden aus. Bei Brandenburg ist die Lage anders, da würde der Fiskalpakt alle finanziellen Pläne für die Zukunft über den Haufen werfen. Und auch für die Kommunen wird die Lage nicht komfortabler. Gerade bei ihnen ist die Neuverschuldung besonders stark gestiegen. Das ist die Ausgangslage vor der morgigen Abstimmung im Bundesrat über den europäischen Fiskalpakt. Andreas Baum nun mit den Einzelheiten und Hintergründen zu den gerade genannten Stichworten. folgt Script Beitrag- Script Beitrag Am Sonntag, dem 24. Juni 2012 tritt am späten Nachmittag Horst Seehofer, CSU-Chef und Ministerpräsident des Freistaats Bayern, vor das große Eisengitter des Bundeskanzleramts. Er spricht heute für die Länder, insgesamt, egal, ob Unionsgeführt, von der SPD oder den Grünen regiert: Nicht nur, weil er dies als Bundesratspräsident darf. Sondern auch, weil er die Phalanx der Bundesländer gegen die Kanzlerin anführt. Lange hatten sich die Länder geweigert, dem europäischen Fiskalpakt zuzustimmen. Jetzt endlich kann Seehofer die Einigung verkünden: Auch im Bundesrat braucht die Bundesregierung eine Zweidrittelmehrheit, um den europäischen Fiskalpakt zu ratifizieren, denn er hat Auswirkungen auf die Gesetzgebung, die einer Grundgesetzänderung in nichts nachstehen. Angela Merkel wird diese Zustimmung bekommen. 1 Seehofer Der große Ertrag des heutigen Nachmittags besteht darin, dass die Bundesregierung die finanziellen Probleme der Kommunen, die mit dem Fiskalpakt zusammenhängen, jetzt verstanden hat und akzeptiert. Um die nämlich ging es beim Poker der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin. Die Länder stehen nicht nur finanziell für die Kommunen ein. Auch ist es ihre Aufgabe, dem Bund gegenüber ihre Interessen zu vertreten. Mit dem Fiskalpakt wären sie in Gefahr, sich noch weiter und noch hoffnungsloser zu verschulden. Das klingt auf den ersten Blick unlogisch. Denn die boomende Wirtschaft führt allerorten zu guten Steuereinnahmen, auch die Kommunen profitieren davon. Trotz vieler Anfechtungen ist es ihnen gelungen, die Gewerbesteuer zu erhalten, vor allem durch sie erhalten sie Geld aus einer eigenständigen Steuerquelle, Bund und Länder können den Kommunen hier nicht hereinreden. Die Gewerbesteuer ist sehr konjunkturabhängig, in schlechten Zeiten bleibt wenig hängen - in guten dafür umso mehr. Paradoxerweise haben die Kommunen trotzdem Angst vor dem Fiskalpakt, Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes fällt es gerade in Tagen wachsender Wirtschaft schwer zu erklären, warum es den Kommunen nicht gut genug geht, um die Lasten Dritter zu tragen. Er tut es trotzdem zu jeder Gelegenheit. 2 Landsberg Die Hauptbedenken bestehen darin dass wenn der Fiskalpakt nicht mit Reformen verbunden wird, die Kommunen ihren Anteil, den sie ja auch erbringen sollen, nicht leisten können. Wir haben letztes Jahr ein sehr gutes Jahr gehabt und haben trotzdem mit drei Milliarden Miesen abgeschlossen, wir haben unsere Kassenkredite um über sechs Milliarden erhöht. Un die Zahl muss man mal in Relation setzen. Wenn der Fiskalpakt gilt, ab 2014, dü+rfen sich Bund, Länder und Kommunen nur mit 15 Mrd im Jahr verschulden, und da hätten wir allein mit den Kassen krediten schon fast 50 % geschafft. Liquiditätskredite sind diejenigen Darlehen, die die Kommunen brauchen, um überhaupt über das laufende Jahr zu kommen, weil Einnahmen erst im Sommer oder Herbst gezahlt werden, im Winter oder Frühjahr aber schon investiert werden muss. Der Fiskalpakt wirkt wie eine verschärfte Schuldenbremse. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte seit 2011 versucht, in Europa Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild einzuführen - weil dies auf wenig Gegenliebe stieß, verhandelte sie den Fiskalpakt, der letztlich auf das Gleiche hinausläuft. Defizite sind künftig zu vermeiden, die Stichtage, ab wann keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden dürfen, werden vorverlegt. Klar, dass die Kommunen, die schon jetzt Schwierigkeiten haben, für ihre laufenden Geschäfte Kredite zu bekommen, nur durch einen Handel mit ins Boot zu bekommen waren: Die Eingliederungshilfen für Behinderte, bislang eine kommunale Aufgabe, sollen künftig auch vom Bund mit geschultert werden. Die Zusage ist da, die genaue Höhe noch unklar, dennoch ist Helmut Dedy, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages und dessen Finanzdezernent, zuversichtlich, dass die Kommunen spürbar entlastet werden. 3 Dedy Wenn man sich die Eingliederungshilfen anschaut stellt man fest: Es sind 13 Milliarden Euro pro Jahr. Und man stellt auch fest, es ist eine Hilfe, die nicht unbedingt örtlich angebunden ist. Es ist nicht so, dass es ein kommunales Risiko ist. Sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe gehört nach unserer Auffassung gesamtgesellschaftlich finanziert. Also von Bund, von Ländern und von Kommunen und das scheint der Bund inzwischen auch so zu sehen. Insofern würde uns das deutlich entlasten. Die Kommunen stehen schon lange auf dem Standpunkt, dass es nicht alleine ihr Job ist, sich um die Wiedereingliederung von Behinderten zu kümmern. Das Problem ist, dass sich die Kosten schwer kalkulieren lassen. Ob Einzelpersonen Anspruch auf diese Hilfen haben, entscheiden allein die Ärzte. Denn es muss so lange gezahlt werden, bis die Ziele der Eingliederungshilfe erfüllt sind. Seit Jahren steigen die Kosten hierfür, in Zukunft ist noch ein sehr viel steilerer Anstieg zu erwarten, und das ist Helmut Dedy zufolge im Prinzip eine gute Nachricht. 4 Dedy Es ist einer der dynamischsten Ausgabepositionen in unsereren Sozialhaushalten, was einfach damit zu tun hat, dass die Lebenserwartung behinderter Menschen auch deutlich zugenommen hat. Also der medizinische Fortschritt hat hier gute Ergebnisse erzielt. Das bedeutet natürlich, dass es auch ein mehr an Kosten gibt und wir erwarten, dass die Zahlen deutlich in die Höhe gehen. Außer den Eingliederungshilfen ist den Kommunen zugesagt worden, dass ihnen beim Kitaausbau unter die Arme gegriffen wird, weitere 500 Millionen Euro hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ihnen dafür in Aussicht gestellt. Auch wenn der europäische Fiskalpakt nicht mehr um seine Mehrheit bangen muss, so bleibt das Hauptproblem Helmut Dedy zufolge aber bestehen. Denn es verändern sich die Voraussetzungen für die Kreditaufnahme. 5 Dedy Wir haben ja mit dem Fiskalpakt letztlich ein Festschreiben dessen, was wir mit der Schuldenbremse schon hatten. Die Entschuldungspfade der Länder sind jetzt verbindlich geworden. Und unser Hauptproblem war, dass wir denken, die Länder könnten Anreize haben, sich auf unsere Kosten größere Verschuldungsoptionen zu beschaffen, sprich: Die Länder schieben Aufgaben auf uns, auf die kommunalen Träger, auf die Städte, und vergrößern dadurch ihre Spielräume im Rahmen der Kreditaufnahme. Trotz des Verhandlungserfolges: Das Misstrauen der Kommunen, am Ende drauflegen zu müssen, bleibt. Bei den harten Verhandlungen um die Zustimmung der Länder ist manchem aufgefallen, mit welcher Einigkeit die Bundesländer sich gegen die Pläne der Kanzlerin stellen konnten, um am Ende das Beste herauszuholen. Die Fronten verlaufen nicht mehr entlang parteipolitischer Grenzen, sondern zwischen den Ebenen des Bundesstaates. Wo die einen eine Stärkung des föderalen Prinzips sehen, glauben die anderen nur schlichtes Unvermögen auf Seiten der Bundesregierung erkennen zu können. Die Beschwerdeliste ovn Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, ist lang. 6 Schneider Die Koordinierung im Kanzleramt scheint nicht zu funktionieren. Da gibt es ja eigentlich einen Staatsminister, der für die Bund-Länder-Koordinierung zuständig ist. Ich kann das ja nur von außen wahrnehmen. Mit den Ländern wird nicht geredet, auch die Unions- geführten Länder rebellieren da, weil einfach die Gesetzesvorschläge der Regierung unzureichend sind. Und eben nicht die gesamte Breite in Deutschland abbilden. Deswegen gibt's da auch den Aufstand der CDU-Ministerpräsidenten, das ist ein weiteres Zeichen für den Erosionsprozess in der Regierung. Mit dem Ergebnis, dass die Länder jetzt relativ gut dastehen - und die Kosten des Deals dem Bund untergeschoben werden. Im ursprünglichen Entwurf des Bundesfinanzministeriums war vorgesehen, die Länderhaushalte zumindest bis 2019 unter Vormundschaft des Bundes zu stellen. Damit hätte die Haushaltsdisziplin besser überwacht werden können. Das aber war nicht durchzusetzen. Die Länder bleiben autonom in ihrer Haushaltswirtschaft, sie müssen nur die Maßgaben des jetzigen Grundgesetzes einhalten, nämlich bis 2019 ausgeglichene Haushalte vorweisen. Außerdem gelten ihre eigenen Vorgaben. Manche Länder haben sich per Landesverfassung Sparziele gesetzt, die enger sind. Die Lücken, die nun entstehen, weil die Länder autonom bleiben, muss der Bund füllen. Sind die Landeshaushalte nun erst einmal fein raus, so gilt diesen Erfolg aber für die Zukunft zu sichern. Das funktioniert Carsten Schneider zufolge nur, wenn die Länder auf Dauer noch mehr Kompetenzen bekommen, dort wo Steuern ihnen zufließen, sollen sie sie auch erheben und in der Höhe festlegen dürfen, fordert die SPD. Noch boomt die Wirtschaft. Das wird nicht immer so bleiben. 7 Schneider Real bedeutet es jetzt, dass die Länder sehen müssen, dass sie die konjunkturellen Mehreinnahmen, die wir derzeit haben, auch dauerhaft mit absichern. Das können sie aber nur sehr eingeschränkt, da sie keine eigene Steuergesetzgebung und -kompetenz haben. Deswegen halte ich es für notwendig, als Ergänzung dieses Paktes, dass Länder bei den Steuereinnahmen, bei Vermögenssteuern, aber auch Erbschaftssteuern, // das ihnen zufließt, wo viel zu gering besteuert wird, dass diese Einnahmen auch realisiert werden. Und deswegen hoffe ich, dass die SPD-geführten Länder auch ein Gesetzentwurf dazu noch einbringen werden in den Bundesrat, in dieser Legislaturperiode. Kritiker haben angemerkt, dass es im Kanzleramt einmal mehr zugegangen sei wie auf dem Bazar: Für die Zweidrittelmehrheit in der Länderkammer sei mit der Behinderteneingliederung, dem Kitaausbau und Anteilen der Hartz-Vier-Kosten bezahlt worden - sachlich haben diese Aufgaben nichts mit der europäischen Schuldenkrise zu tun. Nicht die Tatsache aber, dass ein Deal abgeschlossen wurde, ist Carsten Schneider zufolge aber das Problem, sondern, dass die wahren Kosten für den Bundeshaushalt versteckt und in die Zukunft geschickt wurden. 8 Schneider Wenn man dieses Geschäft aber so macht, wie es Herr Schäuble zugesagt hat, geht es zu Lasten des Bundes, und dem fehlt dann letztlich die Kraft für seine Aufgaben, deswegen ist das linke Tasche - rechte Tasche und wird nicht aufgehen. Die SPD hat sich, mit dem Elan einer Oppositionspartei mit Ambitionen, die Sache der Länder schon seit einiger Zeit zueigen gemacht. Auch die Sozialdemokraten befürchten, dass die Kommunen, deren Interessen durch die Länder vertreten werden, auf Dauer die Leidtragenden der Schäubleschen Verschiebepolitik sind. Carsten Schneider warnt davor, durch die Hintertür die wachsenden Kosten für den Bund umzusortieren, etwa mithilfe der Hartz-Gesetze. 9 Schneider Was // nicht sein kann ist, dass wachsende Sozialausgaben, die durch Bundesgesetz induziert sind, an den Kommunen hängen bleiben. Und die dann ihre bisherigen freiwilligen Arbeiten, Kunst, Kultur, Sport, nicht machen können, indem sie eben diesen einen Punkt, die Eingliederungsleistung für Menschen mit Behinderungen erbringen müssen, die sehr stark steigen, und da müssen die KOMMunen entweder durch eine zusätzliche Steuereinnahme oder durch eine Abnahme der Ausgabe entlastet werden, ansonsten werden die Kommunalfinanzen nicht solide bleiben. Unter den kommunalen Spitzenverbänden gehört der Städte- und Gemeindebund zu den schärfsten Kritikern des Fiskalpaktes. Dies aber nicht, weil Schuldenbremsen an sich falsch wären. Ganz im Gegenteil. Auch Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Verbandes, traut dem Bund bei der Bewältigung der Schuldenkrise insgesamt nicht immer über den Weg. So ist seine Kritik, dass, nun da die Schuldenbremsen wirken, der Eindruck erweckt werde, das Problem sei erledigt. In Wirklichkeit aber müssen sie eingehalten werden, durch teilweise schmerzhaftes Sparen. Der Bund geht nicht gerade mit gutem Beispiel voran, sagt Landsberg. Allein in diesem Jahr hat er sich mit 31 Milliarden Euro verschuldet. Ein klares Programm zur Reduzierung der Ausgaben und zur Verbesserung der Einnahmen fehlt. Die Kommunen können die Last allein nicht tragen. Denn trotz guter Wirtschaftsdaten kümmern ihre Finanzen vor sich hin. 10 Landsberg Wir haben das Problem, dass unsere Gewerbesteuereinnahmen gestiegen sind, dass leider unsere Sozialausgaben auch immer weiter steigen, ich darf daran erinnern, nach wie vor haben wir über sechs Millionen Menschen im hartz vier Bezug, teilweise sind das Aufstocker, das belastet die kommunalen Haushalte, und das hat sich eben trotz der guten Konjunktur nicht nachhaltig verbessert. Und die Zukunft sieht leider auch nicht viel besser aus. Landsberg zufolge muss mit dem Fiskalpakt ein Systemwechsel einhergehen. Seine Forderungen laufen vor allem darauf hinaus, bei den Sozialausgaben zu kürzen. Da die Last Erwerbsunfähiger Menschen nach wie vor schwer auf den Städten und Gemeinden liegt, käme es ihnen zugute, wenn hier weniger Kosten anfielen. 11 Landsberg Wir müssen den Weg finden vom Vater Staat zum Bürgerstaat. Der staat kann nicht mehr alles leisten, das sehen wir in der europäischen Union, bei der Euro-Krise, das sehen wir auch in Griechenland, und das ist ein ganz schwieriger Reformprozess, aber den müssen wir anfangen und den lösen wir nicht damit, indem wir irgendeinen Fiskalpakt verabschieden. Landsberg schwebt eine Agenda 2020 vor, in der Klartext gesprochen wird: Keine neuen Sozialleistungen, kein Betreuungsgeld, und alle vorhandenen Sozialleistungen gehören auf den Prüfstand. Der Fiskalpakt ist für ihn die beste Gelegenheit, die Frage zu stellen, ob mit dem vielen Geld, das für Sozialleistungen ausgegeben wird, überhaupt die richtigen Leute erreicht werden. Der Städte- und Gemeindebund setzt zum Beispiel darauf, statt des Ehegattensplittings ein Familiensplitting einzuführen - und er hofft auf die Einsicht der Bürger in die Notwendigkeit des Sparens. 12 Landsberg Dieses Land ist mit gut zwei Billionen verschuldet, Länder und Gemeinden. Dass man dann anders auf die Dinge sieht und vielleicht seine eigenen Leistungserwartungen etwas zurückschraubt, ich glaube, wenn man das als langfristigen Prozess begreift, es durchaus eine Chance hat, damit nicht Wahlen zu verlieren, sondern sie vielelicht auch zu gewinnen. Denn die größte Sorge, die die Menschen haben, liegt ja eigentlich darin, dass sie Angst um ihre Zukunft haben. Dass solche Sparphantasien nicht bei allen politischen Parteien Freunde finden, liegt auf der Hand. Sind Sozialdemokraten und Grüne nach langem Verhandeln nun mit ihm Boot, verweigern sich die Linken weiter und aus prinzipiellen Gründen. Das Land Brandenburg, wird von einer Rot-Roten Koalition regiert. Weil die Linkspartei gegen die Ratifizierung ist, wird sich das Land im Bundesrat enthalten, was genauso wirkt, als würde es dagegen stimmen. Finanzminister in Brandenburg ist Helmuth Markov. Seiner Ansicht nach ist der Fiskalpakt an sich schon ein Denkfehler gewesen. 13 Markov Wir haben ja eigentlich einen Fiskalpakt. Das ist der Maastricht-Vertrag. Da steht drin, wie hoch sich die Staaten verschulden dürfen. Da stehen Sanktionsmechanismen drin. Offensichtlich glauben die Regierungen, dass die Märkte, wer immer das dann auch ist, kein Vertrauen mehr in die Regierungen haben, weil sie den Maastricht-Vertrag nie eingehalten haben, und wenn man jetzt einen neuen macht, der Maasstricht-plus ist, dass man dann sozusagen sich wieder mit mehr Vertrauen einkauft. Für die Linkspartei ist ganz Grundsätzliches ungeklärt - die Unwucht zwischen Ländern, Kommunen und dem Bund, die Möglichkeit, Kosten von der einen Ebene auf die andere abzuwälzen, all diese Probleme, die nach dem Kompromiss im Kanzleramt leidlich unter den Teppich gekehrt wurden, sind für Helmuth Markov entscheidend für seine Ablehnung. 14 Markov Die Europäische Union fordert ja eine gesamtstaatliche Haftung. Das ist in Ordnung. Das Problem ist, solange es keine innerstaatliche, bundesrepublikanische Untersetzung, wer für wen ins Obligo geht, kann man dem nicht zustimmen. Wir müssen es alle gemeinsam schaffen, der Bund, die Länder und die Kommunen. Es kann ja nicht sein, dass nur einer die Last zu tragen hat und die anderen büchsen aus. // Dieser Fiskalpakt ist ein Vertrag, wo man sagt: Der ist versteinert. Wenn man einmal zugestimmt hat, kriegt man den nicht wieder weg. Die skeptische Haltung des Landes Brandenburg ist von eigenem fiskalischem Wohlverhalten untermauert und gilt deshalb als glaubwürdig. Denn Helmuth Markov ist nicht gegen den Fiskalpakt, weil er die Konsequenzen fürchtet. Ganz im Gegenteil: Brandenburg hab bereits 2011 eine schwarze Null im Haushalt geschafft, wenn auch als Folge des Booms, wie der Finanzminister einräumt. Und für übernächstes Jahr plant er wieder, keine neuen Schulden zu machen. 15 Markov Wenn nicht die Vögel vom Himmel fallen, dann wollen wir 2014 keine Kredite mehr aufnehmen. Ich bin nach wie vor optimistisch, dass wir das schaffen. Und Helmuth Markov ist ausgesprochen optimistisch, dass sein Land diese Herausforderung meistern wird. Er argumentiert dafür, die Investitionsquote zu senken, um einsparen zu können. Brandenburgs Straßen seien so neu wie in kaum einem anderen Land. Und auf die eine oder andere Ortsumgehung muss dann eben verzichtet werden: Es lohnt sich. 15,5 Markov Wir haben uns vorgenommen, 2014 keine neuen Kredite mehr aufzunehmen. Das ist uns schon 2011 gelungen, aber da hatten wir es nicht vorgesehen. Man muss halt sagen, die Steuereinnahmen sind halt höher. // Wir haben sogar 2011 mit einem Überschuss abgeschlossen, als Land. Wir haben aber auch gleichzeitig eine strenge Konsolidierung vorgenomen....// Wir haben nie in der Bildung gekürzt. Immer mehr Geld in die Bildung gesteckt. Immer mehr Geld in das Hochschulwesen gesteckt. Wir haben in der Kultur nicht gekürzt. Wir haben im Sport nicht gekürzt. Das alleine aber genügt nicht: Die Hoheit der Länder zu respektieren, sei wichtiger, als in Europa Schuldenbremsen durchzusetzen. Für die Linkspartei gilt es als Gift, ein Land kaputtsparen zu wollen, in Europa ebenso wie Länderebene. Sind Produktion und Binnennachfrage erst einmal am Boden, werde es noch schwerer den Konjunkturmotor wieder anzuwerfen. Markov setzt zur Bewältigung der Schuldenkrise auf mehr Geld vom Staat, zunächst also auch auf mehr Schulden. Vorbild ist ausgerechnet die Politik der Großen Koalition im Jahr 2009. 16 Markov So ein Konjunkturpaket, das hilft, das muss sein. Und deswegen sage ich: wenn Sie Ländern, di everschuldet sind, oder die Schwierigkeiten haben, eine hohe Arbeitslosigkeit haben, müssen Sie mit solchen Konjunkturpaketen helfen. Und das Konjunkturpaket zwei hat gezeigt: Das funktioniert! Deswegen haben wir auch unsere Arbeitslosigkeit senken können, obwohl die Weltsituation nicht so einfach gewesen ist. Klingt ulkig: Dafür kriegt die Bundesregierung von mir ein ganz dickes Plus. Wir haben es kofinanziert und selbst die Kommunen haben noch was drauf gelegt, weil sie gesagt haben, das macht Sinn. Jetzt kriege ich die Schule hin. Oder jetzt krieg ich das oder das gemacht. Und auch für die Sozialdemokraten bleibt ein bitterer Nachgeschmack des Fiskalapakt- Kompromisses: Der Bundesfinanzminister hat, so sieht es Carsten Schneider, nur allzu bereitwillig die Kosten übernommen - durchaus in dem Wissen, selbst nicht mehr für die Begleichung dieser Schuld geradestehen zu müssen. 17 Schneider Herr Schäuble macht jetzt nur noch Geschäfte zu Lasten Dritter, nämlich des nächsten deutschen Bundestages. Er gibt Zusagen für Ausgaben, ich nehme mal das Betreuungsgeld, ich nehme aber auch jetzt diese Einigung mit den ländern, bis zu 4 Mrd ?, die weder gedeckt sind, es noch eine politische Aussage dazu bisher gegeben hat, das sind Schecks, die werden ausgestellt und in der nächsten Legislatur mit wahrscheinlich einer schlechteren Konjunkturellen Lage müssen die bezahlt werden, und das verringert den Handlungsspielraum, den die nächste Bundesregierung und der nächste Bundestag hat. Die SPD macht sich für den Fall einer eigenen Regierungsbeteiligung wenig Illusionen: Um den Fiskalpakt zu bezahlen, müssen die Steuern erhöht werden. Die Pläne dafür liegen in den Schubladen der großen Volksparteien. Spätestens nach der Bundestagswahl werden sie hervorgezogen. -ENDE Beitrag- 1