KULTUR UND GESELLSCHAFT Organisationseinheit 46 Reihe Werkstatt Kostenträger 62300 Titel der Sendung Iranische Ikone der Freiheit. Das radikale Leben und Dichten der Forough Farrokhzad Autor Nicoletta Torcelli Redakteur Jörg Plath Sendetermin 12.6.2011, 00:05 Besetzung Regie Beate Ziegs Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig (c) Deutschlandradio Deutschlandradio Kultur Funkhaus Berlin Hans-Rosenthal-Platz 10825 Berlin Telefon (030) 8503- Atmo Musik 1 Oton Forough Interview (spricht Farsi) Sprecherin 1 Ich denke, kreatives Arbeiten ist eine Art Ausdruck und Neuerschaffung des Lebens, und Leben ist immer in Bewegung. Es ist ganz natürlich, dass es sich stets verändert und neue Formen annimmt. Als Folge hat Kunst zu jeder Zeit seinen eigenen Geist. Sonst ist es keine Kunst, es ist so etwas wie Betrug. Heute ist alles anders geworden. (Hasan Javadi / Susan Sallée, Forugh Farrokhzad. Another Birth and other poems (engl. + persian), hier: Letters, Interview and Articles, übersetzt aus dem Englischen von Nicoletta Torcelli, Mage Publishers, Washington DC 2010) 2 O-Ton Karimi Sie sagt: Eine Dichtung ist nur dann wahrhaftig, wenn sie das Leben widerspiegelt. Und Foroughs Frage ist, wo im Leben sich etwas reimt. Wo sind denn die Melodien im Leben? Wir leben in einer Zeit, in der alles zerbricht. In der Frauen unterdrückt werden. Und da soll man noch reimen? Wo lebe ich denn überhaupt? Und was für einen Sinn hat überhaupt Poesie? Wenn es nicht ein akademisches Gehabe sein soll, sondern viel mehr als das, ein Ausdruck des Lebens, dann muss es auch dieses Leben widerspiegeln können. Und zwar in seiner ganzen Zerbrechlichkeit und Zerrissenheit. Und dafür steht Forough Farrokhzad. Sprecherin 2 Iranische Ikone der Freiheit. Das radikale Leben und Dichten der Forough Farrokhzad. Ein Feature von Nicoletta Torcelli. 3 O-Ton Karimi Es gibt ein Lied von dem berühmten afghanischen Sänger Ahmad Zahir, in dem er ein Gedicht von Forough singt. Und zwar das traurigste Gedicht von Forough überhaupt ... marge-man ... "Eines Tages wird sich mein Tod ereignen." Schon dort hat mich Forough gepackt, als Kind. Und zwar inmitten des Bürgerkrieges in Afghanistan. Und als ein Kind. Seinen eigenen Tod zu besingen. Und nicht herbeizusehnen, sondern auch darüber zu sprechen, was wird an meinem Todestag sein? Und sie beschreibt Punkt für Punkt, Schritt für Schritt, das ist bewegend. Und dass ich als ein Kind davon, von Forough berührt war, wusste ich schon damals: Eines Tages werde ich mich in dich verlieben. Sprecherin 2 Forough Farrokhzad hat immer wieder über den Tod geschrieben. In einem ihrer letzten Gedichte steht: "Jetzt ist es aus - wir müssen Traueranzeigen aufgeben in der Zeitung." Gerade mal 32 war sie, als sie bei einem Autounfall in Teheran ums Leben kam. 1967, zu Schah-Zeiten, zwölf Jahre vor der Islamischen Revolution. Sie ist unvergessen geblieben. Bis heute wird Forough gelesen, geliebt, sogar verehrt. Für viele ist sie die moderne Lyrikerin des Iran. Für andere war und ist sie ein Skandal. Kein Wunder - sie war eine Rebellin. Sie hat Tabus gebrochen und Konventionen über Bord geworfen. Sie war der Inbegriff der Unabhängigkeit und des Aufbegehrens. Ja, sie hat immer wieder über den Tod geschrieben. Aber auch wie niemand zuvor über das Leben. Wer war diese Dichterin? Wie inspiriert sie bis heute iranische Künstler, Filmemacher und Poeten? Atmo Musik Sprecherin 1 (Gefangen) Dich will ich, und ich weiß, niemals werde ich, wie es mein Herz begehrt, in deinen Armen liegen Du bist für mich der Himmel, leuchtend und klar Ich, in dieser Käfigecke, ein gefangener Vogel. ... Ich denke an den Augenblick, an dem ich, unbemerkt, dem stillen Kerker kann entfliehn dem Mann, der mich einsperrte, lach' ich ins Gesicht und beginn' ein neues Leben, dort an deiner Seite. (Hasan Javadi / Susan Sallée, Forugh Farrokhzad. Another Birth and other poems (engl. + persian), übersetzt aus dem Farsi von Nicoletta Torcelli, Mage Publishers, Washington DC 2010) Sprecherin 2 Als im Frühjahr 1955 Forough Farrokhzads erster Gedichtband Gefangen erscheint, ist sie 20 Jahre alt und lebt mit ihrem Ehemann Parviz Shapour in der Provinz im Südwesten Irans, in Ahwas. Den Sohn Kaymar hat sie mit 17 bekommen, als sie heiratete, war sie gerade mal 16. Die Hochzeit war nicht arrangiert. Ganz im Gegenteil, die Eltern waren strikt gegen die Verbindung. Doch Forough schloss sich tagelang in ihr Zimmer ein, trat gar in den Hungerstreik und setzte sich durch. Ihr künftiger Mann ist fünfzehn Jahre älter und Finanzbeamter. Aber auch Satiriker und Karikaturist. Er unterstützt die literarischen Ambitionen seiner jungen Frau, hilft ihr, die ersten Gedichte in Zeitschriften zu veröffentlichen. Schon auf der höheren Mädchenschule für Malerei und Modedesign hatte Forough mehrere Gedichte am Tag geschrieben, in der Küche oder hinter der Nähmaschine, und eine Gedichtsammlung nach der anderen gelesen. Forough entstammt der oberen städtischen Mittelschicht und hat sechs Geschwister. Bildung ist selbstverständlich in der Familie Farrokhzad, der westlichen Kultur steht sie relativ offen gegenüber. Auch der Schah, der mit einem Putsch an die Macht gekommen ist, will den Iran nach westlichem Muster modernisieren, er hat zeitweise sogar ein Schleierverbot durchgesetzt. Iran - eine Welt im Umbruch, eine Welt voller Widersprüche. Teheran - eine Stadt zwischen Tschador und Pariser Chic. Es ist Foroughs Welt und ihre Stadt. Sprecherin 1 (Statement Forough) Ich weiß nicht, ob das Gedichte sind oder nicht. Ich weiß nur, dass es damals in meinen Gedichten sehr viele Ichs gab, und dass alle ehrlich waren. Und ich weiß, dass die Gedichte sehr einfach waren. Ich hatte noch keine Erfahrung. Meine eigene Sprache, meine eigene Form, meine Gedankenwelt hatte ich noch nicht gefunden. Ich lebte in der kleinen und engen Welt, die man 'Familienleben' nennt. (Hasan Javadi / Susan Sallée, Forugh Farrokhzad. Another Birth and other poems (engl. + persian), übersetzt aus dem Farsi von Nicoletta Torcelli, Mage Publishers, Washington DC 2010) Sprecherin 2 Forough distanziert sich später von ihren frühen Gedichten. Auf der Suche war sie damals. Forough spricht unverblümt von ihrem unbändigen Wunsch nach Freiheit. Das Leben in der Provinz, die Ehe sind ihr ein Gefängnis geworden. Der Himmel ist ein Sehnsuchtsort. Sie träumt von der großen Welt. Atmo historische Aufnahmen: Sturz von Mossadegh Sprecherin 2 Was weiß sie von den Machtkämpfen in der großen Welt? Im Iran toben Kämpfe um die Verfassung, um ein Parlament, um das Erdöl. Als Premierminister Mossadegh die Ölindustrie verstaatlicht, wird er 1955 - das Jahr, in dem Foroughs erster Gedichtband erscheint - gestürzt. Die Fäden des Komplotts ziehen Großbritannien und die USA, sie inthronisieren den Sohn des Schah, der den Ölhahn für den Westen wieder aufdreht. Und Forough? Sie kämpft mit ihren Gefühlen. Sprecherin 1 (Gefangen) Wenn ich, o Himmel, eines Tages kann entfliehen Weg von diesem dunklen düstren Ort Was soll ich dem Kind, was seinen Tränen sagen? Vergiss den kleinen Vogel, der ist fort... (Hasan Javadi / Susan Sallée, Forugh Farrokhzad. Another Birth and other poems (engl. + persian), übersetzt aus dem Farsi von Nicoletta Torcelli, Mage Publishers, Washington DC 2010) Sprecherin 2 Wie der Vogel aus dem Käfig flieht Forough im Sommer 1955 aus der Provinz nach Teheran. Es kommt zur Scheidung, der Sohn Kaymar bleibt beim Vater. Die Schwiegermutter erlaubt Forough nicht, ihr Kind zu sehen, sie zieht verzweifelt durch Teherans Straßen. Foroughs Vater sagt, sie habe Schande über die Familie gebracht, er wirft sie mit einem Koffer aus der Wohnung. Sie schlüpft bei einer Dichterin unter. In der Literaturszene fällt sie auf, hat Erfolg. Im Herbst erleidet sie einen Zusammenbruch und verbringt einen Monat in einer Nervenklinik. Eine Frau voller Leidenschaft für die Poesie und das Leben. Sie verliebt sich, trennt sich, verliebt sich erneut. Ihr zweiter Band erscheint 1956, Die Mauer. Ein Gedicht daraus sorgt für einen Skandal: Die Sünde. Sprecherin 1 (Die Sünde) Gesündigt habe ich, gesündigt voller Lust In einer Umarmung, die warm und brennend war Gesündigt habe ich, umschlossen von Armen so heiß und stark und fest wie Eisen. (Hasan Javadi / Susan Sallée, Forugh Farrokhzad. Another Birth and other poems (engl. + persian), übersetzt aus dem Farsi von Nicoletta Torcelli, Mage Publishers, Washington DC 2010) 4 O-Ton Karimi Foroughs Stimme ist die Stimme einer Frau, die argumentativ klagt. Die schreit. Aber der Schrei ist nicht von einer schamhaften Frau, ... die auch nicht über Körperlichkeit andeutend spricht, sondern sie ist die Frau, die sagen kann: gesündigt habe ich, gesündigt voller Lust. Und das muss man sich vorstellen, was das überhaupt bedeutet. Sprecherin 2 Ahmad Karimi Karimi versucht sich immer wieder an Übersetzungen von Forough Farrokhzad. Der Freiburger Philosoph und Islamwissenschaftler gibt eine Literaturzeitschrift heraus und hat einen eigenen Verlag. Mit einer unkonventionellen Koranübersetzung hat er für Aufsehen gesorgt. Möglichst nah am Original möchte er beim Übersetzen bleiben, auch bei dem Gedicht Die Sünde. 5 O-Ton Karimi Auf Persisch sagt sie: in dem Ort, dunkel und ruhig, so dass die Topologie der Aussage bei dem Wort ruhig endet und nicht Ort. Es ist eben kein dunkler und ruhiger Ort, sondern es ist ein Ort, und dann Atempause, und dann kann Ort der Lust sein, ein Ort der Freude, aber dann kommt: chamurk tarik. Dunkel. Aber ein dunkler Ort kann auch ein schöner Ort sein. Es könnte auch die Nacht sein. Wa chamusch. Und schweigend. So dass die erdrückende Situation, die Forough zum Ausdruck bringen will, gerade nur in dieser Anordnung zu verstehen ist. Ansonsten ist ein ruhiger und dunkler und Ort ein vollkommen langweiliger Satz. Bar jeglicher Poetizität. Aber was Forough schafft ist eben Spannung und Poesie zu vermitteln. ... und dann müsste dieser Vers so heißen: In jedem Ort, voller Dunkelheit und Schweigen. Sprecherin 1 (Die Sünde) In jenem Ort... voller Dunkelheit und Schweigen Verlor ich mich in seinen unergründlich dunklen Augen Das Herz in meiner Brust raste wie wild Vor Begehren nach seinem sehnsüchtigen Blick. (Hasan Javadi / Susan Sallée, Forugh Farrokhzad. Another Birth and other poems (engl. + persian), übersetzt aus dem Farsi von Nicoletta Torcelli, Mage Publishers, Washington DC 2010) Sprecherin 2 Forough Farrokhzad schreibt nicht über eine stille Leidenschaft, sondern über das Begehren. Ein doppelter Tabubruch: Sie verstößt gegen den moralischen Kodex und spricht öffentlich darüber. Verschleierte Stimmen - so hat die iranisch-amerikanische Literaturwissenschaftlerin Farzaneh Milani die Literatur von Frauen im Orient bezeichnet. Damit meint sie die Trennung zwischen Innenleben und Außenwelt, die klar gezogene Grenze zwischen Privat und Öffentlich. Forough Farrokhzad akzeptiert diese Grenze nicht. Radikal geht sie den Weg weiter. Doch der Alltag in Teheran ist nicht einfach für die junge Dichterin. 1956 flieht sie vor den ständigen Angriffen und verbringt neun Monate in Europa. Zuerst in Italien und dann in München. Mit ihrem Bruder Amir, der dort Medizin studiert, übersetzt sie deutsche Lyrik ins Persische, darunter auch ein Gedicht von Rilke. 6 O-Ton Karimi Wenn man politisch sozusagen noch einmal erinnert, wo Forough war und was für ein Leben sie davor im Iran hatte, dann ist ja klar, dass diese Regierungen, diese Gesellschaften, viel verschleiern. Viel mit Masken arbeiten. Daher passt Forough nicht in so eine Gesellschaft. Sie demaskiert. Ihre ganze Arbeit besteht darin, Masken abzunehmen. Und das hat sie in Europa in der Tat empfunden, dass so jemand wie Rilke eben auch von der Zerrissenheit des Lebens spricht. Sprecherin 1 (Brief von Forough) Liebster Papa, es ist lange her, dass ich dir geschrieben habe. Es ist so, dass ich dir Briefe geschrieben, aber nicht abgeschickt habe. ... Ich weiß nicht, was ich dir schreiben soll. Mir geht es gut. ... Ich habe mich daran gewöhnt, nicht zu viel zu erwarten. ... Ich denke weniger und lebe dafür mehr. Amir geht es auch gut. Wir sehen uns oft, und dann reden wir ständig über Teheran, über die Kinder, die Mutter, den Vater... Du hast nach meiner Arbeit und meinen Studien gefragt. Du weißt, welches Ziel ich im Leben habe. Ich will eine große Schriftstellerin sein, und ich liebe die Poesie. Ich hatte nie ein anderes Ziel. In den sieben Monaten, in denen ich in Italien war, habe ich gut Italienisch gelernt. Ich habe zwei italienische Gedichtbände übersetzt. Jetzt bin ich mit Amirs Hilfe dabei, ein deutsches Buch zu übersetzen. In den letzten zehn Monaten in Europa habe ich auch einen Gedichtband geschrieben, den ich veröffentlichen will. Poesie ist mein Gott. ... Du hast mich abgehakt, lässt mich unglücklich sein und siehst mich nur durch die Augen der anderen, aber ich liebe dich von ganzem Herzen. Wenn ich an dich denke, füllen sich meine Augen mit Tränen. ... Ich will nicht wieder heiraten. Ich will Erfolg haben und eine außerordentliche Rolle in der Gesellschaft spielen. ... Ich küsse dich, Forough. (Hasan Javadi / Susan Sallée, Forugh Farrokhzad. Another Birth and other poems (engl. + persian), hier: Letters, Interview and Articles, übersetzt aus dem Englischen von Nicoletta Torcelli, Mage Publishers, Washington DC 2010) Sprecherin 2 Als Frau, die in der Lyrik neue Wege geht und mit den gesellschaftlichen Konventionen bricht, beeindruckt Forough Farrokhzad andere Frauen. Und junge Mädchen. Azar Nafisi, die iranische Literaturprofessorin, die mit dem Roman "Lolita lesen in Teheran" bekannt wurde und inzwischen in den USA lebt, erinnert sich in ihrem Buch "Die schönen Lügen meiner Mutter" an die eigene Teenager-Zeit in Teheran - und an die Leidenschaft für Forough. Sprecherin 4 (Die schönen Lügen meiner Mutter) Etwa um diese Zeit fing ich an, stundenlang im Bett zu liegen und zu lesen. Ich strich Passagen an, übertrug sie in mein Tagebuch und rezitierte Verse meiner Lieblingsdichterin Forough Farrokhzad. ... 'Allein die Stimme bleibt' war der Titel eines Gedichts von Forough Farrokhzad, den ich oben auf einer Seite meines Tagebuches notierte und doppelt unterstrich. Darunter schrieb ich, dass ich mich mit meiner Mutter schrecklich über Forough gestritten hatte (man nannte sie immer beim Vornamen, was man sich bei männlichen Dichtern selten, wenn überhaupt erlaubte). Mutter wiederholte ständig, sie habe mich nicht großgezogen, damit ich in die Fußstapfen von 'so einer' träte. Meinem Tagebuch vertraute ich an, wenn meine Mutter mehr von 'so einer' an sich hätte, würde es uns allen vermutlich viel besser gehen. (Azar Nafisi, Die schönen Lügen meiner Mutter, übersetzt von Maja Ueberle-Pfaff, DVA, München 2010) 7 O-Ton Mithra Zahedi Für mich war sie die Begleiterin meiner schweren Stunden im Leben, aber auch meiner kreativen Momente, ich habe immer wieder sie mir vorgenommen, hab mit 13-14 sie kennen gelernt und hab natürlich in der Pubertät sucht man nach Liebesgedichten, und so habe ich mit ihr angefangen, und mit jedem Jahr, wenn ich sie wieder gelesen habe, habe ich sie anders verstanden, und immer wieder anders, und heute, mit 49 fast, lese ich sie wieder und verstehe sie wieder neu, und sie ist für mich nie zu Ende. Sprecherin 2 Mithra Zahedi ist Theaterregisseurin und -pädagogin. 1985 floh sie aus dem Iran; sie studierte zuerst in München, und dann in Berlin, wo sie bis heute lebt. 8 O-Ton Mithra Zahedi Wenn ich nicht mehr weiter weiß, greife ich ihr Buch, und dann schaue ich mal nach irgendwelchen Gedichten, egal was, vor allem die letzteren Gedichte, und dann weiß ich wieder, ah, so geht es. Warum? Weil sie selbst auch mal gesagt hat, sie sucht das Wesentliche. Atmo - Tippgeräusche von Computertastatur Sprecherin 4 (Website Radio Zamaneh) Am 13. Februar war Forough Farrokhzads Todestag. Sie war eine einzigartige Dichterin und eine Frau, die nie stehen geblieben ist. Sie ist schon über 40 Jahre tot und noch immer ein einzigartiger Stern in der Literaturwelt. Noch immer inspiriert sie Frauen, die nach Freiheit streben. Jetzt, 32 Jahre nach der Revolution, werden Foroughs Name und ihre Gedichte immer noch zensiert. Und die Mädchen, die in der Revolutionszeit geboren wurden, trällern immer noch Foroughs Gedichte. An Foroughs Todestag flüsterte ich ihr Gedicht Allein die Stimme bleibt. Das erinnerte mich an die bittere Stimme einer anderen Frau, Zahra Bahrami. Ihre Stimme wurde nach ihrer Hinrichtung im 29. Januar dieses Jahres in Facebook veröffentlicht. Atena Pajuhesh, auf der Website von Radio Zamaneh Sprecherin 4 (Webseite Taasian) Die Frau in ihren Gedichten ist auf den ersten Blick sie selbst. Aber sie ist auch das Symbol für alle Frauen, die von Unterdrückung und Beschränkungen genug haben. Der menschliche Geist strebt nach der Freiheit, und Forough dichtete diesen Wunsch. Mahtab Keransche, auf der Website von Taasian, Internationales Literatumagazin für Frauen 9 Atmo Cyminology: CD As Ney > 6 Naagofte (Gedicht von Forough Farrokhzad) Stimme etwas frei stehen lassen, Übergang Sprecherin 2 Sprecherin 2 Cymin Samawati, die Sängerin der Berliner Band Cyminology, ist in Deutschland geboren, ihre Eltern stammen aus dem Iran. Vor einigen Jahren hat sie Forough Farrokhzad entdeckt und eines ihrer Gedichte interpretiert. Es erzählt von einer Frau, die sich nicht den Mund verbieten lassen will, denn sie will mit ihren Wörtern die Welt erreichen. 10 O-Ton Cymin singt live in ihrem Studio ((singt auf Farsi)) 11 O-Ton Forough Interview (spricht Farsi) Sprecherin 1 Auf jeden Fall muss die Poesie von heute sich all das, was charakteristisch für unsere Zeit ist, zu eigen machen. .... Meine Poesie ist bis zum gewissen Grad weiblich. Das ist ganz natürlich, da ich ja eine Frau bin. Zum Glück bin ich eine Frau. Aber ich glaube nicht, dass das Geschlecht als künstlerisches Kriterium gelten kann. Da sie andere körperliche und psychische Voraussetzungen hat, rückt eine Frau vielleicht Probleme ins Zentrum, die von einem Mann nicht gesehen werden. Doch wenn diejenigen, für die Kunst etwas Existenzielles ist, das Geschlecht zum Standard ihrer Arbeit erheben, dann, glaube ich, werden sie immer auf dem gleichen Level bleiben, und das ist nicht gut. ... Das Wichtigste ist, ein Mensch zu sein. Ob Mann oder Frau, das ist nicht die Frage. (Hasan Javadi / Susan Sallée, Forugh Farrokhzad. Another Birth and other poems (engl. + persian), hier: Letters, Interview and Articles, übersetzt aus dem Englischen von Nicoletta Torcelli, Mage Publishers, Washington DC 2010) Atmo Musik Sprecherin 2 1958, nach ihrer Rückkehr aus Europa, erscheint der dritte Gedichtband von Forough Farrokhzad: Rebellion. Und Forough verliebt sich in den Mann, in dessen Filmstudio sie inzwischen arbeitet. Ebrahim Golestan ist 13 Jahre älter als sie, verheiratet, hat Kinder. Sie wird seine Geliebte und verbirgt es nicht - ein weiterer Skandal. 1959 reist Forough für mehrere Monate nach England, bildet sich in Film und Dramaturgie weiter. Nach ihrer Rückkehr arbeitet sie auch als Schauspielerin und Übersetzerin. Ist die Liebe zu kompliziert? 1960 unternimmt sie mit Schlaftabletten einen Selbstmordversuch. Es ist nicht der einzige in ihrem Leben. 12 Atmo Das Haus ist schwarz Atmo kann unter Sprecherin 2 und Oton Karimi liegen, am Ende kurz frei stehen lassen Sprecherin 2 Im Sommer 1962 dreht sie für die Produktionsfirma ihres Geliebten Golestan einen Dokumentarfilm über die Leprakolonie in Tabriz. 13 O-Ton Karimi Dort hat sie zum ersten Mal die Möglichkeit, ... nicht Bilder zu entwerfen, sondern sie hat Bilder, sie hat leprakranke Menschen vor sich. Und sie sind vornehmlich dadurch ausgezeichnet, dass sie ihr Gesicht verlieren. Sie sind einfach nicht anzuschauen. Und Forough ist mittendrin. Inmitten von Menschen, die de facto keine Nase mehr haben. Das Gesicht ist vollkommen deformiert. Und sie entdeckt dort das echte Leben, dass das Leben dort authentisch ist. Im Unterschied von all denen, die meinen, ihr Gesicht noch haben zu können. Sprecherin 2 Knapp zwei Wochen lang hält sich Forough in der Leprakolonie auf. Während der Dreharbeiten trifft sie einen Jungen. Hossein ist sechs Jahre alt, drei Jahre jünger als ihr Sohn. Heute lebt Hossein Mansouri in München. Er hat unter anderem Paul Celan ins Farsi übertragen. Auch Gedichte von Forough Farrokhzad übersetzt er, und ihre Biographie zu verfassen ist für ihn eine Lebensaufgabe. Forough wird auf Hossein aufmerksam, als sie mit seinem Vater spricht, einem der wenigen Schreibkundigen im Lepradorf. 15 O-Ton Mansouri In diesem Augenblick ist etwas Erstaunliches passiert. Anscheinend hatte ich eine Ähnlichkeit mit ihrem leiblichen Sohn, das ist Zufall, reiner Zufall. Aber dann passiert etwas, das sie in Erstaunen versetzt. Sie kommt zu mir und sagt, salam, ich heiße Forough. Wie heißt du? Ich habe nur die Stimme gehört, nicht das Gesicht gesehen. Und ich blieb da, wie von einer... einer Schlange gebissen. ... Ich habe nicht verstanden, was da los war. Ich kann mich nur bildlich gesprochen an diesen Kieselstein erinnern, er blieb in der Luft und hat bis heute nicht den Boden erreicht ... Allein die Stimme, ihre Stimme hat mich glaub ich so schockiert, keine Ahnung, ich kann das nicht mit Worten erklären, ... sie fragte mich nach meinem Namen, (aber) ich habe meinen Namen gesucht, aber nicht gefunden. Das ist erstaunlich, denn dieses Kind war an zwei Orten bekannt gewesen als bol bol, als Nachtigall ... so redselig war ich. Und ausgerechnet diese Nachtigall kann sich an ihren eigenen Namen nicht erinnern. ... Das habe ich nicht verstanden. Mit der Zeit wurde mir diese Dame sehr unheimlich. Irgendwann sagte sie zu mir, ich will, dass du ein paar Worte wiederholst, kannst du das machen? Ich sagte: ja. Ehrlich gesagt wollte ich mich rächen, ich wusste nicht, was diese Ausrüstung alles bedeutet, ich war nur gewillt, ihr zu zeigen, dass ich auch reden kann, das war meine einzige Ambition, als ich diese vier Worte aussprach. 16 Atmo Das Haus ist schwarz: Schulklasse ((Farsi)) Sprecherin 2 Eine Schulklasse mit leprösen Kindern. Der Lehrer sagt: "Zählt mir ein paar schöne Dinge auf!" 17 Atmo O-Ton Schulklasse: Hossein spricht ((Farsi)) Sprecherin 2 "Mond, Sonne, Blume Spiel", antwortet Hossein strahlend. Der Lehrer fragt den nächsten Jungen. "Zähle mir ein paar hässliche Dinge auf!" 18 Atmo Das Haus ist schwarz: O-Ton Junge ((Farsi)) (Lachen) Sprecherin 2 Was sind es für hässliche Dinge, die alle so zum Lachen bringen? Hand. Fuß. Kopf. Der alltägliche Anblick auf der Leprastation... Gesichter mit sich auflösenden Nasen. Stümpfe statt Hände und Füße. Abgefaulte Zehen. Der Film zeigt das Leiden der Menschen. Er zeigt sie aber auch beim Essen, Spielen, Feiern. Er rückt ihnen ganz nah. Die Wörter, die Forough, die Dichterin, für diese Welt finden muss, sind keine neuen Wörter. 19 O-Ton Mansouri Das war eine Phase ... gewesen, in der sie Bibel und Koran gelesen hatte. Sie kam auf die Idee, Zitate aus der Bibel zu nehmen, und das hat sie auch gemacht, aus dem Buch von Davids Psalmen, Hesaia und so weiter, Hiob, aus diesen drei Büchern hat sie dann Zitate rausgeholt, und sie hat sie dann selber gesprochen. 20 Atmo Das Haus ist schwarz TRILLERPFEIFE / AUSSCHANK ESSEN Sprecherin 2 Ein Bewohner der Leprakolonie bläst in eine Trillerpfeife. Die Menschen eilen mit Tabletts und Schalen herbei. Jeder bekommt eine Schüssel Reis. 21 Atmo Das Haus ist schwarz, O-Ton Forough, Stimme frei stehen lassen Sprecherin 1 O hätte ich Flügel wie die Taube! Wie wollte ich fliegen, bis ich Ruhe fände! Ja, fernhin wollte ich flüchten, wollte herbergen in der Wüste. Ich wollte hineilen, wo ich sicher wäre vor dem Sturmwind, vor dem Wetter. (zitiert nach: Zwingli-Bibel 1942, Psalm 55:7) 22 Atmo Das Haus ist schwarz: VOGELSCHWARM 23 O-Ton Mansouri Jahre später sagte Forough zu ihrer Schwester, dieses Kind, als er diese Worte ausgesprochen hat, egal was passiert, ich werde diesen Bengel, diesen Burschen mitnehmen. Denn sie hat gemerkt: Er spricht nur mit mir. Er spricht nur mit mir. Sprecherin 2 Nach Abschluss der Dreharbeiten geht Forough zu Hosseins Eltern, der Junge wird kurz herausgeschickt. Als Hossein ahnt, was im Gange ist, will er wegrennen. Er will bei seiner Familie bleiben. 24 O-Ton Mansouri Erstaunlich, dass Forough das gemerkt hat. Sie hat es gemerkt, das Kind hat etwas vor, und sie hat etwas getan, was sie vorher nicht getan hatte, sie nahm meine Hand, und durch diese Berührung waren alle meine Zellen außer Macht gesetzt. Erst später habe ich verstanden, was diese Berührung bedeutet, Forough Farrokhzad zu berühren, die bekannteste und außergewöhnlichste Frau der persischen Geschichte. Ich war machtlos, total machtlos. So hat sie mich dann mitgenommen, mit dem Koffer, wir stiegen in den Zug ein, mit der Filmgruppe, ich habe mich nicht einmal von meinen Eltern verabschiedet, wie ein Schlafwanderer ging ich mit ihr Richtung Bahnhof, und dann stiegen wir in den Zug ... und ich wusste nicht, wo wir hinfuhren, ich habe nur aus dem Fenster geschaut, auch meine Mutter war bis dahin paralysiert, sie hatte auch nichts gesagt, aber als der Zug losfuhr... diese Szene kann ich nicht vergessen, sie fing an, dem Zug hinterher zu rennen... Und dann saßen wir im Zug, und es war Nacht, der Mond hat geschienen, ich habe den Mond gesehen aus dem Fenster, und die Telegraphenmasten, und ich habe gezittert, und sie hat mich die ganze Zeit bis Teheran umarmt .... dann kamen wir an, gingen in ihre kleine Wohnung .... das erste, was sie tat, war mir ihre Wellensittiche zu zeigen ... ich schlief ein, und als ich am nächsten Morgen aufwachte kam es mir so vor, als sei ich schon immer bei dieser Frau gewesen. Eine Geschichte für sich. Forough, also ihr Name ... Forough bedeutet wörtlich übersetzt Licht. Und ich kam aus dem schwarzen Haus, aus dem dunklen Haus in die Helligkeit... Sprecherin 2 "Das Haus ist schwarz" hat im Sommer 1963 in Teheran Premiere und ist umstritten. Auf dem Filmfestival von Oberhausen gewinnt der Film 1964 den Großen Preis. Forough steht im Rampenlicht. Ihr kleines Haus wird zum Treffpunkt für junge Dichter. Sie übersetzt europäische Theaterstücke und Literatur und steht im Pirandello-Stück "Sechs Personen suchen einen Autor" auf der Bühne. Bernardo Bertolucci besucht sie und Golestan mehrfach in Teheran. Forough erzählt dem Italiener in einem Interview, dass die Leprastation für sie auch eine Metapher sei - ein Modell für unsere Welt mit all ihren Problemen und Sorgen. Atmo Musik Sprecherin 2 Im Sommer 1964 erscheint der vierte Gedichtband von Forough Farrokhzad, "Eine andere Geburt". Ein Gedicht daraus - "Der Wind wird uns tragen" - wird Abbas Kiarostami, einen der bekanntesten Regisseure des Iran, in den Neunziger Jahren inspirieren. In seinem gleichnamigen Film reist ein Teheraner Fotograf in ein Bergdorf. Eine alte Frau liegt im Sterben, er soll die traditionelle Begräbniszeremonie dokumentieren. Doch die Frau stirbt und stirbt nicht. Der Fotograf vertreibt sich die Zeit. Das Warten wird zur Normalität. Beim Milchholen trifft er auf eine junge Frau, die in einem dunklen Stall eine Kuh melkt. Kennst du Forough?, fragt er sie und trägt ihr "Der Wind wird uns tragen" vor. Sprecherin 1 In meiner kleinen Nacht Hat der Wind mit den Blättern der Bäume ein Stelldichein In meiner kleinen Nacht ist die Angst vor Zerstörung Hör zu! Hörst du das Wehen der Dunkelheit? Wie eine Fremde blicke ich auf dieses Glück Ich bin süchtig nach meiner Verzweiflung Hör zu! Hörst du das Wehen der Dunkelheit? (Forugh Farrochsad, Jene Tage. Gedichte, übersetzt von Kurt Scharf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1993) 25 Atmo: CD Green Memories: Stück 7 / Mantra ("no one thinks of the flowers .... the garden is dying....") Lied kann unter das ganze Gedicht gelegt werden Sprecherin 2 Auch die in New York lebende Medienkünstlerin und Filmregisseurin Shirin Neshat bezieht sich immer wieder auf Forough Farrokhzad. Wie viele Iranerinnen und Iraner in der Diaspora pflegt sie eine Art Liebesbeziehung mit ihr, so hat sie es einmal selbst formuliert. Ein Schwarz-Weiß-Foto aus Shirin Neshats Serie "Woman of Allah" zeigt das Auge einer Frau, umrahmt von einem Kajalstrich. Rund um die helle, glänzende Iris windet sich persische Schrift. Wie ein verführerisches Ornament. Doch zugleich macht es das Auge schutzlos, angreifbar. Etwas ist darin eingeschrieben Es ist ein Gedicht von Forough Farrokhzad: "Mein Herz trauert um den kleinen Garten". Sprecherin 1 (Mein Herz trauert um den kleinen Garten) Niemand denkt an die Blumen Niemand denkt an die Fische Niemand will glauben Dass der kleine Garten stirbt Dass das Herz des kleinen Gartens in der Sonne aufgedunsen ist Dass im Geist des kleinen Gartens nach und nach Die Erinnerungen an das Grün verblassen Und die Sinne dieses Gärtchens gleichsam Etwas Losgelöstes sind, das in der Abgeschiedenheit des Gärtchens welkt. (Forugh Farrochsad, Jene Tage. Gedichte, übersetzt von Kurt Scharf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1993) Sprecherin 2 In der altpersischen Kunst und Lyrik spielt der kleine Garten im Innenhof eine große Rolle. Auch das Wort Paradies kommt vom persischen "pairidaeza": Umwallung, runde Umzäunung. In Forough Farrkokhzads Gedicht wird daraus ein unwirtlicher Ort, eine Hölle auf Erden. Eine Metapher für eine Gesellschaft, die aus den Fugen geraten ist. Die Menschen selbst sind es, die den Garten unbewohnbar machen. Jedes Mitglied der Familie repräsentiert im Gedicht einen Teil der Gesellschaft. Der Vater etwa, der im Ruhm altpersischer Zeiten schwelgt und sich jeder Verantwortung entzieht. Sprecherin 1 (Mein Herz trauert um den kleinen Garten) Zum Teufel mit allen Fischen und Vögeln Wenn ich denn sterben muss Was kümmert's mich Ob da ein Garten ist Ob da kein Garten ist Für mich zählt nur noch die Pension. (Forugh Farrochsad, Jene Tage. Gedichte, übersetzt von Kurt Scharf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1993) Sprecherin 2 Die Mutter, die nur noch an die Vorsehung glaubt. Der Bruder, der zwischen intellektuellen Höhenflügen und depressiver Tatenlosigkeit hin- und herpendelt. Die Schwester, die sich in der schönen neureichen Welt eingerichtet hat. Sprecherin 1 (Mein Herz trauert um den kleinen Garten) In ihrem künstlichen Haus Mit den künstlichen Goldfischlein In der Obhut der Liebe ihres künstlichen Gatten Unter den Zweigen künstlicher Apfelbäume singt sie künstliche Lieder (Forugh Farrochsad, Jene Tage. Gedichte, übersetzt von Kurt Scharf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1993) Sprecherin 2 Mit seismographischem Gespür entwirft Forough in diesem Gedicht Bilder, die der Zukunft erschreckend nahe kommen sollen. Sprecherin 1 (Mein Herz trauert um den kleinen Garten) Der Hof unsres Hauses ist verlassen Der Hof unsres Hauses ist verlassen Den ganzen Tag hört man hinter der Tür Geräusche Von Zertrümmern und von Explosionen Unsre Nachbarn pflanzen alle in die Erde ihrer Gärten Maschinengewehre und Granatwerfer statt Blumen Unsre Nachbarn decken alle Ihre schön gefliesten Wasserbecken zu Und die Kachelwasserbecken Werden gegen ihren Willen Geheime Pulverspeicher Und die Kinder aus unsrer Straße Haben ihre Schulsachen Mit kleinen Bomben vollgestopft Der Hof unsres Hauses ist verwirrt (Forugh Farrochsad, Jene Tage. Gedichte, übersetzt von Kurt Scharf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1993) hier Atmo spätestens ausblenden Sprecherin 2 Als das Gedicht "Mein Herz trauert um den kleinen Garten" Mitte der siebziger Jahre veröffentlicht wird, ist Forough schon tot. In ihrem letzten, vierten und noch zu Lebzeiten erscheinenden Gedichtband "Eine andere Geburt" schlägt sie kritische Töne an. Sie ist eine Kritikerin des Schahs und seines Regimes. 1963 hatte dieser wirtschaftliche und soziale Reformen versprochen. Doch die Armut im Land bleibt verheerend. Der Schah-an- Schah ("Schâhanschâh"), der König der Könige, nimmt sich die antiken persischen Dynastien zum Vorbild. Der Geheimdienst Sawak unterdrückt jede Opposition, die von Klerikern ebenso wie die von Bürgern. In "Du perlenreiches Land" betreibt Forough Farrokhzad offen Gesellschaftskritik. In einem ironisch-sarkastischen Stil schildert sie, was es heißt, ein Mitglied dieser Gesellschaft zu sein. Sprecherin 1 (Du perlenreiches Land) Ich habe gesiegt, man trug mich feierlich in eine Urkunde ein und bekränzte mich mit einem Namen, eine Nummer besiegelte triumphierend meine Geburt, nun also: lang lebe die 678, ausgestellt im 5. Stadtbezirk, wohnhaft: Teheran. ... Vor lauter Freude ging ich zum Fenster und atmete mit ganzer Inbrunst sechshundertachtundsiebzig Mal die von Düngerschwaden, Müll- und Uringestank geschwängerte Luft und unter sechshundertachtundsiebzig Schuldscheinen und auf sechshundertachtundsiebzig Bewerbungen schrieb ich: Forough Farrokhzad (Forough Farrochsad, Du perlenreiches Land..., übersetzt von Hossein Mansouri, in: Zeitschrift Gardoon, Jahrgang 9, Nr. 58, April 1998) Sprecherin 2 Verkleidete Bettler suchen auf der Müllkippe der Kultur nach Reim und Rhythmus. Der Duft der Rosen? Wird in der Fabrik hergestellt. Die Menschen verplempern ihr Leben in Spelunken, bei reinem Opium und unreiner Pepsi Cola. Sprecherin 1 (Du perlenreiches Land) Ich bin inmitten eines einfallsreichen Volkes zur Welt gekommen, das kein Brot zu essen, aber stattdessen ein offenes, ausgedehntes Blickfeld hat das gegenwärtig im Norden an den frisch-fröhlichen "Schießplatz", im Süden an den altertümlichen "Exekutionsplatz" und in den menschendichten Vierteln an den "Kanonenplatz" grenzt (Forough Farrochsad, Du perlenreiches Land..., übersetzt von Hossein Mansouri, in: Zeitschrift Gardoon, Jahrgang 9, Nr. 58, April 1998) 26 O-Ton Mansouri Die Plätze hießen so: Exekutionsplatz und Kanonenplatz... Ja, dieses Gedicht wurde verboten. Das hat die damaligen Herrscher sehr beleidigt. Sprecherin 2 Zu Schah-Zeiten wurden Forough Farrokhzads kritische Gedichte verboten, und auch heute, in der Islamischen Republik, passieren viele die Zensur nicht. Jede Anspielung auf Körperlichkeit und Sexualität ist tabu. Es wird sogar versucht, den Namen Farrokhzad aus der offiziellen Literaturgeschichte zu tilgen: In einer Publikation über die wichtigsten persischen Dichter der Moderne wird sie nicht erwähnt. Atmo Tippgeräusche Sprecher 3 (Blogger Mohammad Moini) Da es keine Meinungsfreiheit im Iran gibt, kann so etwas natürlich passieren. Es lebe Forough, der Glanz der persischen zeitgenössischen Dichtung. Sie ist sowieso unsterblich und muss nicht extra gefördert oder vorgestellt werden. Wer dieses brennende Licht auslöschen will, offenbart nur seine dunklen, kleingeistigen Gedanken. Mohammed Moini, Blogger. Sprecherin 2 Die Blogs von Mohammad Moini werden immer wieder von der iranischen Zensurbehörde blockiert oder gelöscht. Er gründet dann einen neuen Blog. Das Problem bleibt. Nicht nur für Blogger, sondern für alle Kulturschaffenden, selbst für so populäre Schriftsteller wie Mahmoud Doulatabadi. Unter dem Schah steckte man ihn zwei Jahre in den Kerker. Wie viele Schriftsteller seines Landes setzt sich Doulatabadis in den letzten Jahren verstärkt mit der eigenen Geschichte auseinander. Sein letzter Roman "Der Colonel" spielt in der Zeit des Iran-Irak-Kriegs. Der Roman ist eine Metapher für den Zerfall der Gesellschaft. Der alte Colonel hat alle Kinder verloren: Eines ist als Märtyer im Krieg gestorben. Eines nach der Folter verrückt geworden. Die jüngste Tochter ist im Gefängnis verendet. Er soll die Leiche abholen und still und heimlich begraben. Sprecher 3 (Der Colonel) "Die beiden jungen Männer nahmen an den Seiten des Tisches Platz. 'Sie sind ein ehemaliger Offizier, Colonel?' 'Ja, ich war Offizier.' 'Wenn sie den Leichnam selbst in Empfang nehmen und begraben wollen, müssen Sie eine Gebühr zahlen.' 'Selbstverständlich ... Selbstverständlich.' 'Es ist schon alles vorbereitet. Zwei Beamte werden Sie bis zum Ende der Zeremonie begleiten. Bitte, gehen Sie dorthin ...' 'Dort!' 'Ja ... Ja ... Ja ... zu Befehl.'" (Mahmoud Doulatabadi, Der Colonel, übersetzt von Bahman Nirumand, Unionsverlag, Zürich 2010) Sprecherin 2 Die Revolution frisst ihre Kinder. Kein Wunder, dass der Roman nicht im Original erscheinen konnte. Er liegt bei der iranischen Zensurbehörde. Auch der Schriftsteller Abbas Maroufi hat die Zensur kennengelernt. Seit 1996 lebt er im deutschen Exil. 27 Atmo O-Ton> Straßengeräusche, Glocke der Tür Sprecherin 2 In der Berliner Kantstraße betreibt Maroufi die Buchhandlung "Hedayat". Sadek Hedayat hat Rilke und Kafka übersetzt. Er gilt als großer Erneuerer der persischen Prosa, sein Roman "Die Blinde Eule" gehört zur Weltliteratur. 28 O-Ton Maraoufi Unser Logo ist eine Eule, und wir haben unsere Vitrinen und Schaufenster, wir haben viele Eulen, verschiedene, mehr als 300 Eulen... Die blinde Eule, er sagt, unsere Intellektuellen sind blind. Das ist eine Kritik gegen iranische Intellektuelle. Und sehr wichtig. Sprecherin 2 Maroufi gehört nicht zu den Blinden. Im Iran zählte er zu den erfolgreichen Schriftstellern, seine Romane wurden gut verkauft. Doch als Herausgeber einer kritischen Literaturzeitschrift verurteilte man ihn mehrfach zu Haftstrafen. 1994 forderte Maroufi mit vielen anderen iranischen Autorinnen und Autoren im "Aufruf der 134" Meinungsfreiheit. Ein mutiger Schritt, denn Intellektuelle lebten gefährlich. Viele wurden systematisch umgebracht. Maroufi wurde überwacht. Der Abhörspezialist war stets zur Stelle. 29 O-Ton Maraoufi Wir haben gelebt in eine Aquarium... und der Mann wusste alles, was wir haben gesprochen, zum Beispiel meine Frau und ich, zu Hause, und er wusste alles. Sprecherin 2 Im Exil schreibt Maroufi weiter. Sein letzter Roman liegt seit langem bei der iranischen Zensurbehörde, deshalb hat er ihn in einem Weblog veröffentlicht, wo er über 90.000 Leser fand. In einem seiner früheren Romane, "Die dunkle Seite", bezieht er sich auf Hedayats Roman "Die Blinde Eule". Das junge Mädchen aus einer altiranischen Miniaturmalerei, die bei Hedayat eine Projektionsfläche für das männliche Begehren ist, löst sich in Maroufis Roman vom Bild und tritt ein in die reale Welt. Maroufi verleiht diesem Mädchen eine Stimme, oder besser, viele Stimmen. Eine der Stimmen ist die von Forough Farrokhzad. 30 O-Ton Maroufi Forough hat eine ja, besondere Beziehung zum Wort, sie sucht Aufrichtigkeit im Wort. Ich habe sehr bekannte Wörter und Sätze von Forough Farrokhzad benutzt: Salam. (KRÄHE) Oder sie sagt: wa in man am. Ist Forough Farrokhzad. Und ich bins. Wa in man am. ... 31 Atmo Forough: Rezitation Imam biavarim be aghas-e fasl... eine Weile frei stehen lassen Wa in man am.... (Rezitation auf Farsi) Sprecherin 1: (Glauben wir nur an den Beginn der kalten Jahreszeit) Das bin ich Eine einsame Frau an der Schwelle zur kalten Jahreszeit Im Begriff, das besudelte Sein der Erde zu begreifen... (Forugh Farrochsad, Jene Tage. Gedichte, übersetzt von Kurt Scharf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1993) 32 O-Ton Maroufi eine Weile frei stehen lassen "Ssalam!" .... ((liest auf Farsi)) Sprecher 3 (Die dunkle Seite) "Ssalam!" Ich hob den Kopf und blieb stehen, so dass Sie ein paar Stufen herunterkommen mussten, um mir die Hand zu geben. Schnell zählte ich die Stufen: Es waren siebzehn. Ich stellte meine Tasche ab und lehnte mich an die Wand. Wie um zu sagen: O je, wie viele Treppenstufen es in Ihrem Haus gibt! 'Mir ist kalt'. (Abbas Maroufi, Die dunkle Seite, übersetzt von Anneliese Ghahraman-Beck, Insel Verlag, Frankfurt a. M. / Leipzig 19989 (32 O-Ton Maroufi Schluss-Satz der Passage frei stehen lassen) ..... ((liest auf Farsi)) ... man sardam hast 33 Atmo Forough: Imam biavarim be aghas-e fasl...... > Übergang Sprecherin 1 Man sardam hast (rezitiert auf Farsi) Sprecherin 1 (Glauben wir nur an den Beginn der kalten Jahreszeit) Mir ist so kalt, und ich bin diese Perlmuttohringe leid Mir ist so kalt, und ich weiß wohl Dass mir von all den roten Träumen wilden Mohns Nichts bleiben wird Als ein paar Tropfen Blut ... 34 Atmo Musik > Komposition Mirmehdi unterlegen .... Glauben wir nur Glauben wir nur an den Beginn der kalten Jahreszeit Glauben wir nur an die Verwüstung In den Gärten unsrer Phantasie (Forugh Farrochsad, Jene Tage. Gedichte, übersetzt von Kurt Scharf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1993) 35 O-Ton Mohsen Mirmehdi Die kalte Jahreszeit meint nicht die saisonale Aufeinanderfolge von Frühling, Sommer und so weiter, sondern das ist die kulturelle kalte Jahreszeit. Die auch schon in der europäischen Tradition des 18., 19. Jahrhunderts eine ganz große Rolle spielt, als Ausdruck, der Winter, die kulturelle Winterzeit. Wie kann man sich also in dieser Winterzeit noch einen Glauben leisten. ... Sprecherin 2 Der iranische Religionswissenschaftler und Komponist Mohsen Mirmehdi lebt seit 40 Jahren in Deutschland. Der Dialog der Kulturen und Religionen ist sein Anliegen, wofür er auch eine Symphonie komponiert hat. Inspirieren ließ er sich von Forough Farrokhzads Gedichten, von Sätzen aus der Thora, aus Chorälen der katholischen und lutherischen Kirche, dem Koran, und aus einem Gedicht von Ingeborg Bachmann. 36 O-Ton Mohsen Mirmehdi Das heißt, die Dichtung dieser beiden Dichterinnen umrahmen ein Textkomplex aus der zivilisiationsgeschichtlichen Tradition der europäisch-orientalischen Kultur. (Atmo Komposition Mirmehdi) 37 O-Ton Mohsen Mirmehdi ich habe versucht, das Gedicht so vortragen zu lassen, ... dass nicht sozusagen Aufregung zur Schau stellt, sondern - die kalte Jahreszeit wird eben linear, als ein gleichbleibender Rhythmus gesungen. Das hat wieder große Vorbilder in der Tradition der europäischen Musik. Dieses kalte und nicht von der Stelle kommen, dieses Gefrorene, Eingefrorene der einzelnen Rhythmen. Und das wird auch etwas zu tun haben mit einem Ausdruck auch innerhalb des Gedichtes, das habe ich auch figurativ, rhythmisch-figurativ in die Melodie mit eingebaut, nämlich diese eine Stelle ... die Uhr hat vier Schläge geschlagen - dieser Viererschlag ist auch ein rhythmisches Modell in der Vertonung. 38 Atmo: Iman biavarim be aghas-e fasl...... > Übergang Sprecherin 1 (Originalstimme Farsi) Sprecherin 1: (Glauben wir nur an den Beginn der kalten Jahreszeit) Die Zeit verging die Zeit verging und vier Mal schlug die Uhr Sie schlug viermal Heute ist der erste Tag des Wintermonats Ich kenne das Geheimnis der Jahreszeiten Und verstehe die Sprache der Augenblicke Der Erlöser schläft in seinem Grab Und die Erde, das Schoß der Erde Bietet uns ein Bild des Friedens Die Zeit verging und vier Mal schlug die Uhr (Forugh Farrochsad, Jene Tage. Gedichte, übersetzt von Kurt Scharf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1993) 39 O-Ton Mansouri (RASCHEL) ... allein die Stimme bleibt... ja, auch mein Buch wird diesen Titel tragen. "Allein die Stimme bleibt", ein sehr mächtiges Gedicht. Es gab einen Anlass, warum sie dieses Gedicht schrieb. Der Erfolg vom vierten Gedichtband - "Eine andere Geburt" - war enorm im Lande, nicht wahr, und das hat einige Literaturkritiker, die sich auch als Dichter bezeichneten, sehr aufgeregt. Auf einmal sahen sie, Forough läuft uns allen davon, und das konnten sie nicht mit ansehen. Besonders zwei Literaturkritiker, deren Namen ich nicht nennen möchte, weil sie noch am Leben sind, einer war sogar unser Reich-Ranicki gewesen, ein mächtiger Literaturkritiker, er war ein Freund von Foroughs Dichtung gewesen, aber aufgrund dieses Erfolges des vierten Bandes ist er auch unruhig geworden und hat in einer Zeitschrift dann ein paar Sachen veröffentlich hat Forough sehr beleidigt ... Forough hat sehr gelitten, sehr sehr gelitten, aber wollte zuerst mal nichts sagen, sie hat gelitten, gelitten, geweint ... sie hat versucht herauszufinden, warum diese Leute so auf sie eingehen, einschlagen, dann ist sie zum Gedanken gekommen, ja, die versuchen mich aufzuhalten, und dann schrieb sie dieses mächtige Gedicht. Sprecherin 1 (Allein die Stimme bleibt) Warum sollte ich hier stehen bleiben? Ich gehorche den vier Elementen Und die Regeln der Verfassung meines Herzens Regelt nicht das hiesige Regime der Blinden. Was kümmert mich das unablässige Stöhnen der Wildheit um die tierischen Geschlechtsorgane Was kümmert mich das elende Zappeln des Wurms in einem Fleischloch Mich hat die blutige Herkunft der Blumen dem Leben verbunden der Blumen blutiger Ursprung, dass ihr es wisst! (Forugh Farrochsad, Jene Tage. Gedichte, übersetzt von Kurt Scharf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1993) Atmo Musik (Regie) Sprecherin 1 (Brief von Forough an Golestan) Ich fühle einen unglaublichen Druck unter meiner Haut. ... Ich möchte alles durchbohren und so tief wie möglich eindringen. Ich will die tiefsten Tiefen der Erde erreichen. Meine Liebe ist dort - an dem Ort, an dem die Saat sprießt und sich die Wurzeln verschlingen. An dem die Schöpfung sich verewigt inmitten des Verfalls. Es ist, als ob mein Körper eine vorübergehende und vergängliche Form davon sei. Ich will den Grund erreichen. (Hasan Javadi / Susan Sallée, Forugh Farrokhzad. Another Birth and other poems (engl. + persian), übersetzt aus dem Englischen von Nicoletta Torcelli, Mage Publishers, Washington DC 2010) Sprecherin 2 1966 schreibt Forough diese Zeilen an Golestan - aus Italien, wo sie in Pesaro das Filmfestival besucht. Zurück in Teheran dichtet sie weiter und probt für die Hauptrolle in "Die Heilige Johanna" von George Bernard Shaw. Das Stück hat sie selbst ins Farsi übersetzt. Atmo Musik (Regie) Sprecherin 2 Am 14. Februar 1967 steigt Forough nach dem Mittagessen bei ihren Eltern in ihren Jeep. Ein Schulbus kommt ihr entgegen. Sie will ausweichen und fährt, nahe bei den Golestan Studios, gegen eine Wand und stirbt auf den Weg ins Krankenhaus. 40 O-Ton Mansouri Das ist erstaunlich, das habe ich auch mit eigenen Ohren gehört, Forough war immer fest davon überzeugt gewesen, dass sie sehr jung sterben würde, und auch mit einem Schlag. Drei Tage vor ihrem Tod sitzt sie mit Golestan in einem Hotel oder in einem Café, ich weiß es nicht genau, da kommt eine Zigeunerin und fragt, ob sie aus ihrer Kaffetasse lesen dürfte, Forough war immer sehr dafür gewesen ...das hat mir später Herr Golestan erzählt, die Zigeunerin wirft einen Blick da rein, und sagt, wissen Sie, es geht mir heute überhaupt nicht gut, heute kann ich nicht aus ihrem Kaffeesatz lesen, ein andermal. Das war für Forough glaub ich das Teilchen, das sie gesucht hatte. Sie hat sofort gemerkt, der Tod naht. Sprecherin 2 Drei Tage vor ihrem Tod drückt sie einem befreundeten Poeten einen Zettel in die Hand. An den Rand hat sie eine Gedichtzeile notiert: "Behalte den Flug in Erinnerung. Der Vogel ist sterblich." 41 O-Ton Mansouri Dieses Gedicht, dieses kleine Gedicht, das auch keinen Titel besitzt, man kann es (Farsi), "Mein Herz ist traurig" nennen, das ist das allerletzte Gedicht, das Forough geschrieben hat, (drei Tage vor ihrem Tod). Sprecherin 1 Der Vogel ist sterblich (Übersetzung Hossein Mansouri) Mein Herz ist traurig mein Herz ist traurig ich gehe auf die Veranda und streife mit den Fingern über die gespannte Haut der Nacht Die Lichter der Verbundenheit sind dunkel die Lichter der Verbundenheit sind dunkel niemand wird mich der Sonne vorstellen niemand wird mich zur Feier der Sperlinge mitnehmen behalte den Flug in Erinnerung der Vogel ist sterblich. Atmo Musik 1