COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandrundfahrt Wo sind die Indianer hin? Sachsen - einhundert Jahre nach Karl May. Von Thomas Klug Sendung: 31. März 2012, 15:05 Uhr Ton: Alexander Brennecke Regie: Karena Lütge Redaktion: Margarete Wohlan Produktion: Deutschlandradio Kultur 2012 Hinweis an die Regie: Die Dialoge zwischen Autor und Sprecher bitte akustisch anders behandeln, als die Texte des Autors, sprich die Dialoge beiläufiger klingen lassen und mit einer Atmo versehen. Autor 1 = Autor im Dialog; Autor = Erzähler Sprecher 1= Sprecher im Dialog; Sprecher = Zitator Kennmusik: sehr langsam einblenden Autor 1: Nö. Redakteurin: Doch. Autor 1: Vielleicht lieber.... Redakteurin: Nein. Es muss sein. Autor 1: Aber dann ohne diesen... Redakteurin: Der Häuptling geht mit. Autor 1: Aber dann nicht nach.... Redakteurin: Doch. Autor 1: Prima. Mit einem verhinderten Indianer durch Sachsen reisen. Redakteurin: Das ist doch ein Traum. Autor 1: Alp. Redakteurin: Fahr einfach und, ähm, stell die richtigen Fragen. Sprecher (am Klavier, spielt PUR) Sprecher: (singt) Wo sind die Indianer hin? Sprecher: Sachsen - einhundert Jahre nach Karl May. Eine Deutschlandrundfahrt von Thomas Klug Sprecher: (singt) lalalalala Autor: Was soll der denn dabei? Redakteurin: Weisheit. Er ist für Weisheit zuständig. Und er liest dir Karl May vor. Selber machst du das ja nicht. Autor 1: stöhnt Sprecher (am Klavier, spielt PUR) Autor: Es geht nicht gut los: Der Indianer schmeißt mir zur Begrüßung ein Buch an den Kopf. Ich sage, aua, ich bin sensibel. Er greift nach einem zweiten Buch, Winnetou, Band 2, Hardcover. Schwer zu ertragen. Besonders als Wurfgeschoss. Ich nehme den Zug. Ich hoffe, dass der Indianer mit seinem Schrankkoffer nicht hinterher kommt. In Sachsen werde ich die Hinterlassenschaften von Karl May suchen. Atmo: Zug Autor 1: Was hat die Redakteurin gesagt? Weisheit von Häuptling Purer Wahnsinn. Kann es schlimmer kommen? Ich bin mir nicht sicher. Kriegsgeheul kommt näher. Der Indianer wuchtet einen Schrankkoffer in die Gepäckablage. Er schnauft. Von wegen Häuptling. Tragen Häuptlinge so dicke Brillen? Häuptling Geschreddertes Lexikon. Sprecher 1: Bitte was? Autor 1: Ach, nichts. Autor: Der Indianer holt ein Buch aus seinem Koffer. Ich kenne es. Ich gehe in Deckung. Der Indianer schlägt es auf. Ich sehe den Schriftzug: Karl May. Lesende Indianer mit Federn im Haar haben die Eigenschaft, den gewöhnlichen ICE-Reisenden zu irritieren. Den Köcher mit den Pfeilen haben sie da noch gar nicht gesehen. Die Abteiltür wird nicht mehr geöffnet. Ein Indianer im Zug nach Leipzig ist ein Vorteil. Und ein schweigender ?Indianer? ? das sind gleich zwei Vorteile. Sprecher: wütendes Atmen Autor: In Sachsen leben ? und sich eine Cowboy- und Indianerwelt erschaffen. Wie geht so etwas? Vielleicht gibt es in Leipzig eine Antwort. Vielleicht in Radebeul. Ich krame zusammen, was über Karl May bekannt ist, so allgemein. Karl May, der Sachse, der Erfinder einer ganz eigenen Welt, der Autor mit Millionenauflage. Sprecher 1: Karl May war ein bedeutender Dokumentarist meiner Welt. Autor: Häuptling Schweigender Alptraum ist ein Alptraum mit Ton. Soll ich jetzt sagen, dass Karl May als Kleinkrimineller anfing und als Hochstapler weitermachte? Sprecher 1: Karl May ist ein Dokumentarist. Ich muss es doch wissen. Soll ich jetzt noch die Auflagenzahlen seiner Bücher sagen? Soll ich sagen, dass er als der bekannteste deutsche Autor gilt, dass seine Werke verfilmt und Autor 1 (unterbricht Sprecher): Danke, das hat nun jeder genug gehört. Und ich kann es nicht mehr hören. Karl May hat sich eine Welt erschaffen. Sprecher 1: Große Geister haben sich mit Kar May befasst: Heiner Müller, Ernst Bloch, Arno Schmidt ? der nannte ihn den ?folgenreichsten Schriftsteller deutscher Zunge. Dann Hermann Kant, Erich Loest, Carl Zuckmayer ? er hat seine Tochter sogar Winnetou genannt. Albert Einstein, Albert Schweizer. Naja, und der Hitler halt auch. Man kann sich seine Leser nicht aussuchen. Autor: Es ist sinnlos. Häuptling Besserwisser ist nicht zu überzeugen. Er steht auf. Sprecher 1: Komm mit. Autor 1: Wohin? Sprecher 1: Zum Klavier. Autor 1: Im ICE? Sprecher 1: Dort, im Western-Abteil. Autor 1: Western-Abteil? Ein Zug wie eine Sauna ? das kennt man. Ein Zug, wie ein Eiskeller, kennt man auch. Aber ein Western-Abteil im ICE? Das erfindest du gerade. Sprecher 1: Nein, alles ist so realistisch wie bei meinem Freund Karl May. Siehst du. Autor: Es ist ...seltsam. Es ist ein Klavier im Zug. Man muss nicht alles erklären. Sprecher 1: (spielt dabei Klavier) In Leipzig wirst du es sehen. Autor 1: Was? Sprecher 1: Die Wahrheit. Howgh. Autor 1: Hau doch, wen du willst. Sprecher 1: Die Apotheke. Autor 1: Soll ich etwas gegen Halluzinationen besorgen? Sprecher 1: (spielt Klavier) Du wirst es sehen. Autor: In Leipzig werde ich alles geben. Ich werde mir ein Pferd mieten, ich werde durch die Stadt reiten, traben und was weiß ich, was Pferde noch so machen. Ich glaube, ich werde auch seltsam. Aber ich werde die Indianer finden. Sprecher 1: Auf fremden Arsch ist gut durchs Feuer reiten. Autor: Indianer Nörgelndes Lasso mag mich nicht. Sprecher 1: Apothekenmuseum. Autor 1: Apothekenmuseum? Abgelaufene Tabletten habe ich auch zu Hause. Dem Cowboy, der das Taxi fährt ist die Strecke zu kurz. Der Indianer überholt uns auf seinem Schrankkoffer. Apothekenmuseum. Das sei hier irgendwo. Der Taxi-Cowboy rast davon. Das Trinkgeld hat er genommen, die Quittung vergessen. Quittungen ? naja, bei Karl May hat es das auch nicht gegeben. Atmo: Schritte auf Holztreppe Autor: Thomaskirchhof 12. Das Apothekenmuseum, früher, also ganz früher, die Zentralapotheke. Homöopathische Zentralapotheke. Kein Ort für Indianer. Doch tatsächlich ein Ort für Karl May. Der sei hier gewesen. Wenn nicht hier, dann ganz in der Nähe. Da muss er eine neue Mode bemerkt haben ? eine Mode, die bis heute anhält: Homöopathie. Samuel Hahnemann hat sie erfunden, Willmar Schwabe weltweit zum Geschäft gemacht. Und wer hat zur Bekanntheit beigetragen? Richtig. Sprecher 1: Hier stehts: Autor: Indianer Bibliothek auf Rädern holt ein Buch aus seinem Schrankkoffer und liest: Sprecher: Im Morgenlande wird jeder Deutsche für einen großen Gärtner und jeder Ausländer für einen guten Schützen oder für einen großen Arzt gehalten. Take 01 Seufert 4'41 In einer Erzählung, die im ersten Band auftaucht, nämlich ?Durch die Wüste?, als Text ist das vorher schon mal erschienen. Und zwar hat er beschrieben, wie der Hauptheld, das ist Kara Ben-Nemsi in dem Fall, auf einen Basar in Kairo eine halb gefüllte homöpathische Hausapotheke von Willmar Schwabe in Leipzig findet. CD oder Klavier: Winnetou Titelmelodie nur im Hintergrund Sprecher: Nun war mir unglücklicherweise in Kairo eine alte, nur noch halb gefüllte homöopathische Apotheke von Willmar Schwabe in die Hand gekommen; ich hatte hier und da bei einem Fremden oder Bekannten fünf Körnchen von der dreißigsten Potenz versucht, dann während der Nilfahrt meinen Schiffern gegen alle möglichen eingebildeten Leiden eine Messerspitze Milchzucker gegeben und war mit ungeheurer Schnelligkeit in den Ruf eines Arztes gekommen, der mit dem Scheidan im Bunde stehe, weil er mit drei Körnchen Durrhahirse Todte lebendig machen könne. Autor: Susanna Seufert führt mich durch das Apothekenmuseum. Karl May, naja. Manchmal kommen Karl-May-Interessierte zu ihr, die glauben, Karl May hätte in dem Haus gewohnt. Hausnummer 12. Doch die Hausnummer trug zu Karl Mays Lebzeiten ein Haus, ein paar Meter weiter, längst abgerissen. Von dort aus aber konnte er die Apotheke sehen. Und den Kasten mit der Hausapotheke. Denn Willmar Schwabe gab es wirklich. Seine homoöpathische Hausapotheke war ein realer Verkaufsschlager damals. Karl May beschreibt etwas, was es wirklich gegeben hat ? und was er mit eigenen Augen gesehen hat. Susanna Seufert zeigt auf eine Glasvitrine ? dahinter ein Original: Take 02 Seufert 5'12 Das ist ein holzener Kasten mit kleinen Gläschen drin, die so etwa 20 Gramm von diesen kleinen Globoli, also Homöpathiekenner wissen, was gemeint ist. Das sind diese kleinen kugelförmigen Arzeimittelträger, enthalten sind. Und man hat hier so 60 Mittel aufgelistet. Das sind so allgemeingebräuchliche Mittel, die man, wenn man eine homöpathische Hausapotheke führt, braucht für die alltäglichen Notfälle oder für die alltäglichen Fälle der Erkältung usw. Die Mittel, die Karl May beschreibt, sind in dieser Apotheke nämlich enthalten. Und es gibt so eine ganz besonders schöne Episode. Da beschreibt Karl May, wie Kara Ben Nemsi auf eine Haremsdame trifft... CD oder Klavier: Winnetou Titelmelodie nur im Hintergrund Sprecher: Obgleich ich bereits aus der Aufzählung der Symptome gemerkt hatte, daß Güzela an einer hochgradigen Gemüthskrankheit leide, that ich doch, als ob ich an eine bloß körperliche Erkrankung glaube; denn grad weil ich vermuthete, daß ihr Leiden die Folge eines Zwanges sei, der sie in die Gewalt dieses Mannes gebracht hatte, wollte ich mich so viel wie möglich über Alles aufklären. Er ließ mich wieder bis zur Thür gehen, dann aber rief er: »Halt, Hekim, bleibe da. Du sollst die Gemächer betreten!« Take 03 Seufert (Fortsetzung) Und die Haremsdame fühlt sich nicht so wohl, ihr geht?s nicht gut. Sie ist so ein bisschen traurig und unglücklich. Kara Ben Nemsi besucht sie ein zweites Mal, bringt ein paar Mittel aus seiner Apotheke mit, die er da gefunden hat auf dem Basar und heilt die junge Frau so, dass sie ihm sagt, sie fühlt sich viel wohler und viel freier. Und wenn ich das jetzt in einer Runde von Homöopathiekennern erzähle, kriegen schon alle lange Ohren: Was isses denn. Er gibt ihr Ignatia. Wenn man jetzt bei Hahnemann nachschlägt oder bei Willmar Schwabe im allgemeingültigen homöopathischen Arzneibuch, dann liest man: Ignatia ist das Mittel für die gekränkte weibliche Persönlichkeit. CD oder Klavier: Winnetou Titelmelodie nur im Hintergrund Sprecher: Ich schlich näher und legte die Hände rund um den Mund. »Senitza!« flüsterte ich leise. Ein dunkles Köpfchen erschien. »Wer bist Du?« hauchte es herab. »Der Hekim, welcher bei Dir war.« »Du kommst, mich zu retten?« »Ja. Du hast es geahnt und meine Worte verstanden?« »Ja. Bist Du allein?« »Isla Ben Maflei ist draußen.« »Ach! Er wird getödtet werden!« »Von wem?« »Von Abrahim. Er schläft nicht des Nachts; er wacht. Und die Wärterin liegt in dem Raume neben mir. Halt ? horch! Oh, fliehe schnell!« Take 04 Seufert 7'05 Und es ist so schön, dass Karl May, wie wir ihn eigentlich auch kennen oder wie man oft ihn auch nachsagt, er hat sich oft mit seiner Zeit beschäftigt und was er aufgeschrieben hat, hat er aufgeschrieben, als hätte er nie etwas anderes getan, als Arzt gewesen zu sein oder Homöopath gewesen zu sein. So ähnlich ist es in den kleinen Episoden, die er da beschreibt mit der Hausapotheke des Kara Ben Nemsi. Da gibt es da noch Ausschweifungen, das er in große Schwierigkeiten gerät, weil man meint, er sei mit dem Teufel im Bunde, weil er so erfolgreich ist mit diesen kleinen Kügelchen bei seinen Reisegefährten und wichtigen Persönlichkeiten. Und das ist so eine schöne Geschichte, wie Karl May es schafft, ein ganz besonderes Phänomen seiner Zeit, eigentlich ja die Erfolgsgeschichte der Homöopathie unterzubringen, die er offensichtlich auch beobachtet hat und da die Prominenz und den Erfolg verarbeitet. Autor: Und so leben gleich zwei Legenden weiter: Die Welt von Karl May. Und die Homöopathie. Manch einer glaubt daran. So. Aber was ist nun mit den Indianern? Sprecher (singt und spielt): Wo sind all die Indianer hin? Wann verlor das große Ziel den Sinn? Dieses alte Bild aus der Kinderzeit Zeigt alle Brüder vom Stamm der Gerechtigkeit Wir waren bunt bemalt und mit wildem Schrei Stand jeder stolze Krieger den Schwachen bei. Autor: Christian Heermann wartet. Mathematiker. Autor der einzigen, in der DDR erschienenen Karl-May-Biographie. Erst einmal ist Christian Heermann elf Jahre alt. Das war 1947. Und das war das richtige Alter ? für...? Genau. Take 05 Heermann 1'05 Mich hat dann auch bald mehr beschäftigt als die Lektüre: sein Leben, sein Schicksal. Ich habe immer, seit vielen Jahren, habe ich Material gesammelt. Autor: ?Der Ölprinz? war seine erste Begegnung mit Karl May. Eine Begegnung, bei der schnell feststeht: Christian Heermann und Karl May werden sich ein Leben lang nicht mehr aus den Augen verlieren. Zumindest der eine nicht den anderen. Take 06 Heermann 14'00 Ich stamme aus dem Erzgebirge. Ein Teil der Mayschen Werke spielt auch dort. Mein Lieblingsbuch ist der May-Roman ?Weihnacht?, der beginnt im Erzgebirge, an der Grenze nach Böhmen und endet, die ersten hundert Seiten im Erzgebirge und die restlichen 500 Seiten in den Rocky Mountains, Amerika. Der Held muss also aus dem Erzgebirge dorthin. Und es war natürlich faszinierend. Autor: Mit Karl May lässt es sich in die Ferne träumen. Ein Grund, weshalb man sich als Kind für ihn begeistern kann. Es gibt einen weiteren Grund. Das klingt fast banal ? aber Karl Mays neuer Fan war da eben noch sehr jung, damals 1947 in der sowjetischen Besatzungszone: Take 07 Heermann 2'29 Die Hauptfaszination war eigentlich die, dass das eine fast verbotene Literatur war...:Der May war nicht verboten im Osten, aber er war auch nicht erlaubt. So eine Zwischenstellung. Das war zunächst mal das erste, was da verlockte. Und dann hat mich einfach fasziniert, dass die Mayschen Helden, das denen alles gelingt. Sind sind also immer Sieger. Autor: Helden. Es war eine dieser Zeiten, die Helden brauchte. Schlimmer noch, es sollten die richtigen Helden sein. Zu den offiziellen Helden passte das Heldenuniversum von Karl May nicht. Take 08 Heermann 4'08 Religiös, sentimental, nationalistisch, chauvinistisch und so....Die Mayschen Helden kannten keine Obrigkeit, im Wilden Westen nicht und im Orient. Da war die Obrigkeit ? das war weit entfernt. Die haben also ihre eigenen Gesetze gemacht und gehandelt. Und das war in so einem dumpfen Obrigkeitsstaat, wie es die DDR war, natürlich keine empfehlenswerte Lektüre. Autor: Also keine Indianer in Sachsen. Moment, sagt da Christian Heermann, Moment. Im Dreibuchstabenländchen DDR konnte ja immer auch einiges anders kommen. Karl May kam anders ? Stichwort kulturelles Erbe. Karl May schaffte nämlich in der DDR eine seltene Karriere ? vom unerwünschten Autor ? zum Schriftsteller, der einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des sozialistischen Heimatbewußtseins leisten konnte. So ungefähr. Eine große Karriere. Als Toter. Take 09 Heermann 10'40 Der offizielle Startschuss wurde dann gegeben am 25. Dezember 1982, um 15:15 im ersten Programm des DDR-Fernsehens. Da gab es den Film ?Ich habe Winnetou begraben?, eine Dokumentation oder besser gesagt, so ein Agit-Prop-Streifen, wo dann dargelegt wurde, dass der May doch ein recht akzeptabler Autor ist und das der ab jetzt eine Rolle spielen wird. Man hat also so getan, als ob man ihn vorher nie verteufelt hat. Im Anschluss lief dann der westdeutsche Streifen Winnetou 1. Und in der Restlaufzeit der DDR waren zu allen Feiertagen, Ostern, Pfingsten, Weihnachten, immer liefen Karl-May-Filme im Programm, aus den 60er Jahren sowas. Es war schon irgendwie verrückt, diese ganze Angelegenheit. Ich habe einen Freund, der wegen May seine Arbeitsstelle verloren hat in den 60er Jahren....Der war in Burgstedt Stadtrat für Kultur und hatte in so einem kleinen Kulturblättchen einen May-Beitrag untergebracht. Und das hat ihm dann das Genick gebrochen. Aber dann, nach diesem 25.12.1982 waren die Zeitungen voll mit May-Dingen. Autor: Fehlte nur, dass man Karl May posthum den Karl-Marx-Orden überreicht hätte. Aber immerhin, die höchste Obrigkeit, das Politbüro, hat sich mit Karl-May befasst. Also mit einer ganz wichtigen Frage: Take 10 Heermann 9'20 Das ging soweit, dass die darüber diskutiert haben, welche Pappsorte für den Einband dieser Bände benutzt wurde. ...Da haben sie drei Sorten zur Auswahl gehabt und auf dieser höchsten Ebene haben sie dann beschlossen, in welcher Pappe die May-Bände einzubinden sind. In der DDR sind elf Stück erschienen. Autor: Und alle waren sie plötzlich da ? die Helden vom Karl May. CD oder Klavier - Winnetou-Melodie Sprecher: (erst freistehend, dann sehr langsam ausblenden) Winnetou. Old Shatterhand. Kara Ben Nemsi. Old Firehand. Old Surehand. Apanatschka. Hadschi Halef Omar. Sam Hawkins. Dick Hammerdull. Pitt Holbers. Hobble Frank. Amadeus Plaustrumus Singultus Pader-Borniensis, Dicker Jemmy. Der Lange Thomas, Tim Snaker Tante Droll. Intschu tschuna. Auguste Bayer, Nscho tschi. Ribanna. Dr. Ignatz Pfotenhauer, Tangua, Sir David Landsay, Otto Gans von Putlitz, Frick Turnerstick, Fi-fox, Halef Agha, Zarka, El Lakit, Omar Ben Sadek, Margarete Stein, Barud El Amasad CD oder Klavier ? kurz freistehend, schnell weg Autor: Mit diesen Figuren ritt Karl May nun offiziell in die DDR ein. Eine Karl-May-Biographie erschien ? verfasst von Dr. Christian Heermann. Sprecher (singt mit Klavier): Unser Ehrenwort war heilig Nur ein Bleichgesicht betrog Und es waren gute Jahre Bis der erste sich belog. Sprecher: spielt Klavier Autor 1: Na geht doch, Häuptling LangLang. Sprecher 1: Lieber ein Pfeil im Köcher, als zwei im Herzen. Manchmal ist es umgekehrt. Autor 1 : Oh. Sprecher: spielt Klavier Autor: Apropos Herz. Wie ist das mit den Frauen da unten? Take 11 Florstedt 16'38 Was will denn ein Mädchen im Wilden Westen? Autor: Jenny Florstedt fragt das. Jenny Florstedt braucht keine Mädchen bei Karl May. Hat sie nie gebraucht, nie vermisst. Und Jenny Florstedt hat viele Jahre mit Karl May hinter sich. Take 12 Florstedt 0'15 Ich bin im Leipziger Freundeskreis Karl May, seit ich 12 Jahre alt bin und seitdem in der Karl-May-Szene sehr engagiert, in vielfältigen Projekten teilweise im Verein, teilweise Solo-Projekte. Autor: Seit sie zwölf Jahre alt ist. Ich versuche zu rechnen. Das ist zehn Jahre her? Take 13 Florstedt 0'35 Das ist aber nett. (lacht) Tut mir, das ist ein bisschen Premiere gerade hier., Nein, ich bin Jahrgang '76, d.h., es ist schon eine ganze Weile her, dass ich mich engagiere. Die meisten haben so eine Phase, wo sie elf, zwölf sind, wo sie mit Karl May anfangen. Die meisten überwinden diese Phase erfolgreich mit 15, 16 wieder und lesen andere Sachen. Das habe ich auch gemacht, habe aber eigentlich immer an Karl May irgendwie festgehalten, was aber auch daran lag, dass ich schnell in diesen Leipziger Verein eingetreten bin. Und wenn man so ein bisschen einen Verein da hat, hält man in der Regel den Kontakt zu dem Verein, auch wenn sich die Lesegewohnheiten ändern. 1'30 Jetzt sagten Sie so schön, die anderen überwinden diese Phase erfolgreich. Was ist denn bei Ihnen da schief gegangen? Eigentlich ist nichts schief gegangen. Ich habe immer auch noch andere Sachen zu Karl May gelesen. Aber bei Karl May war es einfach egal, in welchem Geisteszustand man gerade war, man fand eigentlich immer Karl-May-Texte, die man trotzdem lesen konnte. 2'29 Also Sie finden immer wieder bei Karl May einen klugen Rat? Das kann man so sagen. Aber es ging mir mehr darum, man kann immer wieder Karl May lesen. Er hat ein so großes Spektrum an verschiedenen Texten gemacht, von leichterer Kolportage bis spannenden Reisenerzählungen, Humoresken und ähnliches mit einem historischen Hintergrund. Also, aus heutiger Sicher ist alles historisch bei Karl May. Aber Karl May hat auch aus seiner Sicht historische Sachen geschrieben. Und immer, wenn sich meine Interessen weiterentwickelt haben, es gab irgendwo immer wieder einen Bezug zu Karl May und man konnte halt das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Also, wenn man sich für Regionalgeschichte interessiert, kam man zu Karl May, wenn man sich für die große, weite Welt interessiert, kam man zu Karl May. Autor: Wie ist das nun mit Karl May und den Frauen? Take 14 Florstedt 7'20 Es gibt ein paar Indianerinnen, die durchaus den Helden mal verwirrt haben. CD: Winnetou Musik ? kurz freistehend, dann im Hintergrund Sprecher: (Klavier im Hintergrund) Jeder rote Krieger und jedes Bleichgesicht würde glücklich sein, wenn meine Schwester seine Squaw werden wollte, nur Old Shatterhand nicht.« »Wie kann mein Bruder Winnetou dies wissen, da er noch nicht mit ihm darüber gesprochen hat?« »Ich weiß es trotzdem, denn ich kenne ihn. Er ist nicht wie andere Weiße; er trachtet nach Höherem als sie. Er nimmt keine Indianerin zur Squaw.« Autor: Winnetou, erster Band, steht auf dem Buch, aus dem Häuptling Lesende Ratte vorträgt. Das hat Frauen inspiriert, Karl Mays Geschichten weiterzuspinnen. Sprecher 1: Weiterspinnen? Ja, das Wort passt. Take 15 Florstedt 16'43 Es gibt Fan-Fiction aller Art, oft von Frauen geschrieben, wo Frauen auch einen größeren Anteil in den Büchern Karl Mays dann zugemessen haben, die auch den Stil zum Teil geschickt kopieren, aber ich habe mich auch mit dieser Art Fan-Fiction in der Regel nicht anfreunden können. Es war einfach..., es passte nicht. Was will denn da ein Mädchen, was macht denn das? Das ist Blödsinn. Und wenn dann auch noch eine Liebesgeschichte konstruiert wurde, dann war es ganz aus. Dann habe ich einfach die Nase gerümpft und das war es halt. CD: Winnetou Musik ? kurz freistehend, dann im Hintergrund Sprecher: »Seht Ihr, wie ahnungslos sie sind!« sagte Sam. »Bei denen gibt es heut keinen einzigen argen Gedanken.« »Wenn Ihr Euch nicht irrt!« »Sam Hawkens irrt sich nie!« »Pshaw! Ich könnte Euch das Gegenteil beweisen. Ich habe etwas in mir wie eine Ahnung, daß sie sich verstellen.« »Ahnung! Alte Squaws haben Ahnungen, sonst niemand. Merkt Euch das, verehrter Sir! Welchen Zweck könnte es denn haben, sich zu verstellen?« »Um uns anzulocken.« Autor: Indianer Rezitatus Rizinus ist plötzlich richtig wach. Karl May ist sein Leben. Glaubt er. Wahrscheinlich stimmt das sogar. Sprecher 1: Auch das Rauchen der Friedenspfeife kann tödlich sein. Autor 1: Karl May? Oder der Gesundheitsminister? Sprecher 1: Das sage ich. Autor 1 Wahnsinn, Häuptling Dichter Nebel. Sprecher: spielt Klavier Autor: Was macht diese Welt von Karl May eigentlich aus, welche Ideale sind es, die Leser von heute ansprechen. Und Leserinnen? Ich frage mich das. Und ich frage es Jenny Florstedt vom Leipziger Karl-May-Freundeskreis. Take 16 Florstedt 8'58 Oh, das ist eine schwierige Frage. Ich versuche immer fair zu sein. Aber ich habe kaum Abenteuer und kaum Feinde in meinem Leben, wo ich mich da bewähren kann in der Hinsicht. Aber ich glaube, ein guter Mensch werden zu wollen, ist schon ein angemessenes Streben. Und da hat auch Karl May durchaus seine Aktie dran. Sprecher: spielt Klavier und singt: Der "Kleine Büffel" spielt heute Boss, Er zog mit Papis Firma das große Los "Geschmeidige Natter" sortiert die Post, Und in seiner Freizeit'sagt er meistens "Prost!" Und die Friedenspfeife baumelt Über'm Videogerät Wieviel Träume dürfen platzen Ohne daß man sich verrät Wo sind all die Indianer hin Wann verlor das große Ziel den Sinn So wie Chingachgook für das Gute stehn Als letzter Mohikaner unter Geiern nach dem Rechten sehn Sprecher: spielt Klavier ? kurz freistehend, dann im Hintergrund Autor: Mohikaner. Unter Geiern. Im Regionalzug nach Radebeul. Und mittendrin Häuptling Piano Forte. Vorn an der Lock steht: Meißen Trieb. Mir ist das nicht geheuer. Sprecher 1: Nicht jeder, der mit gespaltener Zunge spricht, hat ein Messer verschluckt. Autor: Draußen die Orte heißen Zitzschewig. Oder wie man das ausspricht. Das möchte man in kein Formular eintragen müssen. Dann gibt es Radebeul-Weintraube. Ich soll bis Radebeul West fahren. Hat Indianer Großes Kursbuch gesagt. Ich steige Radebeul Ost aus. Ich hätte es wissen müssen. Bahnhofsvorplatz Radebeul Ost ? die Prärie ist dagegen eine abwechslungsreiche Großstadt. Radebeul Ost sieht aus, als würde genau hier angefangen, die Erde abzureißen. Bretterverschläge, Erdhügel und dazwischen immer ein unbeschreibliches Nichts. Nicht einmal eine Postkutsche, aber immerhin genügend Staub. Wenigstens etwas zum aufwirbeln. Wahrscheinlich hält der Zug hier nur, um Verwirrte wie mich abzuladen. Die Geier wollen ja Abwechslung. Sprecher 1: Wenn die Geier über dir kreisen musst du dringend Geld verdienen oder was essen. Autor: Indianer Lebende Einfalt lässt sich nicht abwimmeln. Sprecher 1: Ich soll nur auf dich aufpassen. Autor: Indianer sind keine Jukebox, denn dort muss man erst Geld einwerfen, um etwas zu hören. Und ich würde Indianer Abgestandene Weisheit niemals Geld einflößen. Sprecher 1 Boah eh. Autor: Ich laufe. Irgendwann Häuser mit winzigen Vorgärten. An einer Tür ein Schild: ?Vorsicht, bissiger Hund, viel Vergnügen?. Es liest sich, wie die letzte Wahrheit über Radebeul Ost. Wer hier überleben will, muss sich in eine Indianerwelt fantasieren. Karl May hat die letzten Jahre seines Lebens hier verbracht. Das war seine gute Zeit. In Radebeul, damals noch nicht Ost. Seine Villa ist heute Museum. Sprecher 1: Das ist sie ? die Villa vom Meister. Es stimmt also alles. Take 17 Köhler 1'47 Karl May hat in der Villa, die vorne an der Straße steht, das war zu Karl Mays Lebzeiten die Kirchstraße, heute ist das die Karl-May-Straße. In dieser Villa Shatterhand hat er von 1896 bis zu seinem Tod 1912 gewohnt. Autor: Ich suche die Indianer. Sprecher 1: Ich bin hier. Autor 1: Nein. Autor: Ich finde Andre Köhler. Er ist Pressesprecher des Karl-May-Museums in Radebeul. Die Villa Shatterhand, ehemals das Wohnhaus von Karl May. Die Bewunderer kamen schon zu seinem Lebzeiten: CD Winnetou-Musik ? kurz freistehend, dann im Hintergrund Sprecher: Die Nacht, oft zwei, drei Nächte hintereinander, ohne dann am Tage schlafen zu können, ist überhaupt meine Arbeitszeit, der vielen Besuche wegen, welche täglich kommen, um »ihren« Old Shatterhand resp. Kara Ben Nemsi Effendi persönlich kennen zu lernen. Es klingelt unten am Eingange, und trotz der frühen Stunde wird mir ein Gymnasiast gemeldet, welcher so zeitig aus Dresden gekommen ist, um mich sicher anzutreffen. Take 18 Köhler (Fortsetzung) Das ist im Prinzip der Ort, wo er seinen Traum von Old Shatterhand gelebt hat. Deshalb hat er das Haus auch Villa Shatterhand genannt. Und das steht in goldenen Buchstaben an der Front des Hauses. Autor: Bolotie. Rene Wagner trägt Bolotie. Ein Stück Schnur, zusammengehalten von einer Brosche. Die sogenannte Cowboy-Krawatte. Bei Wikipedia steht, dass 1971 diese Krawatte offizieller Halsschmuck von Arizona war. Ich überlege, wieso ein Bundesstaat offiziellen Halsschmuck braucht. Und vor allem: Wie trägt es den? Rene Wagner ist der Direktor des Karl-May-Museums in Radebeul. Er sagt, Karl May hätte er gern kennen gelernt. Und dann? Take 19 Wagner 1'05'46 Ich glaube, ich hätte erstmal gar nichts gesagt, ich hätte ihn nur bewundernd angeschaut. CD Winnetou-Musik ? kurz freistehend, dann im Hintergrund Sprecher: Ich habe vielleicht eine halbe Seite geschrieben, da höre ich auf der Straße wiederholt meinen Namen nennen.... Autor: Karl May. Sie hätten miteinander geredet, glaubt Rene Wagner. Take 20 Wagner 1'05'58 Davon bin ich überzeugt, weil er, wenn Gäste sich angemeldet hatten, wenn es wirklich nicht in seinem Zeitplan passte, sich selten oder nie verweigert hat. Es gibt Berichte, selbst von Schülern, die hier in der Villa Shatterhand mit ihm gesprochen haben. Sicher wird es nun nicht eine stundenlange Begegnung gewesen sein, aber er hat sich diese Zeit genommen. CD Winnetou-Musik ? kurz freistehend, dann im Hintergrund Sprecher: Da stehen vier junge Burschen, nehmen die Villa in liebreichen Augenschein und werfen sich ihre leise sein sollenden aber sehr vernehmbar ausfallenden Bemerkungen zu: » Mer ham uns nich verloofen! Siehste denn nich die großen, goldnen Buchstaben da droben, Du Dummkopp, Du? Das heeßt »Villa Schschschatterhand«. Mer sin also an Ort und Schtelle! Itzt kannste klingeln!« ? ? »Nee, ich nich!« ? ? »Warum denn nich?« ?  ? »Ich fürcht mich so.« ? ? »Unsinn! Er wird Dich nich beißen! Hast's doch gelesen, was für een guter Kerl er is!« Take 21 Wagner 39'02 Durch Karl May ist man einfach in einer fremden Welt. Da wollte man genauso edel sein, genauso tapfer sein, so viel können, auf soviel Meter mit dem Pfeil und Bogen schießen können, Schmerzen aushalten können, durch einen Sonnentanz gehen, da sind die Träume groß und weit. Ohne Karl May hätte ich das Bedürfnis nicht gehabt, mich noch intensiver mit Indianerkultur zu beschäftigen und ohne Karl May wäre mein Leben auch anders verlaufen. Aber Karl May ist eine Bereicherung der Fantasie, mindestens der Fantasie. Autor: Ein guter Kerl. Aber, naja. Kriminell aus der Not heraus. Diebstahl und Hochstapelei. Die Strafen dafür hat er abgesessen. Und: Take 22 Wagner 50'06 Nur wenige, die kriminell waren, haben es unter den Bedingungen der wilhelminischen Zeit geschafft, sich durch ihre Arbeit ins bürgerliche Leben zurückzuschreiben in diesem Falle. Und das ist das, was ich ihm hoch anrechne. Autor: Die Hochstapelei freilich hat er als Schriftsteller fortgesetzt. Er liebte das Spiel mit Fiktion und Wahrheit. Und vielleicht hat er sich in dieser Welt manchmal verirrt. Das kann passieren ? in Radebeul. Die Bücher in der Bibliothek tragen die Spuren von Karl May, sie sind handschriftlich nummeriert. Und Andre Köhler weiß: Take 23 Köhler 49'25 Gleich neben der Bibliothek, gleich angeordnet, befand sich Karl Mays Arbeitszimmer. Sie sehen hier seinen Schreibtisch mit verschiedenen Manuskriptseiten, seinen Federhalter, das Tintenfass, der Spazierstock und orientalische Möbel. Er hat so überhaupt so dieses Arbeitszimmer sehr orientalisch dann eingerichtet, nach der Rückkehr von der Orientreise. Vorher, da war es viel abenteuerlicher, das kann man sich hier auf dem Foto anschauen von 1896. Da waren die Wände noch mit Jagdtrophäen und Waffen behangen, der Löwe war ausgestopft, stand neben seinem Schreibtisch und Karl May hat die Geschichte erzählt, dass er den selbst als Kara Ben Nemsi gejagt hat, was er dann nach 1900 nicht mehr tat. Autor: Die Weltanschauung hatte Spuren bei Karl May hinterlassen. Vielleicht hatte er sich seine Erfindungen vorher selbst geglaubt. Nach der Reise funktionierte das nicht mehr. Realität ist mitunter schwer zu ertragen. Aber ich will endlich Indianer finden. Take 24a Köhler 22'02 Hier in der Mitte des Raumes trifft man dann noch unseren Dakota-Häuptling. Das ist ein, dieses Hemd des Dakota-Häuptlings, das geht zurück auf den Besitz von Karl May. Karl May hat ja einige wenige Gegenstände auch selbst mitgebracht, 1908 von seiner Nordamerika-Reise und dazu gehörte dieses Hemd hier mit. Das kann man auf historischen Fotos seines Arbeitszimmers identifizieren. Das ist natürlich für unsere Sammlung ein ganz besonderes Stück. Autor: Karl May? USA? Dakota-Häuptling? Das klingt, als war es wieder gefährlich für Karl May. Also gefährlich nicht im Sinne von übermächtigen und schwer bewaffneten Feinden. Sondern gefährlich ? weil wieder die Wirklichkeit auf Karl May lauern könnte. Andre Köhler kann beruhigen: Take 24b Köhler 24'32 Dazu muss man sagen, dass Karl May ja nie im Südwesten der USA war, wo die Apachen zu Hause sind oder in einem Gebiet der Prärien, sondern er hat eine touristische Route gewählt von New York, dem Hudson-River aufwärts bis an die Niagarafälle, schon ein typisches Ausflugsziel schon zur damaligen Zeit. Er hat es also vermieden, in die Originalgebiete zu gehen, wo seine Geschichten spielen. Ich denke persönlich, das hat etwas damit zu tun, dass er ja auf der Orientreise, wo er großen Realitätsschock erlitt, als er nämlich die Wirklichkeit sah, die nicht mit dem übereinstimmte, wie er sich das in seinen Büchern vorgestellt hatte, dass er aus diesen Erfahrungen heraus es vermied, weiter westlich zu reisen in Amerika. Autor 1: Na, Häuptling Verlorene Note, wie wäre es mit dem Klassiker: Ich war noch niemals in New York? Sprecher ? spielt irgendwas mit New York Autor: Da spürt man Karl May in jeder Note. Sprecher 1 ? spielt Wie? Autor 1: Freie Improvisation. Sehr frei. Take 25 Wagner 19'05 Was man früher nie hinterfragt hat, seine Angabe, wie viele Sprachen er spricht, das hinterfragt man natürlich heute. Ich muss aber sagen, ich gönne es mir mal, dass alles abzuschalten und in mich hinein zu saugen mit der kindlichen, versuche, mit der kindlichen Naivität aufzubringen, solche Dinge zu lesen oder das Denken dann einzustellen, wenn er dann den Knieschuß erläutert, was dann mit seinem Knie passiert oder sowas. Ich versuche dann wirklich wieder in der Romantik seiner Erzählung zu schwelgen. Take 26 Köhler 43'37 Besonderer Höhepunkt für viele Besucher in der Villa Shatterhand sind aber die drei berühmtesten Gewehre des Wilden Westens, die Silberbüchse, der Bärentöter und der Henrystutzen. Die ersten beiden hat Karl May 1896 erworben und er nutzte sie ganz plakativ auch für seine Präsentation für Vorträge die er gehalten hat in München im Hotel 1897. Das war die Zeit, wo er sich tatsächlich mit diesen Figuren Old Shatterhand und Kara Bin Nemsi identifizierte und seinen Lesern Glauben machte, dass all das, was in seinen Büchern steht, wahr ist und er wirklich alles erlebt hätte. Autor: Ich suche noch immer die Indianer. In Sachsen. Ich könnte improvisieren. Andre Köhler vom Karl-May-Museum erklärt lieber, was Indianer alles so sind: Take 27 Köhler 13'35 Der Begriff Indianer ist ja ein Kunstwort, der auf diesen berühmten Irrtum beruht, dass der Kolumbus ja den Seeweg nach Indien suchen wollte, aber wenn wir über Indianer sprechen, dann sprechen wir eigentlich über 500 unterschiedliche Nationen, die in Nordamerika vor Ankunft der Europäer existiert haben und die sind von ihrer Sprache so unterschiedlich, muss man sich vorstellen, wie die Deutschen oder Chinesen oder wie die Norweger oder Italiener. Aber für uns, in unserer Vorstellungswelt wird das aber alles unter dem Begriff Indianer subsumiert, was nicht korrekt ist. Autor: Es gibt viele Indianer. Und alle sind sie anders. Bei Karl May. Im richtigen Leben. Und heute. Und in Sachsen - das erklärt Rene Wagner, der Direktor des Karl-May-Museums. Das sind ja Indianerfreunde und keine Indianer, höchstens Teilzeitindianer. Aber immerhin. Take 28 Wagner 40'04 Die meisten von den Indianerfreunden, die leben mindestens ein Doppelleben, ein Dreichfachleben. Das normale Berufsleben und das Familienleben sowieso. Und dann Indianer. Und dann oftmals haben sie eine Ausstattung als Cowboy oder wenn sie sich mit dem Bürgerkrieg beschäftigen, haben sie eine Uniform des Bürgerkriegs, weil die Geschichte der Indianer natürlich immer eine Geschichte der Nichtindianer in diesem Gebiet war. Das waren eben oftmals Cowboys oder Westmänner oder normaler Look, also normales Anzugsverhalten der Bürger in den Kleinstädten seinerzeit. Sprecher singt am Klavier Es gibt noch ein paar wenige vom Stamme der Schoschonen, Die finden sich, erkennen sich am Blick, Und deren gute Taten kann man nur durch Freundschaft belohnen, Sie nehmen ein Versprechen nie zurück. Und die Friedenspfeife baumelt über'm Videogerät, Wieviel Träume dürfen platzen, Ohne dass man sich verrät? Wo sind all die Indianer hin? Wann verlor das große Ziel den Sinn? So wie Chingachgook für das Gute steh'n, Als letzter Mohikaner unter Geiern nach dem Rechten seh'n. Autor: Die Tür öffnet sich, auf einem wackeren Mustang....Quatsch, falscher Text. CD Winnetou-Musik ? nur im Hintergrund Sprecher: Sie standen ungefähr im gleichen Alter und waren Indianer. Das sah man gleich beim ersten Blick. Hoch und breitschulterig gebaut, mit scharf, aber, ich möchte beinahe sagen, edel geschnittenen Zügen, gingen sie, scheinbar ohne jemand anzusehen, langsam und würdevoll nach dem erwähnten Tisch und setzten sich dort nieder. ... Man pflegt bei solchen Personen von »durchgeistigten« Gesichtern, von »durchgeistigten« Zügen zu sprechen, und der Eindruck dieses »Durchgeistigtseins« ist um so größer, um so tiefer und um so dauernder, wenn dabei der Blick des Auges jene tiefe Schwermut, jene seelische Trauer bekundet, welche verschwindenden Jahren, zu Ende gehenden Tagen und sterbenden Völkern eigen ist. Diese stille, aber doch laut sprechende, unbeschreibliche Elegie des Auges war hier bei diesen Indianern vorhanden. »Das sind die Gentlemen«, sagte der Kellner. »Feine Leute, wenn auch nur Indianer! Hochfein!« Autor: Der Indianer kommt mit dem Auto vorgefahren. Der Indianer hat seine Indianerfrau mitgebracht. Der Indianer ist Lehrer. Take 29 Schiefer 22'00 R Zu Hause pflegen wir ein bürgerliches Leben. Autor: Sagt der Indianer. Er sieht nicht aus wie ein Indianer. Oder doch. Die langen Haare. Die Gesichtszüge. Aber er ist Sachse. Und sie auch. Silvia Schiefer stellt sich vor, sie sagt: ich bin jetzt 49. Rochus Schiefer ergänzt: Jahre alt. Rochus Schiefer ist Lehrer. Indianersein ? das ist für beide Freizeit. Und Freiheit. Mit einem Wigwam. So heißen die Reihenhäuser der Indianer. Nein, falsch, sagt Silvia Schiefer. Take 30 Schiefer 22'43 Wir haben kein Wigwam, wir haben ein Tipi. Wigwam ist mehr Richtung Weidland, Apachen auch, die hatten auch Wigwams. Und Tipi ist ähm, ja kegelförmiges Zelt, kann man fast mit einer Jurte vergleichen. Autor: Ja, alles klar. Sprecher 1: Also, ein Wigwam ist kein Tipi und keine Jurte. Take 31 Schiefer 23'40 Wir haben ein Tipi. Sprecher 1: Eine Jurte ist kein Wigwam und kein Tipi. Ein Tipi ist... Take 31 Schiefer 23'40 Wir haben ein Tipi. Autor 1: Jaja, steht in Berlin am Kanzleramt und man muss Eintritt zahlen und Sprecher 1: Darf ich mal ausreden? Autor 1: Nö Take 31 Schiefer 23'40 Wir haben ein Tipi. Sprecher 1: Du bist so ignorant. Dabei wärst du ohne Karl May auch nicht hier. Autor 1: Darf ich jetzt weiter mit den Schiefers reden? Sprecher 1: Na, ob die das wollen? Take 31 Schiefer 23'40 Wir haben ein Tipi. Also im Garten? Nee, das wäre zu schade. Also, unser Tipi schlagen wir auf, wenn wir schönes Wetter haben und in unserem Verein sind und in ein längeres Wochenende, in dieser Art zu leben es für angenehm planen oder wohnen möchten. Das Tipi, damit man sich das vorstellen kann, das ist ca sechs Meter hoch. Sie haben einen Durchmesser von fünf Metern. In diesem Tipi wird gekocht, wird geraucht, man kann drin stehen, man kann hinter jemandem hinweg gehen, es ist also ein bequemes Wohnen. Wir benutzen es aber hauptsächlich zwei- dreimal im Jahr. Die Hauptsaison ist in den Ferien, wo wir eine Woche dort Urlaub machen. Das ist einmal irgendwo in der Bundesrepublik Deutschland, wo man eine größere Wiese angemietet hat, wo um die tausend Menschen sich zu einem größeren Lager treffen. Autor: Ein Schrebergartenverein auf Wanderschaft, höre ich mich denken. Ich sage es auch. Aber es ist ja anders. Es ist gelebte Geschichte. Das sagt Rochus Schiefer: Take 32 Schiefer 25'52 Ich sag mal nur, August der Starke oder sagen wir lieber, einer dieser sächsischen Fürsten hatte ja mal Auseinandersetzungen mit den Türken, bei Wien. Und das hatte sich auch wiederholt. Als diese ganzen Auseinandersetzungen vorbei waren, haben sie eine sehr, sehr große Sammlung angelegt über das Osmanische Reich. Und heute kann man das im Dresdner Schloßmuseum bewundern, was damals gesammelt worden ist. Und wenn man sich das ein bisschen genauer anschaut, dann stellt man fest, diese Fürsten und der ganze Hof hat es ähnlich gemacht wie wir heute. Da sind heute Gemälde zu sehen, wo der Adel sich verkleidet hat, auf Araberpferden höchstens Geblüts, die man geschenkt bekommen hat, Feldlager aufgebaut hat. Heute würde man einen modernen Begriff wie Living Historie benutzen. Autor: Sivia Schiefer guckt. Urlaub im Tipi ? es macht ihr nichts. Und mitleidige Blicke, wenn der Urlaub mal wieder nicht im All-Inclusive-Hotel stattfindet? Die Kollegen reagieren eher entspannt. Take 33 Schiefer 48'50 weil die erleben mich danach immer total relaxt und erholt. 49'50 Je einfacher und je primitiver, umso besser der Urlaub. Das ist eine Meinung, die möglicherweise nicht mehrheitsfähig ist... Das kann ich verstehen, aber ich denke, die Mehrheit hat es nur noch nicht probiert. Autor: Treffer. Das ist wohl so. Take 34 Schiefer 59' Sie müssen sich vorstellen, wir ziehen nicht hin und her, sondern auf ein riesiges Areal, das schon mindestens zwei Jahre vorher avisiert wird. Damit entsprechende landwirtschaftliche Betreiber uns diese Fläche freihalten, denn wir brauchen auch Seen, um uns zu baden und dgl, wegen der Körperhygiene. Dann ist ringsum auch alles abgesperrt, da hat man ringsum keinen Autolärm, Sie sehen ihre eigenen Fahrzeuge nicht...Die sanitären Anlage die werden ja heute wie auch für dreißig Jahren vorgeschrieben. Da gibt es natürlich Toilettenanlagen, Duschanlagen, aber die sind dann immer so in der Landschaft untergebracht, dass man sie nicht gleich auf den ersten Blick sieht, sondern eine Schneise in den Wald rein, wo das eben abgestellt werden darf, aus Umweltschutzgründen usw. Aber stellen Sie sich vor, Sie haben früh zirpen von Insekten in den Ohren, Sie hören Vögel, vielleicht eine Lärche. Und dann hören Sie, drei, vier, fünf, zehn, fünfzehn Meter weiter ein Pferd schnaufen. Dann wissen Sie, dem geht?s gut, denn es frisst. Autor: Die Frauen sind derweil im Tipi und kochen. Oh, das Leben der Freizeitindianer ist ja wie, naja, wie Take 35 Schiefer 1'05'53 Sie dürfen ja nicht denken, dass meine Frau da allein im Tipi hockt wie eine andere Frau vorm Herd. 1'06'10 Es sind auch mal zehn bis zwanzig Frauen da. Und die kochen dann teilweise zusammen, weil man ja weiß, mehrere Helferinnen sind dann schneller fertig mit dem Essen, als wenn jede einzelne ihr kleines Süppchen vor sich hin köchelte. 1'0802 Aber diese traditionelle Arbeitsteilung bleibt dann trotzdem? Richtig. Aber wir haben für einen Moment kein Problem damit. Auch meine Frau nicht. Männer hatten damit noch nie ein Problem. Wohl wahr, wohl wahr. Nein, meine Frau hat deshalb kein Problem damit, weil sie weiß, dass es nur für zehn Tage so ist. Ansonsten sind wir beide gleichberechtigte Partner. 1'08'34 Silvia In dem Lager sind wir gleichberechtigt, nur dass wir halt Dinge tun, als Frauen, die uns einfach gewohnheitsmäßiger, besser von der Hand gehen. Autor: Das Pferd. Rochus Schiefer hat zwei davon. Und er reitet darauf. Er hat es mit Mitte vierzig noch gelernt. Take 36 Schiefer 29'04 Ich habe hier auf einem, mit einem hautechten Cowboy die ersten Schritte auf einem Pferd gewagt. Der Mann kam aus Arizona und hat hier mehrere Jahre gelebt und ich glaubte, wenn ein Cowboy mir nicht das Reiten beibringen kann, wer sonst? Sprecher (mit Klavier) Wo sind all die Indianer hin? Wann verlor das große Ziel den Sinn? So wie Chingachgook für das Gute steh'n, Als letzter Mohikaner unter Geiern nach dem Rechten seh'n. Autor: Freizeitindianer. Rochus Schiefer weiß, dass er nicht rund um die Uhr ein Indianerleben führt. Er weiß, dass sein Leben mit dem der Indianer von heute nicht viel zu tun hat. Und er weiß, dass er manchmal auf andere merkwürdig wirken muss: Take 37 Schiefer 36'23 Sie müssen sich vorstellen: In diesen historischen Zeiten, wo die Nomaden noch durch die Prärie gezogen sind, da war es u.a. üblich, dass man sein Gegenüber, z.B. die Schwiegermutter nicht angeschaut habe. Moment. So dass ich häufig die Eigenschaft habe, dass ich nicht unbedingt jemandem ins Gesicht schaue, während ich erzähle. Ich gucke dann also einfach dran vorbei. Aber wenn ich jemandem richtig in Konfrontation nehme, dann gucke ich jemandem in die Augen. Sobald ich aber jemandem zu lange in die Augen schaue, fragt mich jeder: Hab ich was gemacht, du guckst so komisch. Autor: In Radebeul. Karl May hätte wohl seinen Spaß mit den Schiefers. Er selbst posierte mit Cowboy-Verkleidung und Gewehr. Karl May hat Silvia und Rochus Schiefer zusammengeführt. Sie haben ihn gelesen ? im Original, sagt Rochus Schiefer. In einer Interessengemeinschaft Indianistik haben sie Karl May etwas aus den Augen verloren. Und sich dabei gefunden. Sie, die Silvia. Und er, der Rochus. Take 38 Silvia Schiefer 15'38 Er hatte ja auch längere Erfahrungen, was die ganze praktische Erfahrung betrifft. Man beliest sich ja nicht ausschließlich, sondern man will ja auch gewisse Sachen herstellen, also sich mit der Kleidung auseinandersetzen, das auch mal nachbauen. Da hat er mir ganz oft sehr viele Ratschläge gegeben, wie man das am besten machen kann. Und er hatte auch wesentlich mehr Unterlagen als ich zu dem Zeitpunkt hatte, was auch zu DDR-Zeiten recht schwierig war, an gutes Material heranzukommen. Ja, so sind wir dann zusammengewachsen und zusammen geblieben. CD Pur: Wo sind all die Indianer hin Sprecher 1: Na, wie wars? Autor 1: Naja: Lieber ein durchgeknallter Indianer... Sprecher 1: Meinst du damit mich? Autor 1: ?als, als, ähm ? Sprecher 1: Indianer stehen für Menschlichkeit, für Gleichheit, für Vielfalt. Und Prinzen? Pff. CD: Pur: Wo sind all die Indianer hin? Take 39 Heermann 16'40 Eine wichtige Rolle spielt für mich, dass durch May Freundschaften entstanden sind. Ich bin z.B. mit einem Luxemburger Schriftsteller befreundet, Emil Angel, durch May. Und der sagte mir mal: Weißt du, ohne May hätten wir uns nie kennen gelernt. Und so ähnliche Äußerungen habe ich auch von anderen erfahren. CD: Pur: Wo sind all die Indianer hin? Take 40 Köhler 2'24 Das hat er definitiv, Fantasie und Realität sehr eng beieinander gehabt. Ob man sich darüber Sorgen machen muss, das ist natürlich eine Ansichtssache. Ich denke, Karl May wäre nie so berühmt geworden, wenn er nicht diese Figuren Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi im gewissen Sinne auch gelebt hätte. Take 41 Florstedt 8++ Als ich klein war, wollte ich immer gut und edel werden und auch nett zu meinen Feinden sein. Aber wie viel Feinde hat man denn als Zwölfjährige? CD: Pur: Wo sind all die Indianer hin? Take 42 Schiefer 37'16 Jüngstens erst passiert: Wir Lehrer sollten alle in eine bestimmte Richtung gehen und ich sagte: Nun, geht mit der Sonne, mit der Sonne, statt: lauf rechts rum. Sprecher (mit Klavier) Wo sind all die Indianer hin? Wann verlor das große Ziel den Sinn? So wie Chingachgook für das Gute steh'n, Als letzter Mohikaner unter Geiern nach dem Rechten seh'n. Autor: (melancholischer Dialog) Wo ist eigentlich der Indianer hin? In der Villa Shatterhand, wo sonst? Er probiert gerade ein Hemd an. Es ist das Hemd des Dakota-Häuptlings. Karl May hatte es mitgebracht, er hat es angezogen, als er für einen Fotografen posierte. Ich gucke nach der Alarmanlage. Sprecher 1: Hast du mal Feuer? Autor 1: Die Friedenspfeife ist teuer. Das Hemd übrigens auch. Und, ach egal. Sprecher 1: Draußen steht ein Marterpfahl. Autor 1: Totempfahl heißt es richtig. Marterpfahl ? das ist auch etwas anders, als Karl May das beschrieben hatte. Sprecher 1: Als ob du das gelesen hast. Autor 1: Indianer waren auch nicht nur gut. Die Wirklichkeit ist doch.... Sprecher 1 (großer, ernster Monolog): Ach, du hast es nicht verstanden. Wirklichkeit. Als ob es darum geht. Es geht um das Gute. Es geht um die Kraft der Träume, der Fantasie, es geht um Ideale. Es geht nicht um einzelne, denen man in ein Körperteil kriecht, weil sie den Stammbaum ihrer Familie zehn Generationen zurück aufsagen können. Das ist keine Leistung, höchstens Wichtigtuerei. Winnetou und Old Shatterhand leben Ideale. Vielleicht hat Karl May die beiden in die Welt geholt, als er die erste Seite seiner Bücher schrieb. Aber jedes Wort von ihm hat sie weiter in die Welt gebracht. Und jetzt sind sie da. Solange noch jemand ihren Idealen nachstrebt: Die Schwachen beschützen. Gerecht sein. Und auch die achten, die anders sind, als man selbst. Dafür soll man besonders dankbar sein: Menschen, die anders sind, als man selbst. Und den Mund aufmachen, wenn es mal wieder zu dumm kommt. Man muss nicht jeden Streit vermeiden. Und ab und an ein Buch lesen ? es muss ja nicht von Karl May sein. Und auch mal etwas Neues denken. Ausbrechen aus der Alltagsschleife des Lebens. PAUSE Autor: Der Indianer sagt es, greift nach einem Buch aus seinem Schrankkoffer, schlägt es auf - und verschwindet darin. Was für ein Abschied aus der Welt. Aber er ruft noch aus dem Buch zurück: Sprecher 1: Nein, kein Abschied. Das hier drin, das ist die Welt - von Buchseiten zusammengehalten. Autor: Vielleicht hat er recht. Er wirkt so zufrieden, fast glücklich. Er meint es ernst. Ich nehme den Schrankkoffer mit den Karl-May-Büchern. Und ich höre Häuptling Tim Darassabum noch immer singen. Sprecher: am Klavier: Wo sind all die Indianer hin? Sachsen - einhundert Jahre nach Karl May Sie hörten eine Deutschlandrundfahrt von Thomas Klug Sprecher: Es sprachen: Thomas Klug und Tim Lang Am Klavier: Tim Lang Ton: Alexander Brennecke Regie: Karena Lütge Redaktion: Margarete Wohlan Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2012. Manuskript und online-version der Sendung finden Sie im Internet unter dradio.de 29