COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Sparclub statt Investmentfonds - die Tradition gemeinschaftlichen Sparens - Autorin Lea Koch Redaktion Julius Stucke Sendung 19.04.2010 - 13.07 Uhr Länge Beitrag 18.06 Minuten Länge Sendung 19.25 Minuten -folgt Manuskript Beitrag- Manuskript Beitrag MUSIK (Ich spare jeden Pfennig) OT COLLAGE (Kneipe) Wir haben im Augenblick 49 Sparer im Sparverein. 'Ne gute Kneipe - 'n guter Sparverein. Schlechte Kneipe - läuft nicht allzu viel. Zu Hause würde ich das Geld nicht wegtun! Prost Gemeinde! Pfarrer säuft... (lacht) MUSIK (Ich spare jeden Pfennig) Ich spare jeden Pfennig und kauf dir was dafür, noch ist es herzlich wenig, es reicht nicht weit bei mir. Ich bin kein König und kein Millionär, mein Herz ist voll, das Portemonnaie ist leer. ATMO (Kneipe) OT 01 (Heinz Golfenbach) Mein Name ist Heinz Golfenbach, 53 Jahre alt, Stammgast in der Gaststätte "Zum Knobelbecher", und mache hier, mit meiner Kollegin Rosi, immer das Sparkästchen jeden Freitag abend leer. OT 02 (Roswitha Mehren) So, jetzt steck ich die Schlüssel rein und mach das Kästchen auf, denn sonst kann man's nicht abhängen. (Stöhnen) So! OT 03 (Heinz Golfenbach) Es ist ein viereckiger Blechkasten, normalerweise mit zwei Schlössern einbruchssicher gesichert... In der Tür sind dann die entsprechenden Schlitze, nummeriert von 1 bis 49, und damit der Sparer weiß, wo er sein Kästchen hat, kann er seinen Namen lesen. Und innen drin sind 49 einzelne Kästchen, wo das Geld reinfällt. OT 04 (Mehren / Golfenbach) Sie holt jetzt das Geld aus dem Fach, sagt an die Nummer und wie viel Geld da drin ist ... Nummer Eins ... Karin zählt, und ich schreibe ein ... Fünfzig Euro ... und das ganze dauert jetzt über 49 Kästchen. (lacht) ... Numero zwei: 20, 25, 27, 28 fünfzig ... 28. Fünfzig Cent Spendenfach. (Geldklingeln) ATMO (Zählung) AUTORIN Roswitha Mehren, also Rosi, lässt die Münzen in einen großen, leeren Aschenbecher fallen. Heinz und sie sitzen ganz hinten am letzten Tisch der Kneipe "Zum Knobelbecher", auf der Eckbank. Über ihnen an der Wand hängt ein Flachbildfernseher, es läuft Fußball. Ein Tresen aus dunklem Holz macht eine große Kurve durch den ganzen Raum. Manche Gäste sitzen schon seit mittags hier. Die Luft ist verraucht. Auf dem Tisch vor Heinz und Rosi sammeln sich Fünf-, Zwanzig- und Fünfzig-Euroscheine zu ansehnlichen Haufen. Heinz trägt in eine Liste ein, wie viel jeder Einzelne diese Woche gespart hat. Währenddessen trudeln am Tresen immer mehr Stammgäste ein, wie jeden Freitagabend. Die Wirtin zapft ein Kölsch nach dem anderen. OT 05 (Petra Sögtrop / Gast) Was möchtest du, 'ne Bestellung aufgeben? Nein, ich halte die Stellung! Ich dachte schon, du wolltest eine Bestellung aufgeben. Hab' schon grade gedacht, ich könnte Geld verdienen. (lacht) Hans, zum Wohle, bitteschön." (Schnapsgläserklingeln) ATMO (Kneipe) OT 06 (Petra Sögtrop) Mein Name ist Petra Sögtrop, bin 49 Jahre alt, bin mittlerweile im 20. Jahr im Knobelbecher in Köln, und habe seit 19 Jahren den Sparverein. AUTORIN Petra Sögtrop begrüßt ihre Stammgäste mit Küsschen auf den Mund. Dann zapft sie weiter. An den Fingern goldene Ringe, hinter dem Ohr der Bleistift für die Striche auf dem Bierdeckel, die kurzen blondierten Haare zu Löckchen geformt. Der Sparverein gehört zu Petras Kneipe wie das Kölsch zu Köln. OT 07 (Petra Sögtrop) Ich hab' erstmal 'ne Rundfrage gestartet, wo wir hier hinkamen, war kein Kästchen, 'ne Liste gemacht, wer hat Lust, wer hat Interesse, und dann, schwuppdiwupp, war der Kasten voll. Hatt' ich meine 49 Leute. War mal 'ne Zeit, wo's nicht so lief, dass du auch wirklich nur deine 30 Leute hattest, aber mittlerweile, glaub wenn ich noch 'nen zweiten Kasten da hängen hätte, würde ich den auch noch halb voll kriegen. AUTORIN Jeden Freitag, wenn Heinz und Rosi den Sparkasten geleert haben, bringt Petra das Geld zur Bank, auf das gemeinsame Konto. Am Ende des Jahres bekommt dann jeder sein Erspartes ausgezahlt. In der Satzung des Sparclubs ist festgeschrieben, wie viel man pro Woche mindestens in sein Fach werfen muss. OT 08 (Petra Sögtrop) Egal was du reintust, 6 Euro ist Pflicht. Das heißt, 5 Euro werden dann gespart, 50 Cent ist für's Gemeinschaftsfach, 50 Cent ist für Lotto. OT 09 (Roswitha Mehren / Heinz Golfenbach) 13 nicht, 14 nicht, 15 nicht, 16 nicht, 17 nicht... Moment, Moment! 15 nix? Nein! 16? Nein! Strafe. Das ist Bargeld. Die haben nichts im Kästchen, die müssen jetzt einen Euro Strafgeld bezahlen." AUTORIN Das Strafgeld fließt in die gemeinsame Abschlussfeier. Genau wie die 50 Cent, die jeder pro Woche zum Gemeinschaftsfach beisteuert. Auch die Zinsen vom Sparclubkonto zahlt Wirtin Petra nicht aus, sondern wandelt sie in Verzehrgutscheine für die Feier um. Die findet im "Knobelbecher" statt - so garantiert der Sparclub der Wirtin einmal im Jahr einen ordentlichen Umsatz. OT 10 (Thorsten Wehber) Was ich gelesen habe, ist, dass, äh... AUTORIN Thorsten Wehber, Historiker beim Deutschen Sparkassenverband. OT 11 (Thorsten Wehber) ...dass die ersten Sparvereine in dieser Art in Deutschland wohl über England vermittelt worden sind, wohl vor allen Dingen über Seeleute. Dass also die ersten Sparclubs dieser Art in Bremen entstanden sind, zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, also so um 1860, 1870. AUTORIN Vielleicht haben aber auch Seeleute aus den USA die Sparclubs nach Deutschland gebracht. Dort waren sogenannte Christmas Savings Clubs beliebt, zu Deutsch: Weihnachtssparvereine. Solche Clubs, sagt Thorsten Wehber, gab es in Deutschland vor allem in den 1930er-Jahren. Neben Vereinen, in denen man allgemein für Weihnachten sparte, gab es auch Sparvereine für besondere Zwecke: OT 12 (Thorsten Wehber) Zum Beispiel weiß man, dass es in Dresden spezielle Stollen- Sparvereine gab. Da haben also dann die kleinen Leute bei den Bäckern im Laufe des Jahres Geld abgegeben, und am Ende des Jahres war dann so viel zusammen, dass sie sich natürlich dann, wie es in Dresden sich gehört, dann auch zu Weihnachten einen Stollen leisten konnten. MUSIK (Ich spare jeden Pfennig) Oft sind es nur zwei Groschen, mal ist es auch ein Schein, was ich damit vorhab, weiß nur ich allein OT 13 (Heinz Golfenbach) Ich persönlich spare für Weihnachten, und für'n Urlaub. Wir fahren immer in Winterurlaub fahr ich mit meiner Familie, davon kann man schon ein bisschen fahren. OT 14 (Sybille Brenner) Und am Jahresende ist das so 'ne berühmte Sache immer, was man alles zahlen muss. Versicherungen und und und, oder wie wir zum Beispiel eine Pacht bezahlen müssen. Wir haben auf dem Campingplatz einen Wochenendplatz, das ist ein umbauter Campingwagen. Und wenn Sie Weihnachten alles ausgegeben haben, da haben Sie keine 1000 Euro mehr (lacht). Ja! OT 15 (Roswitha Mehren) Mein Neffe, meine Nichte zu Weihnachten, da kann man davon schon mal Geschenke holen. Die 10 Euro im Monat, das bringt ja eigentlich nicht so viel, aber so aufs Jahr läppert sich's zusammen, und da hat man eben, so die Weihnachtsgeschenke dann. AUTORIN Ihre beste Zeit hatten die Sparclubs in den 50er- und 60er- Jahren. Damals hingen Sparkästen fast überall: in den Pausenräumen der Betriebe, in Friseursalons, Sportvereinen und Lebensmittelläden. Aber vor allem dort, wo man sie heute noch findet: in Kneipen. OT 16 (Thorsten Wehber) Es hatten relativ wenige einen Fernsehapparat, Autos gab's auch noch nicht ganz so viele, das kam eigentlich erst, also große Reisen und Ausflüge konnte man auch nicht machen, ja, Gaststätten, die Kneipe um die Ecke, die waren natürlich dann der Treffpunkt eigentlich für alle. Da hatte man dann auch so 'ne zusätzliche Aktivität, das gemeinsame Sparen... AUTORIN "Ich geh mal eben sparen" klingt einfach besser als "Ich geh noch einen trinken". Und so verbreiteten sich die Sparclubs in fast ganz Deutschland, sagt Historiker Thorsten Wehber. OT 17 (Thorsten Wehber) Gesamtes Norddeutschland, Westdeutschland, vor allen Dingen dann im Ruhrgebiet, das Rheinland, also Köln zum Beispiel war natürlich auf jeden Fall ein Sparclubland, Saarland, hab ich gelesen, war wohl auch noch relativ verbreitet, aber das zeigt eben vielleicht auch schon ein bisschen, wo so dieses typische Publikum ist. Das sind eben, wenn man Ruhrgebiet und Saarland nimmt, das sind typische Industriegebiete. Mit einer Arbeiterbevölkerung. AUTORIN Typischerweise trafen sich die Zechenkumpels nach der Schicht in ihrer Stammkneipe. Und die restlichen Münzen gingen am Ende des Abends statt ins letzte Bier dann eben in den Sparkasten. Sparclubs waren, sagt Thorsten Wehber, schon immer eine Sparform für Menschen mit eher geringem Einkommen, für Arbeiter und Handwerker. OT 18 (Thorsten Wehber) Diese Sparform kam denen natürlich besonders entgegen, während also natürlich Leute, die mehr Geld haben, die haben natürlich von Anfang an anders gespart, die haben natürlich auch sehr viel früher schon mit Banken und anderen Kreditinstituten zusammengearbeitet. AUTORIN Mit dem Ende der Lohntüte wurden auch Menschen mit niedrigem Einkommen für die Banken interessant. OT 19 (Thorsten Wehber) Bis in die späten 50er haben die meisten Menschen ja ihr Lohn und ihr Gehalt noch bar ausgezahlt bekommen, und so ab den späten 50er-Jahren gingen halt Betriebe dazu über, ihr Geld zu überweisen, und dann mussten die Kunden erstmal Girokonten einrichten. AUTORIN Im Kampf um mögliche Neukunden entdeckten die Banken die Sparclubs für sich - als Werbeinstrument. Besonders die Sparkassen, und Genossenschaftsbanken wie die Volks- und Raiffeisenbanken, fingen an, Sparclubs intensiv zu fördern. OT 20 (Thorsten Wehber) Weil man sagte, wer schon mal in so'm Sparverein drin ist, und da auch sich so'n bisschen ans Sparen gewöhnt, der öffnet dann ja auch vielleicht sein Konto bei uns, wenn er's noch nicht bei uns eröffnet hat. AUTORIN Die Banken kauften Sparkästchen und stellten sie den Clubs kostenlos zur Verfügung. Sie druckten Mitgliederlisten vor, und schenkten den fleißigsten Sparern zum Jahresende einen Präsentkorb. Oft eröffneten Kneipenwirte überhaupt erst einen Sparclub, weil ein Bankmitarbeiter es ihnen schmackhaft gemacht hatte. Laut Sparkassenverband gab es Mitte der 60er in Deutschland etwa 50.000 Sparclubs, in denen insgesamt rund 2 Millionen Menschen organisiert waren. 1965 flossen aus diesen Clubs ganze 180 Millionen D-Mark auf die Banken. Die Sparkästen galten damals fast als eine Miniatur-Bankfiliale. Daran erinnert sich auch Petra, die Wirtin der Kölner Kneipe "Zum Knobelbecher". OT 21 (Petra Sögtrop) Früher haben die Sparkassen sich viel mehr drum gekümmert, da kriegtest du auch 'nen Kugelschreiber, da kriegtest du dies, dann war das dabei für die Sparer... Früher hattest du wirklich Leute, die rundgegangen sind, die die Sparkästchen leer gemacht haben, von den Banken. AUTORIN Heute muss, wer einen Sparclub aufmachen will, den Sparkasten selbst besorgen. Denn ab den 70er-Jahren verloren die Banken das Interesse an den Sparclubs. Sie hatten genug Kunden gewonnen. Und heute, in Zeiten des Online Banking, ist der Aufwand zu hoch, lohnt sich die intensive Betreuung einfach nicht mehr, sagt Sparkassenhistoriker Thorsten Wehber. OT 22 (Thorsten Wehber) Für die Sparkassen ist das nie ein Geschäft gewesen. Es hat immer eigentlich mehr gekostet, als man dadurch eingenommen hat. Zumal von dem, was dann gespart wurde, vielleicht ein Zehntel, vielleicht ein bisschen mehr, wirklich langfristig dann auch auf den Sparbüchern gelandet ist. AUTORIN Wie viele Sparclubs es in Deutschland heute noch gibt, lässt sich nicht sagen. OT 23 (Thorsten Wehber) Da kann man auch keine Schätzungen abgeben. Weil alle Institutionen, die das interessieren, die Sparkassen, vielleicht auch die Genossenschaftsbanken, für die ist das einfach nicht mehr das Feld, um das man sich kümmert, der Aufwand wäre auch viel zu groß, um das noch festzustellen, und die meisten Konten werden eben auch nicht mehr für Clubs eingerichtet, sondern dann vielleicht für denjenigen, der das so als Clubvorsitzender übernommen hat. AUTORIN Überlebt haben die Sparclubs dennoch - man findet sie in Regionen, die von Bergbau und einer Arbeiterbevölkerung geprägt sind, wie dem Ruhrgebiet und dem Saarland, und eben in Städten wie Köln, mit einer lebendigen Kneipenkultur. In der Eckkneipe "Zum Knobelbecher" haben Heinz, Karin und Rosi mittlerweile alle Sparfächer geleert. OT 24 (Heinz Golfenbach) Gut. Jetzt rechnen wir aus. Ich rechne jetzt hier aus, was auf dem Zettel steht, und die beiden rechnen das Geld aus, das muss ja dann stimmen. Wollen wir hoffen! OT 25 (Zählung) 5, 7, 9, elf, zwölf. Jetzt hab' ich schon die Endsumme. 1211 Euro und 50 Cent. Und er muss die auch haben. Ich hab' 989. Ich hab' doch gesagt, das stimmt nicht. Eins, zwei, drei, vierhundert, stimmt. Eins, zwei, dreihundertfünfzig, stimmt auch... Äh, da fang' ich doch noch mal an, ne? Gucken wir mal, ne. Kann ja auch sein, dass ich was vergessen hab'. (Taschenrechner-Klappern) Könnte es sein, dass ihr beim Geldzählen zu viel trinkt? Müsst ihr euch mal bisschen am Riemen reißen? AUTORIN Etwa 1000 Euro landen im Schnitt pro Woche im Sparkästchen. Bis zu 50.000 Euro kommen am Jahresende zusammen. Bei dieser Summe muss das Vertrauen der Sparclubmitglieder in den Vorsitzenden groß sein. Und dabei haben längst nicht alle eine so weiße Weste wie Petra Sögtrop. ZITATOR Rheine, Juli 2008. Der Gastwirt der "Evangelischen Einigkeit" hat beim Sparclub in die Kasse gegriffen. Gestern bekam er die Quittung vor Gericht. Das Gasthaus wird inzwischen von einem Nachfolger betrieben. Castrop-Rauxel, März 2009. Als Kassierer eines Sparclubs verwaltete ein Polizeibeamter fast 17.000 Euro. Um den Mitgliedern des Sparclubs das Verschwinden des Geldes zu erklären, gab er vor, Unbekannte hätten ihn ausgeraubt. Grevesmühlen, März 2010. 35 Mitglieder eines Sparclubs wurden um ihr Geld gebracht. Einen Tag vor der Auszahlung der Ersparnisse sollte der Schatzmeister in der Kneipe erscheinen. Doch der 51-Jährige kam nicht. Die große Fete und die Auszahlung fielen aus, der Mann ist verschwunden. ATMO (Kneipe, Lachen) AUTORIN Im "Knobelbecher" sorgen solche Meldungen für Heiterkeit. Schließlich können Kassierer Heinz und Wirtin Petra nur gemeinsam Geld vom Sparclubkonto abheben. OT 26 (Heinz Golfenbach) Interessant würde es auch erst am Ende vom Jahr, wenn eine gewisse Summe angespart ist. Dann könnten wir sagen, so, ich nehm' die Petra an die Hand oder die nimmt mich an die Hand, wir holen das Geld und treffen uns in Mallorca. OT 27 (Petra Sögtrop) Was hab' ich von 40, 50.000 Euro? Hab' ich gar nix von. Nee. Nicht für die paar Mark. Unter einer Million lohnt es sich nicht. Und dann ist das Risiko auch noch ziemlich groß (lacht)... Ja ist doch so! (lacht) OT 28 (Heinz Golfenbach) Dafür sind wir viel zu gerne hier in der Kneipe und trinken unser Bier mit den Leuten. Für die paar Mark, auf Deutsch gesagt... Machen wir nicht. AUTORIN Die Sparclubmitglieder vertrauen Heinz und Petra ihr Geld bedingungslos an. Von so einem Vertrauen können die Banken zurzeit nur träumen. In Zeiten der Finanzkrise ist für drei Viertel der Deutschen Sicherheit der wichtigste Grund für die Wahl einer Geldanlage geworden. Und das klassische Sparbuch ist wieder die beliebteste Geldanlageform. Beste Voraussetzungen für ein Comeback der Sparclubs, könnte man denken. Ein Besuch in einer anderen Kneipe, nur ein paar Straßenecken vom "Knobelbecher" entfernt. Hier sitzen junge Leute, sie trinken trotz später Stunde noch Latte Macchiato. Ein DJ testet seine Platten für den Abend. ATMO (Szenekneipe) OT COLLAGE (Gäste) Ein Sparclub? So'n Kneipensparclub, wo man paar Münzen in die Kneipenspardose wirft? Nicht wirklich." Also a) hab ich keine Stammkneipe und b) weiß ich nicht ob ich nächstes Jahr noch hier wohne, also... Aber ich muss dann da jede Woche Geld reinschmeißen, immer die gleiche Summe, ja? Das heißt, ich kann auch meine Stammkneipe nicht mehr wechseln oder was. Nee, das wäre nix für mich. Naja also die Idee dass man wöchentlich oder monatlich was abgibt, das ist ja schon nicht schlecht. Aber das kann man ja auch mit einem Dauerauftrag machen, auf sein Tagesgeldkonto oder so, wie ich es grade tu... Ich will mir da auch nicht auferlegen lassen, jede Woche da hinzugehen und jede Woche irgendwie die Standardsumme da reinzuwerfen. Ich geh dann lieber in die Kneipe wenn ich Lust dazu hab, und spar mein Geld da, wo ich mein Geld sparen möchte, aber verbinde das nicht miteinander." AUTORIN Gerade diese Verpflichtung finden die Sparer im "Knobelbecher" aber wichtig. Mehrmals an diesem Freitagabend kommt noch einer in die Kneipe gerannt, um sein Soll für diese Woche ins Sparkästchen zu werfen. Und auch Heinz Golfenbach meint, ohne den Club würde er das Geld nicht sparen. OT 29 (Heinz Golfenbach) Hier komm' ich nicht dran. Ob ich's jetzt in den Schrank lege, oder auf die Sparkasse bringe, oder was, da ist man immer in der Versuchung: Mein Gott jetzt hast du so viel drauf, hol dir was runter, ne, und hier geht's einfach nicht. Hier wird nur ausgezahlt definitiv, wenn einer auszieht, oder krank ist, oder arbeitslos wird, aber sonst gibt es hier nichts. AUTORIN Bodo, am Tresen, nickt zustimmend. Ein Sparbuch lohne sich zurzeit ja sowieso nicht. OT 30 (Bodo) Im Augenblick sind die Zinsen bei, wo, bei 0,85 oder was, also wenn Sie Glück haben, vielleicht noch Plus, eh... naja... Hier haben Sie die Nettigkeit. Ist gut! AUTORIN Eins ist nach dem Abend im "Knobelbecher" klar: Hier im Sparclub hat keiner wirklich das Ziel, beim Trinken reich zu werden. Im Prinzip geht's doch nur um eins: OT 31 (Petra Sögtrop) Ja im Prinzip macht's ja jeder nur für die Fete. Kriegen sie alle ihr Geld, und dann gibt's ne schöne große Fete. Mit Essen, mit Trinken, mit Tombola... Mach' uns einfach nen schönen lustigen Abend. Wird das Geld auf den Kopf gehauen, wo wir das ganze Jahr für gespart haben (lacht). AUTORIN Nach langer Rechnerei stimmt bei Heinz, Karin und Rosi endlich die Auszählung. 1111 Euro und 50 Cent haben die 49 Sparclubmitglieder diese Woche in den Sparkasten geworfen. Erleichtert drückt Heinz seiner Wirtin Petra den dicken Briefumschlag in die Hand. Dann setzt er sich zu den anderen Stammgästen. Die bekommen von Petra grade ihr x-tes Kölsch. Und die restlichen Euros gehen ins Sparkästchen. Wie immer. MUSIK (Ich spare jeden Pfennig) OT COLLAGE (Kneipe) Herbert Helmut! Bitte schön! (lacht) Bodo! Proostata! Ich geh in ne Kneipe um a) ein sehr gutes Bier zu trinken, b) um mich mit netten Leuten zu unterhalten, und der Sparverein, das ist die Nummer c). Das, was mein Vater gespart hatte, war denn mir, ich hab' voriges Jahr für meine Tochter gespart, so, dieses Jahr spart sie selber, und so führen wir das immer weiter. Es tut mir leid, ich hab' ein Bier zu viel, ich muss eins mittrinken. (lacht) MUSIK (Ich spare jeden Pfennig) Ich spare jeden Pfennig und mach dir ein Geschenk, dann wirst du endlich wissen, wie sehr ich an dich denk. Das ist im ganzen Leben die schönste Zeit vielleicht, in der es nur zu kleinen Dingen reicht. -ENDE- 1