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Atmo Windrad: Stufen hoch Sprecher 1 Das alles im schummrigen, blassen Licht von Baustellenlampen. Und soviel Platz wie in einer Besenkammer. Die bei starkem Wind bis zu einem Meter in alle Richtungen schwankt. Atmo Windrad: Stufen hoch, Luke geht auf Ton 2 (Axel Rahmlow) "Kurz Luft holen hier für alle Beteiligten, außer ... Gott, oh Gott, oh Gott." Atmo Windrad: innen Sprecher 2 234 Leitersprossen immer senkrecht nach oben. 15 Minuten bis zur Gondel. Dort angekommen, zuckt jeder Muskel, die Beine sind schwer. Schwankt gerade eigentlich das Windrad? Oder doch ich? Es ist das Windrad. Und es dauert eine Minute bis meine Augen sich wieder auf einen festen Punkt konzentrieren können. Sprecher 1 Marius Pötting dagegen atmet so ruhig als hätte er gerade einen Waldspaziergang hinter sich. Pötting ist oft hier oben. Es ist ja auch sein Windrad. Und er hat es aus Überzeugung gebaut. Ton 3 (Marius Pötting) "Also ich denke wir brauchen einen gesunden Energiemix aus verschiedenen regenerativen Energien. Mein Vater hatte vor 12 Jahren als erster hier eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Da wurde er als Spinner ausgelacht. Heute lacht da eigentlich niemand mehr. Wir waren eigentlich schon immer ein bisschen Vorreiter in diesen Dingen. Deshalb liegt es nahe auch beim eigenen Betrieb die Energieversorgung auf möglichst viele Beine zu stellen und da gehört die Windkraft auf jeden Fall auch dazu." Sprecher 1 Der 35 Jahre alte Bauer hat den oberen Teil seines grünen Overalls in der Taille zusammen geknotet, ein paar einzelne Heuhalme fallen dabei heraus. Das Leben zwischen Stall und Gondel hat sich Pötting bewusst ausgesucht. Seit 800 Jahren lebt seine Familie im Paderborner Land, er will den Hof zukunftsfähig machen, daher auch das Windrad. Ton 4 (Marius Pötting) "Zum einen ist es eine Investitionsmöglichkeit für unseren Betrieb. Und zum anderen aus unserem ökologischen Engagement heraus, wirklich erst mal energieautark zu sein aber auch gleichzeitig so viel wie möglich saubere Energie zu produzieren." Sprecher 2 500 Haushalte soll das Windrad versorgen. 1,5 Millionen Euro hat Pötting dafür mit Bekannten investiert. Und nebenbei die beste, wenn auch windigste Aussichtsplattform der Gegend gebaut. Atmo Windrad: Luke nach draußen geht auf (Teil von Ton 5), er tritt nach oben Ton 5 (Marius Pötting) "So jetzt ist die Klappe auf, die Sonne scheint." Atmo Windrad: Auf der Spitze (ans Ende von Ton 5 legen) Sprecher 2 Von hier ganz oben kann er bis zum Paderborner Dom sehen. Ton 6 (Marius Pötting) "Es ist immer sehr unterschiedlichAbends zum Beispiel, wenn es dunkel ist und man dann die Lichter der einzelnen Städte sieht, die um einen herum sind und die Straßenzüge und so, das ist schon ziemlich beeindruckend. Und das ist die Belohnung für den manchmal doch recht anstrengenden Aufstieg." Atmo Windrad: Hof der Pöttings Sprecher 2 Es ist anstrengend. Ein weiter, steiler Weg bis zum Ziel. Und ohne ein bisschen Mut geht es auch nicht. Das stimmt für das Klettern im Windrad. Aber genauso auch für die Energiewende, die sich Deutschland vor einem Jahr verordnet hat. Und für unsere Reise an die Orte, an denen sie stattfindet. Durch das Umsteigerland. Sprecher 1 Zu Umsteigern wie den Pöttings mit "Atomkraft? Nein, danke"- Sticker auf dem Kinderwagen und einer Flagge über dem Eingang zum Pferdestall. Zu Umsteigern, die uns, sechs Reportern von Deutschlandradio Kultur, berichten, wie sie die Energiewende erleben, weg von der Atomkraft, hin zu mehr Erneuerbaren. Und - mindestens genauso wichtig - die uns auf unserer Reise quer durch Deutschland mit dem nötigen Strom versorgen. Szene 2 Atmo Elektroauto: startet (Piepen) (ist an Ton 7 dran) Ton 7 (Team Süd) "Das heißt er ist an. / Und so leise. Fährt der?" Atmo E-Auto: fährt Sprecher 2 Denn unterwegs sind wir in zwei Elektroautos: Team Nord von Berlin aus Richtung NRW, Team Süd auf dem Weg nach Bayern. Das schont die Umwelt, auch wenn das Auto i-MiEV heißt. Und macht das Reisen langsamer. Rund 120 Kilometer sind mit einer Tankladung Strom drin. Doch je schneller wir fahren, desto weniger Kilometer schaffen wir. Das heißt für lange Strecken: Kutschentempo. Hat aber auch Vorteile, findet Team Nord. Ton 8 (Team Nord) "Man sieht das auch ganz anders, wenn man so langsam hier lang fährt. Man hat so das Gefühl, wenn man 100 Kilometer am Tag schafft, dann hat man eine richtige Reise gemacht. Da ist man richtig vorangekommen. Und du hast ein ganz anderes Bild von deiner Umgebung als wenn du jetzt mit 110 über die Landstrasse rasen würdest." Sprecher 2 Team Süd dagegen muss feststellen. Spät nachts ist das alles zweitrangig. Ton 9 (Team Süd) Sina: "Thielko, wie schnell fährst du gerade? - Thielko: "35 Kilometer pro Stunde" Sina: Und warum so langsam? Ich glaube, es ist weit nach Mitternacht, und wir sind ziemlich müde. - Thielko: In meinem Cockpit blinken zwei Dinge: Das eine ist der letzte Ladebalken, den wir noch haben und das andere ist die Tankanzeige an sich, also es blinkt mich ziemlich kirre an." Sprecher 2 Eine gelbe Schildkröte blinkt da im Display. Sie wird uns noch oft auf unserer Reise begegnen. Sprecher 1 Um zwei Uhr nachts erreicht Team Süd dann doch das Tagesziel, Cottbus. Viel Zeit zum Erholen ist aber nicht. Denn schon morgens um acht sind wir verabredet. In einem Dorf, das zu verschwinden droht. Wegen der Energiewende. Szene 3 Atmo Tagebau: Bagger Sprecher 2 Dicke Dampfwolken hängen über den Kühltürmen. Davor: riesige Schauffelbagger in einem Braunkohlefeld. Der Tagebau Jänschwalde bei Cottbus. Der Energiekonzern Vattenfall fördert hier täglich 60.000 Tonnen Kohle. Seit dem Beschluss zum Atomausstieg ist die Nachfrage gestiegen. Sprecher 1 Das Unternehmen will deswegen ab 2025 noch weiter graben. Die angrenzende Gemeinde Schenkendöbern ist dagegen, drei Dörfer würden bei einer Genehmigung von der Landkarte verschwinden. Einfach so. Ton 10 (Andreas Stahlberg) "Für die Leute ist das eine sehr starke psychische Belastung. Weil sie wissen, der Bagger rückt näher, der rückt näher in unseren Ort. Und das ist dann nicht einfach nur störender Lärm, sondern es ist etwas, was einem in der Seele irgendwo brennt." Atmo Tagebau: Tagebau 3 Sprecher 2 Andreas Stahlberg ist Mitarbeiter der Gemeinde und zuständig für Fragen rund um den Tagebau. Der 45jährige steht wenige Meter von der Abbruchkante entfernt, vor ihm haben die Bagger eine kilometerlange Furche in die Erde geschlagen. In der Ferne sind Kiefernwälder und kleine Dörfer zu erkennen, noch. Ton 11 (Andreas Stahlberg) "Wir waren erstmal schockiert, weil wir dachten, jetzt ist das Revival der Braunkohle da. Wir haben dann verschiedene Studien zur Energiewende gelesen. Wir sind mittlerweile überzeugt, dass wir weder Kohle- noch Atomkraftwerke brauchen." Atmo Tagebau: Tagebau 2 Sprecher 1 Deshalb macht es für Stahlberg keinen Sinn durch mehr Kohle den Atomausstieg abzusichern. Braunkohle als Brücke, ja. Darüber sind sich die Anwohner mit Betreiber Vattenfall und der rot-roten Landesregierung von Brandenburg einig. Nicht aber darüber, wie lang diese Brücke sein soll. Also setzen die Einwohner von Schenkendöbern Zeichen gegen die ausgedehnten Abbaupläne - mit Protestplakaten und Solardächern. Die Gemeinde, sagt Stahlberg, will notfalls gegen die Pläne klagen. Sprecher 2 Vattenfall hingegen beruft sich auf die langfristige Energiestrategie des Landes Brandenburg: Die besagt, dass es sinnvoll sei an den Plänen zum weiteren Abbau festzuhalten. Um auf die Kohlevorräte zugreifen zu können, falls die Energiewende nicht vorankommt. Atmo Tagebau: Groß Gastrose Sprecher 1 10 Kilometer südlich, direkt an der Grenze zu Polen, liegt der Ort Groß Gastrose. Sollte der neue Tagebau kommen, könnte er zwar stehenbleiben. Die Bagger kämen aber bis auf 200 Meter an den Ort heran. Ortsvorsteher Wilfried Buder will trotzdem bleiben. In blauer Arbeitshose steht er auf seinem Hof, verputzt sein Haus neu. Ton 12 (Wilfried Buder) "Es ist für uns schon die Ankündigung eine Katastrophe. Die Grundstückspreise sind im Keller. Alles was man sich geschaffen an Häusern und so weiter ist nicht mehr das wert, was es vorher mal hatte. Soziale Spannungen im Dorf, 400 verschiedene Leute, 400 Meinungen. Der soziale Friede hier in Groß Gastrose, der mal gut war, der ist getrübt." Sprecher 2 Hoffnung macht dem Brandenburger, dass sich die Politik nicht einigen kann auf ein Gesetz über die sogenannte CCS-Technik. Dabei wird CO2 aus den Kraftwerken unter die Erde gepresst und dort gespeichert. Es ist aber umstritten, ob das sicher funktioniert. Und Vattenfall will nur investieren, wenn es eine rechtliche Grundlage gibt. Sprecher 1 Kein Gesetz, kein Kraftwerk. Kein Kraftwerk, kein Tagebau. So die Rechnung von Wilfried Buder. Erst 2015 soll eine Entscheidung über den weiteren Kohleabbau fallen. Aus seiner Sicht eine unnötige Hängepartie. Szene 4 Atmo E-Auto: Ladekabel reinstecken Sprecher 2 Mit manchen Hängern haben auch wir zwei Teams auf unserer Reise mit den Elektroautos zu kämpfen. Ton 13 (Team Nord) "So. Also. Was piept denn hier so? Das ist die Säule." Atmo E-Auto: Parkhaus Sprecher 1 Für eine Tankladung Strom müssen wir drei Stunden lang an speziellen Ladesäulen tanken. Drei Stunden tanken! 1500 Säulen gibt es in Deutschland. Wo, kriegen wir während der Fahrt raus. Wenn das Handy - irgendwo in der Pampa - Netz hat. Sprecher 2 An vielen Säulen ist das Aufladen kostenlos, aber es ist nicht immer Ökostrom. Und nicht jede eingetragene Anlage existiert auch wirklich. Leider stellen wir das immer erst vor Ort fest, wenn wir fast keinen Saft mehr haben. Oder aber die Tanksäulen sind von anderen Autos zugeparkt. Oder funktionieren ganz einfach nicht. Ton 14 (Team Nord und Süd) "Also im Display kann man lesen: "Betriebsbereit. AL. Wieder Punkt. Großes L, Punkt. Großes G. Freizeichen. U. Was so viel wie gar nichts heißt. // Gleich explodiert die Tanksäule. // ((Vielleicht zieht die sich jetzt Strom aus unserem Auto um zu funktionieren. // Eine Vampirsteckdose.)) // Also die Anzeige im Armaturenbrett verrät uns, dass er nicht lädt. // Jetzt mach doch mal was hier!" Sprecher 2 Wir lachen viel. Das Lachen der Verzweifelten. Wir verlieren Zeit. Und Nerven. Vor allem wenn ein anderes Auto Team Süd auf einem Parkplatz das Ladekabel zerfährt. Dann geht erstmal nichts. Atmo: Elektriker (alle Elektiker-Atmos sind in der Datei) Sprecher 1 Zum Glück gibt es Hilfe, von einem Elektriker im sächsischen Großenhain. Auch am Sonntag. Ton 16 (Elektriker) "So, was machen wir jetzte? Soll ich mal aufschrauben?" Atmo: Akkuschrauber Ton 17 (Elektriker) "Also, hier und hier ist irgendwas kaputt. Der Blaue fehlt hier." Sprecher 1 Am Ende ist das Kabel wieder zusammen geflickt. Ton 18 (Team Süd) "Yes." / "Ja." / "Es geht wieder." / "Es blinkt." / "Es geht, es geht, es geht." / "Oh wie geil." / "Ist das gut." Ton 19 (Elektriker) "Mach noch mal ein Foto für'n nächsten Elektriker. Das ist dann einfacher." Sprecher 1 Es kann doch weitergehen, mal wieder schaffen wir es in letzter Sekunde zum nächsten Stopp. Szene 4 Atmo Trasse: Arbeit auf Mast Ton 20 (Dirk Wöhl) "Muskelarbeit. Das ist ein sehr anstrengender Job, da oben." Sprecher 2 Und zwar auf bis zu 70 Metern Höhe. Die Arbeiter klettern auf den Strommasten herum wie Bergsteiger. Sie verlegen Kabel, schrauben, hämmern. Von unten beobachtet sie Dirk Wöhl, technischer Leiter der Anlage. Ton 21 (Dirk Wöhl) "Der Kollege hat halt Nacharbeiten zu leisten, der Mast wurde letzte Woche gestellt, er wechselt Schrauben aus, zieht Schrauben nach, damit der Mast am Ende auch sicher steht und wir auch eine 100-prozentige Qualität bekommen." Sprecher 2 Es ist ein Mammutprojekt, das Netzbetreiber wie Amprion in ganz Deutschland umsetzen, auch hier an einem Hang in der Stadt Ibbenbüren bei Osnabrück: Der Aus- und Neubau der Stromtrassen. Atmo Trasse: Arbeiter / Walkie Talkie Sprecher 1 Von morgens um sieben bis in den Nachmittag sind die Männer auf dem Stahlkoloss. 130 Tonnen schwer - durch ein massives Fundament aus Beton und Erde im Boden verankert. Atmo Trasse: Kabeltrommel Sprecher 1 20 Meter entfernt stehen mannshohe Kabeltrommeln. In einigem Sicherheitsabstand davon Andreas Preuß, Referent für Energiepolitik bei Amprion. Ton 22 "Die Ziele sind sportlich, das ist klar, und es dürfen auch keine großen Verzögerungen eintreten beim Leitungsbau, dann schaffen wir's nicht. Aber auf den meisten Projekten sind wir derzeit noch gerade im Plan." Sprecher 1 Die Augen von Andreas Preuß wandern dem neuen Stromkabel hinterher, das Arbeiter über eine Spule nach oben auf den Mast schicken, wo es gespannt wird.)) Ton 23 "Das Netz war früher nicht dafür ausgebaut, den Strom über so weite Wege zu transportieren. Man hat Kraftwerke in der Nähe der Verbraucher gebaut, maximal über 200, 300 Kilometer den Transport. Und daher haben wir gar keine großen Verbindungen von Norden nach Süden." Sprecher 2 Doch die sind laut Preuß mit der Energiewende nötig, um Strom von Solaranlagen im Süden oder Windparks im Norden in die ganze Republik zu bringen. Die vielen Kritiker des Ausbaus glauben das nicht. Sie fürchten, dass am Ende Atomstrom aus dem Ausland durch die Leitungen fließt. Atmo: Metall knarrt im Wind Sprecher 1 Viele Trassengegner wollen stattdessen ein unabhängiges, dezentralisiertes Netz, Strom aus Photovoltaik und Biomasse zum Beispiel. Preuß ist skeptisch. Ton 24 "Das reicht natürlich um Haushalte mit Strom zu versorgen. Aber wenn sie irgendwo eine Aluhütte haben, die sie mit Strom versorgen wollen, das schaffen sie aus der Region nicht. Und das gleiche gilt für eine Stadt wie Köln, nehmen Sie Dortmund, Berlin. Wie wollen sie die mit Energie aus der Region versorgen, ohne dass sie Leitungen bauen?" Sprecher 1 Bauen wird Andreas Preuß noch jede Menge. Wenn sie in Ibbenbüren fertig sind, ziehen die Arbeiter weiter. Allein Amprion ist bis 2020 für 800 Kilometer Leitungen zuständig. Mehrere tausend Kilometer sind es insgesamt. Szene 5 Atmo E-Auto: fährt Sprecher 2 Für uns sind schon die nächsten 100 Kilometer bis zum Hotel in Osnabrück eine Ewigkeit. Unterwegs hören wir zwischen Rucksäcken und Schlafsäcken die Interviews durch. Mit dem Laptop auf angewinkelten Knien. Die kleine gelbe Schildkröte immer im Augenwinkel ... Sprecher 1 Spät im Hotel fängt die Arbeit erst richtig an. Wir müssen - zwischen leeren Pizzaschachteln und Schokolade als Nervennahrung - die Reportage für die Morgensendung produzieren. Studios zum Einsprechen wie im Funkhaus gibt es nicht. Atmo: Unter der Bettdecke Sprecher 1 Also müssen wir improvisieren. Zum Beispiel unter der Bettdecke, da hallt es nicht so. Atmo: Feedback Ton 25 (Brummen) "Voll das Feedback Man. Klingt das hier wirklich gut?" Sprecher 1 Wir zwängen uns in Kleiderschränke und stopfen sie mit Kissen aus. Oder schnappen uns alle Matratzen im Zimmer und basteln eine improvisierte Sprecherkabine. Ton 26 "Richtig geil ist das alles nicht." Sprecher 1 Spaß macht es trotzdem. Und wir lernen: Wer von unterwegs berichten will, muss leidensfähig sein. Notfalls auch bis Nachts um drei. Atmo E-Auto: fährt Sprecher 2 Und am nächsten Morgen: Sind wir schon wieder unterwegs und hören uns selbst im Radio Atmo: Radiostation wird gesucht, knistern ... Atmo: Radioausschnit: Moderator: "Die deutsche Solarindustrie steck tief in der Krise, Katharina Hamberger berichte aus einem mittelständischen Unternehmen in der Oberpfalzt ... Sätze von Katharina, dann runter ... Sprecher 2 Gleich danach stellen wir den Bericht auf unseren Blog, während der Fahrt zum nächsten Interview. Sprecher 1 Der Beifahrer ist für die Route zuständig. Und muss mit dem anderen Team telefonieren. Und nebenbei die ersten Bilder ins Netz stellen. Und schon mal ein Hotel finden. Im Optimalfall. Ton 27 "Wir fahren jetzt noch einen Umweg." // "Du hast lediglich fünf Aufgaben hier vorne. Die wirst du ja wohl hoffentlich mal alle zusammenhalten können. Sprecher 1 Elektroauto fahren, heißt Planung. Auf den Kilometer genau. Einmal falsch abbiegen, schon wird es eng. Ton 28 "Ups." // "Herzinfarkt." // "Oh nein." // "32 Kilometer müssen Strecke, 30 Kilometer im im Tank." // "Das macht minus eins." Sprecher 2 Dann blinkt wieder die gelbe Schildkröte im Display auf. Das heißt: Noch maximal vier Kilometer. Jetzt hilft nur noch ein Stromspender. Denn aufladen können wir auch an jeder normalen Steckdose. Und hilfsbereite Menschen finden wir überall. Nach dem Geschmack von Team Nord passiert das aber zu oft in allerletzter Sekunde. Ton 29 "Ein Kilometer sagt er jetzt noch." // "Schau hier." // "Oh Gott sei dank." // "Ahhhhh!!" Sprecher 1 Ob in Cafés oder auf abgelegen Bauernhöfen. Zuerst wird immer ungläubig geschaut. Dann gelacht. Dann wird uns der Weg zur nächsten Steckdose gezeigt - und Team Süd kann, oder muss, mal wieder pausieren. Ton 30 "Deswegen sitzen wir jetzt zwischen Apfelblüten, in einem Dorf dessen Namen wir vergessen haben, bei einem sehr netten Ehepaar. Die haben uns sozusagen auf eine Tasse Strom eingeladen." Sprecher 1 Andocken, Leute kennenlernen, warten. Denn bei einer normalen Steckdose dauert das Aufladen sogar sechs Stunden. Die Suche nach der Energiewende, unsere Reise durch das Umsteigerland zeigt uns jeden Tag wieder: Wer ein E-Auto fährt, darf es nicht eilig haben. Szene 6 Atmo: Biomassekraftwerk Sprecher 2 Wer die Energiewende voran bringen will, auch nicht. Die niedersächsische Gemeinde Artland versucht, Schritt für Schritt umzusteigen. Sonne, Wind und Biomasse sollen intelligent vernetzt den Strombedarf decken. Aus der Region, für die Region. Sprecher 1 Überall in der Gegend stehen Solaranlagen, Windräder und Biomassekraftwerke - wie auf dem Hof von Landwirt Uwe Kamphaus. Atmo: Traktor Sprecher 1 Er fährt mit seinem Traktor vor, kommt gerade von der Mais-Aussaat - verschwitzt, mit dreckiger Latzhose. Und viel Leidenschaft in der Stimme, wenn es um seine Anlage geht. Ton 31 "Ich kann Ihnen das ja mal zeigen. Das hier ist jetzt Mais mit ein bisschen Mist, ich kann das ja mal anstellen, das ist jetzt richtig Silomais, genau das gleiche Produkt, das wir auch an unsere Kühe, an unsere Bullen verfüttern. Und eben auch an unsere Bakterien." Atmo: Güllepumpe und zischen Sprecher 2 Mais und Mist werden in zwei Kessel gepumpt. Bakterien im Innern lassen die Masse gären, es entsteht Biogas. Damit versorgt Kamphaus sich und die Nachbarfamilien mit Wärme und Strom. Eine teure Investition für den 40jährigen. Aber umweltfreundlich - und für den Bauern eine Prinzipienfrage. Ton 32 "Regenerative Energie ist nachgefragt. Wo soll ich denn meine Zukunft von gestalten? In der Milchvieh-Produktion? Wo in den Medien ständig zu hören ist, dass man Leuten in der dritten Welt die Produktionsebenen wegnimmt? Und wir hier Milchpulver produzieren und exportieren. Was meinen Sie, was das für einen Spaß macht, morgens aufzustehen und die Kühe zu melken?" Atmo: Generator auf Biohof Sprecher 1 Immer wieder greift Kamphaus beim Erzählen in einen Tank, der neben der Anlage steht, fährt mit der Hand durch die Masse aus Mais und Mist. Im Hintergrund nickt Michael Burke eifrig mit dem Kopf. Gleichzeitig bemüht er sich bei dem Geruch nicht die Nase zu rümpfen, die Mundwinkel gehen dafür einen Tick nach unten. Sprecher 2 Burke organisiert die Pläne der Gemeinde mit. Und ärgert sich über die geplanten Kürzungen der Bundesregierung bei der Photovoltaik. Er versteht die Sorgen der Bewohner über höhere Strompreise. Aber er ist Optimist. Ton 33 "Wenn man von heute auf morgen die Welt revolutionieren will, dann gehen die Leute auch nicht mit, dann haben sie Angst, das funktioniert nicht. Hier entsteht was, da entsteht was, und irgendwann wächst alles zusammen. Deshalb haben wir jetzt die Strategie beschrieben, damit das Ganze auch irgendwann mal zusammenfindet." Sprecher 2 Bald will der Ingenieur den Stromverbrauch über eine Software intelligent steuern. Waschmaschinen und Trockner laufen dann nur, wenn Sonne, Wind und Biogas genügend Energie hergeben. 2020 ist das Stichjahr für die ehrgeizigen Pläne. Gelingt es, wird die Gemeinde Artland die größte Selbstversorger-Region ganz Deutschlands sein. Atmo: Autotür zu, Studiotür auf Szene 7 Sprecher 1 Sieben Tage Reise durchs Umsteigerland sind abrupt zu Ende. Über 40 Stunden Interviews haben wir gemacht. Auf Windrädern, an Stromtrassen. Mit Brandenburgern, die sich nicht von Schaufelbaggern vertreiben lassen wollen und mit so vielen anderen Menschen mehr. Sprecher 2 Unser Eindruck: Die Energiewende von unten ist in vollem Gange. Es herrscht Goldgräberstimmung. Aber oft auch Sorge um die Zukunft. Viele Menschen sind verunsichert, wegen des ständigen Hin und Hers durch die Politik. Sprecher 1 Und bei uns: Herrscht der Umsteiger-Blues. Nach über 2500 Kilometern in viel zu engen, viel zu langsamen und überladenen Elektroautos sitzen wir jetzt im bequemen Berliner Studio. Klar, es war anstrengend. Und dennoch sind wir vollgepumpt mit Glücksgefühlen. Sprecher 2 Aber halb leer gesaugt von den Dränglern auf den Landstrassen und dem Einsprechen hinter Matratzen. Und vor allem: Von der wie wild blinkenden kleinen gelben Schildkröte im Display. ENDE 2