Deutschlandfunk GESICHTER EUROPAS Samstag, 18. April 2009 - 11:05 -12:00 "Twin City" Wien-Bratislava: Zwei europäische Hauptstädte wachsen zusammen mit Beiträgen von Antonia Kreppel Moderation: Britta Fecke Redaktion: Thilo Kößler Musikauswahl und Regie: Babette Michel (prod. 02. + 16.04.2009) 1) Die historische Achse: Wien – Pressburg / 6'20 2) Wolfsthal ahoy! Eine österreichische Grenzgemeinde heißt die slowakischen Nachbarn willkommen / 6'10 3) Das Dubai Mitteleuropas: Bratislava / 7'40 4) Die Kunst in den Köpfen / 6'10 5) Martin Leidenfrost – Bewohner einer innercentropischen Welt / 7'03 Literatur: - Europa erlesen. Bratislava.; Autor: Egon Bondy;Wieser Verlag Klagenfurt, 2001 (2'65 lang) - Die Welt hinter Wien; Martin Leidenfrost, Picus Verlag Wien, 2008 (2'40 lang) Sprecher Lit. :Thomas Lang (16.4.): 5:05“ Sprecher Overvoice: Irina Wanka (7' /prod. 30.03.) + Philip Scheiner (6' prod. 10.04.) _______________________________________________________________________________ URHEBERRECHTLICHER HINWEIS: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in Paragraph 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript ________________________________________________________________________________ GESICHTER EUROPAS Samstag, 18. April 2009 - 11:05 -12:00 "Twin City" Wien-Bratislava: Zwei europäische Hauptstädte wachsen zusammen mit Beiträgen von Antonia Kreppel Moderation: Britta Fecke Redaktion: Thilo Kößler Musikauswahl und Regie: Babette Michel Trailer: Gesichter Europas Mod. auf Musik 1 Mod.: ....:Der Bürgermeister einer österreichischen Grenzgemeinde freut sich die Nähe zu Wien und zu Bratislava: O-Ton: ...„Man muss sich einmal so auf der Zunge zergehen lassen: Zwei europäische Hauptstädte, de facto in einem guten Steinwurf auseinander, welches Potential und welche Chancen darin liegen, vor allem im zentraleuropäischen Raum mit einem irrsinnigen Wirtschaftspotential und einer Geschichte die toll ist. Mod:... und ein slowakischer Künstler wundert sich: O-Ton: „Das ist ja so absurd, 40 Jahre hat uns jemand gesagt hinter der Grenze ist ein anderes System, ein anderes Land, dabei ist alles dasselbe. Man fühlt sich wirklich zuhause. Die Leute haben dieselbe Mentalität, die Sitten sind dieselben, ob sie gut oder schlecht sind, aber wir gehören zusammen. “ Mod.: Gesichter Europas: Twin City" Wien-Bratislava : Zwei europäische Hauptstädte wachsen zusammen Mit Reportagen von Antonia Kreppel Am Mikrophon begrüßt sie Britta Fecke. Musik 1 hoch Mod 1: ATMO SCHIFF drunter legen Von West nach Ost, dem Fluss der blauen Donau folgend kommt der Reisende schnell von der einen Hauptstadt zur anderen.- von Wien nach Bratislava. Durch den Nationalpark Donau-Auen fährt das Schiff eine gute Stunde flussabwärts... ATMO SCHIFFSHUPE KURZ ...lässt Wiens Pracht und Herrlichkeit hinter sich und nimmt Kurs auf Bratislava vor dem Höhenzug der weisen Karpaten. Und was die Donau fließend verbindet soll nun auch zu Land wieder zusammenwachsen. Atmo (Baustelle), kurz stehen lassen dann drunter Denn nirgendwo ist der Weg zwischen zwei Hauptstädten so kurz wie zwischen Wien und Bratislava. Gerade einmal 65 km liegen zwischen den beiden Metropolen. Und auch wenn sie der eiserne Vorhang einst trennte gibt es doch viel mehr historisch-kulturelles was die beiden Hauptstädte verbindet - waren sie doch beide Jahrhunderte lang Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie. An dieses Erbe will die Vision der Zwillingsstädte - der Twin-City - anknüpfen und die Metropolen zu einem mitteleuropäischen Kultur- und Wirtschaftsraum verschmelzen. Alte Bande werden neu geknüpft, die historische Achse Wien -Pressburg soll sich wieder drehen, auch wenn sie jetzt Wien -Bratislava heißt: Pressburg, Pozsony, Bratislava : Die historische Achse Wien-Bratislava (1) GSE Twin-City Wien Bratislava/A.Kreppel ATMO: Baustelle Bahnhof Landstrasse Mitte MOD: Stellen Sie sich vor, sie setzen sich in Wien in eine Straßenbahn und fahren 69 Kilometer weit bis ins Zentrum von Bratislava. Anfang des 20.Jahrhunderts war das in der Habsburger Monarchie Realität. ATMO: Baustelle Bahnhof Landstrasse Mitte Wo heute die Presslufthämmer toben und der neue Bahnhof Wien Mitte entsteht befand sich die Endhaltestelle der Pressburger Bahn; direkt vor dem damaligen Wiener Bürgertheater. ATMO: Baustelle x Bezirksmuseum/Telefonläuten/Hauer Im nahe gelegenen Bezirksmuseum Landstrasse gibt es noch Fotos aus jener Zeit; Museumsdirektor Karl Hauer breitet sie sorgsam vor sich aus. Take 1: Hauer Und hier war das Wiener Bürgertheater. Nach dem Ende der Abendvorstellung im Bürgertheater ist eine Viertelstunde später die letzte Garnitur nach Pressburg gefahren, damit die Pressburger die Abendvorstellung im Bürgertheater ansehen könne und ohne Eile dann noch nachhause fahren konnten. MOD: Während die Pressburger begeisterte Theaterbesucher waren, zog es schon damals die Wiener aus eher leiblichem Interesse in die ungarische Krönungsstadt Pozsony – so der ungarische Name für Pressburg. Mit der elektrischen Bahn ohne Grenzformalitäten preiswert zum Mittagessen zu fahren zählte zum Sonntagsvergnügen der Wiener. Take 2 : Hauer Und da ist eine Garnitur mit einer Maschine, die hat geheissen das Krokodil , weil’s vom Führerhaus so eine Schnauze nach vorne aber auch nach hinten gehabt hat. MOD: Das Krokodil , die Straßenbahn-Lokomotive, zog die komfortabel ausgestatteten Bahnwagen übrigens nur die zwölf Kilometer im Straßenbahn-Streckenbereich von Wien; dann wurde auf eine Vollbahnlokomotive umgespannt und sieben Kilometer vor Pressburg wieder eine Straßenbahn-Lokomotive eingesetzt. Take 3 Hauer (Atmo blättern) Es war so Pressburg fast ein Vorort von Wien. Da haben wir wieder das Krokodil… MOD: Der agile Museumsdirektor mit dem dezenten Ohrschmuck ist 1942 als kleiner Junge selbst einmal mit der Pressburger Bahn gefahren; da prangte schon der deutsche Reichsadler auf der Lokomotive; drei Jahre später wurde sie eingestellt. ATMO: Schritte /Aktenordner Karl Hauer stellt die Akte Pressburger Bahn zurück in den Schrank. Viele Altpressburger Familien mussten während des 2. Weltkrieges Bratislava verlassen und zogen nach Wien. So auch die Familie des Soziologen und Journalisten Michael Freund. ATMO: Büro/Telefon In seinem schmalen Redaktionsraum in der Wiener Innenstadt versucht er, sein Verhältnis zu Pressburg-Bratislava zu sortieren. Take 4 Freund Ich selber hab praktisch überhaupt keine Beziehung, was für jemanden der 50km oder 70 km von der Stadt entfernt wohnt komisch klingt; andererseits wenn man weiss, dass bis vor 20 Jahren dort der Eiserne Vorhang war und uns in Wien jede westliche Stadt ob das nun München war oder New York irgendwie geistig näher stand als dieses Bratislava hinter der Grenze, dann ist es wiederum nicht so erstaunlich. Andererseits hats bei uns in der Familie einen sehr starken Bezug gegeben, weil einerseits mütterlicherseits die Grosseltern beide aus Bratislava kamen und sich meine Eltern sogar dort in der deutschen Schule kennen gelernt haben und alles war immer wieder Pressburg. Ich hab als Kind gar nicht gewusst, wo ist das eigentlich und dann hab ich langsam gemerkt, das gibt’s zwar, aber irgendwie als einen mythischen Ort in der Vergangenheit, weil in der Gegenwart, da sind die die Tschechen, da sind jetzt die Kommunisten, da fahren wir nicht hin. MOD: Michael Freund , drahtig und braungebrannt, ist viel auf Reisen, vor allem in den USA. In Bratislava war er seit der Wende 1989 immerhin zwei Mal; seine Mutter hat ihr altes gutes Pressburg nie mehr besucht. Der Sohn hat sich auf Spurensuche begeben und das Haus seines Großvaters wieder gefunden, das dieser als Karpatendeutscher 1945 verlassen musste. Take 5 Freund Hab das fotografiert und hab das dann Verwandten geschickt, die auch noch die Zeit kennen, also Cousinen meiner Eltern. Also es gibt da so eine neuen Austausch, der nicht überschattet ist von diesem alten Hass, diesen alten Animositäten von 45 oder auch von 38/39 usw. Es gibt ein recht gut kuratiertes Museum der deutschen Bevölkerungsgruppe der Slowakei. Da wird gezeigt, das waren die Entwicklungen, dann gabs den Einfluss der Nazis und die deutsche Bevölkerungsgruppe geriet unter diesen Einfluss und dann gab’s die zwangsweisen Aussiedelungen. Das war in der Zeit der sozialistischen tschechoslowakischen Republik undenkbar. MOD: Michael Freund wirft einen schnellen Blick auf die Uhr; die Termine drängen. Schließlich ist er auch Leiter des Media Communications Department der Webster University Vienna. Immer mehr Studenten aus Bratislava besuchen diesen Wiener Campus einer amerikanischen Universität, pendeln mit dem Auto oder dem Zug. Die historische Achse Wien-Bratislava funktioniert wieder. Die Grenze im Kopf, die Michael Freund, wie er einmal formulierte, sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen hat, scheint sich langsam aufzulösen. Take 5 : Freund .Also dieses alte überhebliche Gefühl der Österreicher, wir sind hier im tollen Westen und das sind die Tschuchen da jenseits des Eisernen Vorhangs, das verschwindet würde ich nicht sagen, aber das wird langsam weniger. Das spürt man schon, dass das nicht mehr so ein Thema ist. Es gibt inzwischen auch schon so ein bisschen Respekt; was die Slowaken geleistet haben ist ja wirklich erstaunlich. Natürlich zum Teil mit großen Investitionen von Leuten die da ihre Rendite sehen wollen, ob das jetzt VW ist oder sonst wer, aber sie haben auch einiges dazu beigetragen. Ich glaube es wird geringer dieses Ost-West-Denken. MUSIK 2 Literatur 1 auf Musik 3: Mod. Lit: Der tschechische Dichter und Philosoph. Egon Bondy wurde 1930 in Prag geboren und starb vor zwei Jahren in Bratislava. In der Sammlung: Europa erlesen, sucht Egon Bondy nach dem Geist seiner Stadt. „Eine Episode von 1996“ ist 2001 beim Wieser Verlag Wien erschienen: 2. Mod. : Heute endet die alte Pressburger Bahn kurz vor der Grenze in Wolfsthal, und nach wie vor patroulieren hier österreichische Soldaten, sehr zum Leidwesen des Bürgermeisters. Doch sonst blickt das Gemeindeoberhaupt hoffnungsfroh nach vorn, denn mit der EU-Osterweiterung liegt Wolfsthal nicht mehr im toten Winkel von Wirtschaftspolitik und Regionalentwicklung, ist der Ort von der Peripherie ins Zentrum Europas gerückt. Die Region wird von den Bürgermeistern Wiens und Bratislavas gern als Twin City bezeichnet und wenn die beiden Städte erst mal zusammen gewachsen sind, soll sie zur Drehscheibe der Ost-West- Wirtschaft werden. Atmo als Zäsur stehen lassen, dann drunter In Wolfsthal wird spürbar, dass das Gebiet zwischen Wien und Bratislava tatsächlich zusammenwachsen könnte. Denn dank des grenzübergreifenden Engagement des Bürgermeisters haben immer mehr Slowaken die österreichischen Grenzgemeinde für sich entdeckt, sie bauen hier ihre Häuser und schicken ihre Kinder in die Kindergärten und Schulen der 1000 Seelen-Gemeinde. Nachwuchs für eine neue Idee: Wolfsthal ahoy! Wie eine österreichische Grenzgemeinde ihre slowakischen Nachbarn willkommen heisst. (2) GSE Twin-City/Antonia Kreppel ATMO: Kindergarten/Kinder stellen sich Kreis auf… MOD: Im Kindergarten von Wolfsthal beginnt der Morgen mit einer ganz speziellen Begrüssung. Take 1 Dobré ráno…(alle) singen: Dobre-rano… MOD: Guten Morgen! Einmal die Woche spielt und singt Kristina Melnik mit den österreichischen Kindern in slowakischer Sprache; auch drei slowakische Kinder besuchen den Kindergarten. Take 2: Melnik Wir machen einen Ausflug von Wien nach Bratislava: wir fahren mit einem Zug… Ahoy , dovidenia!….sch schschhuhhuhuhu (alles singen auf slowakisch) Mod:. Ahoy! Ein gängiger Gruss in der Slowakei, das ja bekanntlich nicht am Meer liegt; der Gruss ist ein Relikt von Wanderverbänden, die durch Böhmen und Mähren zogen. Take 3 Zugansage Kristina Melnik hält sich die Nase zu und mimt einen Lautsprecher für die Zugansage; selbstverständlich auf slowakisch. Die gebürtige Slowakin bezeichnet sich als muttersprachliche Mitarbeiterin; eigentlich kommt sie aus der Ostslowakei nahe der ukrainischen Grenze. Take 4 Melnik Vor einem Jahr haben wir ein Haus hier gekauft und ich muss sagen ich fühle mich wohl hier in dieser Umgebung so wie zu Hause vorher. ATMO: Kindergarten/ Eisenbahnlied, huhuhuh MOD: Kristina Melnik und ihr Mann sind nicht die einzigen; inzwischen zählt Wolfsthal achtzig Einwohner mit slowakischer Staatsbürgerschaft. Gleich hinter dem Bahnhof zieht sich eine neue Siedlung mit schicken Einfamilienhäusern den Hang hinauf. Der weitaus günstigere Baugrund als im heimatlichen Bratislava und satte Wohnbauförderung locken die slowakischen „Häuslbauer“ in die nur zehn Autominuten entfernte österreichische Gemeinde. Take 5 M.: Jetzt sind wir in Bratislava, und welche Begrüssung? Kind: Dobry den.. MOD: Aufgeregt stürzen sich die kleinen Wolfsthaler in das grenzüberschreitende Eisenbahn-abenteuer. Als Wegzehrung gibt es einen Apfel. Take 6: Melnik M: jabelko. Kind: jabelko. M: und englisch wie? Kind: apple .M.: super… Kind: der Dori ist ein Slowake und kann das so gut . M.: aber du musst auch aufpassen… MOD: Vor den Fenstern des Gemeindebaus wird eifrig gezimmert: Ein neuer grösserer Kindergarten wird gebaut; gleich neben der Feuerwehr - Ku Hasicom; so steht es dort zweisprachig geschrieben. Take 7: Melnik Ich unterrichte auch privat Kinder slowakisch, sogar ganze Familien lernen slowakisch hier. Eltern die haben kleine Unternehmung und viele slowakische Leute arbeiten in diese Betriebe und ich habe viele Bankleute welche lernen auch slowakisch und auch die Manager, Österreicher welche arbeiten z.B. in Bratislava. MOD: Und während die jüngsten Gemeindebürger lernen, dass auch Null eine Zahl ist… Take 8 Kinder: null, nitsch, nitsch… …sitzt ein paar Häuser weiter der Bürgermeister in seiner Amtsstube und freut sich über die prosperierende Twin-City-Idee . Take 9 Schödinger Man muss sich einmal so auf der Zunge zergehen lassen: Zwei europäische Hauptstädte, de facto in einem guten Steinwurf auseinander, welches Potential und welche Chancen darin liegen, vor allem im zentraleuropäischen Raum mit einem irrsinnigen Wirtschaftspotential. MOD: Gerhard Schödinger ist ein stattlicher Mann in den Vierzigern, sportlich gekleidet. Von Beruf ist er Polizist und leitet das österreichisch-slowakische Polizeikooperations-zentrum in Bratislava. Zudem ist er mit einer ungarstämmigen Slowakin verheiratet. Drei bis viermal täglich fährt er über die Grenze. Was macht seine Gemeinde so attraktiv für die slowakischen Nachbarn? Take 10 Schödinger Sie sind innerhalb kürzester Zeit in Wolfsthal von Bratislava weg und haben plötzlich eine absolut dörfliche Umgebung. Und diese dörfliche Umgebung ist auch eines unseres größten und wichtigsten Kapitals das wir haben, das wir auch nicht aufs Spiel setzen werden. Das heißt: Wolfsthal bleibt ein Dorf und wird sicher nicht auf Teufel komm raus zu einem großen Siedlungsort wie sich das manche vorstellen. MOD: Keine zu hohen Häuser, keine zu hohen Mauern; Gerhard Schödinger ist ein Mann der Tat; auf seinem Schreibtischsessel hält es ihn nicht lange. Stolz ist er, dass inzwischen ein Bauer Schulmilch nach Bratislava liefert. Und er sorgt geschickt dafür, dass die einheimischen Jungfamilien einen günstigeren Baugrund bekommen als die wohlhabenden Nachbarn aus Bratislava. Die sind fast alle Akademiker – Lehrer, Universitätsprofessoren und Manager. Take 11: Schödinger Ich muss dazu sagen, diese Leute passen auch zu uns hier herein. Wir stammen alle aus dem selben Kulturkreis, wir haben alle nahezu das selbe Religionsbekenntnis, wir stammen alle aus der Monarchie ab und damit begründet sich schon das gemeinsame Geschichtsverständnis. Und das einzige das wir alle wollen ist ein ruhiges schönes Leben führen, vor allem in Hinblick auf die nächsten Generationen. Das ist auch der Grund warum da slowakisch im Kindergarten ist. Es geht nicht so um das, dass die gleich die Sprache lernen, sondern sie sollen nur das Gefühl bekommen für die Sprache, sie sollens hören und das soll kein Fremdkörper mehr in ihrem Kopf sein. ATMO: Bahnhof/Bushaltestelle MOD: Der Bahnhof von Wolfsthal ist nur wenige Gehminuten vom Gemeindeamt entfernt; allerdings ein Sackbahnhof Richtung Osten. Seit kurzem fährt dort stündlich ein Linienbus in die slowakische Hauptstadt; am Wartehäuschen hat ein Wirt die Einladung zu seinem Heurigen zweisprachig plakatiert. Atmo: Bus kommt Eine ältere Wolfsthalerin, die auf den Bus wartet, weiß über die neuen Nachbarn im Villenviertel über den Bahngleisen nur Gutes zu berichten; namentlich genannt werden möchte sie allerdings nicht. Take 12 Wolfsthalerin Ja was soll man machen, sie san freundlich, sie san nett. Wir haben sogar da rückwärts einen Musiklehrer, der hat einen Chor gegründet und die nennen sich Donaustimmen, wunderschön hat der unterrichtet die Sänger, jajajajaja. Was soll man denken, man kann nichts schlechtes denken, es ist eh in Ordnung, ist in Ordnung. Das Dorf vergrößert sich dadurch, zum Schluss werden wir noch eine Stadt (lacht) ATMO: Bus fährt ab Musik 4 Mod 3: Dass Wien und Bratislava so eng zusammenrücken nutzt vor allem der Wirtschaft, denn Bratislava bietet dieselbe strategische Ausgangslage wie Wien, nur dass die Kosten in der slowakischen Hauptstadt um die Hälfte niedriger ausfallen als in Wien: Unternehmen zahlen jenseits der Grenze nur 19%Körperschaftssteuer, das ist einer der geringsten Sätze in der EU. Auch die Lohnkosten sind erheblich niedriger als in Österreich, bei gleichwertiger Ausbildung des Personals. Und so sind viele Unternehmen 60 km ostwärts gezogen: nutzen europäischen Standart für weniger Geld. Atmo, kurz stehen dann drunter legen Mit den Unternehmen kam das Kapital nach Bratislava. Immobilienfonds haben Millionen in den Ausbau von Büro- und Handelszentren gesteckt, Technologieparks und Wohnsiedlungen werden im Akkord aus dem Boden gestampft. Bis 2011 sollen 40 neue Hochhäuser entstehen und Büroflächen für rund 70 000 neue Angestellte; in Zeiten der Weltwirtschaftskrise wird dann doch die Frage laut, wo man die eigentlich hernehmen will? Doch noch ist der Baubomm ungebremst: In der Stadt zu Füßen der kleinen Karpaten will man hoch hinaus, und nicht nur Profanbauten sollen das Donauufer säumen; Nein! Bratislava mit seine 425 000 Einwohnern will repräsentieren. Die Höhenflüge der Architekten heißen: Vienna Gate, Universo, Gloria Tower oder Twin Tower: Das Dubai Mitteleuropas: Städtebau in Bratislava (3) GSE Twin-City Wien Bratislava/A.Kreppel ATMO: Bahnhof Wien/Baulärm, Züge fahren ein MOD: Morgens um Sieben am Wiener Südbahnhof herrscht reger Pendlerverkehr. Ein Zug aus Bratislava rollt ein; wenig später fährt er in umgekehrter Richtung wieder ab. Erstaunlicherweise führt er einen Waggon 1.Klasse, den man auch mit einem Ticket 2. Klasse benutzen kann. ATMO: Guten Morgen verehrte Fahrgäste, die ÖBB begrüsst sie herzlich im Euregio 2510… Ralf Bock nutzt dieses freundliche Angebot der Österreichischen Bundesbahnen an fünf Tagen die Woche und streckt wohlig seine langen Beine aus. Take 1 Ralf 6Uhr 25 klingelt immer mein Wecker, und dann werden die Kinder geweckt und Frühstück gemacht und viertel nach sieben geh ich aus dem Haus und um 7’28 fährt der Zug ab. MOD: Der deutsche Architekt, wohnhaft in Wien, betreut in der slowakischen Hauptstadt ein ehrgeiziges Bauprojekt namens Eurovea; für 350 Millionen Euro baut die irische Investorengruppe Ballymore altstadtnah am linken Donauufer einen neuen Stadtteil mit einem Mix aus Büroflächen, Einkaufsgalerie, Luxuswohnungen und einem Fünf-Sterne-Hotel. Bislang lag das Gelände brach; die Briten hatten dort im 2.Weltkrieg eine Raffinerie zerstört. Take 3 Ralf Bevor wir anfangen konnten zu bauen mussten wir erst einmal mit Minensuchgeräten alles absuchen, es wurde ja vermutet dass da noch Fliegerbomben liegen, dass man sicher war dass keine Bomben mehr auf dem Grundstück liegen. MOD: ATMO Bahnhof/Strassenbahnen Eine gute Stunde dauert die Zugreise bis zum Bratislavaer Hauptbahnhof. Ralf Bock stürmt zum Taxi, das neben Straßenbahngarnituren mit der Aufschrift „little big city“ wartet. ATMO: Taxi Nach zehn Minuten Fahrt entlang der Altstadt, vorbei an eigenwilligen Gebäuden der Sozialistischen Ära, biegt das Taxi ein in die blau umzäunte Zone von Eurovea. Baucontainer stapeln sich übereinander; an den Fassaden und dem Innenausbau der zehn Gebäude wird eifrig gearbeitet. 24.000 Quadratmeter Bürofläche, 236 Luxus-Apartments, 150 Ladenlokale; 30 Cafés und Restaurants und 8 Kinos sollen bis 2010 bezugsfertig sein. ATMO: Empfangsdamen/Schritte Baucontainer Im Container-Büro zieht sich Ralf Bock die gelben Gummistiefel über und schliesst den Helm. Senior Design Manager nennt sich sein Job in internationaler Investoren-Sprache: Polnische Fassadengestaltung, britisches Apartmentdesign, amerikanisches Lichtdesign, französische Landschaftsarchitektur – alle Pläne landen auf seinem Schreibtisch. Take 4 Ralf Es waren nur Ideen und das hab ich zusammengeführt auf einem Plan und jetzt auch weiterentwickelt und dem ganzen auch noch ein Gesicht gegeben und es ist schön das in der Umsetzung auch noch zu perfektionieren und auch zum funktionieren zu bringen. MOD: Atmo Baulärm/Schritte Der wöchentliche Baustellenrundgang beginnt im Buisnesstower S07; einem sogenannten eyecatcher , der mit seiner spiegelnden Glasfassade dem Norman Forster-Tower in London verdächtig ähnlich sieht. Arbeiter schleppen riesige Eisenteile die sieben Stockwerke hoch. ATMO: Terrasse Im vorgebauten Apartmenthaus begutachtet Ralf Bock die Brüstung auf der riesigen Terrasse des 300 Quadratmeter-Penthouses. Sie wird mit Sandstein verkleidet. Luxus ist ein sehr notwendiges Ding und braucht ein kleines Häufchen handwerklich fähigster Menschen, zitiert er Adolf Loos auf der windigen Terrasse. Luxus ist auch der unverbaute Südblick durch viel Glas auf die Donau und ihre Auenrelikte vor der Plattenbausiedlung Petrazalka. Hier lebt ein Drittel der Einwohner Bratislavas. Schräg gegenüber am anderen Donauufer kostet das Leben im neuen Stadtteil Eurovea auf dem ehemaligen Raffineriegelände ungleich mehr: 3 Millionen 833.000 Euro (!!!)sind für das grosse Penthouse zu zahlen; das kleinste Apartment mit 33 Quadratmeter ist für 200.000 Euro zu haben. Take 4 Ralf Wir haben ein Stück Stadt weitergebaut, ja. Es ist kein Monster das sich selbst verherrlicht, sich selbst darstellt, sich selbst feiert; es wird ein Stück Stadt sein das sich integriert und das find ich auch was gutes. ATMO: Strasse/Verkehr MOD: Nur ca. zehn Gehminuten entfernt befindet sich die Slowakische Nationalgalerie; dort betreut Monika Mitášová die Sammlung Architektur des 20.Jahrhunderts. Von ihrem Arbeitszimmer aus hat die zierliche Architektin einen direkten Blick zur Donau. Take 5 M.M. (engl. O-Ton/overvoice) Well I’m quite critcal about it… Ich sehe das ganze durchaus kritisch. Das sind Häuser gebaut für Menschen, die überall in Europa Apartments haben. Aber nicht für Leute, die wirklich hier leben und eine Familie gründen wollen. Was die Gestaltung anbelangt, es ist eine sehr professionelle postmoderne Architektur, die man aber überall in Europa findet. Und genau das ist das Problem: Um das zu sehen braucht man nicht nach Bratislava zu kommen. Mir würde eine mehr ortspezifische und eigenwilligere Architektur für solch einen wichtigen Platz am Donauufer so nah der Altstadt besser gefallen. Es ist eine vergebene Chance; die Investoren bringen keine Vielfalt in die Stadt. Da war das Geld schneller als unser Verständnis und unsere Verantwortung für die Stadtgestaltung. This money was quicker than our social understanding of our rights and possibility to really be responsable of what is going here. MOD: Monika Mitášová legt mit Nachdruck einen Ausstellungskatalog über moderne slowakische Architektur auf den Tisch. Die Wirtschaftskrise könnte da jetzt hilfreich sein, meint sie keck, auch im Hinblick auf eine fruchtbarere Zusammenarbeit der Twin-Cities Bratislava-Wien bei innovativen und bürgernäheren Stadtentwicklungsprojekten. Take 6 M.M. engl. O-Ton/obervoice …. And I hope that architects as well as city would help to organise certain relations between Bratislava and Vienna. Ich hoffe, dass unsere Architekten und die Stadt die Beziehung zwischen Bratislava und Wien verstärken. Zwischen den Hochschulen für Architektur funktioniert das schon ganz gut, und es könnte eine Plattform für andere urbane Projekte entstehen als diese internationalen Investorengeschichten. which is probably a good start for forming a certain platform for developing other kind of projects than this international buisness development. MOD: ATMO: Platz in der Altstadt Wieder nur wenige Gehminuten entfernt, im Rathaus von Bratislava mitten in der pittoresk restaurierten Altstadt, hat Professor Štefan Šlachta sein Büro; ein würdiger älterer Herr mit gemütlicher Ausstrahlung. Take 7 Šlachta Offiziell kann man sagen ich bin Hauptarchitekt der Stadt, aber muss man sagen mit sehr wenige Kompetenzen. MOD: Umso mehr macht er sich Sorgen um die Entwicklung der booming city Bratislava und freut sich als intimer Kenner diverser Stadterneuerungspläne diebisch über die Finanzkrise, die den Stadtentwicklern jetzt einen Riegel vorschiebt; wenn’s schon die Stadt nicht tut. Take 8 Šlachta Ich bin überzeugt, die Tausende Quadratmeter von Verwaltungsfläche sind überflüssig. Ist genauso mit Wohnungen. Im Masterplan von Bratislava rechnet man mit Zuwachs von Einwohner bis 2030 ungefähr 80.000. Aber schon heute sind die Pläne vorbereitet von ungefähr 220.000. Und ich frage einfach wo nehmen wir diese Einwohner? MOD: Professor Šlachta springt auf und markiert mit einem Laserstrahl ein bislang unbeachtetes Gebiet auf dem riesigen Stadtplan an der Wand: Der Stadtteil Petrazalka jenseits der Donau, schräg gegenüber den Luxus-Apartments von Eurovea. Dort lebt der überzeugte Plattenbaubewohner bereits seit zwanzig Jahren. Take 8 Šlachta Petrazalka ist interessant deswegen weil es ist nicht weit von Zentrum. Umgebung ist sehr angenehm, ist Donau da und immer frische Luft von Donau. Ich glaube dass Donau ist für die Stadt ein so wichtiges Element, muss man diese neue Beziehung ausbauen und besonders auf der Seite von Petrazalka. D.h. Südseite wo ist alles offen, da ist nichts gebaut oder wenig gebaut. Bei Budapest können sie bei die Parlament direkt an Wasser sitzen mit Füsse in Donau, aber in Bratislava gibt’s keine diese Möglichkeit. Aber das ändert sich. Musik 5, Literaturmusik ; Mod. Literatur 2 auf Musik: Der österreichische Schriftsteller Martin Leidenfrost ist 2004 ins freiwillige Exil gezogen, in einen Vorort von Bratislava. In „Die Welt hinter Wien“ sammelt er Geschichten aus dem mitteleuropäischen Raum zwischen Alpen und Karpaten. Die Welt hinter Wien ist 2008 im Picus Verlag Wien erschienen: Musik hoch 4 Mod: Der Blick dahinter, bzw. über die Grenze hinaus über die politischen Zwänge hinweg, das war immer auch die Bestimmung der Kunst. (Nicht selten waren es Schriftsteller, die einer Revolution ihre Worte gaben und Komponisten die Schrecken aber auch Visionen vertonen.) Künstler als Vordenker und die Kunst in diesem Fall auch als Indikator für das geistige Klima in der Twin-City -Region. Auch auf diesem Feld bewegen sich Investoren bzw. Sponsoren. Wie die Erste Bank, die in den zentral- und osteuropäischen Ländern Kunst sammelt und das durchaus politisch verstehen will. Denn die Sammlung soll auch zur Plattform des Dialogs werden, sie soll Themen beinhalten, die für die Identitätsbildung der Region wichtig sind. Die Erste Bank stellte 2006 das erste mal die Werke ihrer neuen Kunstsammlung aus, einen Teil im Museum für Moderne Kunst in Wien und den andern Teil im „tranzit Netzwerk“ in Bratislava. Atmo: ganz kurz stehen lassen, dann drunter: Am Nordöstlichen Rand von Bratislava liegt das größte Supermarktzentrum der Slowakei, dahinter versteckt zwischen Industrieanlagen, Baukränen und einer heruntergekommenen Kleingartenanlage hat sich der Kunst- und Kulturbetrieb Tranzit workshops eingemietet, in den Hallen einer stillgelegten Fabrikanlage: Wir gehören zusammen: tranzit workshops Bratislava GSE Twin-City Wien Bratislava/Kreppel ATMO: Industriegelände rund um tranzit/Pressluftbohrer MOD: Am nordöstlichen Rand von Bratislava liegt das größte Supermarktzentrum der Slowakei; dahinter, versteckt zwischen Industriebauten, Baukränen und einer heruntergekommenen Gartenhaussiedlung hat sich der Kunst- und Kulturbetrieb tranzit workshops auf einem stillgelegten Fabrikgelände eingemietet. ATMO: Schritte; aufschließen des Vorhängeschlosses MOD: Boris Ondreicka öffnet das Vorhängeschloss an der Eisentüre zur Ausstellungshalle und schaltet die Alarmanlage aus. ATMO: Schritte Seit 2004 betreut der Künstler und Punkmusiker den Kunstort; er ist Teil des Netzwerk tranzit, das zeitgenössische Kunstprojekte in Zentraleuropa fördert. Die Ateliers, Werkstätten und Vortragsräume verteilen sich auf vier Hallen. Take 1: We call it workshops… Wir nennen unsere „Kunsthalle“ workshops, weil hier wird Kunst produziert und ausgestellt, aber nicht repräsentiert. ...not representation. MOD: Atmo Schritte Kein Hochglanz-Foyer, kein schickes Café, kein bookshop: In sozialistischer Zeit wurden in dieser Halle Betonfertigteile für Plattenbauten gegossen; allerdings nicht standardisierte Formate für Ecken und Kanten. Und auch jetzt wird hier Sperriges produziert: junge Kunst aus Bratislava, Budapest, Prag und Wien hängt da an den unverputzten Wänden. Wenn die Wiener zu Vernissagen kommen, gibt es keine Lachsbrötchen; höchstens einen Suppeneintopf. ATMO: zusperren der Ausstellungshalle Sorgfältig versperrt Boris Ondreicka wieder die Ausstellungshalle. In den Atelierräumen schräg über dem Hof wartet Georg Schöllhammer, Leiter von tranzit Österreich. Gemeinsam bereiten sie ein Symposion über den 2007 verstorbenen slowakischen Fotokünstler Julius Koller vor. Georg Schöllhammer ist Chefredakteur der österreichischen Kunstzeitschrift „Die Springerin“. Mit dem Klischee Ost-Kunst kann der Querdenker mit der grossen schwarzen Brille wenig anfangen. Take 2 Georg Nach 89 war’s doch so: Wenn man nach Osteuropa kam gab’s immer den Suchbefehl, zeig uns was kritisches und zeig uns wie du mit dem Lokalen umgehst als Künstler, was ist denn dein Spezifisches; und die Künstler weisen das von sich. Früher haben sie gesagt, uns interessiert das Politische nicht, das muss man eh immer im Sozialismus; wir gehen jetzt um mit dem neuen Kapitalismus der da rein kommt, mit dessen Bilderwelten, wir nehmen das jetzt auf, das kritische könnt ihr euch…. Und jetzt sagen sie, wir sind Teil einer internationalen Bewegung die contemporary art heisst, und da schreiben wir uns ein, in dieses Paradigma. Wenn’s einen Unterschied gibt, dann ist es der, dass die Institutionen doch noch nicht so entwickelt sind und dass der Markt auch noch nicht so entwickelt ist. MOD: Atmo Atelier Boris Ondreicka springt im Atelier umher; das Handy steht nicht still; so der Typ, ich bin da und schon wieder weg - aber trotzdem hochkonzentriert. Take 3 Boris (englisch overvoice-Stimme) So Vienna is a thinktank of all of use and also is somehow an intellectual core of tranzit we can say. Wien ist sozusagen unser Planungsstab, der intellektuelle Kern von tranzit; wo wir Kunstpositionen aus Ost und West mischen und sozusagen über-setzen. Ein wenig gleicht die Rolle, die tranzit-Österreich im gesamten tranzit-netzwerk spielt, der Rolle Wiens in der alten Habsburgermonarchie, aber ohne diese kolonialistische Perspektive; weil wir fühlen uns nicht kolonisiert. Wenn du in Bratislava lebt, scheint Wien vielleicht 360 Kilometer entfernt zu liegen; von Wien aus betrachtet sind es nur 60 Kilometer. Und aus der tranzit-Perspektive sind es gerade einmal sechsundsechzig. Wir fühlen uns so, als würden wir nur in einem anderen Teil einer großen Stadt leben. Also die zwei Städte, die auch Twin-Cities genannt werden, gleichen sich immer mehr an. So in somehow the situation of those two cities which are also called twincities is getting to be really simular. MOD: ATMO: Atelier Ein abstraktes Textzeichenbild von Boris Ondreicka hängt an der Atelierwand. Eine grosse Landkarte der Transformation nennt es Georg Schöllhammer; das am häufigsten gebrauchte Zeichensymbol ist die Spinne. Take 4 Boris (englisch overvoice-Stimme) Spiders are something like the klischee-mark of time.. Spinnen sind so etwas wie eine Klischee-trademark für Zeit; sie bedecken alles mit ihrem feinen Spinnengewebe. Interessant ist ja, was sich unter dieser obersten Schicht ereignet hat. … .so it refers that what behind those spiders is passed. ATMO: Stimmen Atelier , Schritte…..Schlüsselklappern MOD: Die junge Kunsthochschulabsolventin Monika Mikišková hat ihr Atelier im ersten Stock; Gratis-Ateliers gibt es dank dem Sponsoring der Erste Bank Slovakia. Take 5 Monika We are very open and communicate with each other; so discussion between us is very good. MOD: Atmo Bilder umherrücken Wir Künstler hier kommunizieren miteinander offen und kritisch, betont die zierliche Sechsundzwanzigjährige. Ihre teilweise realistisch gemalten Figuren verstecken sich hinter Masken oder kommunizieren miteinander und sind im wahrsten Sinn des Wortes kopflos. ATMO: Hof/Besen kehren Unten im Hof säubert sie mit einem Besen ihr Bild „White Beach“. Frühjahrsputz - das Gemälde wird in eine Ausstellung nach Wien gebracht. ATMO: Stimmen Inzwischen ist auch Lazlo Terren eingetroffen; der Bratislavaer Künstler betreut gemeinsam mit Boris Ondreicka tranzit workshops Bratislava. Offensichtlich genießt er die ersten warmen Sonnenstrahlen; von ihm kann man beispielsweise erfahren, dass es sich im Sommer lohnt, zu einer Vernissage die Badehose mitzunehmen; gleich hinter dem Fabrikgelände liegt nämlich ein grosser See mit dem viel versprechenden Namen Zlaté piesky – die goldenen Sande. Lazlo Terren ist Mitteleuropäer durch und durch. Take 6 Lazlo Das ist ja so absurd, 40 Jahre hat uns jemand gesagt hinter der Grenze ist ein anderes System, ein anderes Land, dabei ist alles dasselbe. Man fühlt sich wirklich zuhause. Die Leute haben dieselbe Mentalität, sprechen ein bisschen anders, aber schon der Rhythmus der Sprache ist ähnlich, die Sitten sind dieselben, ob sie gut oder schlecht sind, aber wir sind wirklich(lacht) wir gehören zusammen. Und dazu ist der Tranzit auch wirklich sehr gut: Das ist ein Kommunikationsstützpunkt oder wie soll ich es nennen, und wenn wir mit dem Ankleber kommen ich bin von tranzit, so muss ich wirklich sagen und das freut mich sehr, alle sagen, ja tranzit, das hab ich gehört, ist interessant. Das ist für mich wunderbar. Musik 6 5 Mod. Seit fünf Jahren lebt der österreichische Schriftsteller und Filmemacher Martin Leidenforst im slowakischen Grenzort Devinska Nova Ves, einem Vorort von Bratislava, nur 1000 Meter von der Grenze zu Österreich und nur einige Kilometer von Ungarn und Tschechien entfernt . Atmo, drunter legen: Das klingt nach einem Vorzeige-Bürger der Twin-City-Vision. Ist er aber nicht, er nennt die Grenzregion vielmehr einen: „mental zersplitterten Raum“, allen kulturellen Austauschprojekten zum Trotz. Er konstatiert immer noch eine tiefe Kluft zwischen Ost und West und stellt die provokante Frage: was wäre wenn auf der anderen Seite der Grenze kein Vorteil mehr läge, hätten da die Völker der Gegend überhaupt noch miteinander zu tun? Sehen viele Österreicher ihre Nachbarn im Osten nicht nur als billige Arbeitskräfte, die herüber kommen, um für wenig Geld als Haushalthilfe oder persönliche Pflegekraft zu arbeiten? Bewohner einer innercentropischen Zwischenwelt: Der österreichische Autor Martin Leidenfrost (5) GSE Twin-City Wien Bratislava /A.Kreppel ATMO: Slowakische Post/Stempeln/Postangestellte MOD: An einem Samstag Vormittag ein slowakisches Postamt aufzusuchen ist wahrlich kein Vergnügen; manchmal reichen die Menschenschlangen bis auf die Strasse, weiss Martin Leidenfrost aus Erfahrung und reiht sich dennoch geduldig ein. Er möchte seinen Krankenkassenbeitrag einzahlen; doch der Zahlschein wird von der strengen Postangestellten zurückgewiesen: Der Querstrich im Zahlenkonglomerat ist nicht gestattet. Take 1: Leidenfrost Ich stell mich jetzt woanders an, ich füll das nicht noch mal aus… MOD: Auch am nächsten Schalter erregt der Querstrich Missmut; der Schein muss neu ausgefüllt werden. Beim dritten Schalter klappt es dann: ATMO: tippen, stempeln, Geldrückgabe MOD: Autor Martin Leidenfrost hat seine Pflicht als Bürger der Slowakischen Republik ordnungsgemäß erfüllt und steckt leicht genervt den Beleg in die Manteltasche. Seit fünf Jahren lebt und arbeitet er als freier Autor in Devinksa Nova Ves, nur tausend Meter von der österreichischen Grenze entfernt; 17.000 Einwohner zählt der Vorort von Bratislava. ATMO: Cafe Und seit fünf Jahren ist er Stammgast im Cafe Sahr auf der Eisnerova Ulica, der Hauptstrasse der Plattenbausiedlung aus den Achzigern; oft der einzige. Take 2 Leidenfrost Das war ein Experiment. Ich habe lange in Wien gelebt und musste innerhalb von Wien wieder mal umziehen und da hat ich keine Lust dazu und da dachte ich jetzt ziehst du ein bisschen aufs Land raus, aber gleichzeitig in ein anderes Land raus, und von Devinska Nova Ves aus geht das, das sind 35 km, stündliche Züge die auch schnell sind und das geht. Aber das Experiment ist sozusagen entglitten als ich das für ein Jahr oder halbes Jahr mal ausprobieren wollte und jetzt schon 5 Jahre hier bin. Seltsamerweise hat das mir eine gewisse Prominenz eingebracht, weil ich herumgereicht wurde als der Vogel, der was gemacht hat was niemand versteht, weder auf der österreichischen noch auf der slowakischen Seite. Die Slowaken finden das ja genauso dämlich nach Devinksa zu ziehen. (lacht) ATMO: Kaffeemaschine MOD: Martin Leidenfrost lächelt vergnügt und bestellt einen presso mit Milch und eine Schokoladentorte. Hier in dem teilverglasten Pavillon fühlt sich der 1972 geborene Niederösterreicher wohl; vor allem weil der Cafetier kaum mit ihm spricht. Er sieht fremdländisch aus und spricht slowakisch mit einem fremdartigen Akzent beschreibt er den dunkelhäutigen Mazedonier in seinem Buch „Die Welt hinter Wien“; ein Sammelband mit skurril-vielfältigen Geschichten aus der Region Wien-Bratislava. Der umtriebige Autor mit dem langen bleichen Gesicht bezeichnet sich selbstironisch als einzigen authentischen Twin-City-Bürger; als vielleicht einzigen Vertreter dieser Kopfgeburt . Take 3 : Leidenfrost Weil ich sozusagen ein bisschen zwischen den beiden Kapitalen lebe, also ich hab so eine Stunde nach Wien und eine halbe Stunde nach Bratislava. Für mich ist das emotional auch praktisch; also es ist für mich immer ein Ausflug egal ob ich nach Wien oder nach Bratislava fahre. Ansonsten hab ich nicht das Gefühl, dass das für die Bürger dieser beiden Städte jetzt eine grosse Bedeutung hat. Das ist auch so ein bisschen dieser EU-Sprech, jetzt vereinigt euch doch, das haut nicht hin, das hat nur kontraproduktive Wirkungen. MOD: Atmo Café Vor den Glasfenstern des Cafés eilen die Einwohner der Arbeitervorstadt Devenska Nova Ves die Strassenschneise zwischen den fahlgelben und hellgrünen Plattenbauten entlang, bepackt mit Plastiktüten der Supermarktketten Lidl und Billa. Martin Leidenfrost schaut wie beiläufig nach draussen und doch genau hin; kaum einer kennt den Alltag in der TwinCity-Region so gut wie er. ATMO Café Auf seinen Expeditionen sprach er mit österreichischen Grenzbewohnern, die nach Jahren die englischsprachigen Zugansagen nicht verstehen und tief sitzende Ängste vor einer neuen Brückenverbindung in den „wilden Osten“ haben. Er fuhr auf der Donau mit dem viel gepriesenen Twin-City-Liner, der beide Metropolen von Zentrum zu Zentrum verbindet, um festzustellen, dass sich kaum jemand aus Bratislava den teuren schnittigen Katamaran leisten kann. Und er hat ein Roma-Ghetto besucht, nicht etwa im armen Osten der Slowakei, sondern zehn Kilometer von der österreichischen Grenze und nur wenige Kilometer von Bratislava und dem mächtigen Werk von Volkswagen Slovakia entfernt, das hier seinen VW Touareg und den Porsche Cayenne baut. Take 4 Und ich glaub das wird sich alles nicht halten lassen. Ich glaube Bratislava wird wieder eher unbeachtet sein. Es wird nicht das sein, was es erhofft hatte zu werden, diese kleine Grosstadt die Buisness aus ganz Europa anzieht, wo in gläsernen Türmen moderne schicke Menschen geile Geschäfte machen. Es wird hier keine Katastrophe ausbrechen, aber es wird halt die eher unbekannte Hauptstadt eines eher unbekannten unbeachteten kleinen Landes bleiben. Vielleicht ist Bratislava einfach zu mittel in jeder Hinsicht, es ist nicht gross und nicht klein, es ist nicht reich und nicht arm, es ist mittel. Das ist kein Schaden, aber ich seh hier nicht die grosse Twin-City Wien Bratislava zusammenwachsen wo dann eine Megalopolis entsteht. ATMO: Café/zahlen MOD: Martin Leidenfrost steht auf und zahlt an der Cafétheke mit den bunten Kuchenstücken. Da gibt es schon eher eine Liebeserklärung an die innercentropische Zwischenwelt Devinska Nova Ves, an die rauen Schluchten der Plattenbau-Siedlungen mit ihren graffitti-beschmieren Bushaltestellen und dem Solarium-Cocktail-Cafe. Eine Liebeserklärung an transkarpatischen Cognac und den ach so schweigsamen Roma-Cafetier, der nur beim Anblick fremder Frauen seine tiefe dunkle Stimme zum schwingen bringt: Take 6: Schöne Frau, sympathische Frau…schöne Frau, hier keine so…Wiedersehn Eine Liebeserklärung an die sprachliche Vielfalt von deutsch, slowakisch, ungarisch, tschechisch, russisch, Romanes; an die schöne und traurige europäische Wirklichkeit hier an der österreichisch-slowakischen Grenze; ein sehr eigenes Twin-City-Gefühl. Take 7 Ich hab eigentlich eine Freude mit jedem der sich nicht integriert. Natürlich leben viele Roma unter erbärmlichen sozialen Bedingungen und man muss helfen. Aber ich bin ein Geschichtenerzähler und ich bin kein Sozialarbeiter. Ich bin in erster Linie fasziniert davon dass hier in unserer Mitte, in dieser gesitteten mitteleuropäischen Wohlstandswelt, ein Volk lebt, das mich bei jeder Begegnung herausfordert, verblüfft, anzieht, abstösst, einfach nur inspiriert. Ich hab auch immer wieder Ärger mit ihnen oder sehr warme Begegnungen. Ich bin nicht derjenige der sagt, Roma integriert euch. Ich würde eher sagen wir sollten gelegentlich versuchen ein bisschen zigeunerischer zu sein. Musik 7 Abmod. auf Musik 8: Abmod: ... Gesichter Europas: Twin City" Wien-Bratislava : Zwei europäische Hauptstädte wachsen zusammen mit Reportagen von Antonia Kreppel Die Literaturauszüge las Thomas Lang Die Musikauswahl traf Babette Michel Moderation: Britta Fecke.