COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel 12.8.2012, 17.30 Uhr London 2012 - ein Olympia-Magazin Zum Abschluss der 30. Sommerspiele der Neuzeit Von Günter Herkel, u. a. Redaktion: Redaktion: Hanns Ostermann Eine Nachlese zur Olympiaberichterstattung in den Medien Autor: Günter Herkel Take 1 (0:10) Bolt 100 Meter Zieleinlauf Besonders hochkarätige Ereignisse wie den 100-Meter-Finalsieg von Jamaikas Superstar Usain Bolt verfolgten bis zu neun Millionen Leichtathletik-Fans am Bildschirm. Auch Freunde von Randsportarten wie Bogenschießen oder BMX-Radsport kamen auf ihre Kosten. Die Digitalisierung macht's möglich: Bis zu sechs gleichzeitig angebotene Livestreams im Internet versetzten die Sport-Junkies unter den Zuschauern in die Lage, sich selbst zum Programmdirektor aufzuschwingen. Unterm Strich machte das insgesamt rund 900 Stunden Programm aus London - Olympia total. In die Hochachtung vor diesem eindrucksvollen Output mischte sich jedoch auch früh Kritik. Die Gleichzeitigkeit vieler sportlicher Wettbewerbe schien die Anstalten gelegentlich zu überfordern. Ärgerlich der Etikettenschwindel, den die Anstalten immer wieder in Sachen Live-Berichterstattung trieben. Dass bei der Simultaneität vieler Wettkämpfe nur eine Mischung aus Livebildern und Aufzeichnungen gesendet werden konnte, versteht sich zwar von selbst. Oft aber erlag der Zuschauer der Illusion, einer Entscheidung live beizuwohnen. Zappte er dann zu Eurosport, erlebte er häufig, dass der zuvor von aufgeregten Reportern auf ARD oder ZDF kommentierte Wettkampf längst beendet war. Josef Hackforth, Professor für Sportkommunikation an der TU München Take 2 (0:30) Hackforth: Ich wäre sehr froh, wenn die beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehsender kennzeichnen würden mit einem Logo oder mit einem kleinen Schriftzug, "live" oder "Aufzeichnung", oder "live" oder "zeitversetzt". Ich weiß nicht genau die Beweggründe, warum das nicht passiert. Zwar fangen die Moderatoren das in den meisten Fällen auf, und sagen: Das war ein Ereignis, was wir Ihnen jetzt nachträglich einblenden. Aber man wüsste schon ganz gern auf den ersten Blick, bin ich nun zeitgleich dabei oder bin ich zeitversetzt dabei. Gleichzeitig übertraf auch das Interesse an den per Mediathek angebotenen Highlight-Videos die Erwartungen der Sender. Zwei Millionen tägliche Abrufe belegen, dass die Zuschauer sowohl Live- wie auch On-Demand Angebote gleichermaßen goutieren. Dass gelegentlich die Server durch den Ansturm der Sportfans in die Knie gezwungen wurden, dass mancher Live- Stream erst nach minutenlangem Aufbau floss - geschenkt. Immerhin handelte es sich um eine digitale Premiere. Neu war auch der Einsatz der sogenannten SkyCam - eine Technik, die Panoramaaufnahmen aus der Vogelperspektive lieferte. Take 3 (0:32) Hackforth: Das ist beim Rudern eingesetzt worden, sodass man endlich keine verzerrte Perspektive durch die üblichen Kameraeinstellungen hatte, sondern ein Bild von oben gesehen hat. Das hat zweierlei Vorteile: Ich kann als Zuschauer genau sehen, an welcher Position die Boote sind, also erstes, zweites oder drittes Boot und ich kann von oben in die Boote hineinsehen und sehe dann so faszinierende Bilder wie den Gleichklang des Ruderns und des Kanufahrens. Das ist die Neuerung, die für mich am nachhaltigsten gewirkt hat. Kein Olympia ohne Skandale und Skandälchen. Während es an der Doping-Front vergleichsweise ruhig blieb, setzte es diesmal den einen oder anderen politischen Aufreger. Hohe Wellen schlug tagelang der Fall der Ruderin Nadja Drygalla und ihrer Kontakte zum rechtsradikalen Milieu. Was zunächst von vielen Medien als dramatischer Verstoß gegen Demokratie und olympischen Geist aufgespießt wurde, entpuppte sich am Ende doch eher als Sturm im Wasserglas. Und als Armutszeugnis einer hysterisierten Öffentlichkeit, die eine Sportlerin ohne weitere Differenzierung voreilig in Sippenhaft nahm. Nicht viel besser die Aufregung um ARD-Reitsportexperten Carsten Sostmeier. Der hatte sich im Eifer der Live-Übertragung mit der missglückten Formulierung "Seit 2008 wird zurückgeritten" zugegebenermaßen drastisch vergaloppiert. Sportwissenschaftler Hackforth übt sich dennoch in Nachsicht. Take 4 (0:28) Hackforth: Zunächst mal möchte ich sagen, dass natürlich das gesprochene Wort, das sehr flüchtig da über den Sender kommt, schon mal ein wenig unglücklich formuliert werden kann. Wir kennen das bei Katrin Müller-Hohenstein mit der klammheimlichen Freude und dem inneren Reichsparteitag, wir haben das jetzt bei Karsten Sostmeier gehört. Das finde ich, kann manchmal auch mit einer nachträglichen Entschuldigung, wie es hier ja auch passiert ist, im Grunde auch dann damit abgetan sein. Der shitstorm, der ob dieser fragwürdigen Weltkriegsmetaphorik in manchen Printmedien über den ARD-Mann hereinbrach, erscheint allerdings ebenso unangemessen wie die inkriminierte Formulierung Sostmeiers. "Klein-Nazi" gehörte da noch zu den harmloseren Beleidigungen. Etwas mehr Humor bewies zumindest ein Internet-User. Kommentar: "Wer so böse Sachen sagt, kommt nach Usedom." Leistungssport und Berufsausbildung Autor: Taufig Khalil Einstieg Collage mit Kommentar und Nationalhymne Egal ob Sommer- oder Winterspiele, Europa- oder Weltmeisterschaften. Gewinnt ein deutscher Athlet, freut sich die Nation. Sportliche Großveranstaltungen sind längst Nationale Angelegenheiten. Der Platz im Medaillenspiegel steht für die Leistungsfähigkeit eines Landes. Laut einer aktuellen Studie der Deutschen Sporthilfe sind 65,5 Prozent der Deutschen glücklich, wenn deutsche Sportler eine Medaille bei Olympischen Spielen gewinnen, erklärt Jörg Adami, Direktor Förderung bei der Deutschen Sporthilfe. O-Ton Jörg Adami: Ich glaube, da ist jeder auch Sportfan. Und jeder Mensch hat gerne Erfolg. Und daher ist für uns alle der Medaillenspiegel auch Ausdruck unseres Erfolges als Land. Man ist ja Teil dieses Landes, dieser Gemeinschaft und hat auch gerne Erfolg. Doch was wissen die Deutschen eigentlich über ihre Gold-, Silber- und Bronzehelden, die ihre sportlichen Höhepunkte meistens bei Olympischen Spielen alle vier Jahre erleben? O-Ton Adami: Das ist leider dramatisch. Sportler ist Sportler ist Sportler. Und erfolgreicher Sportler ist reich und berühmt, Es ist ein wirklich unglaublicher Unterschied zwischen einer professionellen Sportart, in der auch viel geleistet wird und in der die Athleten auch viel leisten, aber leider der zweite Teil des Einkommens komplett ausfällt. O-Ton: Gold für Max Hoff... O-Ton Max Hoff: Zum einen wissen die Leute gar nicht, was wir machen und was wir opfern um Olympiasieger zu werden und was wir da für eine Zeit reinstecken. Ich hab Biologie studiert und hatte meine Pflichtkurse wo ich von 8 bis 5 an der Uni sein musste. Da war es so, dass ich zwischen halb fünf und halb sechs aufgestanden bin und meistens um 5 beim Training war, bis um kurz vor acht trainiert habe. In die Uni bin bis 17 Uhr. Und abends hab ich dann wieder trainiert bis 8 oder halb 9 und war dann um halb zehn zu Hause: Ich hatte die Promotion angefangen, die hab ich auf Eis gelegt, weil ich merkt habe, dass geht nicht.Und dafür ist mir das nächste Jahr zu wichtig. Ich sehe einfach meine Kommilitonen, mit welchem Enthusiasmus die da ran gehen, so wie ich das hier im Sport mache. Ich finde das alles interessant, aber um da konkurrenzfähig zu sein, ist das irgendwie schwierig. Hoff ist ein Musterbeispiel für einen kommenden Olympiasieger, hat die Deutsche Sporthilfe feststellen müssen. O-Ton Adami: Wenn man es verdichtet, kann man sagen, dass im Schnitt unsere Athleten 60 Stunden die Woche Aufwand haben für ihren Sport und ihre Ausbildung und dabei ein verfügbares Einkommen von 600 ? haben. Kaum vorstellbar, dass Franck Ribéry seine jährliche Reise ins Wintertrainingslager des FC Bayern nach Dubai selbst zahlen muss, oder gar seine Fußballschuhe. Davon können die meisten Kunden von Axel Kuhlen nur träumen. Kuhlen arbeitet seit 20 Jahren als Laufbahnplaner am Olympiastützpunkt Bayern - im Bauch des Münchner Olympiastadions. O-Ton Kuhlen: Die Gewehrschützen brauchen ein teures Gewehr, das sie von niemandem gesponsert kriegen, weil das eben nicht unbedingt die Sportart ist, die medial im Mittelpunkt steht, außer einmal pro 4 Jahren. Wenn man jetzt diesen Spitzensport mit einer beruflichen Ausbildung, egal ob es eine schulische, eine berufliche oder universitäre Ausbildung ist verbinden will, kann kann das sehr gut funktionieren. Ein gutes Beispiel ist sicherlich Birgit Fischer, denn niemand hat mehr Olympisches Gold gewonnen. O-Ton: Gold Kommentar O-Ton: Ich mein, was ich gemacht habe, zwei Kinder groß ziehen und studieren und Leistungssport nebenbei, dass möchte sich auch nicht jeder antun. Man wird ruhiger und kann länger Sport treiben wenn man gleichzeitig auch schon einen Beruf macht weil man weiß man ist abgesichert. Man kann auch was anderes. Und dann kann man auch ein bisschen länger Sport treiben. Deshalb sollte es von den Verbänden auch gefördert werden, weil ein rundum zufriedener Sportler ist eben auch für den Verband besser. Doch viele Topathleten kommen aus Not gar nicht mehr dazu, ihr sportliches Potenzial auszuschöpfen muss Sporthilfe Förderungsdirektor Jörg Adami immer wieder erleben. O-Ton Adami: Wir nennen das die Drop Out Quote, was ein schlimmer Begriff ist aber die Situation ganz gut beschreibt. Also das viele Athleten genau aus den Gründen weil Sie an die Zukunft denken müssen, an den Punkt kommen wo sie zwar sportlich von der Leistungsfähigkeit noch auf Weltniveau unterwegs sind, trotzdem die Entscheidung treffen müssen ihren Sport nicht mehr ausüben zu können, weil Sie sich auf die Zukunft und ihre Ausbildung konzentrieren müssen um im späteren Leben, und das macht nun mal den Großteil, denn spätestens mit Mitte 30 ist bei fast allen Disziplinen Schluss und ich hab keine Rücklagen bilden können und muss natürlich an diese Zeit denken. Fälle die künftig immer häufiger vorkommen, denn durch weggefallenen Wehrdienst werden vor allem die männlichen Athleten immer früher gezwungen sein sich zu entscheiden. Und dann stehen sie bei Axel Kuhlen am Olympiastützpunkt und wissen nicht mehr weiter. O-Ton Kuhlen: Das war ein Judoka der 2004 bei den Spielen in Athen dabei war. Dummerweise hat er sehr gut und sehr schnell studiert und war mit seinem Mechatronicstudium fertig und stand vor der Wahl, was mach ich? Er hat dann von einem großen Autounternehmen eine tolle Position angeboten bekommen, die natürlich diese 120 Prozent erwartet hat, die er zu bringen hätte und damit war die Entscheidung gegen den Sport gefallen. Der wäre 2008 in Peking wahrscheinlich auf seinem sportlichen Höhepunkt gewesen. Leider muss man im Großen und Ganzen sagen, dass die Medaillen sozialisiert werden, aber sich ein berufliches Standbein aufzubauen, das wird privatisiert. Ende mit Zusammenschnitt Atmo-Hymne..... Was wird aus den Olympiabauten in London? Autor: Achim Nuhr O-TON: Das Besondere ist ganz bestimmt das Dach. Diese frei schwebende Form: Natürlich kommt da die Assoziation von Wellen und Schwimmen, Flunder, fischartig - diese sehr stromlinienförmige, weit herausragende geschwungene Dachform über beide Pools: Da ist ein 50 m-Pool und ein 25 m-Pool direkt unter dem frei geschwungenen Dach. Die Spannweite ist über 120 m in der Längsrichtung, in der Breite 70 m. ATMO: Baulärm, Presslufthammer, Stimmen der Bauarbeiter SPRECHER: Den Besuchern der Sommer-Olympiade "London2012" wird wohl zuerst das Schwimmstadion in Erinnerung bleiben: Ein architektonisches Meisterwerk, bisher allerdings im Wartestand. Denn egal, von wo man auf das Schwimmstadion blickt: Noch verdecken zwei plump dran geklatschte, mausgraue Stahlrohr-Tribünen den Blick auf eine Hälfte des tollen Dachs. Ein geradezu schmerzhafter Anblick: Als hätte ein Gigant die Berliner Stadionschüssel auf die filigranen Zelte des Münchner Olympiaparks geworfen. Doch die Architektin des Londoner Schwimm- Stadions lächelt trotzdem ganz entspannt: O-TON: Also im Moment sehen sie hauptsächlich große Sitztribünen auf jeder Seite. Temporäre Tribünenkonstruktionen, die die Hauptmasse der Zuschauer aufnehmen werden. Weil das permanente Gebäude, also das Gebäude in der Mitte, auch nach der Olympiade bleibt. Das hat dann nur noch 2.500 Zuschauer. Für die Olympiade wird es aufgerüstet für 17.500 Plätze. Und deswegen sind da die leicht gerüstartig wirkenden Flügel auf jeder Seite des Gebäudes jetzt hauptsächlich zu sehen von außen. SPRECHER: Die Deutsche Sara Klomps arbeitet für Zaha Hadid Architects - ein weltberühmtes Architektenbüro mit 350 Mitarbeitern. Der hohe Anspruch: Räume gestalten, die synchron zu ihrer Umgebung funktionieren. Da wirken die schlimmen Rohrtribünen zuerst völlig misslungen. Doch Sara Klomps sieht das ganz anders: Für sie ist die Olympiade nur ein Spektakel, bei dem bekanntlich nach ein paar Wochen alles vorbei ist. Athen, Peking, Vancouver - an vielen ehemaligen Olympia-Orten stehen die Stadien heute ungenutzt in der Gegend herum, blockieren Grundstücke und verbrennen sogar weiterhin Geld für eine nahezu zweckfreie Instandhaltung. Sara Klomps wollte das von vorne herein ganz anders machen und baute für eine zweifache Nutzung: Ein "Aquatic Centre" für die Spiele, eines für danach. Die Rohrtribünen werden nach dem Ende der Olympiade einfach abgebaut. O-TON: Die Tatsache, dass das Aquatic Centre praktisch abgerüstet wird nach den Olympischen Spielen, dass es zwei Kapazitäten hat - 2.500 Besucher für die permanente Baustruktur und 17.500 Besucher für die olympische Struktur - war schon Bestandteil der Wettbewerbsaufgabe. Weil eine solch große Schwimmhalle auf Dauer nicht haltbar ist, auch nicht für London. Nicht finanzierbar langfristig. Das war dann auch, warum wir eine große Dachform ausgewählt haben, die dann im Grunde stark genug ist, um diese Veränderungen auszuhalten. ATMO: Schritte drinnen, leichtes Generatorbrummen SPRECHER: Deshalb kann man bisher vor allem am Modell betrachten, welche Eleganz das langfristig bestehende Gebäude nach dem Olympia- Spektakel ausstrahlen wird. "London" schreibt damit ein neues Kapitel der Olympia-Architektur: Ausgerechnet während der Spiele wird das Aquatic Centre aus praktischen Gründen gezielt verschandelt. Später dient dann der schick getrimmte Bau als öffentliches Hallenschwimmbad für Normalverbraucher. ATMO: ansage "next station hack wick" usw, aussteigen, auf bahnsteig SPRECHER: Nach dem Ende der Spiele warten noch weitere Goodies auf die Bürger Londons: vom neuen Fahrradstadion mit angeschlossenem großen Moto Cross Parcours für Fahrräder bis hin zu einem neuen Park auf einer alten, ehemals vergifteten Industriebrache. Ob all die tollen Pläne aufgehen werden, wird man erst in Jahrzehnten wissen. Doch eines scheint schon jetzt gewiss: Die Bürger Londons werden mehr von ihren Olympischen Spielen profitieren als die Bürger von Peking und Athen. Weil die Politiker Londons ihre Interessen gegenüber dem Olympischen Komitee konsequent vertreten. Die Architektin Sara Klomps sollte zuerst mit den Bürgern sprechen, und erst danach mit dem Olympischen Komitee. O-TON: Zum Beispiel mussten wir das Schwimmbad so planen, das es auch möglich ist, nur Frauenschwimmen zu haben und bestimmte Privatsphären zu errichten. Das olympische Komitee kam erst sehr spät: Locog ist eigentlich nicht so sehr interessiert daran, wie das Gebäude aussieht. Die sind daran interessiert, dass sie die Leute hereinkriegen, dass sie ihre Zeremonien mit der richtigen Tür an der richtigen Stelle haben, Poster aufhängen können mit Logo. Denen ist das Gebäude selber eigentlich manchmal fast zu wenig wichtig. Charmant aber chancenlos Die Bewerbung Leipzigs als Olympiastadt 2012 Autor: Manuel Waltz [Atmo `Park am Elsterufer´] Autor Langsam und ruhig fließt das Wasser der Elster durch den Leipziger Westen. Vereinzelte Paare schlendern hier vorbei an der Sport-Fakultät der Uni Leipzig durch den Park. Stattdessen sollten hier eigentlich heute Touristenströme aus aller Welt das Wasser entlang ziehen. Denn das Gelände wäre das Zentrum der Olympiastadt Leipzig gewesen. Für Egbert Pietsch, Herausgeber des örtlichen Stadtmagazins "Der Kreuzer", eine absurde Vorstellung. O-Ton Eine wirkliche Chance das international zu gewinnen gab es nie, meines Erachtens. Wir haben natürlich alle brav mitgemacht, weil: Es war ja eine enorme Aufbruchstimmung in der Stadt und wie immer, wenn sich alles um ein Ereignis zusammenschart hatte das natürlich schon "good vibrations" in der Stadt zum Teil, das muss man ja schon feststellen. Autor Leipzig wollte mit dem Charme des Außenseiters gewinnen und trat mit seinen 500 000 Einwohnern gegen Metropolen wie New York, Moskau oder Paris an. Gegen die großen Konkurrenten wollte man sich als die Stadt der friedlichen Wende 1989 profilieren und anstatt eines Bombast-Events kompakte Spiele bieten. Damit konnte Leipzig anfangs auch punkteten. Besonders Jacques Rogge, der Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, zeigte deutliche Sympathie für dieses Konzept und betonte, dass nicht nur Millionenstädte in der Lage seien, Olympische Sommerspiele auszurichten. Michael Brendel studiert Sport an der Uni Leipzig. Er kommt gerade aus der Mensa und ist auf dem Weg in die Bibliothek. Er muss ein wenig lachen, wenn er daran denkt, dass hier, rund um seine Fakultät herum, gerade das Herz von Olympia 2012 schlagen würde. Dennoch, wenn er die Bilder der Wettkämpfe aus London sieht, ist er sich sicher, dass die Spiele in Leipzig etwas geboten hätten, das in der englischen Weltstadt fehlt. O-Ton Es wäre familiärer geworden auf alle Fälle. Ich denke, in London verläuft es sich. Ich kenne Freunde in London, die versucht haben, vor Olympia davon zu laufen. Ich denke nach Leipzig wäre man gekommen und die Leipziger wären auch hier geblieben um gute Gastgeber zu sein. Das ist anders in London. Autor Allerdings ist tatsächlich fraglich, ob die Stadt in der Lage gewesen wäre, Olympia 2012 auszutragen. Gerade wegen der geringen Zahl von Hotelbetten und der dürftigen Infrastruktur gab es immer wieder Bedenken. Der heutige Charme Leipzigs rührt vor allem vom morbiden Flair vergangenen Reichtums, der einstigen industriellen Größe. Heute gibt vor allem die freie Szene der Stadt ihr Gesicht, denn die vielen Künstlern haben sich das Erbe dieser vergangenen Zeit einverleibt. Egbert Pietsch hat Zweifel, ob sich Leipzig diesen Charme in der olympischen Hochglanz-Welt hätte erhalten können. O-Ton Das glaube ich nicht, Leipzig hätte sich dem ja nicht entziehen können, das wäre ja gar nicht in der Hoheit dieser Stadt gelegen, da hätten doch ganz andere Leute regiert, da wäre das olympische Komitee hier eingeritten und hätte das sich so hergerichtet wie sie es eben brauchen. Autor Das Gesicht der Stadt hätte sich als Austragungsort der Olympischen Spiele grundlegend geändert. Die meisten Wettkampfstätten hätten neu gebaut werden müssen genauso wie neue Straßen und Straßenbahnen, in einem noch viel größeren Maße als dies für die Fußballweltmeisterschaft 2006 der Fall war. Egbert Pietsch ist nicht traurig, dass dieser Bauboom nicht eingesetzt hat und stattdessen in London stattgefunden hat. O-Ton Diese Megabauten hätten dieser Stadt ja auch ein Erbe hinterlassen, mit dem sie nur schwer hätte umgehen können, weil diese Dinger zu befüllen ... man sieht ja schon, selbst das Fußballstadion ist doch schon zu viel für diese Stadt. Autor Leipzig als Austragungsort der Olympischen Spiele 2012, das war tatsächlich eine kühne Idee. Dass die Stadt sich offiziell für Deutschland als Austragungsort beworben hat, ist Umständen geschuldet, die so heute nicht noch einmal eintreten würden: Die beiden favorisierten deutschen Städte, Düsseldorf und Hamburg, haben sich bei der finalen Abstimmung gegenseitig ausgeschaltet. Wolfgang Tiefensee, damals Bürgermeister von Leipzig, konnte mit seinen Entertainer-Qualitäten noch zuletzt viele Delegierte für sich gewinnen. Und schließlich durften diese demokratisch entscheiden. Das Nationale Olympische Komitee würde heute vermutlich nur noch Berlin als Bewerber zulassen, denn dies ist die einzige deutsche Stadt mit einer realistischen Chance. Und Leipzig? Egbert Pietsch noch einmal. O-Ton Ich bin relativ sicher, dass Leipzig seinen sanften Größenwahn durchaus behalten hat und dass... vielleicht nicht wieder Olympiabewerbung, ich glaube, der Traum ist ausgeträumt, aber irgendwelche Austragungen größerer sportlicher Ereignisse, dafür halte ich unsere Stadtväter immer für geeignet.