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Regie: Kennmusik Take 03 15'28 Theissen Hier bei Hagenbeck haben die Tiere manchmal bessere Ware als das, was wir im Supermarkt kriegen. Also, die essen das aber auch nicht, wenn z.B. bei den Orangs eine Traube so angedrückt sein sollte oder sonst irgendwie, das essen die dann auch nicht. Das sind schon verwöhnte Tiere hier. Regie: Kennmusik Take 05 15'45 Kölpin Hier liegt noch ein dominantes Weibchen. Das ist das ranghöchste Weibchen, das wir hier haben. Der Felsen wird erwärmt, da ist eine Wärmematte darunter, so dass sie sich da schön aufhalten können, also bei bedeckten Himmel. Sonst kommt ja richtig Sonnenlicht durch das Foliendach. Und so können sie sich aufwärmen, auch wenn es mal schattig ist hier. Regie: Kennmusik Sp. v. D.: Kropfgazellen, Flachlandtapire und Mähnenspringer Hagenbeck im 101. Jahr Eine Deutschlandrundfahrt mit Thomas Klug Atmo: Autor: Von wegen Ameisen. In Hamburg lebten zwei Ameisen, die wollten nach Australien reisen. Ringelnatz. Die Tiere hier sind größer. Und lauter. Sie kreischen, plärren, gurren, brummen, krähen, flöten, japsen, zwitschern, tirilieren, grunzen, quäken, pfeifen, zirpen und was weiß ich noch alles. Da ist man schnell am Ende des Wortschatzes angekommen, wenn es um das geht, was Tiere so an Geräuschen von sich geben. Vielleicht gibt es irgendwo eine Forschungsstelle für Tierlaute. Vertreter davon könnten mit Germanisten eine Expertenkommission gründen, angesiedelt bei der Kultusministerkonferenz oder bei der Hochschulkommission oder beim Unwort-des-Jahres-Gremium und sich ein paar neue Begriffe ausdenken: Ich würde schnurzeln, pliepseln und wufzen vorschlagen. Was schnurzeln, pliepsen und wufzen sein soll? Keine Ahnung, die Tiere machen das. Damit jedenfalls ließe sich die deutsche Sprache bereichern und es gäbe ein paar Worte mehr für das, was das Viehzeug da im Zoo macht. Habe ich gerade Zoo gesagt? Es geht um Hagenbeck. In Hamburg sagen sie Hagenbeck, wenn sie den Zoo meinen. Wer gegen diese Regel verstößt, hat es in Hamburg nicht leicht. Er wird, schlimmer geht es kaum, für einen Süddeutschen gehalten. Hagenbeck also. In Hamburg. Take 6 Kölpin 0'31 Wir sind hier am Madagaskar-Dorf, wir halten hier in einer Freianlage unsere Kattas, das sind Lemuren von Madagaskar, zusammen mit Regenbogen-Loris aus Nordaustralien. Und der Besucher hat hier das freie Erlebnis mit den Kattas, also es gibt hier keine störenden Gitterstäbe oder Käfige, sondern die Tiere leben frei und haben direkten Kontakt auch mit den Besuchern, d.h., dass die Kattas auch durchaus mal auf die Besucher raufspringen, mal ein richtiges Tiererlebnis. Autor: Hagenbeck verlangt gleich am Eingang eine Entscheidung: Entweder den herkömmlichen Zoo, incl. Hamburger Novemberwetter. Oder das Tropenaquarium incl. feuchtwarmer Temperatur, herumspringender Kattas, aber auch Krokodilen, die weniger herumspringen, einen auf Pappmaché machen, dann jedoch...Aber das kommt später. Erst einmal die Kattas. Die Kattas sind die Tiere, die herumspringen. Dr. Thomas Kölpin ist ihr Chef. Und auch der Chef von Krokodilen, Riesenschlangen, Flughunden, Tausendfüssern, Geißelspinnen, kurz er ist der Chef des Tropenaquariums, wo eben auch die Kattas herumspringen. Take 07 1'54 Von den Kattas haben wir insgesamt 15 Stück, 12 Erwachsene und drei Babies von diesem Jahr. Wie kann man die beschreiben, das ist so eine Mischung aus Ameisenbär und kleiner Affe? Nein, die gehören zu den Lemuren, gehören also zu den Primaten, also in der Affenverwandtschaft gehören sie, gehören noch zu den Feuchtnaslern, haben also noch eine lange Schnauze. Haben aber auch Hände wie wir, dass sie wirklich greifen können, Affenvorfahren sozusagen. Autor: Kattas gehören zu den Lemuren und den Feuchtnaslern. Da ist doch alles klar. Und sie springen durch die Gegend. Ich mag es nicht, wenn irgendwer durch die Gegend springt, und setze meinen Gesichtsausdruck auf, der genau das kundtut. Thomas Kölpin versucht, mich zu beruhigen. Take 08 Kölpin 2'30 Wir haben deutlich gefährlichere Tiere hier als die Kattas, wir haben Krokodile und Riesenschlangen, bei denen das vielleicht ein bisschen gefährlicher wäre, aber auch da passen wir auf, dass natürlich kein Pfleger zu schaden kommt. Jetzt haben wir einen Katta direkt bei uns, das ist ein Baby von diesem Jahr und der findet das Mikro ganz spannend. Und jetzt ist er auf der Schulter. Autor: Es ist meine Schulter, auf der wir den Katta haben. Und es ist mein Mikrofon. Und ich habe ganz schlechte Laune - was möglicherweise etwas albern aussieht: schlechte Laune und einen Katta auf der Schulter. Ich halte schon nichts davon, wenn mir Unbekannte auf die Schulter klopfen. Wenn Unbekannte aber auf meiner Schulter sitzen wollen.... Ein Vater sagt zu seinem Kind, guck mal wie süss. Und ich fürchte, er meint nicht mich damit. Take 09 Kölpin 1'09 Wenn man hier in einer Funktion neben der Sprungschanze ist, dann springen sie vielleicht mal auf die Schulter und von da aus wieder weiter und sind vielleicht auch mal neugierig, dass sie an einem schnüffeln, aber gefährlich sind diese Tiere nicht. ...Allerdings, wenn man sie in die Enge treibt und sie bedroht, dann können sie schon beißen. Deswegen ist es auch nicht erlaubt für die Besucher, sie direkt anzufassen, damit wir da nicht einen Konflikt auslösen und die Tiere dann doch beißen. Hier ist das Motto: Die Tiere dürfen die Menschen berühren, die Menschen aber nicht die Tiere. Das finde ich jetzt ein bisschen ungerecht. Ja, so ist es manchmal. Autor: Ja, so ist das manchmal. Take 10 Kölpin 3'12 Wir gehen jetzt einfach weiter und gucken uns noch weitere Tiere an. Komm, na komm. Sprecher: DIE SPRACHE DER TIERE Der Papagei liebt das Geschrei Die Kuh ihr Muh Der Wal mag Unterwassersingerei Der Uhu nur sein Huh Der Leopard das Fauchen Die Kopra wenn sie giftig zischt Der Kuckuck will seinen Ruf gebrauchen Der Frosch quakt bis sein Licht erlöscht. Nur der Hai, der schweigt Weil er stattdessen Zähne zeigt. Musik: "Freiheit" - I: Georg Danzer K+T: G.Danzer Conga Music, LC 5064, Bestell-Nr. 550823-2 Autor: Hagenbeck in Hamburg. Es ist früh am Morgen. Sehr früh. Holger Theissen kocht. Eigentlich kocht er nicht. Das Kochgerät ist kaputt. Also verteilt er das Futter so. Take 11 Theissen 8'10 Hier haben wir z.B. mal eine Kiste Dschungel, da sind z.B. die Nasenbären. Die kriegen jetzt von mir Bananen, Äpfel, Möhren, Orangen, Birnen, Zwiebeln, dann halt Rote Beete für die Hasenstadt, dann Äpfel und Möhren. Dann natürlich auch Brot und Brötchen, falls hier Futterspenden ankommen sollten. Das ist auch immer so ein Glücksspiel, d.h., ich muss immer auch bestellen. Ich kann mich nicht immer darauf verlassen, dass die Leute wirklich kommen. Autor: Die Küche von Holger Theissen ist nicht besonders groß, wenn man bedenkt, dass er einen ganzen Tierpark ernähren muss. Take 12 Theissen 0'12 Es ist so, dass ich ca. für 2500 Tiere zuständig bin, d.h., ich bereite eigentlich immer alles vor, sprich Äpfel, Möhren, Gemüse, Kohlrabi usw. Und dann ist es halt so, wenn ich morgens um vier, halb fünf hier bin, dass ich die frischen Sachen weiter mache, d.h. Hackfleisch, Salat und solche Sachen halt, die alle mit rausgehen. Halb acht muss der Futterwagen beladen sein. Autor: Die Zeit drängt, das tut sie hier immer. Holger Theissen will auf Nummer sicher gehen. Was er kann, bereitet er schon am Vortag vor. Take 13 Theissen 2'58 Es gibt ja diese Tage, die so genannten Fleischtage, da muss ich schon für zwei Tage vorbereiten mit dem Fleisch für Leoparden, Löwen, Tiger und Bären, Eisbär usw. ...Heute bekam ich z.B. vom Großmarkt frisches Obst und Gemüse, was ich auch noch verarbeiten muss, dann stört das hier alles. Ich habe ja auch nur ein sehr kleines Kühlhaus, so zwei Meter mal zwei Meter, da muss man koordinieren, damit man sich hier nicht auf die Füsse tritt und damit alles sauber bleibt. Autor: Bei Holger Theissen dreht sich alles ums Fressen. Wer bekommt was und wieviel. Wer verträgt was und was nicht. Und - als würden Elefantinnen, Tigerinnen und Pinguinweibchen auch Frauenzeitschriften lesen - wer macht gerade welche Diät. Ein unangenehmes Thema. Aber so ein Zoo ist eben auch nur ein Teil des richtigen Lebens. Selbst, wenn der Zoo Hagenbeck heißt: Take 14 Theissen 10'02 Ein Tier soll ja auch nicht übersättigt werden, zuviel Fressen ist ja auch nicht gut. Die kriegen schon mehr. So in der Natur, wenn man sich das mal vorstellt...Die Löwen kriegen jeden Tag hier Fleisch, es gibt nur einen Hungertag in der Woche. Und in der Natur essen sie höchstens einmal die Woche Fleisch, dann, wenn sie es selber fangen. Ach, einen Tag in der Woche gibt es da hier nichts? Nee, das ist ein so genannter Hungertag. Für die Löwen oder für alle? Das ist unterschiedlich. Aber für Tiger und dann auch für Leoparden. Es kann aber sein, dass es mal zwei Tage sind, weil der Tierpfleger dann sagt, die sind schon so gesättigt bzw., die werden zu dick, das wir das mal auslassen sollten oder so. Das sind dann die Tage, wo man lieber nicht so nah an den Käfig geht? Eine gute Frage, wir können es ja mal gerne testen. Nein, ich denke mal, das ist schon jahrelang so. Und es ist noch nichts passiert bis jetzt. Autor: Reden wir nicht über das Gefressenwerden. Und auch das Nichtfressen ist kein schönes Thema. Reden wir über das Fressen. Was fressen Tiere so? Take 15 Theissen 15'28 Hier bei Hagenbeck haben die Tiere manchmal bessere Ware als das, was wir im Supermarkt kriegen. Also die essen das aber auch nicht, wenn z.B. bei den Orangs eine Traube so angedrückt sein sollte oder sonst irgendwie, das essen die dann auch nicht. Das sind schon verwöhnte Tiere hier. 15'47 Auch wenn die Banane zu dunkel ist, dann essen die die nicht. Und grüne schon gar nicht. Die müssen schon gelb sein. Und wenn ich keine Gelben habe, dann ist das schon traurig in dem Sinne. Aber dann essen sie das auch nicht. 30'31 Jetzt können wir mal ganz kurz einen Blick in mein kleines Kühlhaus werfen. Das muss ich jetzt schon mal vorbereiten für die ganze Woche. Wochenportionen, die sonst aufhalten würden. Also wie z.B. Gurken, die kann man ruhig schon mal für die ganze Woche verteilen für das Revier. Jaa. Autor: Die Küken sind vor dem Kühlraum. Küken. Sie sind in einer roten Kiste. Sie sind dort hinein geschichtet. Manchmal ist die Zoo-Küche eben wie ein Sterne-Restaurant: Die Küken werden serviert. Oder schlicht verfüttert. Take 16 32'19 Das gehört ja auch dazu, dass Nasenbären solche Sachen wie Küken essen, das gehört ja auch dazu. Oder halt fürs Vogelhaus auch mit dabei, die Küken. Hm. Ja. Oder die Mandrills. Natürlich, die essen ja auch Fleisch dann. Wir essen ja auch Fleisch. Und dank Jamie Oliver wissen wir auch, welches. So die Richtung. Autor: Manchmal kommen Leute vorbei, und bringen Futter für die Tiere. Holger Theissen freut sich über jede Futterspende. Über fast jede: Take 17 Theissen II 4'57 Das ist jetzt kein Witz, es hat auch schon jemand hier angerufen, eine Frau, die wollte ihre Muttermilch loswerden. Aber kein Tier isst glaube ich, eine menschliche Milch. Autor: Holger Theissen holt tief Luft, geht erst einmal auf die Laderampe an der Futterstation und zündet sich eine Zigarette an. Es regnet. Ein kleiner Lieferwagen holt die Paletten ab. Und Uwe Fischer kommt vorbei, ein Tierpfleger. Der Speiseplan für die nächsten Tage wird besprochen: Take 18 Theissen / Fischer / Atmo (kann viel gekürzt werden) Fleisch für die Bären kannst du weglassen erstmal für die Wintersaison, brauchen wir nicht mehr. Außer sonntags, sonntags dann aber 4 Stück bitte. Wenn du Eicheln hast, immer gerne zu mir. Keine Kastanien, Eicheln bitte. Aber eine andere Frage, wenn ich jetzt Spenden bekomme, ein bisschen zu viel bekomme, kann ich dir trotzdem gerne. Das ist kein Problem. Dann möchte ich bitte gerne für die Riesenschildkröten fünf Paprika, und zwar gelbe oder rote, keine grünen Paprika. Auch wenn Warte, das notiere ich mir mal. Aber egal. Und jeden Tag so 15 Tomaten. 15 Tomaten? Ja. Die fressen einfach das rote Obst viel lieber als den anderen grünen Scheiß. Und von den normalen Kopfsalat brauche ich zwei Stück. Nur zwei? Zwei Kopfsalat und bestell mal lieber Eisbergsalat. Dann kannste du mir zwei Kopfsalat und zwei Eisbergsalat schicken. Zwei Kopf, zwei Eis. Spinat höchstens die Hälfte von dem, was du jetzt hast. Fressen sie nicht gut. Und Porree brauch ich auch nur drei Stangen. Ja? Ja. Dafür können wir demnächst aber anfangen, wieder die Wurzeln aus der Kiste zu nehmen. Ich muss jetzt was für die Paviane. Ach so, hast du die Säcke gekriegt? Ja, machen wir das so? Dann hast du auch wieder mehr Platz in der Kiste, wenn mal was extra ist und so. Nachher müssen wir auch mal die Äppel wieder aufstocken. Die bleiben jetzt erstmal so, die sechs? Ja. Ja. Da sage ich dir noch bescheid. Im Moment kommen ja noch genug Leute. Ich habe jetzt ja noch genug für morgen praktisch wieder schon vorbereitet. Ja, das ist ja auch egal. Und für den kleinen Panda da brauchst du den Reis nicht extra packen, den kann ich doch einfach von den Bären abnehmen. Autor: Während der Futtermeister und der Tierpfleger noch über das Futter verhandeln, gehe ich zum Aufwärmen wieder zu Thomas Kölpin ins Tropenaquarium. Hoffentlich springen mir nicht wieder irgendwelche Tiere auf die Schulter. Take 19 Kölpin 3'44 Jetzt wird nix mehr angesprungen. 3'55 Hier in diesen offenen Freianlagen halten wir verschiedenste Reptilienarten, hier haben wir z.B. ein Pantherchamäleon. Auch hier wieder keine Glasscheiben oder auch keine Gitterkäfige, sondern direkt ohne störende Barriere hat der Besucher die Blicke auf die Tiere, nach dem alten Hagenbeckschen Prinzip der großen Freianlagen, die er ja damals 1907 für Säugetiere und Vögel geschaffen hat, haben wir im neuen Tropenaquarium von 2007 das erste Mal Freianlagen für Reptilien. Das sind keine Attrappen, man sieht es am Auge, das bewegt sich schön. Nur, die vertrauen auf ihre Tarnung, deswegen sieht man eigentlich immer nur, dass sich das Auge bewegt. Und höchstens, wenn hier ein Insekt vorbeikommt, würde die Schleuderzunge rausgehen und dann würde eine Fliege oder was auch immer, gefangen werden. Dort unten haben wir Gürtelschweife, so nennen sich diese Tiere, diese stachligen Gesellen da unten, unter der Heizlampe. 5'04 Wir sind jetzt in einer Tropenhalle, neben uns läuft ein Tropenbachlauf an uns vorbei. Gegenüber, der Bachlauf ist die Barriere, haben wir verschiedenste Abteilungen für die Reptilien, die dort stark bepflanzten natürlich gestalteten Biotopanlagen dort sitzen. Sprecher: DAS EI DER PINGUINE Ehepaar Pinguin sitzt fest Auf dem Ei in ihrem Nest Bis der Nachwuchs endlich schlüpft Und aus der Brut in Freiheit hüpft Stolz betrachten sie das Kind Das gedeiht und wächst, geschwind Bis es eines Tages meint "So, jetzt sind wir länger nicht vereint." Mama geschockt, doch Papa rät "Lass nur, ist die Pubertät" Der Sprössling lacht, spreizt sein Gefieder "Wir sehen uns jetzt wohl nie wieder Ich nämlich bin ein Kuckuckssohn Danke schön", und fliegt davon. Musik: Poison Prince, I: Amy Macdonald K: A.Macdonald Melodramatic Records Ltd., LC 01633, Bestell-Nr. 06025 1778025 5 Autor: Hamburg. Hagenbeck. Die Umgebung des Hamburger Zoos als idyllisch zu bezeichnen wäre gewagt. Aber dennoch: das Wort Zoo löst selbst bei halbwegs erwachsenen Menschen eine gedankliche Idylle aus. Die gucken dann, als käme der Weihnachtsmann gleich zweimal am Tag. Der Blick verklärt sich, die Mundwinkel gehen nach oben. Zoo. Oder halt Hagenbeck. Das Verhalten ist nicht nur bei Menschen anzutreffen, die Kühe für lila halten und im Fernsehen schon mal ein Pferd gesehen haben, also bei Großstädtern. Uwe Fischer ist abgeklärt. Nie würde er sagen, dass eines seiner Tiere niedlich sei oder gar süss. Doch Uwe Fischer, spricht vom Essen, nicht vom Fressen. Aber erst einmal spricht er überhaupt nicht, denn die Bären warten. Atmo: 0'50 Bärenstall 2'43 Bären werden rausgelassen Take 20 3'50 Die mussten länger drin bleiben, als sie sonst drin bleiben, durch die Reparaturarbeiten. Das passt denen natürlich nicht. Deswegen hatte sich auch deren Frühstück verschoben, das bekommen die nämlich immer auf der Anlage, auf der Außenanlage. Das ist natürlich so, dass sie gesagt haben: Das ist blöd. Man sieht denen das nicht an, habe ich gerade gelernt, ein Bär guckt immer gleich. Oder merken Sie das? Ich merke das schon, wenn ich viel mit denen arbeite. Man kann das schon so ein bisschen sehen. Aber die Bären haben keine Mimik, so wie Katzen oder Hunde. Man kann das an der Körperhaltung, an dem Tonfall, in dem sie so rumbrummen erkennen oder ob sie eine Hängelippe haben....Pass auf da, genau. Auch du schaffst das nicht Juri. Wer ist Juri? Der, der gerade versucht hat, über die zusammengeklappte Brücke zu gehen. Ihm passt das nun gar nicht. Sie können die jetzt von hier aus unterscheiden? Ja, ich kann die unterscheiden. Dann erzählen Sie mal, wer ist wer? Der hier so ab und ab tigert, das ist Juri, die etwas Hellere, die da sitzt, das ist das Mädchen, das ist Mascha, das ist Leonid, nee, das ist Leonid und das ist Kolja. Also auch russische Namen dann? Jaja. Das haben wir uns so ausgedacht. Das machen wir bei allen Tieren so, dass das so ein bisschen passend ist. Die sind geboren im Zoo von Moskau und letztes Jahr im September zu uns gekommen. Autor: Der klassische russische Bär heißt Mischka, ein Name, der Bärchen bedeutet. Aber soll man einen 200-Kilo-Koloss Bärchen rufen? Und wenn ja, dann auf russisch? Take 20a Wir sprechen deutsch mit ihnen und die haben das inzwischen gelernt, was was bedeutet. Die kommen hier auch ab und zu in den Wassergraben hinein? Die schwimmen gerne. Bären sind hervorragende Schwimmer und Taucher. Jetzt haben sie schon was gefressen, jetzt stellen sie gerade fest, dass sie nicht zum Wasser hin können, dass die Anlage heute geteilt ist. Das wird die Laune auch nicht verbessern. Da hat man erstmal was zu tun, sich was auszudenken, wie man doch rüber kommt. Ich vermute mal, dass der eine oder andere heute noch in den Graben fällt. Das ist aber nicht schlimm, das kennen die, das machen die öfter beim Toben. Die verletzen sich auch nicht dabei oder tun sie weh. Das passiert ab und an mal. Autor: Viermal 200 Kilo sind im Bärengehege unterwegs. Und eben manchmal im Graben. Take 20b Die hole ich dann raus, von alleine können sie es nicht. Aber ich kann sie dann rausholen über den Schieber und über die Boxen wieder rauslassen. D.h., Sie haben heute auch noch ein bisschen was zu tun. Ja, ich habe damit auch etwas zu tun. Sie gucken dann jede Stunde, wieviele Bären im Graben liegen? Das höre ich auch am anderen Ende des Parks, wenn da einer im Graben ist. Das gibt ein Riesengeschrei. Die Bären sind so laut? Ja, die brüllen dann. Wobei meistens die, die oben stehen mehr, als der, der unten ist. Die, die unten sind, finden das meistens ganz spannend. Da sind sie natürlich selten und dann wird da erstmal ganz doll rumgeschnüffelt, ob da nicht vielleicht doch ein bisschen Futter runtergefallen ist, letztes Mal haben sie die Lampen runtergerissen. Autor: Uwe Fischer muss weiter. Zu seinem Revier gehören noch andere Tiere. Und auch die sind heute etwas launisch. Take 21 Fischer Jetzt sind wir im Ottern- und Pavianhaus. Das ist die Otterfamilie hier, Mutter und Kinder mit zwei Würfen, eine vom letzten Jahr, eine von diesem Jahr. Und die sind jetzt ein bisschen unwirsch, weil sie drinnen bleiben müssen, solange wir draußen sauber machen. Das Wasser muss gewechselt werden, die Scheiben geputzt werden. Die würden viel lieber draußen sein und baden. Denen macht das Regenwetter natürlich nichts aus. Atmo Otterhaus Take 22 0'45 Riesenotter kann man sehr gut unterscheiden an der hellen Kehlzeichnung, die hat jeder, jeder hat ein anderes Fleckenmuster, wenn sie mal drauf achten. Und am Kopf, dies sieht alles unterschiedlich aus. Einige haben Streifen, einige haben Flecken. Einige haben so gut wie gar keine Zeichnung. Da kann man jeden Otter ganz gut unterscheiden. Autor: An der Glasscheibe des Otterstalls hängt ein Zettel, auf dem steht: Bitte nicht an die Scheibe klopfen! Take 23 Fischer 1'53 Das können Sie sich vorstellen: Wenn wir einen Publikumsverkehr haben von 5 bis 10 000 Leute hier und jeder klopft einmal gegen die Scheibe, dann wird man wahnsinnig. Und das geht den Tieren nicht anders. Autor: Uwe Fischer sortiert seine Futterlieferung. Und ich gehe zum Tierarzt. Sprecher: IRMTRAUD Irmtraud, die Elefantenkuh Kam innerlich kaum zu einer Ruh Angstzustände, Schuldgefühle Tag ein, Tag aus dieselbe Mühle. Ferdinand, der Mäusemann Liebt Psychologie, die er kann Er hingegen lamentiert Weil ihn sein Kleinsein irritiert. So trafen sich die zwei beim Wein Im Serengetimondenschein Und spürten nach nur kurzer Zeit In ihrem Leiden Einigkeit. Um weiter fort daraus zu schließen Den Unterschied kann man genießen Was bei dem einen nicht so glänzt Wird von dem Anderen ergänzt. Zudem sind Maus und Elefant Zufällig beide gerad' vakant. So ward die Lieb in dieser Nacht geboren Vom Mäuseschwanz bis in die Elefantenohren. Musik: The last unicorn I: America K+T: Jimmy Webb Zyx Records, LC 06350, Bestell-Nr. Zyx 81806-2 Take 24 Flügger 1'20 Atmo Also wir haben hier die Situation, dass eine weibliche Kropfgazelle sich hier am Bein ein bisschen verletzt hat. Das ist eigentlich gar nicht so schlimm, aber diese Wunde wollte lange nicht richtig zuheilen und hat sich immer wieder unter der entstehenden Kruste vereitert. Autor: Michael Flügger hockt neben einer Gazelle und versucht, sie zu beruhigen. Ein Pfleger hält das Tier fest, Michael Flügger entfernt einen Verband. Take 25 Flügger 2'27 Setzen wir nochmal so einen Kegel rein. Atmo....Da wird jetzt so ein kleiner Kegel reingesetzt, das ist eine Mischung aus Antibiotikum und Zellulose, was dazu führt, dass dieser Wundkanal, der da noch gewesen ist, sich ein bisschen schneller schließt. Bei sowas ist halt immer wichtig, dass es von unten heilt und nicht dass es von außen zu ist und untendrunter noch Reste bleiben, die schlecht heilen. Da geht ja nix mehr rein. Autor: Die Gazelle versucht sich zu befreien. Nervös will sie die Hände abschütteln, die sie festhalten. Take 26 Flügger 4'02 Ok, gib du ihr ruhig....Jetzt bekommt sie noch zwei Antibiotikumspritzen....Jetzt buddelt sich hier gerade etwas unter. Was lag da alles? Nicht, dass ich irgendwas vergesse, das ist gefährlich. Da war was, da war noch mehr. Ist das Ding noch drin, müssen wir gleich noch mal gucken. Machen wir gleich, wenn die Spritzen drin sind. Ich wundere mich....Hab noch....Echt? Keine Ausreden...Wieder erst in zwei Tagen? Jaja. Wir brauchen jetzt nicht mehr jeden Tag. Also erst Mittwoch. Jaja. Ok, wir machen wie die letzten Tage auch, nehmen alles in die Hand und wir stehen alle auf Kommando auf und lassen los. Habt ihr alles? Ja. Ok. Jetzt. Dann raus. Atmo. Autor: Die Gazelle springt auf, froh, der vermeintlichen Gefahr entkommen zu sein. Take 27 Flügger 5'45 Eine Gazelle ist natürlich ein reines Fluchttier, da muss man eher berücksichtigen, dass man das Tier nicht verletzt bzw. dass man sich eine Methode überlegt, wie man sie sich greift, ohne dass sie zuviel Stress hat. Wir haben hier diese Möglichkeit, diese Box ist relativ sicher, deshalb machen wir es nicht draußen im Gehege, wo wir die lange jagen müssen. Da haben wir sie in einer halben Minute, Minute haben wir sie, wenn wir einfach einmal zugreifen. Und dann können wir sie auf dem Stroh einfach so hinlegen, dass sie sich dabei nicht wehtut. Da kann sie eben schnell behandelt werden. Und man kann auch nicht jeden Tag eine Narkose machen, nur um ihr den Stress des kurz Gegriffenwerdens zu ersparen. Und bei dieser Größe Tier ist das für den Menschen einfach völlig ungefährlich. Das kann man so gut machen. Autor: Eines aber lässt sich schwer leugnen: Für einen Pfleger, der regelmäßig das Futter bringt, ist es leicht, von einem Tier geliebt zu werden. Der Tierarzt dagegen ist eher der unbeliebteste Mensch - so aus Tiersicht. Take 28 Flügger 8:07 Das Problem ist ja, dass man den Tieren nie erklären kann, dass man als Arzt etwas Gutes für sie macht. Insofern ist man nicht sonderlich beliebt, ja. Autor: Bei Hagenbeck ist Michael Flügger meist mit dem Fahrrad unterwegs - die Wege sind eben doch länger. Der Tierarzt kommt fast täglich über das ganze Gelände - schon durch seinen täglichen Rundgang: Take 29 Flügger 10'25 Morgens machen wir meistens eine kurze Runde mit den Chefs zusammen. Das ist allgemein so eine Runde, wo einmal durch den Tierpark gegangen wird. Unser Tierpark ist in Bereiche eingeteilt, so genannte Reviere und wir laufen praktisch bei jedem Reviertierpfleger einmal vorbei und fragen, ob alles in Ordnung ist. Und daraus entsteht dann quasi auch die Tagesplanung. Autor: Michael Flügger geht erst einmal in seine Praxis. Und ich gehe wieder ins Tropenaquarium. Thomas Kölpin will mich mit Tieren bekannt machen, die nicht nur friedlich sind. Ich hole tief Luft. Ich hole noch einmal tief Luft. Und ich bin mir noch immer nicht sicher, ob Luft holen hilft gegen gefährliche Tiere. Aber immerhin erinnere ich mich daran, dass Luft holen ganz nützlich sein soll. Take 30 11'50 Dann gehen wir mal hoch und sehen uns die Krokodile von oben mal an. Atmo Autor: Jetzt geht es zu den Krokodilen. Gibt es nicht eine Redewendung, dass man den Krokodilen dieses oder jenes zum Frass vorwerfen könne. Aber da ging es wohl eher um Schweine. Schweine sind irgendwie anders als Krokodile: Take 31 12'15 Hier ist unser Krokodilbulle ist das sogar, also ein Männchen. Wir haben also ein Männchen mit drei Weibchen auf der Anlage. Sind jetzt 13 Jahre alt, sozusagen noch Teenager, die können ja bis zu 100 Jahre alt werden. Insofern werden wir noch länger was von denen haben. Die wachsen ein Leben lang, insofern sind sie jetzt noch nicht ganz so groß, das Männchen ist etwas über drei Meter, die können bis 7 Meter, die Weibchen bis 5 Meter werden. Die Anlage reicht, wir haben insgesamt 400 000 Liter Wasser für die Tiere, 350 Quadratmeter Fläche, wir haben zwei Landteile, so dass sich die Tiere auch aus dem Weg gehen können. Krokodile sind sozial lebende Wesen, d.h. die Weibchen haben eine strikte Rangordnung, und dass auch mal die rangniedrigen Tiere den ranghöheren Tiere aus dem Weg gehen können, deswegen ist das ganz wichtig, dass es verschiedene Landteile gibt. Auch Sichtschutz, dass sie sich irgendwohin verziehen können, ohne den Druck von den anderen Tieren zu haben. Insofern ist die Anlage sehr, sehr gut gestaltet, auch mit verschiedenen Wassertiefen. Krokodile lieben es, auch mal ganz tief zu tauchen, wie hier vor der Scheibe. Eine mittlere Wassertiefe und Flachwasserzone, wo sie gerne liegen und darauf warten, dass vielleicht ein unvorsichtiges Tier sich ins Wasser begibt. Autor: Hagenbeck ist stolz auf fehlende Gitterstäbe. Gitterstäbe stören, sagen sie bei Hagenbeck. Ich bin mir nicht sicher. Wenn ich fünf Meter vor einem hungrigen Löwen stehe oder vor einem Krokodil oder vor irgendetwas anderem Gefrässigen, empfinde ich Gitterstäbe selten als störend. Eigentlich nie. Take 32 Kölpin 15'45 Hier liegt noch ein dominantes Weibchen. Das ist das ranghöchste Weibchen, das wir hier haben. Der Felsen wird erwärmt, da ist eine Wärmematte darunter, so dass sie sich da schön aufhalten können, also bei bedeckten Himmel. Sonst kommt ja richtig Sonnenlicht durch das Foliendach. Und so können sie sich aufwärmen, auch wenn es mal schattig ist hier. Autor: Irgendetwas passiert mit den Krokodilen. Das dominante Weibchen, was gerade so still und unauffällig in der Landschaft lag, als wäre es aus Pappmaché, blinzelt mit den Augen. Entweder, es ist eine dieser eitlen Damen, die unbedingt in die Medien wollen. Und ahnen, dass der Weg dorthin auch über mich führt. Oder die Krokodildame überlegt, ob ich leicht verdaulich bin. Das Weibchen sollte eigentlich satt sein, erklärt mir Thomas Kölpin. An diesem Satz stört mich nur das "eigentlich". Und dann erzählt er mir noch, dass es ein wichtiges Weibchen ist - denn auch die animalische Damenwelt kennt eine strikte Rangordnung: Take 33 16'34 Die haben das mal ausgetragen miteinander, als sie neu waren hier in der Anlage, da haben sie das mal getestet, wer wohin gehört. Ist wirklich so ein bisschen Kräftemessen, kleine Blessuren haben sie, aber keine ernsthaften Verletzungen. Bei den Männchen, wenn die um die Rangordnung kämpfen, da ist schneller mal ein Bein ab usw. Deswegen...Und jetzt guckt sie auch schon, was ich hier mache. Wir haben sie in einem Training, und zwar ein akustisches. Die kennen also meine Stimme durch das Training. Deshalb guckt sie jetzt, was ich hier mache und ob es vielleicht etwas gibt, als Belohnung. Sie sind als der Chef akzeptiert? Ich bin das Alpha, das Übermännchen sozusagen der Gruppe. Sie mussten bei dem Austragen nicht dabei sein? Doch, ich musste das auch austragen, dass die mich alle akzeptieren, dass ich der Boss bin, ganz klar. Wie schafft man das bei einem Krokodil? Ich habe eine richtige Ausbildung in Südafrika gemacht, wie man umgeht mit so großen Krokodilen und da lernt man, wie man ein Krokodil einschüchtert und wie man das zurücktreiben kann und wie man zeigt, dass man über dem Krokodil steht. Denn das ist praktisch eine psychologische Geschichte, denn wenn es wirklich Gas gibt das Krokodil, haben wir als Mensch wirklich keine Chance. Man blendet da ein bisschen. Wie schüchtert man denn ein Krokodil ein? Man nimmt einen Stock, einen großen Plastikstock, damit kann man das Tier nicht verletzen, aber damit kann man dem halt auf die Nase geben. Da muss man halt sehr konstant mit arbeiten, dass die dann denken, okay, der weiß, was er tut. Aber die versuchen einem auch den Stock wegzunehmen. Wenn man damit nicht geübt ist, dann nehmen sie einen den Stock weg und dann steht man ganz doof da. Autor: Verstehe einer die Tierwelt. Der will nur spielen, sagt der Hundebesitzer. Der will nur spielen, sagt der Krokodil-Chef. Oder vielleicht hat er nur Hunger. Tiere sind schwer zu durchschauen. Sprecher: DER DREHWURM Der Goldfisch schwimmt im Kreis herum Erfährt sehr wenig und bleibt dumm Bis er den Wurm am Haken sieht Der ihn aus dem Wasser zieht. Dann merkt er zwar die Welt ist bunt Und das Goldfischglas war rund Aber viel bringts auch nicht mehr Der Fisch ist tot, das Glas ist leer. Musik: Byond the sea, I:Robbie Williams: K+T: Trenet / Lawrence Chrysalis, LC 01626, Bestell-Nr. 7243 536826 20 Autor: Das Fressen - darüber haben wir ja schon gesprochen. Jetzt kommt das Gefressen werden. Ich vermute, die meisten Lebewesen haben eine natürlich Abneigung dagegen, gefressen zu werden. Ein Wunsch, der sich in der Praxis allerdings nicht so leicht durchsetzen lässt. Sebastian Behrens stammt aus einem Dorf bei Schwerin, ist gelernter Landschaftsgärtner und macht gerade seine zweite Lehre als Tierpfleger. Ein Azubi bei Hagenbeck. Er steht gerade neben einem geräumigen Käfig voller Meerschweinchen und Karnickel - süß, niedlich, possierlich. An abgedroschenen Adjektiven mangelt es jedenfalls nicht für die kleinen Tierchen. Sebastian Behrens findet Tiere ja auch niedlich. Zuhause hat er vielerlei Viehzeug: Fische zum Beispiel. Und Schafe. Take 34 Behrens 2'55 Wenn man so ein Schaf hat, was man toll findet und was man mit einer Flasche z.B. großzieht, das kann ja auch mal sein, das wird natürlich laufen gelassen, weil, das kann man nicht. Schon gar nicht, wenn man kleinere Geschwister hat und die definitiv wollen, dass es laufen bleibt. Aber alles laufen lassen kann man nicht. Zuviel. Auch wenn es einem manchmal leid tut und denkt, muss das jetzt hier sein. Aber naja. Autor: Naja heißt: Manch ein niedliches, süsses, possierliches Tierchen wird geschlachtet. Auch im Zoo. Auch von Sebastian Behrens. Es gehört zu seinen Aufgaben, das Schlachten: Take 35 Behrens 3'25 Ja. Also alles, was Federn hat. Erstens zu Hause und hier im Tierpark müssen wir ja auch die Hühner töten für die Tiger. Muss man einfach können....Kopf ab oder man dreht die Wirbelsäule, bis sie reisst. Autor: Vor uns sind die niedlichen, süssen, possierlichen Meerschweinchen und Karnickel. Die Besucher bekommen die nicht zu sehen, denn... Take 36 Behrens 4'16 Hier sind wir bei den Meerschweinchen, sprich Futtertiere, die auch, wenn sie jetzt noch niedlich aussehen, irgendwann bei den Tigern oder den Leoparden als Futter enden werden, höchstwahrscheinlich. 4'40 Es ist so, dass bei uns im Park draußen noch welche laufen, für die Besucher zum Gucken. Und die vermehren sich ja auch, die können wir ja nicht alle laufen lassen. Deswegen werden ja welche aussortiert, die werden dann eben verfüttert. Was auch gut ist für uns, da haben die Tiger mal Abwechslung, nicht nur immer ein Stück Fleisch und ein Knochen, sondern auch mal ein Meerschweinchen oder ein Kaninchen, wenn es sich auch komisch anhört. Autor: Sebastian Behrens muss weiter. Aber eines will er noch loswerden: Take 37 12'32 Ich bin halt von kleinauf mit Tieren groß geworden, d.h. ich finde Tiere schon immer cool. Allgemein, wie so ein Tier sich bewegt, wie sind die Geräusche, wie sie aussehen, wie sie sich bewegen, wo sie überall herkommen. Und auch vor allem zu schützen, so wie im Zoo, dass die Orangs im Schutzprogramm sind, dass die nicht aussterben, das finde ich das reizvolle daran, dass man die Tiere auch erhält. Autor: Die Futtertiere sind dort, wo sich auch die Krankenstation befindet. Tierarzt Michael Flügger kommt gerade vorbei. Er will mir noch seine Kranken zeigen: Take 38 Flügger 44'07 Das ist ein ostafrikanischer Kronenkranich, der sich am Bein verletzt hatte, irgendwie so, es war nichts gebrochen, aber irgendwie so in der Richtung verknackst, vertreten, sowas. Und der hatte auch eine zeitlang einen Verband, mittlerweile ist er da wieder ohne Verband, wir haben ihn heute morgen wieder kontrolliert, das Bein fühlt sich ganz gut an, ich denke, ungefähr in einer Woche kann der wieder raus zu seinen Kollegen und ist wieder gesund geschrieben. 44'44 Der ruft jetzt, weil er sich gestört fühlt von uns, der wäre lieber alleine. Der mag das nicht, wenn wir so dicht davor stehen. Autor: Zwei Käfige weiter die Attraktion der Krankenstation. Michael Flügger sieht das natürlich nüchterner: Take 39 41' 40 Hier auf der anderen Seite haben wir einen Wurf Nasenbären, die sind inzwischen schon zwei Jahre alt, die mussten wir damals ohne ihre Mutti aufziehen, weil die sie nicht angenommen hat. Das sind also drei Geschwister, zwei Jungs und ein Mädchen. Evi, Bärli und wie heißt noch der Dritte? Habe ich vergessen. Nein, so heißt er nicht, aber ich weiß es im Moment nicht mehr. Die drei sind also hier drin. Und da wir sie so, wie sie sind, nicht in die Gruppe reinbekommen benutzen wir sie zum Teil, um damit zu den Kindern mal hinzugehen, d.h., sie sind soweit an die Pfleger, die sie ja auch aufgezogen haben, gewöhnt, dass sie auch auf die Schulter kommen an der Leine sozusagen und das die Besucher und eben auch die Kinder, die eben von ganz, ganz dicht sehen können. Z.B. bei unserer Papageienflugshow, da geht auch ein Nasenbär öfters mit und ist dann wirklich ganz nah an den Kindern, die können ihn fast anfassen. Und das ist natürlich ein ganz anderes Erlebnis, als wenn man die Tiere im Gehege aus einer größeren Entfernung sieht. Der Dritte heißt nicht zufällig Knut? Nee, der heißt nicht Knut, das ist ja auch kein Eisbär, das ist ein Nasenbär. Sprecher: Oh, das ist ja richtig gut. Bei Eisbären denken Sie an Knut, Herr Klug. Ohoh. Autor: Sie sprechen mal Ihre Gedichte. Haben Sie eines über Bären? Sprecher: Nein, von einem Schaf. Autor: Von einem Schaf. Von mir aus. Hat ja auch Fell. Sprecher: DAS SCHWARZE SCHAF Wenn das schwarze Schaf erwacht Ist es meistens dunkle Nacht Unsichtbar zwischen den andern Kann es nun herummäandern Es empfindet große Freud Bei seiner nächt'gen Tätigkeit Denn es ist wie alle hier Von Geburt an Herdentier Wenn aber Licht, erhellt die Wiese Kommt das Schaf in eine Krise Denn plötzlich ist der ander'n Fell Nicht mehr dunkel, sondern hell Die Gleichheit ist dann sofort weg Diskutieren hat kein Zweck Andersein, erkennt das Schaf Ist schwer, und fällt lieber in Schlaf Dann träumt das Schaf, sind alle gleich Ob außen dunkel oder bleich Rosa sind die Innerei'n Hauptsache nur: man ist kein Schwein. Musik: Round Midnight, I: Nighthawks K: Th.Monk/Ch.M.Williams Intuition, LC 8399, Bestell-Nr. 40042 Autor: So ein Zoo ist ja so eine Sache. Nicht alle mögen Zoos. Allerdings ist ein Zoo heute anders als früher: Da wurden Tiere gefangen um ausgestellt zu werden. Heute gibt es manche Tiere nur noch Dank der zoologischen Gärten. Joachim Weinlig-Hagenbeck ist einer der beiden Hagenbeck-Chefs. Sein Büro ist natürlich auch auf dem Zoo- Gelände, für die Besucher allerdings nicht so leicht zu finden, wie die Tiere. Take 40 Hagenbeck 21'50 Als Carl Hagenbeck im Jahr 1907 den Tierpark eröffnet hat, war das vielleicht sein Lebenstraum, vielleicht sein Hobby, vielleicht irgendetwas, was er unbedingt noch als Ergänzung zu dem haben wollte, was er schon hatte. Und er hatte bereits den größten Tierhandel der Welt. Hagenbeck stand für den großen Tierhandel in einer Welt, die noch unerschlossen war und er stand für einen Zirkusbetrieb, der in der Lage war, auf vier Kontinenten der Welt zur gleichen Zeit Zirkus zu machen. Und zwar, wo in einer Manege, 30, 40, 50 Raubtiere zur gleichen Zeit auftraten. Ein Unterfangen, was für mich heute, der ich auf Handy, Telefax und sonst was angewiesen bin, unerklärlich ist, wie die das gemacht haben. Eine großartigen Leistung, aber natürlich auch ein Wirtschaftsunternehmen, was den Tierpark mit erhalten hätte. Und wenn Hagenbeck 1907 gewusst, hätte, dass 50 Jahre später sein geliebter Tierpark völlig allein dastehen würde, würde er gesagt haben, das kann ja gar nicht gehen, das geht nur im Firmenverbund. Ich bemühe mich, den Tierpark wieder auf weitere Standbeine zu stellen. Dazu ist diese Rieseninvestition Aquarium notwendig gewesen, das Tropenaquarium, was wir letztens Jahr eröffnet haben und ein Hotel, was uns auch Gruppen von Besuchern in die Tierpark bringt, was in anderen Freizeiteinrichtungen ja ein Riesenerfolg ist, von dem wir hoffen, dass er auch bei uns helfen wird, den Tierpark zu erhalten. Autor: Das Tropenaquarium - Thomas Kölpin schleift mich an Clownfischen vorbei, die heute als Nemo bekannt sind, zeigt mir Diskus- und Nierenfische. Und dann: Take 41 Kölpin 42'34 Ja, und als das Highlight im Aquariumbereich haben wir natürlich unser großes Aquarium, unser Hai-Atoll, hier haben wir ein Becken, das 30 Meter lang ist, 6 Meter tief, 7,5 Meter Wasserstand. Und wir stehen jetzt hier vor einer großen Scheibe, einer Acrylscheibe, die 6 Meter hoch ist, vierzehn Meter lang ist, so dass wir einen tollen Einblick zu den Fischen haben. Die Anlage hat 1,8 Mio. Liter Wasser, das ist natürlich eine riesige Menge. In diesem 1,8 Mio. Liter Wasser sind 57 Tonnen Salz gelöst, um sich das einmal vorzustellen, um Salzwasser herzustellen. Das ist natürlich irre. Wir halten hier 4 verschiedene Haiarten, wie halten zwei Riffhaiarten, wir halten zwei eher Bodenbewohner-Haie, wir halten Leopardenhaie und Zebrahaie. Der Zebrahai, der kommt auch gerade angeschwommen, der ganz große ist das ist unser größter Fisch mit über zwei Meter Länge, der größte Fisch in der gesamten Anlage hier. Interessanterweise ist es ein gefleckter Hai. Dass er Zebrahai liegt daran, dass die Babies bei der Geburt gestreift sind und deswegen nennt man die Tiere Zebrahai. Autor: Im Tropenaquarium bei Hagenbeck gibt es übrigens auch Ameisen. Womit wir wieder bei Ringelnatz wären und den Ameisen auf den Weg von Hamburg nach Australien, denen schon bei Altona die Beine weh taten. "Und da verzichteten sie weise, Dann auf den letzten Teil der Reise", lässt Ringelnatz noch mitteilen. Regie: Kennmusik Sp.v.Dienst: Kropfgazellen, Flachlandtapire und Mähnenspringer Hagenbeck im 101. Jahr. Eine Deutschlandrundfahrt mit Thomas Klug Die Gedichte von Bob L. Sack sprach Tim Lang 1