COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport 10.1.2012, 13.07 Uhr Watt jibt dit da zu feian? Der alte Fritz und die neuen Brandenburger Von Axel Flemming Script Ablaufplan M 01 ErkMu REGIE Musik kurz frei & unter Moderator legen MOD Watt jibt dit da zu feian? Der alte Fritz und die neuen Brandenburger. Am Mikrofon begrüßt Sie Claus Stephan Rehfeld. REGIE Musik kurz frei & unter Moderator weg MOD Friedrich II. könnte in diesem Jahr seinen 300. Geburtstag feiern. Aber der Monarch und Philosoph ist ja bekannterweise vor 251 Jahren verblichen. Deshalb oder dennoch feiert das Land Brandenburg nun das ganze Jahr über das Jubiläum des Herrschers. Der Staat, dem er vorstand oder als dessen erster Diener er sich sah, Preußen, den gibt es zwar nicht mehr. Aber ein paar der preußischen Tugenden haben sich vielleicht dennoch erhalten: Ordnung, Fleiß, Disziplin. Und : Welchen Einfluss hat Friedrich II. bis heute auf die Brandenburger? Axel Flemming schaut dem Volk aufs Maul und fragt sich und die Leute, was eigentlich aus der Toleranz Preußens geworden ist? Denn schließlich gab der alte Fritz die Parole aus, dass hier ein Jeder nach seiner Fasson selig werden solle. LR Watt jibt dit da zu feian? / Flemming - 18'21" (VoxPop) "Ick halte von diesen Umfragen überhaupt nix! Dat is doch heute völlig uninteressant. Heute jehts nur ums Jeld!" Autor Falsch. Heute jehts nur um Preußen. Und seine Tugenden, wenn es sie denn noch gibt. (VoxPop) "Preußische Tugenden? Die sind verloren gegangen!" (VoxPop) "Ach Herrje, da erwischen Sie mich jetzt!" (VoxPop) "Preußische Tugenden? Nee. Also so auffen Plautz nich!" Autor Ein Blick in das Internet-Lexikon Wikipedia macht einen etwas schlauer: "Als Preußische Tugenden bezeichnet man einen nicht festgelegten Kanon einiger von protestantisch-calvinistischer Moral und von der Aufklärung geprägter Tugenden." So weit, so abstrakt. Und konkret bitte? (VoxPop) "Naja, also Toleranz und Gehorsam, Pünktlichkeit glaube ich. Es gibt noch mehr, aber ich müsste ein bisschen drüber nachdenken." (VoxPop) "Das ist so etwas wie Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, manchmal Derbheit. Das könnten durchaus Tugenden sein." Autor Derbheit? Nun ja, eine gewisse Geradlinigkeit auf jeden Fall, Redlichkeit und Aufrichtigkeit. Gepaart mit der märkischen Grundeinstellung "Nett sein kann ja jeder!" könnte daraus die Derbheit wachsen. Zu den preußischen Tugenden zählen auf jeden Fall Bescheidenheit, Fleiß, Ordnungssinn und: (VoxPop) "Gehorsam", "Disziplin", "Unterordnung", "Vaterlandsliebe und Demut, sehr kirchlich auch." Autor Noch heute bimmelt das Glockenspiel der Potsdamer Garnisonkirche die Melodei: "Üb' immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab ..." Härte also, Mut, Tapferkeit und Treue. (VoxPop) "Treue weiß ich nicht. (lacht) Das gehört zum Leben auch die Untreue dazu, sag ich ma!" Lachen (VoxPop) "Achja, das sind preußische Tugenden? Ja, in der heutigen Generation bei den jungen Leuten ist das nicht mehr so. Glaube ich nicht." (VoxPop) "Bei uns schon noch" (VoxPop) "Bei den Alten ist das etwas anders, da isset schon so." Autor Bei den Alten also. Und bei dem Alten, dem alten Fritz, Friedrich II., König von Preußen, dessen 300. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung preußische Schlösser und Gärten Berlin- Brandenburg: (Dorgerloh) "Preußische Tugenden in unserem Sinne gab's zu Friedrich-Zeiten nicht. Das ist eine spätere Erfindung. Eigentlich kommt die aus dem Kaiserreich und das sind ja die klassischen bürgerlichen Tugenden: Fleiß, Ordnung, Achtung der Regeln, Pünktlichkeit, Frommsein, also das sind Dinge, die gehören quasi zum klassischen bürgerlichen Selbstverständnis, zu den moralischen Normen und Werten. Und die sind dann mit Friedrich sehr stark in Verbindung gebracht worden, und da mischt es sich mit dem Militärischen." Autor Die preußischen Tugenden sind offenbar wirklich erst später so benannt, dann aber weiter in die Geschichte zurück verfolgt worden - bis ins 18., teilweise sogar 17. Jahrhundert und bis zum König Friedrich Wilhelm I., dem sparsamen, bürgerlichen Verwaltungsreformer und Soldatenkönig. Frank Göse ist Professor an der Uni Potsdam, Abteilung historisches Institut. "Militärgeschichte, Kulturgeschichte der Gewalt" steht auf seinem Türschild. (Göse) "Vor allem ging es immer darum, diese Tugenden als gewissermaßen unverzichtbare Begleitumstände des Aufstiegsprozesses Brandenburg-Preußens also seit dem 17. /18. Jahrhundert zu erklären, dass gerade diese Dinge auch in ihrer Kombination mit dazu beigetragen haben, diesen spezifischen preußischen Tugendkatalog herauszubilden." Autor Blättern wir weiter in diesem Katalog, dann stoßen wir auf Sparsamkeit, Verlässlichkeit und Loyalität, vor allem gegenüber dem obersten Dienstherren und den direkten Vorgesetzten. Dazu Mäßigkeit bis hin zur Askese. (Göse) "Es ist nichts qualitativ Neues gewesen, denn natürlich wird man solche Tugenden auch in Schwaben oder Ostfriesland oder in Sachsen finden. Nur hat vor allen Dingen diese Übermächtige, diese Dominanz Preußens im 19. Jahrhundert, vor allem im Zusammenhang mit der unter preußischer Ägide verlaufenden Reichseinigung und auch der überragenden Interpretationsmacht der preußischen Geschichtsschreibernatürlich mit dazu beigetragen, dass eben gerade diese Tugenden, die sicher in Preußen vorhanden waren, diese überragende Bedeutung erhalten haben." Autor Von der Stärke des Staates also zur Stärke der Werte. Und, das ist gerade bei den Beamten und Angehörigen des Staatsapparates eines wichtig: Unbestechlichkeit. Eine veraltete Redensart im Französischen: (Göse) "travailler pur le rois de Prussie" Autor ...besagt sogar, jemand täte etwas für den König von Preußen, d. h. umsonst, ohne etwas dafür zu nehmen. Heutzutage übertreiben manche Beamte allerdings eher nach dem Motto: Ich bin so unbestechlich, ich nehme nicht einmal Vernunft an. (Göse) "Die Preußen galten natürlich in gewisser Beziehung als überkorrekt und von daher war es natürlich gerade im 19. Jahrhundert auch üblich gewesen, gerade das, was man so unter dem Preußentum und gewissen preußischen Eigenschaften verstand, auch zu karikieren. Also aus bayerischer Sicht, zum Teil auch aus sächsischer Sicht, hat man das natürlich auch sehr gerne zum Gegenstand von Witzen gemacht." (Sachse) "Ich setze mich damit auch schon auseinander, mit dieser Art Werte, sächsische sind ja andere : ne Art Gemütlichkeit, ne Art mehr Zuvorkommenheit, manchmal ein bisschen lässiger vielleicht. Mmhh!" Autor Die Preußen dagegen: ungemütlich, nicht zuvorkommend und von Lässigkeit keine Spur. Dieser Geist beherrschte über lange Zeit die Amtsstuben. "Preuße zu sein ist eine Ehre, aber kein Vergnügen", sagt ein französisches Sprichwort. Immerhin führten eine für damals fortschrittliche Rechtsordnung und Verwaltung, ein Offizierskorps, das der Krone loyal war, und ein "Vernunftpatriotismus" zum Aufstieg vom Barockstaat des Großen Kurfürsten hin zur modernen Großmacht. (Hardenberg) "Das war schon auch dieser große Verwaltungsstaat, der darauf setzte, dass der Bürger zuhörte und das machte, was die Behörde, die Fachleute beschlossen haben. Das war ja ein Teil der Reformen, die Stein-Hardenbergschen Reformen, die ich natürlich ganz gut kenne." Autor ... denn Andreas Graf von Hardenberg ist nicht nur Vorsitzender der "Freunde der preußischen Schlösser und Gärten", sondern auch entfernt verwandt mit Karl August Fürst von Hardenberg, dem Minister der Aufklärung. (Hardenberg) "Stein hat gesagt, der Bürger soll sich selbst verwalten, er ist dazu auch in der Lage, aufklärerisches Ideal die Selbstverwaltung, gibt's heute noch als Bürgermeister in kleinen Orten. Und Hardenberg als Verwaltungswärter sagte, wir müssen endlich diese höfischen Räte abschaffen und Fachministerien schaffen. Und daraus hat sich die ganze preußische Verwaltung entwickelt." Autor Und damit zurück zu Friedrich. Der pflegte durchaus eine gewisse Bescheidenheit. Verglichen mit anderen Schlössern beispielsweise kommt Sanssouci tatsächlich eher schlicht daher. Der Monarch bezeichnete sich sogar als "Erster Diener des Staates". (Hardenberg) "Er hat es vielleicht sogar ein bisschen ironisch gemeint, er war ja in Wirklichkeit ein Autokrat und hat gemacht, was er wollte. Aber es passte gut in diese aufklärerische Zeit. Und er war sicher einzigartig gegenüber allen Königen dieser Zeit in Europa." (VoxPop)"Preußische Tugenden? Wir sind ja Preußen. Jut Essen? Herrschaftlich, Schlösser? Jaja, Tugend nich, aber gehört zum Umjang also." (Hardenberg) "Erstaunlicherweise hat er exotische Früchte und Leckereien gerne gemocht und viel Geld dafür ausgegeben. Solche Dinge haben das Bild des Königs in neuester Zeit ein bisschen verändert." Autor Unter PR-Gesichtspunkten war Friedrich ein sehr guter und erfolgreicher Stratege, sein Eigenimage funktioniert bis heute, meint Hartmut Dorgerloh. (Dorgerloh) "Der hat unheimlich lange gesessen und gegessen. Und er hat viel gegessen, viel getrunken, groß Hof gehalten, ausführliches Mittagsschläfchen war auch dabei. Also die Vorstellung, dass er permanent am Schreibtisch saß und rastlos umhergezogen ist, es hat Phasen gegeben, da war das so, aber es ist nicht immer der Fall gewesen, dass Friedrich nur für den Staat unterwegs war. Aber das Bild, was wir von ihm haben und was er selber von sich verbreitet hat, das war genau dieses..." (Feldmeier) "Die Preußen brauchen jemand, der sie führt; egal wohin er sie führt." Autor Anlässlich der 300. Wiederkehr des Geburtstags von Friedrich II. hat der Berliner Autor Uwe Wilhelm das Stück "Fritz!" für das Hans Otto Theater in Potsdam geschrieben. Eigentlich kommt er aus Frankfurt am Main, also nix Preuße: (Wilhelm) "So wie in Friedrich dieses typisch deutsche Oszillieren zwischen Depression und Größenwahn steckt, so steckt das, glaube ich, auch in mir" Autor Wilhelm schrieb eine Farce über das Ringen der Nachgeborenen um die politische Auslegung von Leben und Wirken des Großen Preußenkönigs. (Wilhelm) "Friedrich ist jemand, der unter diesen Tugenden auch extrem leidet, weil er ist ja eigentlich ein Schöngeist. Eigentlich ist er ein junger Mann, der lesen will, der komponieren will, der sich den schönen Künsten hingibt. Und sein Vater hat eben völlig andere Pläne, die viel mehr mit preußischer Tugend und Zucht zu tun haben." Autor Friedrich wird dabei von Rita Feldmeier gespielt, Mecklenburgerin: (Feldmeier) "Ey Leute, lasst mich mal hier in Ruhe! 300 Jahre bin ich alt, ich will dieses ganze nicht! Was habt ihr mit mir vor? Ihr habt doch schon soviel Urteile über mich gegeben. Was gibt es noch? Im Prinzip wisst ihr sowieso nicht, wie ich eigentlich bin!" (VoxPop) "Meine Frau ist überordentlich. Die Männer sind doch sowieso...es gibt natürlich noch Ausnahmen." (VoxPop) "Es gab ja eine Zeit, wo Preußen zumindest sehr tolerant war. Die Einwanderungszeiten, das schätze ich positiv ein." (VoxPop) "Ich glaube, heute ist es nicht mehr ganz so toll. Also was jetzt so Toleranz angeht. Könnte noch ein bisschen besser sein. Wir könnten noch toleranter sein." (VoxPop) "Also Toleranz, das ist eigentlich ziemlich schwer tolerant zu sein. Also meine Meinung da drüber. Man möchte Toleranz, möchte man immer jerne zu sich selbst, aber zu andern is man wahrscheinlich nich ganz, weil man bisschen egoistischer ist." Autor Dieser Egoismus war durchaus auch Kennzeichen der brandenburg-preußischen Toleranzpolitik. Der Historiker Frank Göse wirft gerne einen vergleichenden Blick auf andere europäische Länder, aber auch auf andere deutsche Reichsterritorien. Die Kurpfalz, die Landgrafen von Hessen-Kassel oder die vielen kleinen deutschen Territorien in Thüringen oder Anhalt-Dessau konnten mit der Toleranz durchaus mithalten, gingen teilweise sogar viel weiter. Aber Preußen war neben Österreich der stärkste deutsche Territorialstaat und damit wurde die preußische Toleranz im allgemeinen öffentlichen Bewusstsein auch über die Reichsgrenzen hinaus bedeutsam. Friedrich II. proklamierte, "ein Jeder solle hier nach seiner Fasson selig werden". (Göse) "Wobei man natürlich immer auch daran erinnern muss, dass eigentlich dieser Satz, den Friedrich da auf diese Supplik, als Randbemerkung, als Marginalie geschrieben hatte, ja eigentlich der großen Masse der Untertanen eigentlich gar nicht bekannt war. Das war ja eine Kabinettsordre gewesen, die natürlich nur im internen Amtsverkehr bekannt war. Also meines Wissens ist das erst sogar nach seinem Tode dann auch bekannt geworden." Autor Auch Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung preußische Schlösser und Gärten relativiert den vermeintlichen Liberalismus des Königs: (Dorgerloh) "Also Toleranz war immer interessengeleitet in Brandenburg-Preußen. Und dann, wenn es Preußen zum Beispiel wirtschaftlich nutzte, dann war man auch ganz tolerant, weil man nämlich Zuwanderung brauchte. Aber Toleranz hörte zum Beispiel für Friedrich sehr schnell da auf, wo man seine königliche Macht in Frage stellte." Autor So war Friedrich sehr tolerant, als der Philosoph Voltaire die Zustände in Frankreich kritisierte. Aber: (Dorgerloh) "Als Voltaire nach Preußen kam und dann anfing, hier die Zustände zu kritisieren, da war es dann auch schnell mit der Toleranz von Friedrich gegenüber seinem Freund Voltaire vorbei." Autor Und die Glaubensfreiheit? Friedrich holte die Hugenotten ins Land, die französischen Protestanten und sagte: "es sollen alle Religionen toleriret werden." Friedrich war aber auch Kirchenfürst, quasi Vorsitzender der protestantischen Kirche. Das durfte nicht in Frage gestellt werden. (Dorgerloh) "Zum Beispiel musste ein Jude, der heiraten wollte, der musste ein Stück KPM-Porzellan kaufen. Das kam dem König dann zugute, denn KPM gehörte dem König. Das mussten andere nicht, also der Grundsatz der Gleichbehandlung ist bei Friedrich auch sehr unterschiedlich ausgelegt worden." Autor Was eigentlich ist heute aus der Toleranz Preußens geworden? (VoxPop) "Jeder nach seiner Fassong? In gewissen Rahmen, ja, natürlich!" (VoxPop) "Bin ich dabei. Aber wenn ich so an mein Umfeld denke, eher nicht. Eher wird das weniger, ja, schade." (VoxPop) "Jeder nach seiner Fassong - momentan wird ja dieses ganze NPD-Gedöns hochgekocht. Und das ist ne Sache, das sollte nach keiner Fasson irgendwo akzeptiert werden. Oder akzeptabel sein. Da hört bei mir auch die Toleranz auf." Autor Womit wir bei der Politik wären. Auch der überaus hemdsärmelig daher kommende Matthias Platzeck, Ministerpräsident von Brandenburg, hat sich schon einmal für eine Rückbesinnung auf positive preußische Tugenden in Politik und Gesellschaft ausgesprochen. Auch wenn es für manchen altmodisch klinge, lobte der Sozialdemokrat bewährte Grundeigenschaften wie Anständigkeit, Verlässlichkeit und Pflichterfüllung, die in Deutschland wieder mehr Einzug halten sollten. Und Pünktlichkeit, auch wenn das nicht immer klappt. (Platzeck) "Ich bin ja an sich eher pünktlich, ich hatte eine Ursache, damit habe ich auch gleich erklärt, beim Jackett ausziehen: ich hab mir mein Hemdsärmel versaut, weil ich Blut spenden war heute Früh und hab mir jetzt, bevor ich herkam noch die Binde abgemacht, weil ich dachte, es ist gut. Es war aber nicht gut. Und dann musste ich nochmal zurück, mir ein Pflaster draufkleben, und das hat genau zu den 10 Minuten geführt, die ich jetzt später bin, ansonsten wäre ich mit Glockenschlag hier gewesen." (Fritsch) "Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige, hat mein Vater immer gesagt" Autor ...sagt Gunther Fritsch, Parlamentspräsident in Brandenburg. (Fritsch) "Ich weiß nicht, was eine preußische Seele ist, aber ich habe meine Seele und die hat diese Grundsätze. Also Zuverlässigkeit, Fleiß, Engagement, Solidarität mit seinem Nächsten, Mitmenschen, das sind schon Tugenden, die man durchaus weiter pflegen kann." Autor Finanzminister Helmut Markov ist da skeptischer: (Markov) "Was ist preußische Tugend? Glauben Sie, ein Schwabe ist nicht auch sparsam, wenn man das den Preußen zu sortiert? Preußen hat Krieg geführt, ist das ne preußische Tugend? Wenn es eine preußische Tugend wär, wäre ich dafür, dass überall Krieg geführt wird, also kann ich mir schwer vorstellen." Autor Nun ist der Mann ja auch hörbar Sachse und hat deshalb vermutlich nur eine angelernte preußische Mentalität. (Markov) "Sone Sachen sind mir immer zu pauschal, weil da werden Völker in Schubladen gesteckt. Und das ist nicht so ganz meine Welt, weil damit schon soviel Schindluder getrieben worden ist." Autor Womit wir beim Gegenteil der preußischen Tugenden wären, bei den preußischen Untugenden: Denn die preußischen Tugenden wurden stets auch kritisiert, im Bürgertum wegen ihrer ursprünglichen Wissenschafts- und Kunstferne, ihrer staatswirtschaftlichen und soldatischen Ausprägung. Aus "Befehl und Gehorsam" wurde zu schnell Unterordnung und ein (VoxPop) "Kadavergehorsam" (VoxPop) "Na Bismarck: Zuckerbrot und Peitsche! Manchmal isses jut, dass es sowat noch jibt. Dass man sich daran erinnert. Also man muss loben und man muss auch antreiben." Autor Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung preußische Schlösser und Gärten Berlin- Brandenburg, erklärt, ordentlich, geregelt, pünktlich und auf Kommando musste es zwar bei der Armee zugehen. Friedrich selbst hat sich darum aber gar nicht geschert. Deshalb heißt die große Ausstellung zu seinem Leben "Friederisiko". (Dorgerloh) "In Schlesien einzumarschieren war Regelverstoß und ein großes Risiko. Fliehen zu wollen als Kronprinz Regelverstoß - großes Risiko. In der Mitte von Berlin eine katholische Kirche zu bauen, nämlich die Hedwigskathedrale: Regelverstoß und wieder ein großes Risiko. Und auch am Neuen Palais sieht man, dass der König zeigt, ,Ich hab's gar nicht nötig. Ich muss nicht in der Mitte wohnen wie mein französischer Kollege.' Diese Art von ,Ich definiere für mich die Regeln neu, das mache ich so demonstrativ, dass es alle merken, weil ich es nicht nötig habe, das ist typisch Friedrich." Autor Und wir müssen uns langsam damit beschäftigen, was ist typisch Deutsch? Wie viel Preußen steckt in uns, wie viel Geist und wie viel Ungeist? Geschichtsprofessor Frank Göse: (Göse) "Also Kadavergehorsam, dieser militärische Geist auch, wenn man das natürlich nimmt als preußische Tugenden, dann würde ich sagen, haben die heutigen Deutschen sich da sehr, sehr weit entfernt. Die andern Dinge, ja sie sind vorhanden. Und wenn man verschiedenen Umfragen Glauben schenken darf, scheint es ja auch in der jüngeren Generation ja doch so in den letzten 10,15 Jahren, dass also doch gewisse Eigenschaften, Werthaltungen im Leben, die man früher so manchmal mit preußischen Tugenden gleichgesetzt hatte, naja doch so leicht wieder im Kommen sind." (Voxpop) "Dieses Erzkonservative heutzutage, das ist alles nicht mehr so da. Diese Tugenden ... denke ich nicht, dass die heute noch großartig eine große Rolle spielen." (Voxpop) "Gut, diese Verbindlichkeiten und das Geradeausgehen, das ist deutsch, vielleicht auch eher preußisch. Aber ansonsten fällt mir da nix mehr ein." (Voxpop) "Ich weiß nicht, wenn man das nur leben würde, ob das dann so toll wäre. Das würde dann nicht meinem Naturell entsprechen. Ne gute Mischung aus freiheitsliebend und ein bisschen preußische Tugend ist vielleicht nicht schlecht!" -ENDE Beitrag- MOD Watt jibt dit da zu feian? Der alte Fritz und die neuen Brandenburger. Axel Flemming schaute dem Volk im Preußenjahr aufs Maul. Morgen dann im Länderreport ab 13.07 Uhr : Der neue Nürburgring. Ein journalistischer Boxenstop, bevor die Skandalgeschichte in eine neue Runde startet. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Sendung-