Nachspiel "200Jahre Turnsport" Deutschlands ältester Sportverein - Der TSV Friedland 1814 Sendedatum: 18.4. 2014: Autorin: Almuth Knigge Redaktion: Sabine Gerlach "Schon mehrere Jahre vorher, ehe die sturmbewegte herrliche Zeit für Deutschland eintrat, hegte ich den Wunsch, für die hiesige Jugend eine Anstalt für Körperübungen zu gründen." Also es gab, kann man wirklich so sagen, immer Persönlichkeiten, die verrückt waren für den Sport, genug mitgebracht haben und sich wirklich unwahrscheinlich engagiert haben und auch strategisch gedacht haben, die Weichen gestellt haben, die braucht man, es muss einige Verrückte geben, die voran gehen. Tja, das macht halt Spaß, das kennen wir gar nicht anders von Jugend an von unseren Eltern. Friedland, Mecklenburg-Strelitz, ein milder Abend im Februar. Im Alten Gymnasium der Friedländer Gelehrtenschule treffen sich die Honoratioren der Stadt. Es ist ein besonderer Abend für die kleine Ackerbürgerstadt im Hinterland der Küste. Der Vorstand des größten Vereins hat eingeladen. Wolfgang Woide, der Vorsitzende des TSV 1814 Friedland, begrüßt die Anwesenden: Herzlich willkommen zu unserer heutigen besonderen denkwürdigen Veranstaltung Es ist der 7. Februar 2014. An historischer Stätte, im Schatten der mächtigen Marienkirche, wird in der Aula des alten Friedländer Gymnasiums gefeiert. Bescheiden, bei Wasser, Saft und Sekt. Die örtliche Musikschule bestreitet das Rahmenprogramm. Der Ehrenvorsitzende, Dr. Wolfgang Bartel, führt durch die Geschichte: Heute vor 227 Jahren, am 7. 2. 1787 wurde in Collmen, das ist heute ein Stadtteil von Collwitz in Sachsen, in der Familie des Schulmeisters Christian Karl Gottlob Leuschner, von der Mutter Johanna Christiane geb. Reichert, ein Junge geboren und auf den Namen Christian Carl Ehregott getauft. Carl Leuschner: Lehrer, Pastor, Sportskanone. Satzung des Turn- und Sportvereins Friedland 1814 e. V. § 1 Name, Sitz und Zweck des Vereins: Der TSV Friedland 1814 pflegt das Erbe, des von Carl Leuschner 1814 begonnenen Turnens und aller anderen Friedländer Sportvereine der Vergangenheit. Carl Leuschner, genau genommen Christian Carl Ehregott Leuschner, war ein sehr zielstrebiger Mensch. Im Foyer des Gymnasiums hängt sein Portrait. Ein junger Mann, etwas hager im Gesicht, der sehr streng guckt. Mit 21 Jahren hatte er schon das Theologie- Studium abgeschlossen, da waren andere gerade mal mit der Schule fertig. Mit 27 Jahren führte er in Friedland das öffentliche Turnen ein. Und er hat sich auch intensiv befasst mit der von Frankreich gekommenen Idee des allseitig gebildeten Menschen. Carl Leuschners Geburtstag läutet das Festjahr in Friedland ein, der älteste Turnverein Deutschlands feiert 200 jähriges Bestehen. Wolfgang Woide strahlt: Anlässlich unseres großes einmaligen Jubiläums ich möchte sagen einzigartigen Jubiläums, 200 Jahre Turnen, ununterbrochen Turnen und Sporttreiben in Friedland, aber auch 200 Jahre sinnvolle Freizeitgestaltung, 200 Jahre Erziehung und Wertevermittlung, und 200 Jahre auch soziale Verantwortung für die Menschen in unserer Stadt. Seit Jahren bereiten Wolfgang und Wolfgang, wie die Friedländer ihr Vorstandsduo nennen, das Jubiläum vor, das im Mai groß gefeiert wird. Sie putzten Klinken bei Sponsoren und gewannen Thomas Bach, den jetzigen IOC- Präsidenten, als Schirmherr. Auch der Bundespräsident wollte zur Gedenkveranstaltung in der Friedländer Marienkirche kommen. Doch daraus wird nun nichts, denn der Bundespräsident hieß als die Einladung rausging noch Christian Wulff. Sein Nachfolger, Joachim Gauck, hat höflich abgesagt. Wolfgang und Wolfgang sind sich trotzdem sicher, dass es ein schönes Fest wird. Wolfgang Bartel ist der Chefhistoriker des Vereins und Wolfgang Woide der Zeremonienmeister für das große Festjahr Drei Wochen lang im Mai wird gefeiert. Eine Turnshow wird es geben, eine Friedlandolympiade mit dem ältesten Sport der Welt, dem Steine-Weitwurf , und dem ein oder anderen Bier. Heute gibt es Sekt: Nehmen wir mal die Gläser, in die Hand ist ja auch ein Grund zu trinken, ich will noch drei Sachen sagen, erstens erheben wir das Glas auf unseren TSV, auf unsere einmalige Geschichte, ja, wir sind ein alter Verein, ein sehr alter Verein, aber mobil, leistungsfähig und gerüstet für das nächste Jahrhundert unserer Vereinsgeschichte, da wollen wir den ersten Schluck nehmen. Zweitens möchte ich das Glas erheben lassen wollen auf unsere 1005 Mitglieder, 150 Übungsleiter, Trainer, Fahrer, Schiedsrichter, Kampfrichter, die die Arbeit in unserem Verein machen, die dem Vereinsleben erst einen Sinn geben, und neben der Wertevermittlung auch materielle Werte schaffen. Sie schaffen rund 250.000 Euro im Jahr, die der Staat nicht bezahlen muss. Unsere Ehrenamtler, auf die wollen wir besonders trinken. Ja, klatschen wir ruhig. Kurz nach der Wende war Wolfgang Bartel bei einer Sportkonferenz in Hamburg. Ausrichter war die Hamburger Turnerschaft von 1816 r.v. Der hanseatische Verein nimmt für sich bis heute in Anspruch, der älteste Sportverein Deutschlands zu sein. Alle haben damals etwas irritiert geschaut, als Wolfgang Bartel sich als Vorsitzender des TSV Friedland 1814 vorstellte. Irritiert war auch der deutsche Turnerbund als er ein paar Jahre später, 1996, sein Verzeichnis aktualisieren wollte. Der TSV 1814 bekam einen Brief. Betreff: Korrektur des Vereinsgründungsjahres des TSV Friedland, das wir mit 1814 gespeichert haben, was offenbar auf einem Tippfehler beruht, bitten wir um Mitteilung des korrekten Gründungsjahres ihres Vereins Die Antwort von Bartel war schlicht und einfach: Es war kein Tippfehler! Der Deutsche Turnerbund, DTB, hat den Friedländern daraufhin bescheinigt, der älteste noch bestehende Turn- und Sportverein Deutschlands zu sein. Das wollte die Hamburger Turnerschaft von 1816 nicht auf sich sitzenlassen, sie ließ sich notariell beglaubigen, der älteste Sportverein der Welt zu sein und führt diesen Titel auch auf ihrer Web-Seite. Gegen eine Berichterstattung, dass in Friedland bereits seit 1814 vereinsorganisiert Sport betrieben wird, ist nichts einzuwenden. Ich bitte jedoch klar zu beachten, dass es nicht zu den Aussage oder dem Eindruck kommen darf, dass der TSV Friedland 1814 e.V. länger besteht als die Hamburger Turnerschaft von 1816 r.V. Denn dieses wäre eine klare Falschaussage, gegen die wir uns da auch juristisch zur Wehr setzen würden. Schreibt der Vorsitzende der Hamburger Turnerschaft, Andre Nöbbe, in einem Brief an die Friedländer. Wolfgang Bartel versteht die ganze Aufregung nicht: Wir sagen immer wieder, wir feiern 200 Jahre Turnen und Sport in Friedland. Die Frage nach dem ältesten Verein ist sekundär und eigentlich gar keine Streitfrage. Man kann das sicherlich schlecht entscheiden, nach welchem Recht soll das beurteilt werden. Die Hamburger haben das Recht der Stadt HH, das ist ja eine freie Stadt und wir hatten ein Herzogtum, wo die Gesetze ja ganz anders waren. Das wäre so fast als wollte man Birnen mit Äpfeln vergleichen. Das heißt, diese Frage schalten wir aus und unser Jubiläum heißt 200 Jahre Turnen und Sport in Friedland. Das zumindest ist unbestritten. Sport für jedermann seit 1814. Jedefrau begann erst rund 100 Jahre später zu turnen. Aber wie hat denn eigentlich alles angefangen? Rückblende: Es sind die Jahre zwischen 1792 und 1815. Große Teile Europas geraten unter französische Herrschaft. "In den Jahren der Not und Drangsal, die Napoleon über unser Vaterland gebracht hatte, erkannte Leuchschner dass es für den Erzieher der Jugend heilige Pflicht sei, durch die Einführung von gymnastischen Übungen eine starke und kräftige Jugend heranzuziehen." Die Stadt war durch die französische Besetzung ungeheuer arm geworden. Hatte ungeheures Leid erfahren. Menschen mussten mit bis nach Moskau ziehen und sind nie wieder gekommen. Im Befreiungskampf sind wieder Menschen gefallen. Also das sind Dinge die sich natürlich auf den Sport auswirkten. Am 13. November 1810 gründete Friedrich Ludwig Jahn, ein glühender Anhänger der vaterländischen Bewegung, mit 11 Freunden in der Hasenheide bei Berlin den geheimen Deutschen Bund zur Befreiung und Einigung Deutschlands. Aus den ausgedehnten Wanderungen, die Jahn mit seinen Schülern unternahm, entwickelte sich schließlich regelmäßiges Turnen. Man brauchte für die neue Kriegstaktik, Menschen, die a) bereit waren zu kämpfen und b) die fähig waren zu kämpfen. In der Lineartaktik der Feudalarmeen war es ja so, die Soldaten standen in drei Reihen hintereinander, Schulter an Schulter, hinten ging immer ein Unteroffizier, der hatte zwei zu beaufsichtigen, dass sie nicht desertierten. Und dann ging es auf Kommando los. Die französische Revolutionsarmee hatte aber über die deutschen Feudalarmeen siegen können, weil sie die neue Taktik hatte, die besagte, jeder nützt das Gelände aus, er versteckt sich hinterm Baum oder sucht Schutz hinter einer Mauer und muss dann schnell dort sein wo er gebraucht wird. Und diese neue Taktik verlangte unbedingt die Ausbildung der jungen Menschen. Jahn entwickelte das Turnen weiter zur "patriotischen Erziehung zur Vorbereitung auf den Befreiungskrieg". Der Friedländer Lehrer Carl Leuschner war begeistert. Auch er sah das Turnen in engem Zusammenhang mit der Befreiung Deutschlands von napoleonischer Herrschaft, der Idee eines künftigen deutschen Reiches unter preußischer Führung und der Teilnahme der einzelnen Staatsbürger am Wohl und Weh des Ganzen. In seinen Aufzeichnungen heißt es: "Durch die Zeit selbst dazu aufgefordert, nahm ich jenen Gedanken ernster auf und suchte nun zu verwirklichen, was ich solange mit Sehnsucht im Sinne getragen. So fing ich denn zu Anfang des Mai 1814 auf meine eigene Hand mit dem Exerzieren der Jugend an, besonders der mittleren Schulklassen. Da das steife Exerzieren mir für die Jugend zu ermüdend und überhaupt nicht ganz zweckmäßig erschien, so machte ich oft Pausen und ließ die Knaben sich frei umhertummeln und spielen, singen, etc. Nachgerade begann ich mit den eigentlichen Turnvorübungen." Auszug aus den Friedländer Turngesetzen: Ein Turner muss nie vergessen, dass des deutschen Knaben und Jünglings erste und erste und heiligste Pflicht ist, ein deutscher Mann zu werden. Und wenn er es geworden ist, zu bleiben, um für sein Volk und Vaterland kräftig zu wirken , unseren Urahnen, den Welt-Errettern ähnlich Das alles ist dokumentiert im Turnbuch des Turnplatzes von 1814, das alle Kriegswirren der kommenden Jahrhunderte überlebte und im kleinen Friedländer Museum liegt. Darin ist auch die Beitragsordnung festgelegt: Die Kosten werden durch Beiträge der Turner bestritten. Wobei sich aber von selbst versteht, dass alle die, welche nichts zu geben vermögen, nach deutscher Weise, willig und freundlich übertragen werden und man um deswegen keinen von den Übungen zurückweist, wenn er nur Sinn für dieselben zeigt und sich durch Fleiß und sittlich gutes Betragen und deutschen Sinn der Aufnahme würdig macht." Acht Groschen jährlich, das war der Obulus. Nicht viel. "Wer den verlangten Beitrag entweder nicht ganz oder auch gar nicht zu geben imstande ist, der kann sich dessen ungeachtet unterzeichnen, muss aber darüber mit mir Rücksprache nehmen. Ich werde sicher deswegen keinen zurückweisen, wenn er nur Sinn für dergleichen Übungen hat." Damals wie heute. Wir sind ja kein billiger, wir sind ein günstiger Verein, also wir können ja nicht die Preise nehmen wie vielleicht in Neubrandenburg, wir sind ein sehr günstiger Verein in Fragen der Mitgliedsbeiträge und unsere Übungsleiter kriegen ja auch sehr wenig Geld, also wie viel das will ich gar nicht sagen. Die Kinder zahlen einen Grundbetrag von 30 Euro im Jahr... Das sind 2, 50 im Monat. ...und die Erwachsenen 48. Das sind 4 Euro, weniger als 1 Schachtel Zigaretten kostet. Mein Name ist Ingrid Henkel und ich bin 70 Jahre. Und ich bin Cornelia Blank und ich bin 48 Jahre Conny turnt vor und Ingrid turnt nach, zusammen mit knapp 20 anderen älteren Damen. Mit Frauen aus allen sozialen Schichten. Das ist so, aber jetzt fragen sie mich nicht, warum das so ist. Sie haben alle irgendwo eins und das ist Spaß am Sport, Spaß an der Bewegung, gesund zu bleiben und das überwindet dann auch soziale Grenzen, sag ich mal. Wenn wir durch die Tür gehen dann ist jeder gleich, egal was der mal... oder, keine Ahnung, mal lachen, mal über alles mögliche auch mal quatschen, ne, da braucht man halt, ich möchte es nicht missen, im Winter muss man sich zwar manchmal überwinden, dann denkt man, ach schon so dunkel und jetzt willst du zum Sport, aber wenn man dann hier ist ist alles vergessen. Es ist ja auch so, es ist ja nicht nur, dass wir so wie hier, sondern wir machen ja auch abends gemeinsam was oder Radtouren, ja was so dazu gehört zum geselligen Leben. 1819, da gab es schon über 100 Turnplätze, wurde öffentlicher Sport in ganz Preußen verboten. Die Forderung nach einem Nationalstaat, die in der Turnbewegung immer mitschwang, war den deutschen Fürsten nicht geheuer. Aber in Friedland, das schon damals in einem vergessenen Winkel der Weltpolitik lag, scherte man sich nicht um das Verbot. Es wurde bis ins nächste Jahrhundert hinein fast ungestört weitergeturnt. Auch während des 2. Weltkriegs. 1945 legten die Siegermächte fest, dass alle faschistischen Institutionen zerschlagen werden sollten. Dazu gehörte auch der Bund für Leibeserziehung. In der Sowjetischen Besatzungszone wurden auch die Sportvereine verboten, sie wurden aufgelöst und konnten sich auch nicht neu gründen. Die nächste große Herausforderung stellte sich mit der Wende 1989/90, erinnert sich Wolfgang Woide: Wir hatten um 1990 ein großes Problem, viele Menschen zogen aus unserem Gebiet weg, arbeitsbedingt, manche hatten auch kein Geld, die neuen Beiträge zu bezahlen. Es gab Tendenzen einiger Sportarten, wie Fußball, Tennis und Turnen, wie die Bundesrepublik Deutschland wollten die ihren Turnverein haben, Fußballclub haben, Tennisclub haben und wenige vernünftige Leute haben gesagt, das können wir uns doch nicht leisten, so eine Tradition, dass dieser Verein auseinanderbricht, das war ne harte Auseinandersetzung, also es gab spalterische Ideen. Außerdem brach 1990 brach die Mitgliederzahl dramatisch ein. Auch weil die Einwohnerzahl von Friedland von 8000 auf 6500 sank. Industriebetriebe machten dicht, viele Leute zogen der Arbeit hinterher. Auch der Handballtrainer. Seitdem wird in Friedland kein Handball mehr gespielt. Heute stellt der demografische Wandel die Friedländer Sportfunktionäre vor neue Herausforderungen. Die Senioren brauchen Angebote. Donnerstagnachmittag spielen die alten Herren zum Beispiel Fußballtennis. Auch für Bürgermeister Wilfried Block, knapp über 50, ist dieser Termin heilig: "Jetzt kommt der Bürgermeister." "Guten Tag, wollen Sie gleich mitspielen heute? Ich habe leider meine Sportschuhe nicht dabei." "Nu sieh zu, geht los." Kurt Schröder, über 70, ist heute der Boss, er ist verletzt, kann nicht mitspielen kommt aber trotzdem, seine Kumpel sind ihm wichtig: Gute Truppe, gute Truppe. Und wie lange geht das dann heute Abend noch, wenn Sie hier fertig sind? Halb sechs haben wir Schluss, dann gehen wir duschen und dann sitzen wir da in dem Lehrerzimmer noch ...Und dat reicht, da sind ein paar Cognac- Trinker, ein paar Süße, Pflaume, und dann nett schnacken dabei von alten Zeiten, ne, von jeher ein bisschen erzählen. In der Halle daneben turnt die nächste Generation. Kleine Mädchen hauptsächlich, im Alter von 6-14 Jahren. Ich hab Emilia hierhin gebracht, Emilia Mück, das ist die, die jetzt läuft, ja Mutti muss arbeiten und da bringen wir sie immer zum Sport, ne. Oma Regina Mück hat heute Fahrdienst Na ick muss ja sagen, ick bin ja selber gebürtige Friedländerin, und wir haben ja selbst als Kinder diesen Abendsport, bei uns hieß das früher Abendsport, das haben wir auch schon gemacht. Der Sportverein bedeutet uns sehr, sehr viel, weil was Besseres gibt es hier eigentlich gar nicht - als Sport zu treiben. Wenn man ganz ehrlich ist, muss man sagen, etwas Anderes gibt es hier eigentlich gar nicht, abgesehen davon gehört es zum guten Ton, Mitglied im Sportverein zu sein. Sportverein gehört zum sehr guten Ton. Der Turnplatz, wo alles begann, ist immer noch das Zentrum der Vereinsidentität. Wolfgang Bartel hat dafür gesorgt, dass aus der Müllhalde, zu der der Platz in den 70er Jahren verkommen war, wieder ein lebendiges Denkmal geworden ist. So, also wir sind hier auf dem alten Turnplatz von 1814. Wir wissen sehr genau, dass die Turner die drei großen Eichen damals im Winter hierher gebracht haben mit etlichen Pferden. Sie hatten die Wurzelballen aus dem Eis rausgeschlagen, so dass genügend Mutterboden mit herkam, und die Eichen sollen damals schon 50 Jahre alt gewesen sein, also sind sie jetzt 250 Jahre. 1879 hatten die Schüler der Gelehrtenschule hier ein Denkmal errichtet für Leuschner und für Jahn. Was denken Sie, taugen die heute noch als Vorbild? Weil sie sagen zur Erziehung? Ja, also man kann mit Kindern und Jugendlichen an einem solchen Denkmal eben doch einiges erklären, etwa hier die Frage, warum ist 1814 hier der Turnplatz errichtet worden. Also ein Denkmal erfüllt auch heute seinen Zweck. Aber muss man in dem Zusammenhang nicht auch warnen vor zu viel Nationalismus und Patriotismus? Ja wenn man die Geschichte betreibt, muss man natürlich solche Fragen auch durchdenken. Es ist mit diesen Gedanken der Freiheitsliebe und des Freiheitskampfes gegen Napoleon später auch Schindluder betrieben worden. Satzung des Turn- und Sportvereins Friedland 1814 e. V. Zweck des Vereins ist die Förderung des Sports. 1. Er organisiert die sportliche Betätigung seiner Mitglieder und interessierter Bürger des Territoriums, ihre körperliche Ertüchtigung und die Förderung zu einem gesunden, natur- und heimatverbundenen Menschen, sowie die Pflege der Freundschaft, Kameradschaft und Geselligkeit. Der Verein setzt sich für die olympischen Ideale ein. Wolfgang Woide erklärt gerne und oft, dass der TSV Friedland es bis jetzt ganz gut geschafft hat, die Balance zwischen Tradition und Moderne zu halten. Die Flamme weitergeben und nicht die Asche anbeten, so formuliert er das. Wir sind ja ein alter Verein, ein Traditionsverein, der auch mobil ist und der Menschen hat, die das wollen, wir haben ja die Überschrift gewählt, Traditionspflege ist nicht anbeten der Asche sondern weitergeben der Flamme. Und unsere Flamme brennt hell und kräftig, weil wir Menschen haben, die diese Sache umsetzen. 150 Ehrenamtliche in den Vorständen, Sektionen, als Trainer, als Übungsleiter, Fahrer, als Kampf- und Schiedsrichter, das ist wichtig, die schaffen ideelle Werte und auch materielle Werte. Wir haben mal ausgerechnet, dass etwa 200.000 Euro bezahlt werden müsste, wenn die Leute bezahlt werden würden. Das muss der Staat nicht machen, das muss die Gesellschaft leisten, aber sie sind für unsere Menschen da. Das sind die richtigen Engel, die neuen Helfer unserer Gesellschaft. Unersetzbar. 2. Der Verein ist parteipolitisch und konfessionell neutral, wende sich gegen jede Rassendiskriminierung und vertritt die demokratische Grundordnung. Ende letzten Jahres veranstaltete die NPD eine fremdenfeindliche Demonstration in Friedland gegen die Pläne für ein Asylbewerberheim, die Stadt reagierte, aber vor allem der Sportverein zeigte Initiative. Sport integriert, das ist doch sehr logisch, Sport statt Gewalt, Sport integriert, Sport vereinigt, Sport ist doch ne Lebensqualität, Sport ist doch wichtig. Zunächst wurden die Asylbewerber feierlich begrüßt, dann wurden sie eingeladen, unverbindlich das Sportangebot des TSV zu testen. Und die dritte Phase kommt jetzt und die ist Eingliederung in eine Mannschaft, in eine Trainingsgruppe. Integration heißt für mich, Sport treiben in einer Gruppe, nicht in Extra-Gruppen der Neubürger, sondern in bestehende Strukturen versuchen nach Leistung und Fähigkeiten und Lust und Liebe einzuordnen. Wilfried Block, der Bürgermeister, hat noch ein anderes Argument: Und da sag ich, sollte es uns wirklich ein Lächeln kosten oder ne Selbstverständlichkeit für uns werden, dass wir sagen, das machen wir so, um sie zu begrüßen, damit sie ankommen, um sie zu integrieren und wissen Sie, ich geh sogar einen Schritt weiter, ich sag sogar in solchen Diskussionen dann, ich möchte sogar werben, bei den jetzigen Asylbewerbern, wenn sie eine Anerkennung bekommen, dass sie hier in Friedland, in unserer Region, in den Gemeinden, die wir hier mitverwalten, dass sie hier ansässig werden, hier eine Heimat finden. Knapp 10 Prozent der Neubürger haben die Einladung angenommen. Zwei davon spielen Tennis. Im Moment spielen sie kostenlos, wir wollen sie erst mal so drin habe und ein paar Stunden geben höchst wahrscheinlich das Jahr noch durch... und dann wollen wir auch ein paar Gelder vom Land beantragen, kann nicht immer alles umsonst, es geht einfach nicht aber noch funktioniert `s. Michaela Priebe trainiert die beiden. Sie strahlt: Die sind ja auch nett, wir verständigen uns wirklich mit Händen und Füßen, Schulenglisch, ne, aber wir sehen das auch ein bisschen locker. Ich meine, die beiden sind sehr ehrgeizig, ne, die haben Spaß und ich auch. 1005 Mitglieder hat der TSV Friedland in seinem Jubiläumsjahr. Genauso viele wie 1989. Das ist beachtlich für eine kleine Stadt mit gerade mal 6500 Einwohnern. Die beliebte Politikerfloskel vom Sport als Sozialkitt scheint hier tatsächlich ein bisschen zu stimmen. Das ist so ein alter, junger Verein, sag ich immer, das ist auch so ein Wunsch, den ich habe, dass wir uns nicht nur reduzieren auf 200 Jahre sondern dass wir sagen nach vorne geht's auch und da wird's genauso schön oder noch schöner Ja, da bin ich ganz zuversichtlich, dass wir die Perspektive haben. 100 Jahre und mehr, 200 Jahre und mehr, ich werde das von oben betrachten, ich bin ganz, ganz sicher. 1