COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Ausverkauft und zugebaut ... - ...wie Privatisierungen und Bauprojekte unsere Landschaft verändern - Autoren Thilo Schmidt (Beitrag 1- 14'30'') Peter Marx (Beitrag 2- 4'27'') Mod./Red. Julius Stucke Sendung 12.08.2010 (13 Uhr 07) Länge Sdg. 21.00 Minuten -folgt Skript Sendung- Skript Sendung MOD Wohngebiete, Gewerbeprojekte, Straßen und Autobahnen fressen sich täglich durch die Landschaft. Flächenfraß - bürokratisch ausgedrückt spricht man von: Flächeninanspruchnahme. Wie immer man es auch nennt: Mehr als 100 Hektar Land werden in Deutschland täglich zubetoniert, versiegelt. 100 Hektar oder 1 Quadratkilometer täglich - hochgerechnet versiegeln wir also jedes Jahr eine Fläche fast so groß wie Köln. So kann es auf Dauer nicht weitergehen - deshalb will die Bundesregierung den Wert bis 2020 senken - auf 30 ha täglich. Umwelt- und Naturschutzorganisation begrüßen dieses Ziel - beklagen jedoch immer wieder es sei ein Lippenbekenntnis, es mangele an der Umsetzung. Thilo Schmidt hat sich für uns im vorpommerschen Alt Tellin umgesehen - dort soll Europas größte Ferkelaufzucht entstehen - auf 7 Hektar Ackerfläche ... Beitrag 1 - Flächenversiegelung und das Beispiel Ferkelaufzuchtanlage Alt Tellin (Thilo Schmidt) ATMO (Autofahrt durch das weite vorpommersche Land, Aussteigen an der alten LPG, Schritte durch die eingestürzten Hallen, Glas knirscht unter den Schuhen) AUTOR Unendlich weitläufig ist die Landschaft Vorpommerns, unendlich groß erscheinen die Felder und Wiesen. Kleine Straßen, Plattenwege oder auch unbefestigte Feldwege führen von Dorf zu Dorf, Siedlung zu Siedlung, Gutshaus zu Gutshaus. Hier, am Rande der Gemeinde Alt Tellin, verfällt eine alte LPG. Die Ställe sind teilweise eingestürzt. In den Ruinen sollen sich Fledermäuse und Wildbienen angesiedelt haben, sagt man. Um die alten Ställe herum haben sich Gräser, Lupinen und Kamille breitgemacht, ein Stück hinter den alten Mauern beginnt das weite Ackerland. Die Natur hat sich ihr Terrain eindrucksvoll zurückgeholt. Doch das wird wohl nicht mehr lange so bleiben. OT (Jörg Kröger Bürgerinitiative Alt Tellin) Na, was hier geplant ist... AUTOR ... sagt Jörg Kröger von der Bürgerinitiative "Leben am Tollensetal" OT (Kröger) ... was hier geplant ist, ist schlicht und einfach Europas größte Ferkelzuchtanlage, 10.500 Muttersauen sollen pro Jahr 250.000 Ferkel werfen, und die sollen dann in dieser Anlage bis zu einem Gewicht bis zu 30 Kilo als sogenannte Läufer verbleiben, und dann kann man sich überlegen, wie viele Mastanlagen im Zehntausenderbereich man dann in der Umgebung zusätzlich brauchen wird. AUTOR Auf den Mauern der verfallenden LPG prangen Graffiti: "Tiere sind keine Ware", "Landwirtschaft fürs Dorf statt Profit fürn Investor" steht dort etwa, oder schlicht: "Keine Schweinemastanlage". Bei einer "Schweinefabrik", wie mancher hier das geplante Projekt bezeichnet, fallen einem zuerst Geruchsbelästigung, Abwasserbelastung und natürlich gewisse ethische Bedenken ein. Doch hinzu kommt: Die Ferkelaufzuchtanlage in Alt Tellin wird auf Ackerland gebaut werden, das versiegelt werden muss. Das wird nicht ohne Folgen bleiben: Für den Wasserhaushalt, für biologische Prozesse und den Austausch von Arten. OT (Wilfried Schumacher, Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt) Wenn dieses Vorhaben dann erbaut werden sollte, dann werden es, äh, 71.390 Quadratmeter etwa sein, also circa 7,1 Hektar ... AUTOR. .. sagt Wilfried Schumacher vom staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt, das das Vorhaben genehmigen muss. 7,1 Hektar, das sind etwa zehn Fußballfelder. Doch das Problem sind nicht einzelne Projekte sondern ihre Summe, sagt Georg Nikelski, der für die großen Umweltverbände Mecklenburg-Vorpommerns arbeitet. OT (Georg Nikelski) Vor allem, wenn Sie dabei bedenken, dass in diesem Land, Mecklenburg-Vorpommern, und da komm ich jetzt mal auf einen etwas größeren Bogen, innerhalb der letzten 15 Jahre, also von 1991 bis 2006, hat sich die Bevölkerung um zehn Prozent reduziert. In dem gleichen Zeitraum ist die Flächenversiegelung um dreißig Prozent angestiegen. AUTOR Aber Arbeitsplätze, und wenn es in diesem Fall auch nur gute drei Dutzend sein werden, sind ein starkes Argument in einer Region, in der die Arbeitslosenquote um die Zwanzig-Prozent-Marke pendelt. Der Gemeinderat hat die Pläne des Investors mit fünf zu drei Stimmen für gut befunden. Investieren will der Holländer Adrian Straathof, der in seiner Heimat bereits wegen Umweltdelikten verurteilt wurde. Bürgermeister Frank Karstädt ist klarer Befürworter der Pläne. Und er ist sicher: Der Gemeinderat hätte das Vorhaben gar nicht stoppen können, selbst wenn er gewollt hätte. OT (Frank Karstädt) ... weil, das wird nach dem Imissionsschutzgesetz entschieden, und die Gemeinde hat da nur ein ... also muss das gemeindliche Einvernehmen erteilen, und dat is am Baugesetzbuch gebunden, ganz klar, Paragraph 35, und nach diesen Richtlinien kann die Gemeinde das gar nicht ablehnen. AUTOR Tatsächlich regelt Paragraph 35 des Baugesetzbuches das sogenannte "Bauen im Außenbereich" - und will damit - eigentlich - landwirtschaftliche Betriebe privilegieren. OT (Georg Nikelski) ... denn das ist ja das Problem, wenn denn das Genehmigungsverfahren erst mal im Gange ist, dann gibt es eigentlich einen Automatismus, dass zu genehmigen ist, und wir haben dafür eben in Paragraph 35 des Baugesetzbuches einen Privilegierungstatbestand, der, wenn man das hinterfragt, eigentlich ganz deutlich macht, dass der Gesetzgeber das so nicht gemeint haben kann. Der Gesetzgeber wollte die Landwirtschaft, die bäuerliche Landwirtschaft, privilegieren, dass ein Landwirt auch einmal an einer anderen Stelle, außerhalb seines Hofes, auch einmal einen Milchviehstall für 50 oder 80 Milchkühe bauen kann, und die organische Entwicklung eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht behindern durch diesen Privilegierungstatbestand. Aber ganz gewiss nicht, dass zehntausende Mastschweine oder zehntausend Muttersauen gehalten werden sollen. Und dafür sogar noch gesetzlich privilegiert werden. AUTOR Und damit wird aus der umstrittenen Privilegierung de facto eine Regelung, die die Versiegelung von Grünflachen fördert - denn "Bauen im Außenbereich" bedeutet in der Landwirtschaft in der Regel, dass Ackerland bebaut wird. Doch das staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt- die Genehmigungsbehörde - hat streng nach dem Gesetz zu prüfen und zu entscheiden - vor allem nach jenem Paragrafen 35 des Baugesetzbuches und gemäß dem Immissions-Schutzgesetz, mit dem Umweltbelastungen begrenzt werden sollen. Spielraum gibt es da keinen, egal, ob es um den Standort, um politische oder um ethische Fragen geht. Wilfried Schumacher: OT (Wilfried Schumacher) Es ist tatsächlich so, die Entscheidung, an welchem Standort eine solche Anlage errichtet werden soll, liegt beim Antragsteller, es ist so, dass die Genehmigung nach dem Bundesimissionsschutzgesetz, wenn sie denn hier erteilt werden würde, eine gebundene Entscheidung ist, die Genehmigungsbehörde hat also keine Möglichkeit, auf die Standortwahl Einfluss zu nehmen, wenn alle Bedingungen des Bundesemissionsschutzgesetzes erfüllt werden, dann hat der Antragsteller Anspruch auf die Genehmigung, sie ist ihm zu erteilen, er kann sie sogar einklagen. OT (Georg Nikelski) Wenn es an diesem Standort ein Raumordnungsverfahren gegeben hätte, das heißt, wenn man verschiedene Standorte geprüft hätte, dann wäre natürlich auch die Möglichkeit gewesen, auf bereits vernutzte, versiegelte Flächen zuzugehen, also wir haben unweit von dieser Region einen ehemaligen Flughafen, der komplett versiegelt ist, und abgesehen davon, dass man eine solche Anlage vielleicht auch nirgendwo gerne haben möchte, jedenfalls hätte man die Versiegelung vermeiden können. AUTOR Mehr als 100 Hektar Fläche werden in Deutschland jeden Tag versiegelt. Die Bundesregierung hat bekundet, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2020 von 100 auf 30 Hektar täglich senken zu wollen. Doch wie soll das gehen? Es müsste wohl verzichtet werden. Aber hat aus Umweltgründen eine Bundesregierung jemals auf den Bau einer Autobahn verzichtet? Jemals ein Bürgermeister auf ein neues Gewerbegebiet? Jemals eine Familie auf den Bau eines Einfamilienhauses? Seit 2007 fördert ein EU-Programm die Renaturierung, also Entsiegelung, von Industriebrachen in Mecklenburg-Vorpommern, erzählt Georg Nikelski. Die Bilanz: Null Hektar. Nicht ein einziger Förderantrag wurde in drei Jahren gestellt. Gegen die in Alt Tellin geplante Schweineaufzuchtanlage und die dafür notwendige Versiegelung von 7 Hektar Acker wehrt sich die Bürgerinitiative "Leben am Tollensetal". "Bauernhöfe statt Agrarfabriken" ist das Credo. Mitbegründet hat die Initiative Jörg Kröger - er betreibt "sanften Tourismus" in der Region, bietet in seinem liebevoll restaurierten Gutshof Ferienwohnungen für Ruhesuchende an. OT (Jörg Kröger) Zu Anfang denk ich, dass erst mal 80 Prozent der Leute ungeprüft gesagt haben: Och, wir hatten hier immer Schweine, ist doch gut. Durch diese Argumentation haben wir dann eine Unterschriftensammlung durchgeführt in Alt Tellin, und knapp 60 Prozent der Wahlberechtigten haben unterschrieben gegen diese Anlage. Wir haben hier Sternmärsche organisiert wirklich in Alt Tellin mit Teilnehmerzahlen so von 300-400 Leuten, und das ist hier für diesen ländlichen Raum also unerhört. Also das konnte man sich vorher gar nicht vorstellen. OT (Frank Karstädt) Viele sind doch ... AUTOR ... davon ist allerdings Bürgermeister Karstädt überzeugt ... OT (Frank Karstädt) ... zu mindestens nicht gegen diese Anlage. Also sie haben verstanden, dass Arbeitsplätze gebraucht werden, Und dat dat in dieser Region eigentlich nur über die Landwirtschaft geht. Denn der Tourismus bietet kaum Arbeitsplätze hier. ATMO (Autofahrt ins Dorf, Auto abstellen, Dorfatmo) AUTOR Tatsächlich beginnt der Tourismus in dieser Region sich gerade erst so richtig zu entwickeln. Das Tollensetal wird zunehmend beliebter bei denen, die Erholung und Ruhe in der Natur suchen. Die Tollense, die hier durch die Felder und Wiesen, vorbei an Schlössern und Gutshäusern mäandert, ist vor allem bei Kanutouristen beliebt. Soeben erhielt die Region mit dem "Eden Award" eine hohe Auszeichnung: Darin setzte sich die Flusslandschaft von Peene und Tollense im Wettbewerb um nachhaltigen Tourismus als bundesweiter Sieger durch. Der Ortskern von Alt Tellin. Ruhig. Fast menschenleer. ATMO (Hund bellt plötzlich) AUTOR Hier passen die Hunde noch auf die Grundstücke auf. Und wenn Journalisten ins Dorf kommen, wird mancher hier recht einsilbig, denn Journalisten kommen zurzeit meistens ... OT (Umfrage) Wegen der Schweinefabrik? Nee, da will ich nix ... Ne! Ich hab keine Zeit, ich hab Besuch! Ich komm aus der Landwirtschaft. Mein Großvater, mein Vater waren beide Bauern. AUTOR Die Landwirtschaft war lange Zeit der einzige nennenswerte Arbeitgeber in der Region. Sie hat die Landschaft und die Menschen geprägt. Längst jedoch sind die Zeiten vorbei, in denen die Massen in den Produktionsgenossenschaften Arbeit gefunden haben. Die Stimmung ist nicht gut in Alt Tellin. Der Bürgermeister: OT (Frank Karstädt) Man muss sich einig werden. Also ich sag mal, die Emotionen sind sehr hochgekocht worden, ich sach ma, teilweise sind die Auseinandersetzungen auch nicht mehr ganz fair geführt worden, aber letztendlich ist dieset Gebiet, wo der Stall mal entstehen soll, privilegiertes Gebiet für Landwirtschaft oder landwirtschaftliche Industrie, und laut Flächennutzungsplan und Gemeindeentwicklungskonzept haben wir den Schwerpunkt für Tourismus in der anderen Richtung gelegt, also an der anderen Seite von der Tollense, und ich bin der Meinung, und viele andere Leute auch, dass sich das zusammen überhaupt nicht stört. Also dat kann beidet nebeneinander gut existieren. ATMO (Fahrt) AUTOR Ein paar Kilometer außerhalb des Dorfes liegt Neu Tellin. Neu Tellin besteht aus nur einem Haus, das inmitten der endlos weiten Felder liegt. ATMO (Schritte, Vogelgezwitscher) Das alte, backsteinerne Bauernhaus ist umgeben von Bäumen und einem Wildgarten. Ein paradiesisch anmutendes Naturidyll. Jochen Löber, der 1986 aus Berlin nach Neu Tellin kam, betreibt hier mit seiner Frau eine Töpferei. Und ist damit ebenfalls ein Teil des sich zunehmend entwickelnden "sanften Tourismus" in der Region OT (Jochen Löber) Also das hat mit dem Paradies hier an meinem Ort nicht so viel zu tun und man könnte sich auch trösten damit: OK, das sind drei Kilometer Luftlinie, windabgewandte Seite. Aber ich sehs genau im großen Zusammenhang. Flächenversiegelung nimmt eine Größenordnung ein, die letztendlich als Gesamtsumme zu sehen ist. Und wenn ich sehe: Dort war zu DDR-Zeiten eine kleine Anlage, mit 4.000 Schweinen, wenn man sich überlegt, jetzt kommen da eben 250.000 Ferkel im Jahr, plus diese angedachten 10.000 Sauen, die natürlich diese Ferkel hervorbringen, alsodass auf dieser Fläche eine Versiegelung im Verhältnis stattfinden wird, die unverhältnismäßig ist, zumal wir diesen Zentralismus bei der Tierhaltung sowieso ablehnen. AUTOR Löber sitzt auch für die Grünen im Alt Telliner Gemeinderat. Bei den Kommunalwahlen 2009 - da war die Debatte um die geplante Schweineaufzuchtanlage längst entbrannt - erzielten die Grünen in Alt Tellin 15 Prozent der Stimmen - rekordverdächtig für die ansonsten in der vorpommerschen Provinz kaum existente Partei. Die letzten Meter zur Töpferei nach Neu-Tellin führt ein unbefestigter Feldweg. Käme eben niemand auf die Idee, für ein einziges Haus eine Asphaltpiste zu ziehen? Denkste! Auch so etwas kommt vor, sagt Jörg Kröger. Er und die Bürgerinitiative "Leben am Tollensetal" haben auch an anderer Stelle, zum Beispiel in Alt Tellins Nachbargemeinde Daberkow beobachtet, wie mit zweifelhaftem Nutzen Flächen versiegelt werden. OT (Jörg Kröger) ... also hier hinten sehen Sie quasi wie der Feldweg ursprünglich gewesen ist, da ist nämlich das Gebiet der Nachbargemeinde, da wurde nicht asphaltiert, der endet also im Prinzip an dieser Stelle mitten in der Walachei ... Also es ist kein Gewinn, dass dieser Weg jetzt asphaltiert ist. Sondern das war ein Feldweg, der war so glatt, da konnte man vorher auch mit dem Auto 100 fahren. Und da muss man einfach eben auch noch wissen: Der gemeindliche Anteil war ungefähr 80.000 Euro, aber insgesamt hat das Ding ne dreiviertel Million gekostet. Und da fragt man sich einfach: Was ist das für eine Art und Weise, ne Dreiviertelmillion im Acker zu vergraben für nüscht und wieder nüscht? Es gibt kein Haus links und rechts! Nur landwirtschaftliche Flächen. Und da soll mir doch keiner erzählen, wer den ganzen Tag aufm Acker auf- und abgefahren ist, dass der abends einen asphaltierten Weg braucht, um die ein Kilometer bis ins Dorf zu schaffen! ATMO (In der alten LPG, Glas knistert unter Schuhen) AUTOR Auf dem Gelände rund um die alte LPG ist es ruhig - noch. Die Entscheidung, ob Europas größte Ferkelaufzuchtanlage hier auf die Äcker gebaut wird, könnte schon Mitte August fallen. In Alt Tellin rechnet jedoch kaum jemand mehr damit, dass das Vorhaben noch zu verhindern ist. OT (Georg Nikelski) Wir müssen uns genau überlegen, wofür wir Verkehrswege brauchen, wofür wir überhaupt Gebäudeversiegelung brauchen, welchen Zweck erfüllt das? Sie müssen für die Menschen da sein. Und da stellt sich die Frage, ob das wirklich an allen Stellen, wo versiegelt, wo gebaut wird der Fall ist. Also noch einmal zurücklehnen, vorher fragen: Brauch ich das wirklich? Und was brauch ich gegebenenfalls stattdessen? -ENDE 1 - MOD Wir bleiben in Mecklenburg-Vorpommern und kommen zu einer ganz anderen Sorge in Sachen Landschaft. Stichwort: Seenprivatisierung. Ein großer Teil der Wasserflächen im Osten Deutschlands gehört nicht den Ländern - sondern dem Bund. Und der soll - so steht es im Einigungsvertrag diese Flächen privatisieren. Für die Umsetzung zuständig ist die Bodenverwertungs- und verwaltungs- GmbH, eine Nachfolgeeinrichtung der Treuhandanstalt. In Brandenburg hat man damit bereits Erfahrungen gesammelt - nicht immer positiv - und so formieren sich in Mecklenburg-Vorpommern Bürgerinitiativen um den Verkauf "ihrer" Seen zu verhindern - Peter Marx berichtet: Beitrag 2 - Seenprivatisierung Mecklenburg-Vorpommern - das Beispiel Malchiner See (Peter Marx) ATMO (Sturm) AUTOR Es braut sich was zusammen am Malchiner See. Dicke dunkle Wolken am Horizont kündigen einen Sommersturm an. Die ersten kräftigen Windböen drücken die breiten Schilfgürtel am Ufer runter. Auf dem See werfen Angler die Motoren ihrer kleinen Schiffe an. Sie wollen rechtzeitig vor dem Sturm im Hafen sein. Wie die Stimmung auf dem See, ist auch die Stimmung von Umweltminister Til Backhaus, sobald er sich dem Thema Seenprivatisierung widmen muss: OT (Backhaus) Mecklenburg-Vorpommern ist der Auffassung, dass wir von der Bundesregierung erwarten, dass die Gewässerflächen in unserem Lande, die im Besitz der Bundesregierung sind, nicht privatisiert werden. AUTOR Der Minister hebt eine Akte an und kommt so langsam in Fahrt. Was in Brandenburg passiert ist, sagt er, darf in Mecklenburg-Vorpommern nicht passieren. Die Akte liegt wieder ruhig auf dem Tisch, seinen Ärger über die Bundesregierung kann er kaum zügeln: OT (Backhaus) Zunächst erwarten wir, dass uns der Bund, also die Bundesregierung eine eindeutige Liste der im Eigentum befindlichen Gewässer vorlegt. Man muss sich mal vorstellen, wir haben 20 Jahre nach der deutschen Einheit und die Bundesregierung weiß bis heute nicht, welche Gewässer ihnen eigentlich gehören. Das finde ich schon mal einen unglaublichen Vorgang. AUTOR Am Malchiner See haben sich die Einheimischen bereits zur Bürgerinitiative "Pro Malchiner See" zusammengeschlossenkurz nachdem die ersten Gerüchte über einen möglichen Verkauf des Sees bekannt geworden sind. Wolfgang Heine, stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Basedow, fast die Ängste der Menschen am See zusammen OT (Heine) Wer hier über eine Million bezahlt, um den See zu kaufen der wird auch sehen, dass er sein Geld wieder einspielt und eine möglichst hohe Rendite dazu. Und da drin sehen wir das Problem. AUTOR Die Mitglieder der Bürgerinitiative befürchten, dass ein künftiger Investor Miete für die eigenen Bootshäuser und Bootsstege verlangt, die sie selbst gebaut und bezahlt haben. Sie verweisen dabei auf eben diese Erfahrungen rund um den privatisierten Wandlitzsee in Brandenburg. OT (Umfrage) Für uns ist wichtig, dass die touristische Infrastruktur, die Grundinfrastruktur in der öffentlichen Hand bleibt um auch Unternehmern die Möglichkeit zu geben, mit dieser Infrastruktur einen Erwerb für sich aufbauen zu kommen. Unser Strand gehört uns allen und den Kinder, und müsste nach wie vor kostenfrei genutzt werden können. Das wird auch als ein Stück Heimat empfunden und die Privatisierung als Einschränkung der persönlichen Freiheit, als Aufbauen von Barrieren die das nicht mehr als Heimat empfinden lässt. AUTOR Der Malchiner See ist rund acht Kilometer lang und streift die Landkreise Demmin und Güstrow. Der See liegt im Naturpark Mecklenburgische Schweiz und hat schon aus diesem Grund für den Umweltminister eine besondere Bedeutung. Hinzu kommt, dass das Land bereits Miteigentümer des Sees ist. OT (Backhaus) Wir haben den Malchiner See, der hat insgesamt 780 Hektar Gewässerfläche und davon gehört die Hälfte der Bundesrepublik Deutschland, also dem Steuerzahler und die andere Hälfte gehört dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Jetzt kommt der Bund auf die geniale Idee, eine Heuschrecke oder einen Investor zu suchen, der diese Gewässerfläche kauft. Mecklenburg-Vorpommern hat dann das Problem, das wir gegebenenfalls den See von der einen Seite oder anderen Seite nicht mehr betreten dürfen, weil dort ein Privateigentümer existent ist. AUTOR Noch ist offen, wann die bundeseigene Bodenverwertungs- und verwaltungsgesellschaft die Seen in Mecklenburg-Vorpommern zum Verkauf anbietet. Vorerst darf sie nicht. So lautet eine Entscheidung, die das Landesumweltministerium mit dem Bundesfinanzministerium ausgehandelt hat. Weitere Verhandlungen mit dem Bund laufen. Backhaus schwebt eine unentgeltliche Übertragung der Seenflächen vor - denn Geld, um die Seen zu kaufen, hat weder das Land, noch Kreise und Kommunen. Thomas Diesterheft, stellvertretender Landrat von Demmin fasst zusammen: OT (Diesterheft) Allein die finanziellen Belastungen, die aufzubringen wären für so einen See zu kaufen, aber vielmehr auch zu unterhalten, würde die Finanzkraft der Landkreise der Städte und Gemeinden im Land, glaube ich, insgesamt übersteigen. AUTOR So bleibt dem SPD-Minister Backhaus vorerst nur die Hoffnung, dass die CDU-Kanzlerin Angela Merkel für ihre alte Heimat einspringt und ihren Finanzminister überzeugt, dass die Seen im Land ihr nur Ärger bringen, wenn sie tatsächlich an Privatinvestoren verkauft werden. -ENDE SENDUNG - 1