COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandrundfahrt 14.03.09 Gramschatzer Wald Autorin: Sabine Korsukéwitz OPENER MIT MUSIK O-Töne über die Musik 01 Kurs Wer arbeitet gern, wenn?s nicht Krach macht und stinkt? Zumindest, soweit es die Herren der Schöpfung betrifft. Was mit Motor ist einfach mehr Herren gerecht... (Säge anlassen) Achtung! Baum fällt! 02 Metzger Da war der Wald wie geleckt, wie geleckt! (Zwischenruf: sauber!) Da war kein Steckele da gelegen, nee! Die sind täglich, Rimpar wie Gramsschatz, sind die mit dem Handwagen raus gefahren und haben das Zeug heim geholt. 03 Schömig Ding haben wir rausgeholt ? Maikäfer für die Hühner. Da war was los im Hühnerstall, ne? Wie die Narren sind sie rum im Hühnerstall! haben sich gebalgt danach! 04 Losert Da hats die sogenannten Wallwedel gegeben, da hat man unterwegs geschaut, dass man, wenn man am Wald vorbei gekommen ist, einen Fichtenwedel aufgegabelt und hat ihn dann mit Süßigkeiten behängt und den haben dann die Kinder beim Nachhausekommen von der Wallfahrt als Mitbringsel gekriegt, das war ein highlight! Geräusch 1 Specht hämmert (sehr kurz) Spr.v.D. ?Barfußpfad und Duftorgel. Autobahnausfahrt Gramschatzer Wald in Bayern?, eine Deutschlandrundfahrt mit Sabine Korsukéwitz. Openermusik ausbl. 05 (Verkehrsfunk Bayern 3: Stau an der Ausfahrt Gramschatzer Wald im Autoradio-sound bitte) Atmo 1 Autobahnlärm, dann Übergang zu Atmo 2 Autorin Wieder mal im Stau. Wir sind auf der A 7 nahe Würzburg - in Franken wenn man es genau und historisch nimmt. Die Abgase stinken, der Krach nervt, die Kinder nörgeln... Warum nicht einfach runter von der Autobahn? Ausfahrt Nummer 100: Der Name klingt interessant: Gramschatzer Wald... ! ?Gram? und ?Schatz? und ?Wald? ? was da wohl für eine Geschichte dahinter steckt? Atmo 2 Barfußpfad (Schritte und entfernte Autobahn/wie unter O-Ton) 06 Graf Wenn man gerne Autos sieht ist das eine tolle Stelle hier... Autorin ... sagt Wolfgang Graf, Förster im Gramschatzer Wald und Leiter des Walderlebniszentrums. Er selbst sieht nicht gern Autos und ist aus seinem Wald nur herausgekommen, um uns den Barfußpfad am Autohof zu präsentieren, gedacht, um müde Autofahrer zum pausieren zu verlocken. 07 Graf Man kann da jetzt praktisch den Rundweg, das geht jetzt da parallel zur Autobahn ... und das sind dann so etwa drei Kilometer, und, ja so wie bei allem Barfußpfaden ist eben das Wichtige wieder mal mit nackten Füßen zu laufen um mal wieder festzustellen, dass man Füße hat, weil das geht uns ja ziemlich ab in modernen Zeiten, wir schützen ja unsere Füße immer mit Schuhen und hier an dem Barfußpfad, da gibt es eine Matschkuhle, das ist natürlich für Kinder der Hit, aber ich weiß nicht, ob es jeder Erwachsene so gern hat, wenn?s zwischen den Fußzehen so durchquackert und durchquatscht ... Musik 1: Haindling 1 (Vogelthema) (gesamt 2:48) Interpret: Haindling Titel: Frühlingsthema 1 CD: Vivaldi VierJahreszeiten Track: 3 Komponist: Vivaldi, Bearb.:Hans-Jürgen Buchner Text: - LC/Best.-Nr.: oo116 DLR- Archiv#: 92-16105 Autorin Plötzlich erinnern sich die Fußsohlen an Gefühle aus den Ferien oder sogar aus der Kindheit: piekiges Gras und weiches, feuchtes Moos; sanftes Versinken in sonnenwarmem Sand; kühle, rundliche Kiesel, die zwischen den Zehen stecken bleiben; die Rundung von Baumstämmen, das Kitzeln von Rindenstückchen an der bloßen Haut. Einen Vorgeschmack von Wald kann man bekommen, Schulklassen und Kindergärten kommen gern hierher, aber die Autofahrer...? 08 Bedienung ... eher weniger, weil grad wenn das Familien sind, die auf der Reise in den Urlaub sind oder aus dem Urlaub heraus, die lassen sich nicht durch so was unterbrechen. Normalerweise soll das so sein, dass sie eine halbe Stunde Entspannung haben oder so, aber das wird nicht so oft genutzt. Autorin Weiter, weiter hetzen, dabei ist Erholung total ganz nah und gratis zu haben: Direkt an der Autobahn beginnt der Gramschatzer Wald, 4000 Hektar Ruhe, grün-goldene Schatten, Laubrascheln, Vogelgezwitscher.... im Frühling duftet Waldmeister unter den Bäumen? Atmo 3 Waldatmo mit Vögeln (Frühling/Laubwald) (wahlweise auch Atmo 4: ruhiger) 09 Graf Also hier das ist die Stelle, nennt sich Wildererkreuz und da sind zwo Kreuze da, das eine ist da vorne, ist nicht mehr als Kreuz erkennbar, ist irgendwie verschlagen worden, das soll angeblich zu dem Wilderer gehören und hier, das andere, was noch komplett da steht, das soll eben dem Förster gehören. Die sollen angeblich auf einander geschossen haben (Stimme oben) Autorin Wildern hat Tradition in der Gegend, aber auch Vegetarier kämen im Wald auf ihre Kosten, wenn das Wissen nicht verloren gegangen wäre: G 1 Specht noch mal kurz 10 Graf Ja also da gibt?s zum Beispiel frische Fichtentriebe, die könnte man da essen, aber hier hab ich meine Lieblingssorte, das sind die Knospen von der Linde, sind superlecker (beißt ab) darf ich mal anbieten ? (lacht) Also ich möchte jetzt mal ihr Urteil hören, da! Autorin Na ja, schmeckt ... irgendwie grün. 11 Graf Was es gibt im Wald sind Kräuter oder jetzt die Bucheckern, die man essen kann, oder früher Eicheln die geröstet werden als Kaffeeersatz; Pilze natürlich und auch von den Wildobstbäumen: Wildbirne, Wildapfel, oder Speierling, sind so kleine Früchte; heute noch wird ein spezieller Schnaps draus gebrannt und in Fruchtwein kommt das mit rein. (hier bitte O-Ton auftrennen und kurz Atmo rein) Was wir hier im wald haben: Im Frühjahr Bärlauch ist ja ein Begriff, ist momentan wieder eine ?In?Pflanze. Früher sind ja da auch so Tinkturen gemacht worden aus Nadeln, das ist ja vor 20, 30 Jahren wieder mehr ins Bewusstsein gekommen, aber das ist ja auch traditionell genutzt worden. Musik 1: Haindling 1 Akzent Übergang zu Atmo 5 Motorsägenkurs (Motorsäge kurz frei stehen lassen, dann Atmo unter Autorin zum verbinden) 12 Kurs Da haben wir auf jeden Fall mit der Kirsche da drüben so unsere Schwierigkeiten, wenn wir da rein wollen, (Zwischenrufe), und was fällt noch auf? (Zwischenrufe) Aha, die Tatsache, dass der Specht da seinen Bau rein macht, nachdem der auch nicht dusslig ist, macht der nicht in einen gesunden Baum seine Höhle rein ? ist der also auch nicht mehr so furchtbar stabil. Bei solchen Bäumen muss man auch immer damit rechnen, wenn ihr da Schwamm dran seht, wenn der vorbeifällt, dass der Stamm nachher die Krone nicht halten kann, wenn der richtig Druck kriegt, Gefahr weitgehend gebannt. Autorin Früh am Morgen. Die ersten Sonnenstrahlen bahnen sich dampfende Lichtschneisen zwischen den Baumstämmen und bringen das Buchenlaub vom vorigen Jahr zum aufleuchten. Eine Gruppe von Männern mit Helmen auf den Köpfen umsteht einen Mann im signalroten Overall. Gramschatzer Wald ist teils in Staats- und teils in Kommunalbesitz. 7% sind in privater Hand. Hier in der gegend wird noch viel mit Holz geheizt. Und weil es jährlich Tote und Tausende von Verletzten beim Baumfällen und Holzmachen gibt, bietet der bayerische Staat preiswerte Motorsägenkurse, die immer populärer werden. 13 Kurs Es verdichtet sich alles, dass wir die Rückweiche da rüber haben wollen. Und dann könnt euren Fällschnitt auch entsprechend anlegen. Gut. Wenn das alles soweit geklärt ist und wir haben das Zeug weg geschnitten ... Autorin ... dann wird?s jetzt ernst. 14 Kurs (Säge, Keilschläge) Aaaaachtung! (Baum fällt) (Stimmen unverständlich, ausblenden/Übergang zu Musikakzent) Musikakzent : weiter 1 Haindling 1 (Vogelthema) Autorin Forst- und Holzwirtschaft ist immer noch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, aber nicht nur als reiner Holzlieferant. Im Wald hat seit einigen Jahrzehnten ein Umdenken eingesetzt: Nachhaltigkeit heißt das Stichwort und das bedeutet zum Beispiel: naturnahe Aufzucht, statt schnell wachsender Fichtenpflanzungen, also: wachsen darf, was aus Nuss, Eichel und Samen aus dem Boden keimt. Und der Wald darf ruhig auch mal unordentlich aussehen. 15 Graf So Holz was rumliegt ? das zersetzt sich jetzt. Wir können kurz mal reinschauen: (Geräusch) und dann sehen wir, das ist in einem Verrottungsprozess, das Holz löst sich langsam auf, der Kohlenstoff geht langsam in die Atmosphäre wieder raus, also wenn wir jetzt das Holz in den Ofen rein stecken ? paff ? ist der Kohlenstoff ja wieder sofort in der Atmosphäre und hier das geht ganz langsam und hier, da sieht man wunderbar, wie die Pilze sich da rein ziehen in das Holz und nach und nach zersetzen, das nennt man dann Mulmholz, da gibt?s dann Hirschkäfer oder Eremiten, die sind auf solches Holz angewiesen. Autorin Heute ist der Gramschatzer Wald ein gesunder Laubwald, hauptsächlich Buchen und Eichen stehen hier, dazu Ahorn, Eschen, Linden und einige selten gewordene Wildobstbäume. Die Fichte, die man früher angepflanzt hat, möchte man gern nach und nach loswerden. 16 Graf Die hat eigentlich nie so richtig hierher gepasst. Im Zuge vom Klimawandel wird diese Baumart hier keine Chance mehr haben. Die Lärche ist auch so ein Verlierer. Und momentan, was auf dem Versuchsfeld passiert, ist eben Baumarten auszutesten, die den zukünftigen klimatischen Bedingungen angepasst sind und dann mit einzubringen, um mittel und langfristig dem Wald eine Zukunft zu geben. Autorin Um dem homo automobilensis das geheime Baum- und Tierleben wieder näher zu bringen, ist mitten im Forst ein ?Walderlebniszentrum? eingerichtet worden. Gleich neben einem alten Fachwerkhaus, dem Waldhaus Einsiedel, seit dem 18. Jahrhundert Ausflugslokal der Würzburger, steht ein einstöckiges Blockhaus aus Kiefernholz und Glas, das sich angenehm in die Umgebung fügt. Hier können Einzelwanderer oder Gruppen Führungen buchen, am Besucher-Computer recherchieren oder wechselnde Ausstellungen anschauen. Eine Attraktion ist die Duftorgel... 17 Graf Das sind sechs verschiedene Düfte und da kann man dann auch seine große oder kleine Nase dran testen, ob man die Düfte erkennt ... weil wir verkommen immer mehr zu Augenmenschen und so richtig mal Naturdüfte zu erleben kommt selten vor 8und das wollen wir hier ermöglichen. Also da drücken und die Nase gleichzeitig drüberhalten. ( Blasebalg) Autorin Holunder? Geräusch 2 Duftorgel Autorin Bienenwachs? Geräusch 3 Duftorgel Autorin Das kenn ich: Latschenkiefer! Geräusch 3 Duftorgel Musik 2 Sarah Mc Lachlan ?blackbird? Interpret: Sarah Mc Lachlan Titel: ?blackbird? CD: Track: Komponist: Lenon, McCartney Text: LC/Best.-Nr.: Sony, 01801 DLR- Archiv#: Autorin In der geräumigen Küche des Walderlebniszentrums Gramschatzer Wald beginnt es nach Kaffee zu duften, Streuselkuchen steht auf dem Tisch. Die ?Waldmädli? kommen zu Besuch und erzählen, wie es früher war. Auf einem alten 50 Pfennig-Stück kann man noch so ein Waldmädchen sehen, da hat man ihnen ein Denkmal gesetzt: Eine Frau kniend am Boden, die eine junge Eiche pflanzt.... 18 Schraut Wir sind aus der Schule rausgekommen, Lehrstelle war schlecht, da hast du ja nix gekriegt, ich hab als Näherin, hab ich mich beworben gehabt, aber: bist halt nicht genommen worden, gel? Geld wolltest du verdienen, dann hat?s geheißen: die suchen Mädchen im Wald. Autorin Durch Monokulturen, Schädlinge und Kahlschläge in Kriegszeiten waren die deutschen Wälder überall stark geschädigt. Und nach dem Krieg wurde wegen des Wiederaufbaus und als Reparationsleistungen noch einmal viel zu viel Holz entnommen. Wiederaufgeforstet wurde damals noch weniger mit Laubbäumen, sondern mit allem was schnelle Erträge versprach: Fichten, Douglasien, Kiefern. - Die Bezahlung erscheint heute gering. 19 Schraut 50 Pfennig die Stunde, aber das war viel Geld damals. Dann hast du geschafft so von März, April, Mai wurde noch gepflanzt und wenn das fertig war, war einmal eine kurze Pause, vielleicht zwei, drei Wochen, dann ist es schon wieder angegangen mit ausgrasen, die Pflanzen frei gemacht von Unkraut mit der Sichel, weil sonst wären sie ja erstickt. 20 Metzger Wir mussten halt erst die Riefen machen, dass man die Pflanzen können setzen hat. (Zwischenruf Schraut: da haben alls die Männer...) Das Riefen war schwere Arbeit. Das war wirklich schwere Arbeit. Und auf dere Riefe ist nachher das Gras drauf gelegt worden ? mulchen, ja! 21 Schraut Im Spätherbst ist nur noch geteert worden. Die Pflanzen, damit da nicht die Rehe abbeißen, die Hasen, weil wenn nur noch a Störzel dasteht, dann ist es aus. Und die sind mit der Bürste, so doppelseitige, haben wir so Eimerli gehabt, eingetaucht und dann hochgestripst, nur die Spitze, ne? Und das hat jämmerlich gestunken. Und das hat das Wild schon abgehalten, ne? Autorin Renate Schraut und Lotte Metzger, die eine ?long und dürr? ? wie man hier sagt, die andere klein und quirlig, stammen beide aus Bauernfamilien. Schon ihre Mütter haben als ?Pflanzweiber? oder charmanter: ?Waldmädli? dazu verdient ? vor dem Krieg gab?s 16 Pfennige pro Stunde. Was haben Sie sich von dem Geld gekauft? 22 Schraut Ich hab damals meinen ersten Staubsauger, Bettwäsche, Aussteuer, alles ein wenig, Geschirr, damals, heute machst du das nimmer, ne? Hast du alles ein wenig angeschafft. 23 Metzger Ich hab mir von meinem ersten ersparten Geld ein Fahrrad gekauft. das hat damals 250 Mark gekostet, und da musste ich fest sparen. Meine Eltern haben nicht viel gehabt, das waren kleine Landwirte, bin ich halt arbeiten gegangen im Wald. Musikakzent/ weiter Haindling 1 (Vogelthema) Autorin Der Wald diente mehr dem Überleben als der Erholung. Und alles konnte man gebrauchen. Wenn?s Pilze gab, dann verzichtete man schon mal auf die Mittagspause, um Abends welche mit nach Hause nehmen zu können, erzählen die beiden, und das Brennholz natürlich? 24 Schraut Eine jede ist da so im Winter, ne, raus und hat sich sein Holz gemacht, selber, ne? Die haben sie umgemacht, dann bist du raus, die Äste hast du gekriegt, konntest du sauber machen, da hast du noch das Feine, das ganz feine zu Reisig-Wellen gemacht. Und damit ist früher angeschürt worden, da hast du keinen Anzünder gehabt, zuletzt ?Tannemuckel? haben wir immer gesagt, die Tannenzapfen haben wir alls mitgenommen, die haben auch schön gebrannt. 25 Metzger Und Wald musste immer sauber sein! Der durfte nicht so wie jetzt ? wird so unten rein gelegt ? das hat?s damals nicht gegeben! Wir mussten alles sauber machen. Autorin Der Förster sagt, das soll so sein wegen der Ökologie: verottendes Laub sorgt für die Bodenverbesserung und das Totholz bietet vielen Tierarten Lebensraum - doch daran können sich die Waldmädli nicht so recht gewöhnen. 26 Waldmädli Metzger Da kommt mir?s Grausen! Schraut Wüst! Wüst! Metzger Da kommt mir das Grausen, wenn ich das seh! Wir sind gewöhnt: sauberer Wald! Ich wenn da nausgehe, sage immer: Um Gottes Willen, und dann wenn sie die Störzel da stehen lassen, das bin ich nicht gewöhnt. Irgendwie werde ich damit nicht fertig! Am liebsten tät ich alles mit Heim nehmen. (lacht) Autorin Und dann gehen die Beiden auf einen Spaziergang in i h r e n Wald, wo mancher große Baum steht, den sie selbst gepflanzt haben. Das ist doch was! G 1 Specht oder weiter Haindling 1 Akzent Autorin Bei so harter Arbeit konnte man beim Essen ruhig zulangen. Ein altes fränkisches Rezept: 27 Waldmädli Schraut: Kartäuserklöß, also am besten sind die Milchweck, man kann aber auch die Kaiserbrötchen nehmen, die tust du ein bisschen abraspeln, dann werden sie geviertelt, dann mach ich Milch und Eier verquirlen, tauch die Viertel da rein, und das Weckmehl, was ich abgeraspelt hab, da tunk ich die wieder rein. Die werden voll gesaugt von den Milch und Eiern, ne, und dann ein wenig gedrückt, dass es wieder ein wenig rausläuft und dann in die Pfanne rausgebacken von allen Seiten angebraten auf Deutsch gesagt, Zimt und Zucker vermischt und dadrin werden die noch gewälzt und die heiß gegessen! Zu Vanillsoß?, Heidelbeeren oder was hast du noch gesagt? Metzger Weinsoße, ich nehm immer Wein, den köchele ich auf mit Zimt und tue Vanillzucker rein und dann tue ich Eigelb rein schlag? und das Weiße heb ich dann extra runter. Und des dazu ?gesse, ach das ist.... ! Schraut Ein Gedicht! Musik 3 Haindling 2 (1:56) Interpret: Haindling Titel: Frühlingsthema 1 CD: Vivaldi Vier Jahreszeiten Track: 1 Komponist: Vivaldi, Bearb.Hans-Jürgen Buchner Text: - LC/Best.-Nr.: 00116 DLR-Archiv#: 92-16116 Geräusch 5 Wildschweine (evtl. Akzernte setzen mit Musik 1 Haindling 1 ? Vogelthema) Autorin Wenig später ist die Küche im Walderlebniszentrum schon wieder besetzt. Dort trifft sich Burkhard Losert, der Bürgermeister der Gemeinde Rimpar, zu der auch Gramschatz gehört mit Helmut Keidel, dem Ortsbauernchef und Albin Emmerling, einem 82-jährigen Jagdpächter. Zunächst geht es um die Wildschweinplage: 28 Keidel Bei uns in Rimpar sind zur Zeit etwa fünfzig Tiere geschossen worden, im ganzen Gramschatzer Wald sind?s etwa Hundert, meiner Meinung nach gehören da noch einmal Hundert weggeschossen! Und dann sind immer noch genug übrig für die nächste Zukunft. Autorin ... sagt Helmut Keidel, ein vierschrötiger junger Landwirt mit rundem Kopf und von der Mütze platt gedrücktem Haar. 29 Keidel Wenn das Wildschwein Hunger hat geht?s raus aufs Feld und frisst dann Mais, Getreide und macht natürlich dem Landwirt einen Schaden; und der Jagdpächter, der hat die Fläche, der muss den Schaden bezahlen, wo normalerweise die Wildschweine beim Staat oder beim Forst sind. Und der Staat will die Wildschweine ein wenig halten, dass die da im Wald den Wald rumpflügen, dass die neuen Sämlinge kommen, muss aber keinen Wildschaden zahlen. 30 Emmerling Sie bemühen sich aber trotzdem viele Wildschweine zu schießen, weil sie sonst Druck kriegen. 31 Keidel Aber nicht so stark wie der Jagdpächter, wo draußen an der Flur die Jagd hat. 32 Emmerling Es sind heute besonders die Schäden deshalb größer: In diesen Orten, wo Biogasanlagen sind, da ist der Anbau von den Feldfrüchten sehr geändert gegen früher. Und zwar werden da lauter großwüchsige Pflanzen gebaut und da drin tun sich die Wildschweine sehr wohl fühlen und vermehren sich auch deshalb viel rascher. Und es sind heute schon Reviere, die aufgrund von diesen Biogasanlagen nicht mehr verpachtbar sind, hat Keiner Interesse dran, weil eben die Schäden so hoch sind. Das kann sehr teuer werden! Geräusch 4 Jagd mit Hunden im Folgenden einstreuen Autorin Interessenskonflikte zwischen Bauern, Förstern, Staatsjägern und Jagdpächtern gibt es immer wieder; die werden heutzutage gütlich behoben. Und auch wenn es der tierlieben aber naturfernen Stadtbevölkerung Leid tut: Geschossen muss werden. Die Überpopulation schadet aber nicht nur dem Wald und den Bauern, sie sorgt auch für Stress und Hunger unter den Tieren. Nur leider ist es gar nicht so einfach mit dem Wildschweinjagd? 33 Keidel Die Wildschweine sind sehr schlau, die kriegt man ganz schlecht! Autorin Albin Emmerling weiß da manche Geschichte zu erzählen. Die Jäger dürfen nämlich nicht einfach in ein Gebüsch hinein schießen, wo sie keine klare Sicht haben: da könnte ja sonst was drin hocken, und die Schweine scheinen das zu wissen. 34 Emmerling Manche lassen sich überhaupt nicht raustreiben, ne! Wenn zum Beispiel so ein alter Keiler ? wir haben hundertprozentig gewusst, da drinnen ist ein Keiler, war frischer Schnee gefallen in der Früh und dann hat man gesehen: da drinnen ist ein Keiler. Wir haben?s durchgedrückt: Nichts! Wir haben?s wieder zurück getrieben: Wieder nichts! Dann die Hunde noch einmal rein ? auf einmal ist er raus. Da waren die Schützen schon nicht mehr so gespannt und haben glatt daneben geschossen, alle. Der Keiler war weg, ne! Keidel Eine schlaue bagage! Geräusch 5: Wildschwein Autorin Das schießen allein sei aber nicht das Wichtigste bei der Jagd, sagt der alte Herr würdevoll. Bewirtschaftung und Pflege gehört mindestens genauso dazu. Für Trophäenjäger aus der Stadt hat er nur Verachtung übrig. Die Frage nach Wilderern dagegen löst Erheiterung am Tisch aus. 35 Emmerling Wilderer hat?s auch gegeben ? früher, ja. Ich könnt einen sagen, aber das mach ich nicht. (Gelächter) Autorin ... und dann gibt?s doch noch Wilderer-Geschichten: 36 Emmerling Und dann war er nachts draußen bei Mondschein mit Gewehr im fremden Revier, wollte was schießen, plötzlich sieht er oben auch einen kommen. Jetzt hat jeder von jedem Angst gehabt. Hat sich?s raus gestellt, dass alle zwei gewildert haben. (Gelächter) Aber wenn ich euch das sagen würde, wer das war, dann würdet ihr dadrüber lachen! (Gelächter) Musikakzent Anfang Musik 4 (Stucky) Autorin Vor dem Krieg hat?s im und um den Gramschatzer Wald noch nicht viele Autos gegeben. Entsprechend selten waren die Kontakte zwischen den einzelnen Dörfern. Allenfalls sah man sich bei den jährlichen Wallfahrten im Mai und im Junierinnert sich Bürgermeister Losert: 37 Losert Das waren früher immer Festtage, wenn man ausgewallt ist, da hat?s die sogenannten Wallwedel gegeben, da hat man unterwegs geschaut, dass man, wenn man am Wald vorbei gekommen ist, einen Fichtenwedel aufgegabelt und hat ihn dann mit Süßigkeiten behängt und den haben dann die Kinder beim Nachhausekommen von der Wallfahrt als Mitbringsel gekriegt, das war ein highlight! Musik 4 Erika Stucky ?blueberry hill? Interpret: Erika Stucky Titel: Blueberry hill CD: Suicidal Yodels Track: 6 Komponist: Lewis, Stock, Rose Text: LC/Best.-Nr.: 05597 , TT4499 DLR- Archiv#: 92-78699 Autorin Deutschlandrundfahrt im Gramschatzer Wald, verwaltungstechnisch: Bayern, historisch: Franken, nahe der alten Bischofsstadt Würzburg. 1015, also in einer Zeit, da Herrscher noch ziemlich großzügig über Land und Leute verfügten, da schenkte Kaiser Heinrich II. dem Hochstift Würzburg ein Gebiet, das dem Gramschatzer Wald ungefähr entspricht, als Wildbann, das heißt als Jagdgebiet. 38 Hamberger Um den Wald besser verwalten zu können haben dann die Fürstbischöfe adelige Förster eingesetzt, das heißt im Umkreis des Waldes saßen da verschiedene Adelige und die hat man zu Förstern gemacht. Den Dienst, den die hatten, den hat man Forstamt genannt, daher der Begriff ?Forstamt?. Sie sollten vor allem die Marksteine beachten, dass die nicht versetzt wurden und sie sollten vor allen Dingen den Fürstbischof als Herrn anerkennen, also nicht glauben das sei ihr eigener Wald. Autorin Das hat natürlich nicht geklappt und so wurde der Gramschatzer Wald zum ewigen Zankapfel mit Klagen vorm Kaiser, Drohungen hin und her, sogar gelegentlichen Scharmützeln. Der pensionierte Ingenieur Edwin Hambacher ist Hobby-Historiker. Wir sitzen im Wappensaal des Grumbacher Schlosses in Rimpar. Die Herren von Grumbach gehörten zu denen, die auf die Würzburger Anordnungen gepfiffen haben... 39 Hamberger Das Ganze uferte soweit aus, dass 1567 wurde ja Wilhelm von Grumbach in Gotha auf grausame Art hingerichtet und noch 1569 musste sein Sohn Konrad einen Gnadenvertrag eingehen, wonach ihm diese Erbförsterwürde völlig entzogen wurde. Autorin Auch das half wenig. Was kümmert?s mich, was der Bischof sagt, der sitzt ja in Würzburg, haben wohl die Grumbacher gedacht. Es wurde gejagt und geholzt, was der Wald hergab und das ging solange, bis der lockere Konrad sein Erbe verjubelt hatte und das Schloss mitsamt dem noch verbleibenden Privatwald an das Hochstift Würzburg abtreten musste. Geräusch 1 Specht Autorin Im 16.Jahrhundert war von den einstigen Urwäldern Deutschlands ohnehin nicht mehr viel übrig und der Fürstbischof verfügte ein Ende der Selbstbedienung: Erste Waldordnungen wurden erlassen, der Anfang einer nachhaltigen Forstwirtschaft. Doch die Verbote trafen in erster Linie die einfache Bevölkerung: das Viehweiden und Laub schneiden wurde eine riskante Angelegenheit, während die Fürstbischöfe weiter mehr verbrauchten als nachwachsen konnte: 40 Hamberger Das ging dahingehend weiter, dass man einfach Unmengen Holz brauchte. Wenn Sie sich überlegen, dass im 18. Jahrhundert riesige Mengen Bauholz entnommen wurden für den Bau der fürstlichen Residenz in Würzburg allein, wenn Sie den Dachstuhl anschauen, was da für ein Holzwerk drin ist, das ist ja ein ganzer Wald! Dann kam natürlich auch das Brennholz für die fürstliche Hofhaltung, für die vielen Schlösser, für die Amtshäuser etc, und es war also auch so, dass es viele Holzrechte gab, das heißt die Beamten hatten ihre Bestallung, auch Holzrechte, eine riesenlange Liste und und das hat dem Wald mit Sicherheit nicht besonders gut getan. Autorin Schloss Grumbach in Rimpar am Waldesrand wurde zum Ausflugshotel für die hohen Herrschaften umgestaltet... Musik 5 Halali (akzentweise dazwischen setzen) Interpret: k.A. Titel: Das große Halali CD: Weidmannsheil Jagdsignale Track: 3 Komponist: - Text: - LC/Best.-Nr.: 12073 , lc 08947 DLR- Archiv#: 92-44120 Autorin Gerechtigkeitshalber muss man sagen, dass es ohne die Jagdleidenschaft der Fürsten heute den Gramschatzer Wald wahrscheinlich gar nicht mehr geben würde, denn sie haben ihn vor Rodung und Zersiedelung bewahrt. Das Jagen allerdings, das war auch nicht so eine sportliche Angelegenheit: 42 Hamberger Johann Philipp Franz von Schönborn, das war auch ein passionierter Jäger der hat also über 140 Gewehre gehabt, teilweise mit vergoldeten Läufen und so weiter, also sehr teuer. Das Jagen selbst das war ein eingesperrtes Jagen, also nicht die hohe Jagd wie man sich das vorstellt hoch zu Pferd, sondern das bedauernswerte Wild war in einem Gehege und die Treiber, die trieben das Wild direkt vor die Flinte und piff paff, da waren in einem Tag hundert Hirsche und siebzig Sauen erlegt worden, das hätten sie in freier Wildbahn gar nicht geschafft. Musik 6: ?Des Geyers schwarzer Haufen? (angespielt) 3:23 Interpret: Lucas Botho Chor Titel: Wir sind des Geyers schwarzer Haufen CD: Die Landsknechtstrommel Track: 4/1 Komponist: unbekannt Bearb: Botho Lucas Bearb unbekannt LC/Best.-Nr.: k.A. (Vinyl), Bestnr: 1C148-30000/01 DLR- Archiv#: 30-13281401 Autorin Friedlich liegt heute Schloss Grumbach auf seinem Hügel über dem Städtchen Rimpar und die Bürger gehen ein und aus: Es wurde restauriert und in ein Rathaus umgewandelt. Möglich allerdings, dass dort Gespenster umgehen. Der Sage nach ließ Wilhelm von Grumbach den berühmten Bauernführer Florian Geyer im Schloss ermorden, andere behaupten: im Wald erschlagen und verscharren. Sein Grab hat man jedenfalls nie gefunden. Musik 7: Haindling 3 ? Winter 2:51 Interpret: Haindling Titel: Vivaldi Winterthema 2 CD: Vivaldi Vier Jahreszeiten Track: 17 Komponist: Vivaldi, Bearb Buchner Text: - LC/Best.-Nr.: 00116 DLR- Archiv#: 92-16105 Autorin Kürzlich kam Rimpar in die Presse: Die Lehmans ? diese Pleitegeier ? sollen von hier gekommen sein. Bürgermeister Burkard Losert zeigt eine kleine Ausstellung in einem Turm des Rathauses: 43 Losert Die Rimparer Juden, die waren vom 17. bis 19. Jahrhundert, haben die hier eine gut funktionierende Gemeinde gehabt und in dieser Gemeinde waren auch die Lehmann-Brüder beheimatet. Der Umstand dass im Königreich Bayern die Juden eigentlich sehr wenige Rechte hatten, und was lag da näher, dass man über den großen Teich in die neue Welt ging und die Lehmanns haben sich dort ihr Brot verdient. Sie haben dann Baumwolle gehandelt und dann hat sich das so ergeben dass sie 1844 bis 1850 dann auch in das Bankengeschäft eingestiegen sind und haben die Lehmann Bank gegründet. Autorin Mit den Finanz-Hasardeuren von heute, sagt Losert, hatten diese braven Ex-Rimparer aber nichts gemein: 44 Losert Die Lehmannbrüder die damals auszogen in die neue Welt, das waren ehrbare Kaufleute, die haben noch sozial gedacht, die haben zum Beispiel auch im Zweiten Weltkrieg, wo die Juden hier in Deutschland verfolgt wurden, einen Fond gegründet, wo es Juden die emigrieren wollten ermöglicht hat, dass sie über Bürgschaften dann auch in Amerika einreisen durften, und so in Sicherheit kamen. Autorin 13 Rimparer Juden blieben hier. Sie wurden deportiert und alle ermordet. Vor ihre Häuser hat die Gemeinde Stolpersteine legen lassen. Anläßlich seines Besuchs in der Heimat seiner Vorfahren hat man einen Lehman-Nachfolger um eine Spende zur Restaurierung der Synagoge gebeten ? der hatte verständlicherweise wenig Interesse daran. Atmo 6 Hühnerstall Autorin Viel ist von der einstigen Synagoge nicht mehr da: Ein baufälliger Treppenturm, ein paar verblasste Wandmalereien. Über einer in die Wand eingelassenen Steinplatte erkennt man noch einen deutschen Soldatenhelm. Die Namen darunter, Namen von Juden die fürs Vaterland im Ersten Weltkrieg gefallen waren, sind abgeschlagen worden. Unter den Putzresten an der Decke schauen rohe Balken hervor. Das Gebäude hat mehrmals den Besitzer gewechselt und gehört heute dem Rentner Ludwig Heldwein. 46 Heldwein Also ich hab vor neun Jahren hier das Anwesen gekauft und da war die Synagoge dabei, weil: die Synagoge wollten sie vor Jahren schon der Gemeinde schenken, der frühere Besitzer, und da konnte es die Gemeinde nicht brauchen, weil ihnen die Renovierung zu teuer war und die Gemeinde das gar nicht aufbringen konnte. Na und dann musste ich das mit übernehmen, ne? Da war erst ein Lagerhaus herin, dann war ein Fliesenleger herin, und ich, wie dann gekommen bin, hab dann meine Tiere da rein, da sind sie doch geschützter, ne. Hab da ein bisserl so eingezäunt und hab da meine Hühner drin. Autorin Heldwein züchtet Seidenhühner und geht damit auf Geflügel- Schauen. Haben wollte er die Synagoge nicht, denn das Geld für die Renovierung kann er unmöglich auftreiben. Notdürftig hat er den Turm gegen Einsturz sichern lassen. Und seitdem etwas darüber im Fernsehen war, muss er sich plötzlich verteidigen. 47 Heldwein Ich wurde angerufen: das ist doch nicht richtig und das wäre eine Frechheit, man macht doch in eine katholische Kirche auch keinen Hühnerstall, ne. Hab ich gesagt: das ist keine Synagoge mehr, die ist geschändet und ich will das nicht, dass ich da angerufen werd. Bin auch im Ort angesprochen worden drauf, in einem Lebensmittelladen hat mir der Besitzer gesagt: Also die Hühner darfst langsam mal da raus tun! Hab ich gesagt: Ich tu meine Hühner raus wenn ich will und nicht wennst es du sagst, ne! Früher war ein Lagerhaus drin und ein Fliesenleger, hat auch keiner sich aufgeregt. Und die Hühner sind edle Hühner und kein Schweinefleisch, ne? Musik 8: Midummernight 0:56 Interpret: Blonker Titel: Midummernight CD: Track: Komponist: G. Deicke Text: LC/Best.-Nr.: 0268 DLR- Archiv#: übergehend in Atmo 3/ Wald unter Autorin bis O-Ton wahlweise Atmo 4 Wald/Vögel/ruhiger Autorin Fährt man von der A 7 oder aus Würzburg über Rimpar durch den Gramschatzer Wald, so stößt man zwangsläufig auf das Dorf Gramschatz. Eine uralte Siedlung, wahrscheinlich schon zur Zeit der Kelten bewohnt. Mit einem Schatz hat der Name leider nichts zu tun: Cramphesnesta, die älteste bekannte Schreibweise, bedeutet nichts weiter als ?krumme Schneise?. Umgeben von Feldern und Bildstöcken aus Muschelkalk liegt der verschlafene Ort auf einem Hügel, es riecht nach Holzfeuer. Im Zentrum zwei Gasthöfe: Zum ?Goldenen Hirschen? und zur ?Goldenen Krone? ? prächtige Namen; gegenüber die Pfarrkirche St.Cyriakus eine der schönsten Barock-Rokoko-Kirchen der gesamten Gegend ? und eigentlich völlig überdimensioniert. Gebaut wurde sie für die gelegentlichen Besuche der Fürstbischöfe, erzählt Albert Wiesner, der die Kirchenschlüssel hat. 48 Wiesner Ja man sieht hier schon wenn man die umliegenden Orte betrachtet mit ihren Dorfkirchen die meistens nur zwei Fensterachsen haben, und hier ist auch die ganze Wandfläche hinten durch den großen Altar bedeckt. Die Figuren sind überlebensgroß, die Säulen reich geschmückt überall die Engel oben, die Putten, ganz im oberen Teil dann die Heilige Dreifaltigkeit, Gottvater, mit der Weltkugel, Gottsohn mit dem Kreuz und die Taube als Symbol vom Heiligen Geist. Das war einmal Wolfgang von der Auvera, damals Hofbildhauer in Würzburg. Die Erbauung ist in der Zeit 1730 bis 1750 noch, das ist die gleiche Zeit wo in Würzburg die Residenz gebaut wurde. Und die Hofbildhauer die die Figuren auf der Balustrade in der Würzburger Residenz geschaffen haben, die haben auch hier die Figuren geschaffen. Autorin An diesem Platz hat es immer schon Heiligtümer und Kirchen gegeben. Immer wieder wurde abgerissen und umgebaut, der Geschmack änderte sich und so ist auch ein älterer Altar von Tilman Riemenschneider aussortiert und nach Hannover verkauft worden ? was man in Gramschatz heute sehr bedauert. 49 Wiesner Vom Stil her haben sie in diese Kirche nicht gepasst, dann waren sie oben auf dem Dachboden von der Kirche gestanden, vielleicht hat man zu der Zeit gerade Geld gebraucht, da hat man gedacht: verkaufen wir sie, was sollen wir mit dem alten Zeug. Autorin Einmal im Jahr ist die Kirche richtig voll und die alte Pracht kehrt wieder ein... 50 Wiesner Würzburg wallfahrt zum Kreuzberg, die gehen früh um 4 Uhr los, und der erste Gottesdienst ist dann bei uns früh um 9 Uhr in der Kirche. Und dann laufen sie weiter, die laufen ja zweieinhalb Tage rauf, zweieinhalb Tage runter, das sind ja rund 180 Kilometer und dann machen sie immer hier Station und bei uns ist Gottesdienst. Und die Würzburger Wallfahrer sagen ? und wir sind ganz stolz drauf: Die Gramschatzer Kirche ist die schönste Kirche zwischen Würzburg und dem Kreuzberg. (ein bisschen Atmo hintendran) Geräusch 6 Kirchenglocken, übergehend in Musik 1 : Haindling 1 (Trenner) Autorin Theodor Heuss, der 1. Bundeskanzler, hat einmal gesagt: ?Holz ist nur ein einsilbiges Wort, aber dahinter verbirgt sich eine Welt voller Schönheit und Wunder?. Das weiß auch Willi Schömig in Gramschatz. Er ist sozusagen ein Einwanderer, ein pensionierter Maurer aus Rimpar: 51 Schömig Bei uns da im Raum Würzburg rum, da sind in jeder Ortschaft andere Schwerpunkte, was Beruf anbelangt. Rimpar waren die Maurer, Waldbüttelbrunn waren die Dachdecker, Kist waren lauter Putzer (Verputzer), das hat sich halt irgendwie in der Entwicklung so ergeben. In Kirchhain, da waren die Muschelsteinbrüche waren alles Steinmetze. Und in Gramschatz waren es hauptsächlich Bauern. Autorin Zu Zeiten seines Großvaters, da haben sich die Leute noch viel in Wald und Fluren bedient: 52 Schömig Zwei Tag in der Woche hat man Lesholz machen können.... Autorin ... man durfte sich die Zweige holen von den Bäumen die gefällt wurden, das ist heute noch üblich.... 53 Schömig .... das hat glaub ich zwei Mark damals gekostet für das ganze Jahr, und den andere Tag ist er raus und hat Gras geholt für seine Schweine, also ein Schwein oder zwei Schweine und zwei oder drei Geißli. Und in der ganz schlechten Zeit, da war einmal so eine Dürre, da haben die Laub im Wald geholt, auch die Bauern für ihre Küh, Laub eingestreut, weil das Getreid nur so hoch gewachsen ist und da haben sie kein Streu gehabt. Ding haben wir alls geholt, Maikäfer für die Hühner. Da war was los im Hühnerstall, ne! Wie die Narren sind sie rum im Hühnerstall! Haben sich gebalgt danach. Autorin Die Maurer hier hatten ein besonderes Verhältnis zum Holz ... 54 Schömig Ja, die haben Steerholz gemacht. Früher ist Kirchweih am 11. November, Martini, hat der Bau geruht bis nach Ostern und in der Zeit haben sie ja irgendwie ihr Maul durchbringen müssen. Und da sind sie raus in den Wald. Mein Großvater, der war noch in der Zeit. Autorin Willi Schömig hatte Glück: Als seine Lehre beendet war, ist gerade das Überbrückungsgeld für Saisonberufe eingeführt worden und so musste er im Winter nicht mehr in den Wald. Aber auch er liebt Holz. Seit seiner Pensionierung hat er sich selbst das Drechseln beigebracht und fertigt wunderschöne Schalen, die das Ehepaar auf Weihnachtsmärkten verkauft. 55 Schömig Das ist ein Wacholder oder ?Mammutbaum?und das ist unheimlich weich und wenn Sie da drüber fahren, da hauptsächlich oder da ? das hat Wellen und zwar ist das Holz so weich, dass die dunklen Adern härter sind wie das zwischendrinne und rum schleift sich das hohl. Da kann ich machen was ich will, das bring ich nicht glatt hin. Gegenüber der andere da, das ist Feldahorn. Ein helles Holz. Das ist eine Robinie. Das ist eine Birke. Das ist eine Buche. Was könnte denn das sei? Zwetschge! So rot wie das ist. (Sie:) Zwetschge, hat einen lila Kern! Wunderschön, Zwetschge reisst leicht! Autorin Claudia Schömig dekoriert die Schalen loyal im ganzen Haus: 56 C.Schömig Hier haben wir eine Maserknolle von einer Birke, eine Maserknolle ist so eine Art Krebsgeschwür, das ist ein ganz bizarres Stück, das ist ganz abstrakt, das ist was ganz tolles und was ganz Wertvolles, was ich eigentlich auch nicht hergeben würde. Autorin Willi Schömig ist ein Poet an der Drechselbank. Das besondere an diesen kleinen Kunstwerken ist: Sie sind nicht einfach rund aus Baumscheiben geschnitten, sondern folgen dem natürlichen Wachstum des Baumes. Die Rinden bilden wo möglich den Rand. 57 Schömig Ja, nicht nur im Wald, auch beim Autofahren ist immer ein Auge in der Gemarkung und eins auf der Straße. Es könnte ja ein Apfelbaum umgefallen sein, den man erwerben könnte, ne? Der gibt eine schöne Schale. Geräusch 7 Drechselmaschine läuft an 58 Schömig Das waren zwei Äste praktisch und das ist für mich interessant, dass es verkrüppelt ist, das Holz. Ein langer Stamm, wo der Schreiber das Furnier davon macht, das ist für mich ziemlich uninteressant. Weil das lebt nicht so wie so etwas. Geräusch 8 Drechselmaschine 2 (unter Autorin wegblenden) Autorin An der Drechselmaschine vergisst der ehemalige Maurer uns und die Welt. Überlassen wir ihn seinen Abenteuern in Holz und gehen zurück in den Gramschatzer Wald, wo es inzwischen dämmerig geworden ist, gerade die richtige Zeit, meint Förster Wolfgang Graf, für einen Nachtspaziergang. Musik 1 Haindling 1 (Akzent) Autorin Wir gehen los bei Restlicht, so dass sich die Augen langsam umstellen können. Atmo 8 Wald abends (Archiv) Wahlweise auch Atmo 9 Wald/abends/eigen 59 Graf Das sind natürlich Bäume wo Ihnen das Herz höher schlägt: So ne Eiche die mindestens zweihundertfünfzig Jahre auf dem Buckel hat! Und da ist was Schönes, da unten der Eingang: bestimmt irgendein Vorratsspeicher drinnen oder irgendjemand wohnt da, der sich nicht sehen lassen möchte... Es lohnt sich immer so einen Baum, der vom Weg aus dick aussieht, mal den zu besuchen, weil dann wirken sie erst richtig, grad wenn man mit Kindern unterwegs ist, dann werden die immer dicker und größer und dann vielleicht mal so eine Minute in Ehrfurcht vor so einem Baum stehen bleiben und ja wenn man denn möchte dem Herrgott für so was Schönes zu danken. weiter Atmo + Geräusch 9 Waldkauz Autorin Die Stille rauscht in den Ohren, das Unterholz wirkt kompakter als am Tage. Je weniger die Augen erkennen, desto mehr beginnen wir uns auf andere, sonst vernachlässigte Sinne zu verlassen: riechen ? nasses Laub, Humus, Harz, frisches Grün..... lauschen ... fühlen.... Wir setzen die Füße bewusster auf, beugen die Knie elastisch, fühlen die Unebenheiten des Waldbodens... 60 Graf Was wir halt wissen ist, dass bei Kindern und Jugendlichen gerade im motorischen Bereich immer mehr Defizite auftreten, weil wenn man nur auf planierte, geteerte, betonierte Flächen geht ? gibt natürlich dann Probleme. Baumstamm balancieren, das hat man hier im Wald gratis, man darf seine motorischen Fähigkeiten ausprobieren. Drum ist es auch so, dass Waldkindergärten, dass es da immer mehr gibt, einfach weil die Kinder da in der Motorik was mit bekommen was sie vielleicht später sehr gut gebrauchen können, aber ansonsten nie austesten. Autorin Jetzt ist es Nacht. Der Wald hat sich sehr verändert. Unterholz und Stämme sind zu dunklen Klumpen verschmolzen und nehmen neue Formen an. Nur noch die Kronen der Bäume, die man am Tage nur als Schattenspender wahrnimmt, heben sich klar strukturiert vor dem Sternenhimmel ab. 61 Graf Der Wald wird geheimnisvoller und für uns als Augenmenschen unheimlicher. Dann kommt vielleicht auch mal so ein Kauz, der so ? schschsch! ? über den Kopf streicht, jetzt hab ich natürlich was Falsches gemacht, weil das Gemeine ist: den hört man nicht und da erschrecken die Menschen natürlich furchtbar, und wenn wir ganz großes Glück haben, dann lacht uns der Kauz auch noch was vor....und wer ihn nicht gesehen hat, der könnte dann wirklich glauben, da sind irgendwo irgendwelche Kobolde die sich über uns lustig machen, weil wir soviel Angst im Wald haben. Waldatmo 8 oder 9 ein bisschen stehen lassen (weiter, O-Töne fast ohne Atmo) OC-Anfang: Autorin Wolfgang Graf holt Gegenstände aus seinem Rucksack und man darf seinen Tastsinn erproben.... Nun entfernt er sich auch noch und lässt uns ganz allein im dunklen Tann stehen! Und macht Geräusche .... erkennen Sie diese Tiere? Die Auflösung finden Sie im Manuskript auf unserer homepage www.dradio.de. 63 Graf (ENTE) (Wildschwein) (schreckendes Reh) Von der Waldatmo langsam Übergang zur Atmo 1 Autobahn Autorin Es hilft alles nichts. Wir müssen zurück in die Zivilisation. Immerhin: ist es nicht gut zu wissen, dass man jederzeit zurückkommen kann, hierher in den Gramschatzer oder einen anderen Wald? Und dass die Wälder ? wenigstens in Deutschland - Jahr für Jahr wieder Boden zurück gewinnen? Schlussmusik Spr.v.D. ?Barfußpfad und Duftorgel. Autobahnausfahrt Gramschatzer Wald in Bayern?, Sie hörten eine Deutschlandrundfahrt mit Sabine Korsukéwitz. Schlussmusik stehen lassen zum ausblenden Deutschlandrundfahrt Gramschatzer Wald 14.3.09 Sabine Korsukéwitz 23