Deutschlandradio Kultur Länderreport Arabische Clans 27.6.2011 Vorschlag für die Anmoderation Wenn in Berlin ein Lokal wegen Drogenhandels geschlossen wird, dann gehört der Besitzer in mehr als 50 Prozent der Fälle zu einer arabischen Großfamilie. Auch jugendliche Intensivtäter haben hier überwiegend arabische Wurzeln. Nach Angaben der Innenbehörden stehen unter den etwa 25 arabischen Großfamilien in der Hauptstadt sechs libanesische Clans mit etwa 350 Personen im Fokus der Kriminalpolizei. Aber die Familien sind weit größer - und nicht alle ihre Mitglieder sind kriminell. Jetzt haben sich einige Familienväter aus diesen Clans zusammengeschlossen. Sie wollen die kriminellen Zweige ihrer Familien auf den soliden Weg bringen. Dorothea Jung über höchst unterschiedliche Aktivitäten arabischer Menschen in Berlin. Die Namen der Kinder und Jugendlichen wurden aus Gründen des Jugendschutzes geändert. ________________________________________________________________. Atmo Spielplatz in Neukölln blenden Ein Spielplatz in Berlin Neukölln. Osman will mit seinem Freund Amal 'Tore schießen' üben. Doch erst einmal halten die beiden Neunjährigen ihren Fußball fest. Sie schauen furchtsam auf zwei größere Jungen, die sich dem Spielplatz nähern. Osman und Amal Die Großen schlagen uns immer, wenn wir Fußball spielen.// Immer so mit die Fäuste.// Manchmal auch mit Stöcken.// Dann sagen sie: Geht weg, ist unser Fußballplatz und so// Die kommen uns hinterher, und dann haben sie uns immer getreten// Dann haben wir immer Angst. Die "Großen", vor denen die Kleinen sich fürchten, heißen Salim und Hassan und sind eigentlich noch gar nicht besonders "groß". Es sind Brüder, 13 und 14 Jahre alt. Die beiden stehen jetzt am Spielplatzrand und lassen ihre Gebetsketten lässig durch die Finger gleiten Suchen sie Streit? Hassan schüttelt den Kopf und macht deutlich, dass sein Bruder und er sich dann ganz anders verhalten würden. Salim und Hassan Wenn man sauer ist, dann kann man sich nicht zusammenhalten. Dann muss man schlagen. An den Kopf. Mit der Faust. Wenn es jetzt um so was Wichtiges geht; also - Beispiel - einer hat deine Schwester oder so geschlagen, ja also dann tretet man auf seinen Kopf; dann macht man alles. Das ist Ehre bei uns. Die kleinen streitlustigen Vertreter eines archaischen Ehrbegriffs stammen aus einer libanesisch-kurdischen Großfamilie in Berlin Neukölln. Ihr Clan ist Teil einer Gruppe von Familien, mit denen das Berliner Landeskriminalamt besonders häufig zutun hat: den sogenannten Mhallamiye-Kurden. Das ist eine arabisch sprechende Minderheit in der kurdischen Südtürkei. "In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wanderte ein Großteil dieser Clans in den Libanon aus", erzählt Nader Khalil. Der deutsche Christdemokrat stammt aus Palästina und ist heute Abgeordneter in der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin Neukölln. "Im Libanon", so Khalil, "lebten viele dieser Familien jahrelang ohne Papiere oder gar ganz in der Illegalität." Nader Khalil Illegal bedeutet, ständig in Angst zu leben, sehr niedrige Ausbildung, eventuell keine Schulbesuche, und das bedeutet, bei diesen Familien ist das Lernen, die Bildung, nicht an erster Stelle, sonders ihr Recht mit der Faust zu erkämpfen und sich mehr Geld zu verdienen, um sich aus dieser Situation herauszubringen. Als im Libananon 1975 der Bürgerkrieg ausbrach, entschlossen sich in den Folgejahren viele Menschen aus dem Kreis dieser Mhallamiye-Kurden, in der Bundesrepublik Asyl zu beantragen. Oft unter Verschleierung ihrer wahren Herkunft, wie die Polizei feststellen musste. Das Land Berlin richtete Anfang 2000 eigens eine Ermittlungsgruppe ein, um die Identität der Eingewanderten zu ergründen. Aber nicht allein, weil diese Familien gegen das Aufenthaltsrecht verstießen, versichert Markus Henninger vom Landeskriminalamt. Markus Henninger Auffällig ist bei diesen libanesisch kurdischen Großfamilien, die also so in Clanstrukturen leben, auch hier in Deutschland, dass wir es mit einer überproportional hohen Auffälligkeit im Bereich der Rohheits- und Gewaltdelikte zu tun haben und auch im Rauschgifthandel. Typisch für die kurdisch-arabischen Großfamilien sei auch die Tendenz, sich gegen Einmischung von außen abzuschotten und bei Konflikten die Familie als Schnell-Exekutive einzusetzen. Markus Henninger schildert den Fall eines arabischen Jugendlichen, der mitten auf einer belebten Straße in Berlin den Verkehr zur Notbremsung zwingt, nur um sich zu prügeln. Markus Henninger Er greift sich dann den Aggressor, stellt ihn zur Rede, und wird dann also sofort angesprochen: "Ich stech dich ab! " und: " Weißt du denn überhaupt, zu welcher Familie ich gehöre?" Diese Großfamilien haben durchaus ihre eigenen Gesetze. Das bedeutet, wenn es Auseinandersetzungen gibt, dann ist die Polizei außen vor, dann wird das in der Szene selbst geregelt. Arnold Mengelkoch, der Integrationsbeauftragte im Berliner Bezirk Neukölln bestätigt die Beobachtungen der Polizei. Seiner Erfahrung nach reagieren viele Menschen aus dem Kreis der arabischen Clans oft auf den kleinsten Tadel mit Aggression. Arnold Mengelkoch Da stehen die Männer des Clans um die Familie drum herum mit dem Rücken zur Familie eng eingehakt und verteidigen den Clan nach außen, egal, was für ein Angriff kommt. Schon eine Kritik aus der Schule ist ein Angriff, eine Kritik aus der Nachbarschaft ist ein Angriff, und sie reagieren immer kampfbereit darauf. Vor Kurzem erhielt Arnold Mengelkoch einen Telefonanruf von einem Ehepaar. Es wohnte in einem Mietshaus, in dem auch eine der berüchtigten kurdisch- libanesischen Familien lebte. Arnold Mengelkoch Sie sagten, wir nennen nicht unsern Namen, wir haben Angst, aber wir sind belästigt worden von den Jungs dieser Familien auf dem Gehweg. Wir wollten mit den Fahrrädern durch, und die haben ihre Räder nicht weggezogen, also haben wir die Räder angefasst und sie weggezogen. Dann sind die Jungs aufgesprungen, haben uns bespuckt, haben uns getreten, beschimpft, bedroht: "Wir wissen, wo ihr wohnt!" - weil sie wohnen im selben Haus, und sie zittern, und sie sagen, sie wollen nicht anzeigen, in der Akte stehen, weil dann die Familie ihnen gegenüber rabiat wird. Das geht doch nicht, das ist doch kein rechtsfreier Raum hier; damit müssen die Familien aufhören! Die Neuköllner sind zunehmend genervt von dem Treiben ihrer libanesischen Nachbarn. Deutsche Familien und Einwanderer aus anderen Nationen empören sich gleichermaßen. Umfrage Drei Jungs zwischen 14 und 16 haben mit der Knarre vor mir gestanden und haben mich bedroht. Ohne Hund geh ich nicht mehr auf die Straße, jedenfalls nicht nach 20 Uhr. // Wenn wir uns anstellen, irgendwo was kaufen wollen, kommen gleich nach vorne. Da gab's letztens schon wieder 'ne Streiterei im Internetladen sollte er 7,10 € bezahlen, dann gab's 'n Geschrei, kam die ganze Familie runter, also das ist weit weg von meiner Lebensart, ne. // Sie sind so schlecht erzogen, zu laut, kein Respekt, unerträglich, also Kinder haben sie genug, aber erziehen sind die ganz schlecht, da sollten die was machen, unsere arabischen Brüder! Gegenüber den kriminellen Aktivitäten der libanesischen Jugendlichen war die Berliner Polizei zwar nicht machtlos, aber sie hatte es schwer. Vor allem, weil zwischen den Delikten und der Verurteilung oft viel Zeit verstrich - sodass die Jugendlichen das Gefühl hatten, sie gingen straffrei aus. Ein Umstand, den die verstorbene Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig in ihrem Buch "Das Ende der Geduld" beklagt hat. Obwohl mittlerweile kleinere Delikte schneller geahndet werden als früher, sieht Kommunalpolitiker Nader Khalil den Rechtsstaat durch das Treiben Mhallamiye-Familien auf 's Äußerste strapaziert. Vor allem, wenn sie meinen, sie müssten ihr Recht ohne den deutschen Staat untereinander eigenhändig durchsetzen, sagt Khalil. Nader Khalil Es gibt für uns in Deutschland nichts Schlimmeres, als wenn sich diese Strukturen verfestigen. Da darf man keinen Zoll nach hinten gehen. Unser Recht muss durchgesetzt werden, unsere Ordnung muss durchgesetzt werden in Deutschland, und viele dieser Leute - und das ist das Problem, das ich in Kiezen wie in Neukölln sehe: Dass sich viele schon auf diese Strukturen verlassen aber nicht auf unsere gesetzlichen Strukturen. Da muss Deutschland schon aufwachen, sonst existiert eine Struktur, wo wir Probleme damit haben werden, immense Probleme. Der Berliner Ahmed Mehry kennt diese Probleme. Er ist Mitglied eines Mhallamiye-Clans. Sein Familien-Name kann Angst verbreiten. Deutschlandweit ist der Name Mehry auf nahezu jeder Polizeidienststelle bekannt; viele Verwandte sitzen im Gefängnis. Doch Achmed Mehry, der 1981 mit seiner Frau aus dem Libanon nach Deutschland kam, entschied sich für ein Leben ohne Straftaten. Heute ist er 50 Jahre alt und verdient seinen Lebensunterhalt als Parfümhändler. Achmed Mehry lehnt das Stammesrecht ab, das in seiner Verwandtschaft vielfach gepflegt wird. Achmed Mehry Ich heiße Mehry, ich weiß, was ich mache, da kann man nicht die ganze Familie in einen Topf schmeißen. Aber das stimmt, ich kann nicht bestreiten, dass meine Familie macht Ärger und Streit. Leider ist so. Das ist keine gute Sache, wenn man dann immer die Rache hat; Rache bringt wieder Rache von anderer Seite. Und das wird 100 Jahre lang. Also wir haben die Schnauze voll von diesen Geschichten. Jetzt wir sind im modernen Leben, da muss man es den Behörden abgeben; und da sollen die Behörden den Fall aufklären. Achmed Mehry wirbt zusammen mit Gleichgesinnten aus Mhallamiye-Familien für ein Umdenken in seiner Community. Er hat einen Verein gegründet, der sich 'Familien-Union' nennt. Sein Ziel: Verwandte motivieren, den rechtschaffenen Weg einzuschlagen, aus dem aggressiven Kreislauf auszusteigen und - vor allem - ihre Kinder zur Schule zu schicken. Achmed Mehry Die Leute sind 24 Stunden auf der Straße, und welche aus Langeweile oder aus Spaß haben sie Streit oder Schlägerei gemacht oder irgend was geklaut; also wir sind jetzt im Gespräch mit alle Familien, dass irgendwas die Jungs zu beschäftigen, dass sie nicht ganzen Tag nach dem Schule auf die Straße bleiben. Unterstützt wird Parfümhändler Mehry bei seinem Vorhaben von Zadine El- Zein. Der Vereinskollege wurde vor 49 Jahren im Libanon geboren, lebt seit 1988 in Deutschland und verdient sein Geld mit einem Schnell-Imbiss-Lokal. Der 7fache Vater weiß, dass es um die Zukunft der Kinder aus den Mhallamiye- Familien schlecht bestellt ist. Beobachtet er doch nahezu täglich, wie praktisch eine ganze Jugend in die Kriminalität rutscht. Zadine El Zein Leider mit der Zeit sind alle kriminell geworden. Gibt's auch viele mit dem Zocken, leider, wer viel zockt, der ist ja Nachtleben. Und wir hoffen, dass wir unsere Kinder, die zur Zeit Straftaten begonnen hatten, dass wir vernünftige Zukunft zeigen konnten, ihre Schule zum Ende zu bringen, die sich die Kriminellen bisschen zurückhalten können. Auch Zadine El-Zein selbst stammt aus einem Clan, der seit Jahren für Negativ- Schlagzeilen sorgt. Denn der Gastronom trägt den gleichen Namen wie der stadtbekannte Berliner Unterweltpate Mahmud El-Zein; genannt 'Der Präsident'. Ein mutmaßlicher Drogenbaron und Schutzgelderpresser, in dessen Strafregister eine Fülle schwerer Delikte verzeichnet ist. Zadine El-Zein hat selbst erlebt, wie Behörden- Mitarbeiter zusammenzucken, wenn sie merken, zu was für einer Familie er gehört. Er kennt sogar Verwandte, die ihren Namen haben ändern lassen. Das, allerdings, käme ihm selbst nicht in den Sinn. Zadine El-Zein Ich behalte meinen Namen, das ist mein Geburtsname. Ich hab auch manchmal diese Probleme, aber ich kann die Menschen überzeugen; ich bin nicht einer von denen! Die anderen Menschen, wenn er eine starke Person ist und kommt von diesem Milieu, die kommen mit Deutschland zurzeit nicht klar! Da genau liegt nach Meinung von Ralph Ghadban das Problem. "Für viele Mhallamiye-Familien ist Deutschland eine Art Feindesland", sagt der Islamwissenschaftler. Hochschuldozent Ghadban ist selbst im Libanon geboren und befasst sich seit Jahren mit den arabischen Clans in Berlin. Er musste feststellen: Als die Familien aus dem Libanon in den 1980er Jahren nach Deutschland kamen, durften sie hier nicht arbeiten und anfangs auch ihre Kinder nicht zur Schule schicken. Sie blieben also am Rand der Gesellschaft. "Alles, was sie durften, war, Sozialhilfe zu kassieren", kritisiert Ghadban. Auf diese Weise sei Deutschland für diese Menschen zu einer Art Beutegesellschaft geworden. Ralph Ghadban Da haben sie ihre Stammesverhältnisse am Rande der Gesellschaft wiederhergestellt und gestärkt. Und als man ihnen die Staatsangehörigkeit und Aufenthaltserlaubnis später gegeben hat, da sind sie am Rande der Gesellschaft geblieben. Und da blicken sie auf unsere Gesellschaft, wie sie davon profitieren können. Und dann der einfachste Weg, um an Reichtum zu kommen, sind diese illegalen Sachen. Die haben sich nie mit unserer Gesellschaft identifiziert, werden sie auch nicht so schnell tun, wenn man keine richtigen Maßnahmen trifft, um sie zu integrieren. "Es sind Familien ohne Bildungsbewusstsein, die mit Verbrechen viel Geld verdienen und einen von Gewalt geprägten Erziehungsstil pflegen", sagt Nader Khalil aus der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung. Da gebe es viel Unvereinbares auf dem Weg zur Integration. Nader Khalil Diese Familien sind nach Deutschland gekommen, ein Land mit Demokratie, mit viel Materialismus und wenig Strafe eventuell - oder nicht die Strafe, die man in einem anderen Land erwarten würde - und somit hat man versucht, mit allen Mitteln nicht wieder in die Situation zu geraten, in der man in Libanon war. Man wollte so schnell wie möglich Geld machen, aber man hat sich kriminelle Wege hat man sich gesucht - und nicht die Chancen der Kinder. An einer Bushaltestelle in Berlin Neukölln erzählt eine Sozialarbeiterin von ihren Erfahrungen mit arabischen Jugendlichen. Diesen Kindern fehle jede Unterstützung für den Weg in ein anderes Leben. Zu Hause hätten sie keinen Platz, an dem sie Hausaufgaben machen könnten - und schon gar keine Eltern, die sich für ihre Schulkarriere interessierten. Sozialarbeiterin Ich kenn auch Geschichten, wo der Jugendliche sagte, ej, pass auf, mein Vater hat mir gesagt: "Schaff irgendwie 3.000 Mille ran, egal wie!" Und die Jungs hätten auch nicht zuhause aufkreuzen dürfen ohne die Kohle, Oder Jugendliche, die mit 18 gesagt haben, - nette Jungs! - ja ich hab erst mal drei Handy-Verträge gemacht und einem meinem Bruder, einem meinem Papa, einem hm, wo ich gesagt habe, Junge, bist du verrückt, du kannst doch nicht auf deinen Namen die telefonieren tausende von Euro und du hast jetzt schon mit 18 dann Schulden und Schufa und so. Sagt er, ich muss es tun, weil meine Familie in den letzten Jahren von anderen Onkels und Cousins, die 18 wurden, die Verträge bekommen haben. Jetzt bin ich dran. Aber sie haben in den Familien keine andere Chance. Und der Ausstieg aus den Familien ist auch verdammt schwer. Achmed Mehry und Zadine El-Zein wollen ihren Verwandten den Ausstieg aus derartigen Gewohnheiten nahelegen. Die zwei Clan-Chefs möchten die anderen Familienväter davon überzeugen, dass es Sinn macht, nach deutschen Gesetzen zu leben, sich den sozialen Gepflogenheiten in Deutschland anzupassen und in die Bildung der Kinder zu investieren. Achmed Mehry und Zadine El Zein Unser Ziel: die Jungs, die jetzt hier geboren sind, dass man die unter Kontrolle zu bekommen und gute Leben zu schaffen für diese Jungs. // Vernünftige Zukunft, vernünftige Abschluss, vernünftige Leben, heutzutage ist wichtigste ist Zukunft, ist Lernen, Lernen. Der Neuköllner Jamal ist 17 Jahre alt und bezeichnet sich selbst als Ghetto- Kind. Die Idee der Familien-Union erscheint ihm nicht konkret genug, um die Straßenjugend zu überzeugen. Jamal Ganz ehrlich, ja, jeder Elternteil, jeder Dings kann sagen, was sie wollen, im Endeffekt machen die Kinder sowieso das, was sie denken, und das, was in der Gruppe passiert. Das ist einfach das Straßenleben! Man versucht zu überleben sozusagen. hört sich 'n bisschen krass an, aber ist so. Und die ganzen Politiker anstatt zu gucken, wie man sie schneller einbuchten kann, wie man sie schneller in Knast kriegt, müssten sie eigentlich gucken, was man machen kann, damit sie keine Scheiße bauen. Daran müssten die gucken und nicht, wie, was sie, also wie man sie schneller in den Knast kriegt, ob man die stärker bestraft und so. Davor hat man doch keine Angst. Merken Sie, dass irgendwie die, die Gewalttaten zurückgehen? Nee, gehen nicht zurück. Man denen einfach Wege zeigen. Die Familien-Union möchte auch Vermittler sein, wenn das Stammesdenken der Libanesen in der Schule oder auf Ämtern zu Konflikten führt. In der Stadt Essen gebe es bereits eine Familienunion, sagt Ahmed Mehry, dort komme der Verein gut an. Doch das Land Berlin sei zurückhaltend. Achmed Mehry In Essen hat gut geklappt, die Behörden haben sie gut mitgemacht, da haben sie geholfen, die Stadt, die haben immer, wenn kleine Probleme gibt in Schule oder Jugend, haben sie die Vereine angerufen. Aber leider hier in Berlin, da haben wir nicht so, so ein Hilfe von die Stadt wie in Essen haben. Also wenn es hier Probleme gibt in die Schule, sie rufen sie uns nie an! Oder im Jugendamt, wir haben mal immer erwartet, wenn Polizei unsere Hilfe braucht mit die Jungs oder mit die Familien, wir wollen gerne unsere Hilfe anbieten. Aber da passiert nix! Ahmed Mehry und Zadine El-Zein würden in Berlin Neukölln gerne Räume mieten, in denen libanesische Kinder unter Aufsicht ihre Hausaufgaben machen können oder sich zum Spielen treffen können. Doch dieser Plan stagniert zurzeit. Die Erfahrung der Familienväter: Die Neuköllner Hausbesitzer sind zugeknöpft; und obwohl der Verein vom Bezirk kein Geld haben möchte, helfen die Behörden ihm nicht bei der Raumbeschaffung. Neuköllns Integrationsbeauftragter Arnold Mengelkoch verteidigt die Skepsis auf offizieller Seite. Arnold Mengelkoch Wir haben 30 Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen in Neukölln. Also wir planen weder, ne neue dazuzubauen noch eine abzugeben, erst recht nicht an eine Organisation, deren, Familienmitglieder also auch im organisierten Verbrechen erfolgreich tätig sind. Gut, die, die den Verein gegründet haben, die haben auch eine weiße Weste. Aber wir können doch nicht jedes Mal dann, wenn der Verein aktiv wird, das erst mal checken lassen bei der Polizei, ob die grünes Licht geben oder rotes Licht. Das ist gar nicht so einfach! Noch schärfer beurteilt der Islamwissenschaftler Ralph Ghadban die Pläne der Familienunion. Ralph Ghadban Das ist der totale Irrsinn. Das heißt, die Stämme haben eine Vertretung, damit sie ihr Image polieren und zwischen Staat und ihre Leute vermitteln. Also was hat das mit Rechtsstaat noch zu tun? Das ist tribale Verhältnisse pur. Und wenn der Staat sich darauf einlässt, dann ist es eine riesige Katastrophe. Man soll mit denen reden, wenn sie etwas vorzuschlagen haben, was sinnvoll ist, und nicht, weil sie die Clans vertreten, dann sind sie, haben sie eine Position. Also die Vertreter von Mafia-Organisationen sind auch kein Ansprechpartner von dem Staat. Familien-Unions-Gründer Achmed Mehry verweist auf die Brückenfunktion seines Vereins. In den libanesischen Clans habe nun einmal das Wort eines arabischen Vaters mehr Gewicht als zum Beispiel das Wort eines deutschen Jugendamtmitarbeiters. "Wenn wir mit Kritik kommen, dann schämen sich die Familien", sagt Clan-Chef Mehry. Schon jetzt sieht er Fortschritte in seiner Community. Achmed Mehry Wissen Sie, die Kriminelle mit unsere Jungs, seit die Verein gibt 's in Berlin, das ist viel zurückgegangen. Vielleicht die Stadt sagt was anderes, aber untereinander wir wissen, dass die Jungs viel ruhiger geworden und die Familien auch viel anständiger geworden, da sind nicht mehr viele Streit und Ärger wie früher. Das Land Berlin und der Bezirk Neukölln haben jedoch beschlossen, dass die Familienunion erst einmal ihre Kompetenz, ihre Staatstreue und ihre Effizienz unter Beweis stellen muss. Mitarbeiter des Bezirks Neukölln begrüßen zwar, dass libanesische Väter sich engagieren wollen. Sie würden es aber lieber sehen, wenn diese Väter mehr Werbung für die Angebote des Bezirks machen würden. Denn sie möchten, dass sich die Jugendlichen langfristig in vorhandene, deutsche Strukturen und Vereine integrieren. Sollte sich allerdings in einigen Jahren herausstellen, dass mit der Familienunion ein verlässlicher, fähiger Partner für die Bewältigung von Integrationsaufgaben herangewachsen ist, dann werde man noch einmal neu nachdenken. 1