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Und wie selbstverständlich findet in diesem Jahr eine Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Deutschland statt, so dass nicht Wenige einem neuen Fußball-Sommermärchen entgegen fiebern, wie vor fünf Jahren bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer. Doch: Die Geschlechtergleichheit vor dem Ball ist eine relativ junge Errungenschaft weiblicher Emanzipation. evtl. noch mal kurze Forts. O-Töne: Mädchen Sprecher: Während in England und Schottland bereits um 1900 Frauenfußballspiele stattfanden, die vereinzelt 10.000 Zuschauer in die Stadien lockten, standen im Deutschland der Kaiserzeit Leibesübungen oder gar Sport für Frauen und Mädchen generell unter dem Zeichen moralischer Verwerflichkeit. Die männlichen Sittenwächter befürchteten, dass Leibesübungen die weibliche Psyche und Physis vermännlichen, zudem war "mann" besorgt über zuviel "Emancipation" und warnte davor, Zitator: "dass durch Springen oder Beinspreizen die Sexualorgane der Mädchen aus ihrer Lage gebracht werden, dass Turnen einen dicken Hals, breite Hände, kurz Mannweiber zur Folge hat, und dass die Teilnahme an Turn- und Spielfesten Schwächung des weiblichen Züchtigkeitsgefühls und Verminderung der Liebe zum stillen häuslichen Wirken bedeute." Sprecher: Solchen Einstellungen entsprach ein männlich geprägtes Frauenbild, das das Weib als schutzbedüftiges und unselbstständiges, kurz als das schwache Geschlecht definierte, das letztlich dem Mann zu dienen habe. Folglich waren auch die staatsbürgerlichen Rechte für Frauen eingeschränkt - und an Frauenfußball war nicht zu denken. Sprecherin: Erst nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches wurde Frauen in Deutschland ein entscheidendes Maß an Selbstbestimmung zugestanden. Frauen erhielten nun das allgemeine Stimm- und Wahlrecht und drängten in fast alle Sportfelder vor. Indem sie bislang typische Männersportarten wie Handball oder Rudern für sich entdeckten, opponierten sie gegen klassische Geschlechterfestschreibungen. Mit der Institutionalisierung des Frauensports vollzog sich ein fundamentaler gesellschaftlicher Umbruch. Doch trotz staatsrechtlicher Gleichstellung blieben gravierende privatrechtliche Benachteiligungen bestehen, nicht zuletzt im Eherecht - wie die Familienrechtsexpertin Eleonora Kohler-Gehrig von der Verwaltungshochschule in Ludwigsburg hervorhebt: O-Ton: Professorin Dr. Kohler-Gehrig "In der Weimarer Republik galt zuerst einmal die Weimarer Reichsverfassung, die die grundsätzliche Gleichberechtigung von Frauen hinsichtlich ihrer staatsbürgerlichen Position vorsah. Gleichwohl galt damals noch das Eherecht des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1900 fort, das mit nur kleinen Änderungen bis 1957 galt. Und dieses Eherecht von 1900 sah im Bereich Ehe und Familie ne deutliche Einschränkung von Frauen vor. Zum Beispiel der Gehorsamsparagraf. Die Ehefrau musste dem Mann Gehorsam leisten. Bei Meinungsverschiedenheiten entschied allein der Mann. Es kam hinzu, dass der Ehemann das Recht hatte, Arbeitsverhältnisse der Ehefrau fristlos zu kündigen, wenn diese seine ehelichen Belange, seine Interessen, beeinträchtigte. Zum Beispiel wenn ihm die Ehefrau dadurch, so hieß es damals schon, entfremdet wurde." Sprecher: Was die sportlichen Belange angeht, so warnten konservative Mediziner und Sportideologen vor übertriebener Emanzipation auf dem Sportplatz. Frauen müssten durch sportliche Dauerleistungen mit Gesundheitsschäden rechnen, so hieß es, insbesondere könne durch sportbedingte "Erschütterungen" und "intensives Muskeltraining" die weibliche Beckenmuskulatur verkrampfen, was den Geburtsverlauf gefährde. Vor allem Fußball galt als "männlicher Kampfsport" par excellence, und als Mitte der 20er Jahre vereinzelt von Frauenfußballspielen berichtet wurde, wusste sich die Männerwelt quer durch alle weltanschaulichen Lager darin einig, dass die Ausübung des "Kampfsports Fußball" der "Natur des Weibes" widerspricht. Selbst im sozialistischen Arbeiter- Turn- und Sportbund (ATSB) wetterten Funktionäre gegen den Frauenfußball. Im Verbandsorgan "Die Freie Turnerin" lesen wir 1925: Zitator: "Das Fußballspiel ist ein männliches Kampfspiel mit all seinen Begleiterscheinungen. Was für den Mann ein Ausdruck der Kampftüchtigkeit ist, das wird bei der Frau zur lächerlichen "Megärenhaftigkeit", zur "Fratze", zur "Karikatur". Darum fort damit." Sprecherin: Dennoch kam es 1930 in Frankfurt am Main zur Gründung des ersten deutschen Damenfußballclubs, dem 1. DFC Frankfurt. Eine Sensation. Per Zeitungsanzeige suchte die damals 19-jährige Lotte Specht Mitstreiterinnen für den Fußball: O-Ton: Lotte Specht Ich war Metzgerstochter und durfte keinen Beruf lernen. Ich musste im Geschäft helfen bei den Eltern und ich war am Sport so interessiert, und meine Idee, die kam nicht nur aus Liebe zum Fußballsport, sondern vor allen Dingen frauenrechtlerisch, ich hab gesagt, was die Männer können, das können wir auch. Das war mein Grundgedanke, einen Damenfußballclub zu gründen. Sprecherin: Knapp 40 junge Frauen trafen sich von nun an regelmäßig zum Fußballspielen. Trainiert wurde einmal die Woche, wozu die Damen eigens einen Fußballtrainer engagierten. Doch die öffentliche Meinung war fast einheitlich gegen Frauenfußball, und "die Männer" kannten nur Hohn und Spott. O-Ton: Lotte Specht: "Die Zuschauer und die Männer, die haben sogar Steine nach uns geworfen. Und die Zeitungen haben uns durch den Kakao gezogen und geschimpft. Also, es wehte schon der braune Wind 1930. Die deutsche Frau raucht nicht, die deutsche Frau spielt auch kein Fußball usw. Wir haben nur ein Jahr existiert, auch weil die Zeitungen so übel geschrieben haben und manche Eltern den Mädchen das verboten haben." Sprecher: Als der braune Wind tatsächlich wehte, stand die Rolle der Frau ganz im Zeichen einer Sicherung des Fortbestandes des deutschen Volkes. Ihre nationalsozialistische Bestimmung hieß "Muttersein". Frauenfußball lehnten die Nazis ab. Sie befürchteten eine Vermännlichung des Weibes und die Entwicklung eines schmalhüftigen, weniger gebärfreudigen Frauentyps. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zwar bei der Gründung der Bundesrepublik 1949 die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau im Grundgesetz festgeschrieben... O-Ton: Professorin Dr. Kohler-Gehrig "...nur: 1949 gab es sehr viel entgegenstehendes Recht. Das war bereits in der Verfassung angedacht, dass bis 1953 entgegenstehendes Recht in Kraft bleiben konnte. Der Gesetzgeber war also aufgefordert, ab 1953 für die Gleichbehandlung zu sorgen. Dem kam er 1953 nicht nach. Erst 1957, also nach zwei Legislaturperioden, erging dann das Gleichberechtigungsgesetz. Es galten noch die Ehebestimmungen mit dem Gehorsamsparagrafen, mit der Vermögensverwaltung des Ehemannes am Vermögen der Ehefrau. Die Frau war die Gehilfin des Mannes, so war das Leitbild des Gesetzes." Sprecher: Kein Wunder, dass im angehenden Wirtschaftswunderland das patriarchalische Denken in geschlechtsspezifischen Bahnen immer noch Sport und Gesellschaft dominierte. Aber als 1954 den bundesdeutschen Kickern das "Wunder von Bern" gelang, fachte das auch bei vielen jungen Frauen die Fußballbegeisterung an - sie wollten selber spielen, regelmäßig, auf Plätzen, in Vereinen. Atmo: vom Fußballplatz Sprecherin: Bereits Mitte 1955 gründeten sich erste Damenfußball-Clubs wie Gruga Essen oder Fortuna Dortmund, die regelmäßig trainierten und - nicht selten gegen holländische Mannschaften - auch spielten. Mal waren es tausend, mal 3.000 oder gar 10.000 Zuschauer, die der Damenfußball anlockte. Der Deutsche Fußball-Bund jedoch winkte ab. Zitator: "Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen. Das ist keine Sache für den DFB," Sprecher: erklärte DFB-Präsident Dr. Peco Bauwens kategorisch und die Herren Funktionäre stellten fest: Zitator: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand." Sprecher: Auf seinem Bundestag am 31.Juli 1955 in Berlin beschloss der DFB schließlich - Zitator: aus "ästhetischen Gründen und grundsätzlichen Erwägungen" Sprecher: und unter Androhung von Strafe bei Zuwiderhandlung Zitator: "unseren Vereinen nicht zu gestatten, Damenfußball-Abteilungen zu gründen oder Damenfußball-Abteilungen bei sich aufzunehmen, unseren Vereinen zu verbieten, soweit sie im Besitz eigener Plätze sind, diese für Damenfußballspiele zur Verfügung zu stellen, unseren "Schieds- und Linienrichtern zu untersagen, Damenfußballspiele zu leiten." Sprecher: Dr. Hubert Claessen, langjähriges DFB-Vorstandsmitglied, war im Juli 1955 als Delegierter in Berlin dabei und beschreibt den männerbündlerisch-konservativen "Korps-Geist" der Delegierten und ihr "ästhetisches Empfinden": O-Ton: Dr. Hubert Claessen "Dat war ja für die schon ne schwere Sünde, nicht wahr, dass die Mädchen da mit nem wackeligen Busen übers Feld liefen und dann auch noch gegen den Ball traten, das waren ja alles Vorstellungen für die alten Herren, die sagten, das ist unmöglich. Man wollte einfach noch keine Damenabteilungen und keine Damenwettbewerbe, weil man sagte, das ist kein Sport, der sich für Frauen eignet, weil eine Frau weder physisch noch psychisch für einen solchen Kampfsport geeignet ist." O-Ton: Christa Kleinhans "Das war diskriminierend für uns gewesen. Und beschämend für den DFB. Das war wohl ein Zeichen der Zeit, dass die Frauen einfach auf dem Fußballplatz nichts zu suchen hatten." Sprecherin: Christa Kleinhans spielte zu dieser Zeit bei Fortuna Dortmund und empört sich noch heute über die frauenfeindliche Haltung der DFB-Herren. O-Ton: Christa Kleinhans "Ich kann mich natürlich an die Quereleien und die Quälereien, kann man schon sagen, vom DFB kann ich mich gut erinnern. Das war dermaßen schäbig, gemein, wie man uns behandelt hat. Also, das ist zwar schon jetzt 50 Jahre her, aber so was bleibt einem dann in Erinnerungen, in Erinnerung, ja". Sprecherin: Zu den Spielen kamen vorwiegend männliche Zuschauer. Anfangs allerdings mussten sich die weiblichen Fußballpioniere wie Erika Flügge und Helga Nell von Rhenania Essen oder Waltraud Christian von Fortuna Dortmund einiges gefallen lassen. O-Ton: Erika Flügge "Da kamen wirklich Kommentare. Also, da möchte ich heute gar nicht mehr dran denken. Die blöden Weiber, die sollen lieber am Kochtopf bleiben! Und dann sagte der nächste: Guck mal, dat sind doch alles Mannweiber!" O-Ton: Helga Nell "Alles war ja neugierig, Damenfußball und so, ja, und dann musste man schon mal sich die Backe abputzen, wurd man angespuckt, waren immer so n paar Quertreiber." O-Ton: Waltraud Christian "Mein erstes Spiel, das war natürlich ein großes Gelächter, ja das hab ich jetz noch in den Ohren, als wir aufliefen, wie dort gelacht wurde. Guckse dir mal an wie se aussehen und dann auch vonne Figur her, also das war grausam." Sprecherin: Doch die fußballbegeisterten Frauen lassen sich das Kicken nicht verbieten. Weitere Teams wie Kickers Oberhausen, Grün-Weiß Dortmund, der 1. DFV Nürnberg oder der DFC München trotzen dem DFB-Verbot und spielen weiter - auf kommunalen Plätzen. 1956 wird sogar ein eigener Dachverband gegründet, der "Westdeutsche Damen-Fußball-Verband e.V." Und am 23.September 1956 findet in Essen vor 18.000 Zuschauern das erste Länderspiel einer deutschen Damen-Fußballelf statt: Deutschland schlägt Holland mit 2:1. Regie: kurze Fußball-Atmo einblenden Sprecherin: Die Kommentare und Spielberichte der männlich besetzten Wochenschau- und Sportredaktionen sind in der Folgezeit größtenteils positiv und bescheinigen den Fußballfrauen durchaus ein "ästhetisches Spiel" mit Toren, die für Begeisterung sorgen. Beim Länderspiel der deutschen Frauen gegen England, das im Juli 1957 in Stuttgart vor 11.000 Zuschauern 1:1 endet, schlägt der UFA-Wochenschau- Kommentator allerdings einen anderen, den altvertrauten Ton an: O-Ton: UFA-Wochenschau am 31.7.1957: "Bert Trautmann gab den Anstoß und das Stuttgarter Neckarstadion wurde zum Tummelplatz von 22 Fußballbräuten. Deutschland gegen England hieß der neueste Schlager im unaufhaltsamen Ausverkauf holder Weiblichkeit. Englands Damenelf besann sich von Anfang an auf eine ruhmreiche Fußballtradition und ging mit 1:0 in Führung. Unermüdlich drängten sich die Insel-Damen im gegnerischen Strafraum, aber angestachelt durch echte Hausfraueninstinkte hielten die deutschen ihr Nest jetzt sauber." Sprecher: Der DFB lässt in seinem Kampf gegen den Damenfußball nichts unversucht. Frauenfußball-Länderspiele in kommunalen Stadien sind den Funktionären ein Dorn im Auge. Die DFB-Oberen versuchen 1957 sogar den Städtetag zu einem kommunalen Platzverbot für Frauenfußball Spiele zu drängen. Mit Hinweis auf die verfassungsrechtlich verankerte Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau erteilt die Vertretung der Kommunen dem Fußballverband jedoch eine Abfuhr. Sprecherin: Trotz aller Widerstände lassen sich die Frauen nicht unterkriegen. Bis 1965 werden über 150 Frauenfußballländerspiele abseits vom DFB ausgetragen, vor allem im süddeutschen Raum. Ende der 1960er Jahre spielen nach Schätzungen etwa 60.000 Mädchen und Frauen in Deutschland Fußball. Auftrieb erhalten die Kickerinnen durch die "neue Frauenbewegung", die sich im Zuge der Studentenbewegung etabliert. "Mehr Demokratie wagen" ist das Motto dieser Zeit. Es kommt zu einer Politisierung aller gesellschaftlichen Bereiche, auch der Ehe, des Privaten und des Sports. O-Ton: Professorin Dr. Kohler-Gehrig Die Frauen der Studentenbewegung artikulierten erstmals deutlich, dass auch das Familienleben zur Politik beiträgt. Und dieser Gedanke wurde von der neuen Frauenbewegung fort getragen ins neue Scheidungsrecht hinein, auch in arbeitsrechtliche Gestaltungen hinein. Hier ging es vor allem darum, dass Frauen der freie Zugang zu Berufen, zu Ausbildungen eröffnet werden sollte." O-Ton: Bärbel Wohlleben Sportarten, die vorher wirklich ihren Dornröschenschlaf hatten, was Frauensport anging, das war wie eine Explosion. Es war der Gedanke, wir nehmen uns jetzt die Freiheit raus, wir wollen unsere Sportart betreiben, und deswegen ist das in vielen Sportbereichen ein Boom geworden und hat sich auch recht gut etabliert. Sprecherin: Wie zahlreiche andere sportbegeisterte Frauen wechselt auch die langjährige Handballerin Bärbel Wohlleben zum Fußball und spielt ab 1969 in der frisch gegründeten Frauenfußballabteilung der TuS Wörrstadt. Und wird 1974 von der ARD-Sportschau als erste Frau mit dem "Tor des Monats" ausgezeichnet. Überall in der Bundesrepublik gründen sich neue Frauenfußball-Teams. Sprecher: Aber erst als die Kickerinnen einen eigenständigen Verband gründen wollen, beugt sich die Herrenriege des DFB und hebt am 31. Oktober 1970 das Verbot auf. Immer noch müssen sich die Fußballerinnen von den Zuschauern Häme und Anzüglichkeiten anhören, wie sich Monika Staab, ehemalige Spielerin der SG Praunheim und des 1.FFC Frankfurt erinnert. O-Ton: Monika Staab Zuschauer waren am Anfang da, die waren natürlich sehr neugierig, aber es ging da eher darum, die großen Brüste zu sehen, wie die dann über den Sportplatz hievten und mehr die Belustigung, können wir mit euch duschen gehen, Trikot tauschen und all diese Sprüche. Sprecher: Zwar hat der DFB sein Spielverbot aufgehoben, im Gegenzug verpasst er aber seinen Fußballfrauen Sonderregeln. Regeln, die für Monika Koch-Emsermann, damals Spielerin beim FSV Frankfurt, geradezu als Hindernis empfunden wurden. O-Ton: Monika Koch-Emsermann Wir haben am Anfang mit dem Jugendball spielen müssen, und dann durften wir nicht mit Stollenschuhen spielen, das waren eigentlich alles Regeln, die uns mehr behindert als gefördert haben. Dann war da eine riesengroße Diskussion um einen Brustpanzer, wobei sich das nur Männer ausdenken können. Das männliche Geschlechtsteil ist viel empfindlicher als die weibliche Brust, sonst käme keiner auf den Gedanken, die Männer bei der Bundesliga mit einem Unterleibspanzer ins Rennen zu schicken. Sprecher: Doch nicht nur auf dem Platz, auch am Spielfeldrand haben es die Frauen schwer. Zumal wenn sie als Trainerin arbeiten wollen. So wie Hanna Kuplent, die bereits in der 50er Jahren beim DFC München kickt und Ende der 1970er Jahre das Training ihres Sohnes leiten möchte . O-Ton Hanna Kuplent Und ich war in einem Verein, in dem die Frauen nicht Mitglied werden durften. Das war die freie Turnerschaft München-Gern, die gibt es immer noch. Der Vorstand sagte, wird sind ein Männerverein, da kommen Frauen nicht in Frage. Aber niemand wollte, dass ich aufhör, auch die Jugendlichen nicht. Die Jugendleitung, der Jugendleiter, die wollten dass ich da bleib. Ich habe mich dann privat versichert, weil es über den Verein nicht möglich war. Und erst als der Vorstand abgewählt wurde und wir nen neuen hatten, konnte ich als Mitglied werden in dem Verein. Sprecherin: Die erste Deutsche Frauenfußball-Meisterschaft müssen die Vereine dem DFB gewissermaßen abringen, denn der Verband tut lange Zeit so gut wie gar nichts, um den Frauenfußball voranzubringen. Am 8. September 1974 stehen sich im Meisterschaftsfinale in Mainz TuS Wörrstadt und die DJK Eintracht aus Erle, einem Stadtteil von Gelsenkirchen, gegenüber. 4:0 gewinnen die Wörrstädterinnen vor 4.000 Zuschauern. O-Ton-Atmo: Reportage Finale 1. Deutsche Meisterschaft Jetzt also haben sie es geschafft, auch auf dem Rasen hat das angeblich schwache Geschlecht endlich seinen Meister: TuS Wörrstadt. Fackelzug und 30-Mann-Kapelle waren im Heimatort bestellt, längst bevor der Endspielschlusspfiff ertönte.... (Blende) Sprecher: Obwohl der DFB 1974 bereits über 160.000 weibliche Mitglieder zählt, lässt eine wirkliche Förderung des Frauenfußballs weiter auf sich warten. Als die spätere Nationalspielerin Anne Trabant in der Saison 1975 versucht, als B-Lizenz-Inhaberin einen A-Lizenz-Lehrgang zu besuchen, darf sie noch nicht mal als Gasthörerin an diesem DFB-Trainerlehrgang teilnehmen. Immerhin erhalten die Fußballerinnen 1977 mit der Hamburgerin Hannelore Ratzeburg eine offizielle Vertreterin im Spielausschuss des Verbandes. Sprecherin: Erst 12 Jahre später, 1989, gelingt dem deutschen Frauenfußball mit dem Gewinn der Europameisterschaft im eigenen Land der entscheidende Durchbruch. Vor 22.500 Zuschauern im ausverkauften Stadion an der Bremer Brücke in Osnabrück schlägt die deutsche Elf die favorisierten Norwegerinnen mit 4:1 und holt zur Überraschung aller ihren ersten internationalen Titel. Atmo: Stadion (Trommel, "Deutschland"-Rufe) Sprecher: Die Titel-Prämie der DFB-Herren: ein 40teiliges Tafel- und Kaffeservice, und das auch noch zweite Wahl. Ein Fall für ein historisches Kuriositätenkabinett. Sprecherin: Dennoch: die Europameisterschaft 1989 markiert eine Wende im Deutschen Frauenfußball, wie auch Hannelore Ratzeburg, heute Mitglied im DFB-Präsidium, betont: O-Ton: Ratzeburg Da waren die Ängste von Mama und Papa, Oma und Opa ein bisschen abgebaut, dass das nichts für Frauen ist und für Mädchen, und diese Vorurteile sind doch ziemlich zurückgegangen. `89 war einfach wirklich, und das wird es immer bleiben, also für die, die das miterlebt haben im Frauenbereich, wird es immer das tollste Erlebnis sein, es war wirklich ein Durchbruch. Sprecherin: Im Deutschen Fußball-Bund erkennt man nun die Zeichen der Zeit und es beginnt eine grundlegende Förderung des weiblichen Kicks. So wird eine Professionalisierung angestrebt. 1990 startet eine Bundesliga mit einer Nord- und einer Südgruppe, in denen jeweils zehn Teams spielen. 1997 entsteht daraus eine eingleisige Elitespielklasse mit zwölf Bundesliga-Clubs. Sprecher: Dennoch ist die "Fußballgleichberechtigung" in den Vereinen noch lange alles andere als selbstverständlich. Ende der 90er Jahre etablieren sich zahlreiche reine Frauenfußball-Clubs, wie zum Beispiel Heike Rheine oder der FCR Duisburg 2001. Grund dafür ist die Ignoranz der Männer - oder ein geradezu bösartiges Konkurrenzverhalten. 1998 gründen die Spielerinnen der SG Praunheim um Manager Siegfried Dietrich und Monika Staab den 1. Frauenfußball-Club Frankfurt, der inzwischen national und international zum Vorzeigeclub avanciert ist. . O-Ton: Monika Staab Wir haben damals bei der SG Praunheim einen kleinen Verein gehabt, die Männer waren auch nicht gar so hoch spielend, und wir hatten große Probleme, die Akzeptanz innerhalb des Vereines überhaupt für das zu kämpfen, Trainingszeiten überhaupt zu haben, Bälle zu haben, also viele, viele Probleme, die man bewältigen musste, und wir waren immer das fünfte Rad am Wagen, es gab keinen gescheiten Trainer, weil es finanziell gar nicht möglich war, es war immer so: diese Frauen, ja wir müssen sie dulden, und das war eigentlich über Jahre hinweg immer das Problem. / und wir wollten ja eigentlich nur eins, Fußball spielen. O-Ton: Professorin Dr. Kohler-Gehrig "Im Selbstbewusstsein der Frau hat sich in den 90er Jahren sehr viel geändert. Gerade bei meinen Studentinnen hier sehe ich, dass sie an viele Sachen viel selbstverständlicher rangehen. Es ist ein Beitrag der Emanzipation, es dient der Vorbildfunktion von Frauen. Diese Vorbildfunktion fehlt heute noch in vielen Bereichen, in die bislang Frauen nicht vorgedrungen sind oder nur selten anzutreffen sind, so war das im Fußball. Und sie haben sogar Erfolg dabei." Atmo-O-Ton Rep.: Golden Goal WM 2003 Freistoß Lingor noch mal, wieder Künzer, jaaaa - Deutschland ist Weltmeister Sprecherin: Mit dem Golden Goal im Finale gegen Schweden verhilft Nia Künzer am 12. Oktober 2003 der deutschen Elf zum 2:1-Sieg und damit zum ersten Weltmeisterschaftstitel. Über 10 Millionen Zuschauer sehen das Finale an den Bildschirmen. Die Elf erhält für ihren Erfolg den Bambi-Fernsehpreis, wird bei der Sportlerwahl "Mannschaft des Jahres", und der DFB spendiert für jede Weltmeisterin 15.000 Euro Prämie. Vier Jahre später verteidigen die deutschen Spielerinnen ihren Titel erfolgreich - und das ohne Gegentor. Der deutsche Frauenfußball setzt internationale Maßstäbe. Und das nicht nur auf dem Platz. Hannelore Ratzeburg. O-Ton: Hannelore Ratzeburg Wir sind jetzt doch n Vorbild für ganz viele Nationen auf der Welt. Wir haben ganz viele Anfragen von Nationalverbänden: Wie habt ihr eure Strukturen aufgebaut, wie habt ihr eure Spielsystem aufgebaut, wie habt ihr Talentförderung aufgebaut. Wie kann das angehen, dass ihr in den internationalen Wettbewerben jetzt U17, U19 wie kann das sein, dass ihr da überall erfolgreich seid? Sprecher: Der Verband hat das weibliche Fußball-Potential erkannt und unterstützt Mädchen- und Frauenfußball mit groß angelegten gut durchdachten Förderprogrammen. Mittlerweile gibt es vier Fußball-Eliteschulen in Deutschland: in Bad Neuenahr, Kamen-Kaiserau, Saarbrücken und Potsdam. Dort kümmert man sich ausschließlich um die Fußball- und Ausbildungsbelange der Mädchen, hier können sie ihr Abitur machen, erhalten Unterstützung bei der Lehrstellen- oder Studienplatzsuche. O-Ton: Dr. Theo Zwanziger "Der DFB hat inzwischen, glaube ich, die notwendige Aufgeschlossenheit für den Frauenfußball entwickelt. Ich werd das auch fortsetzen. Wir müssen jetzt daran denken, dass unsere Strukturen ein Stück aus der sehr starken immer noch Männer- und Junioren bezogenen Fußballbetrachtung herauskommt und sich öffnen, die Bereitschaft erklären, Mädchen nicht nur bei den Bambini, sondern möglichst auch nachher, wenn sie in ältere Altersklassen kommen, weiter zu betreuen." Sprecher: DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger ist auch Kopf der Kampagne "Team 2011 - Mädchenfußball und Integration" im Vorfeld der diesjährigen Weltmeisterschaft. Ziel ist eine enge Zusammenarbeit von Schulen und Vereinen. Aktionstage, Fußballturniere und Fortbildungsmaßnahmen stehen auf dem Programm. Insbesondere jungen Migrantinnen fühlen sich von dieser Kampagne angesprochen. Im Frühjahr 2011 sind bereits über 10.000 Vereine daran beteiligt und über 6.500 Schulen. Die Vereine zählen rund 1.500 neue Mädchenteams, die Schulen fast ebenso viele neue Mädchenfußball-AGs. Sprecherin: Mittlerweile tanzen Männer sogar nach der Pfeife des vermeintlich schwachen Geschlechts - zumindest gelegentlich. Unter den knapp 80.000 DFB-Schiedsrichtern befinden sich rund 2.700 Schiedsrichterinnen, die auch Spiele der Jungen und im Amateurbereich der Männer leiten. In den Profibereich hat es aber bislang einzig Bibiana Steinhaus geschafft, als Spielleiterin allerdings nur bis in die Zweite Bundesliga. Als sie in der Ersten Bundesliga in dieser Saison beim Spiel HSV gegen Eintracht Frankfurt als Schiedsrichter-Assistentin eingesetzt wird, um am Spielfeldrand für Ruhe zu sorgen und organisatorische Dinge zu überwachen, ist das zumindest sprachtechnisch ungewohnt für die Herren der Eliteliga, die Bibiana Steinhaus glatt vermännlichen und im Spielberichtsbogen als "Vierten Mann" aufführen. Sprecher: Das geschlechterübergreifende Zusammenspiel auf dem Platz, am Spielfeldrand und in den Vereinsgremien ist nicht immer unproblematisch. An der Basis, in den vielen kleinen Vereinen, sind Mädchen und Frauen auch heute noch oft nur das fünfte Rad am Wagen und werden bei den Trainingszeiten und mit der Ausrüstung weiterhin benachteiligt. Hier gibt es immer noch zahlreiche männliche Ressentiments, die die Entwicklung des Frauenfußballs hemmen. O-Ton: Mädchen Wenn wir in de Klasse Fußball spielen, ist man als Mädchen im letzte Wahl. Ich bin eigentlich mit Fußball groß geworden. Sprecherin: Dennoch: Die Zeiten haben sich geändert, die Gleichheit vor dem Ball ist trotz vorhandener Hindernisse gesellschaftlich festgeschrieben. Mädchen- und Frauenfußball boomt und gehört heute ganz selbstverständlich zu unserer Sport- und Alltagskultur. O-Ton: Mädchen Also ich finde, wir haben denen schon gezeigt, dass auch Mädchen Fußball spielen können. O-Ton Ansage Soccer Ladies of the World: welcome to Germany 2011! Ende 1