Vorschlag Anmod: Wenn man im Winter mitten in der Stadt Menschen im Neoprenanzug und mit Surfbrett unterm Arm begegnet, dann kann das nur in München sein. Schon vor 40 Jahren surften die ersten Aktivisten mit selbstgebastelten Boards die Welle auf dem Eisbach. Es ist - im Gegensatz zum Surfen auf dem Meer - die ?stehende Welle? im Fluß, die als sportliche Herausforderung gilt. Sogar die besten Profisurfer aus aller Welt kommen zum Eisbach, um sich dort zu beweisen ? allerdings eher weniger im Winter. Dann ist die im Sommer übervölkerte Szene ganz von den hartgesottenen Münchnern beherrscht. Und genau die hat Alexa Hennings getroffen. 1. Atmo Eisbach, Rauschen Autorin Morgens um sieben im Englischen Garten in München. Ein Dezembertag, zwei Grad plus. Es ist noch dunkel. Das Rauschen des Eisbachs ist schon von Weitem zu hören. Erste Jogger mit Stirnlampe huschen vorbei. Hunde werden noch schnell ausgeführt, bevor es zur Arbeit geht. An einer Stelle, wo eine Mauer das Flußbett verengt, rauscht es besonders laut. Eine Welle hat sich gebildet, immer mal blitzt sie hellgrün zwischen dem weiß sprudelnden Wasser auf. Auf einem Schild steht: Hier ist Baden, Surfen und Kajak fahren verboten. Damit es auch die ausländischen Gäste verstehen, sind ein Surfer, ein Schwimmer und ein Paddler wie beim Parkverbots-Verkehrszeichen mit einem roten Balken durchgestrichen. Auf der Welle surft ein Mann. Atmo Welle verblenden mit 2. Atmo Wohnung Sebastian 1.28 ?Das bleibt zuhause, das ist eigentlich mein Gästeboard. Autorin Ein paar hundert Meter weiter, in der Sternstraße, wohnt Sebastian Wiesmayer. Er angelt sich sein Surfbrett von der Wand. Atmo hoch ?so. Einmal Wachs, einmal Kamm. Kratzt? Autorin Mit einer Art Teigschaber mit Zinken wird zuerst das alte Wachs abgekratzt. Atmo hoch ?Ist auch so ´ne Art Ritual. Wenn ich das gemacht habe, weiß ich einfach, ich habe den Halt auf dem Brett, wie ich ihn brauche. Dann fühlt man sich sicher? Autorin Jetzt wird das neue Wachs auf das Brett gerieben. Auf die Oberseite. Atmo hoch ?Wenn das jemand auf die Unterseite macht am Strand, dann weiß man, dass der noch nie auf?m Surfbrett war. Wie man es vom Snowboard kennt, damit des schön flutscht? Autorin Nicht schneller gleiten, sondern nicht abrutschen, wenn man auf dem wackligen Brett steht. Darum gehört das klebrige Wachs nach oben. Atmo hoch ?jetzt ziehe ich?s noch mal ab. Das weckt immer Assoziationen von Meer und Welle? Autorin Sebastian wohnt 800 Kilometer vom nächsten Meer entfernt in München. Atmo hoch ?So. das war?s. Musik CD Donavan Frankenreiter Autorin Surfen. Das ist keine Sportart, sondern ein Lebensgefühl. Sagen die Surfer. Auch der Musiker Donavon Frankenreiter ist ein Surfer. Wenn der Kalifornier in München Konzerte gibt und Musik wie diese spielt, dann hat er sein Board dabei. Und springt in den Eisbach. Dann geht?s auf die Bühne. Danach wieder zum Eisbach. Atmo Musik hoch Autorin weiter Auch Kent Nagano, der Stardirigent, der bis vor kurzem Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper war, ist ein Surfer aus Kalifornien. Er kam auf seinem Arbeitsweg zur Oper oft im Englischen Garten bei den Eisbachsurfern vorbei. Aber nur zum Zuschauen. Zum Abschied bekam er von den Surfern ein Board geschenkt, speziell fürs Flußsurfen. Die perfekte Welle, verriet der 62jährige einmal der Süddeutschen Zeitung, ist mir jedes Risiko wert. Das Risiko am Eisbach war dem Dirigenten dann wohl doch zu hoch - oder seine Zeit zu knapp, das Flußsurfen zu erlernen. Verblenden Musik mit 3. Atmo Brett wachsen 0.12 Autorin Sebastian Wiesmayer, Vulkanologe an der Münchner Universität, surft im Gegensatz zu den beiden Musikern aus Kalifornien noch nicht von Kindesbeinen an. 4. O-Ton Sebastian 0.25 Mit meiner Promotion war ich zwei Jahre auf Teneriffa, dort habe ich surfen gelernt. Im Anschluss bin ich nach München zurückgekommen. Dann hatte ich erst nix mit Surfen am Eisbach am Hut. Aber wie es so läuft, ich hab ein nettes Mädchen kennengelernt, die war am Eisbach surfen, die hat mich dann mitgenommen. Ja, dann war halt der Funke in den Augen sofort wieder da. Autorin Sebastian holt seinen Neoprenanzug. 5. Atmo anziehen Sebastian 0.54 ? So, jetzt kommt der unangenehme Teil. Die Sachen sind meist noch nass vom letzten Mal. So schnell trocknen die auch nicht. Und dann ist man immer erst mal wach dann?Geräusch Umkrempeln.. Autorin Er krempelt den Anzug um. Vor zwei Tagen war er das letzte Mal surfen. Atmo hoch, Sebastian ?immer noch feucht. Ist halt einfach dickes Material, fünf Millimeter, das dauert halt eine Weile. Dieses Jahr war hier so ein langer Winter, da war ich glaube ich bis zum Mai mit diesem Anzug unterwegs. Dann ist es auch immer ein bisschen vereist auf der Mauer, wo man langwandert. Aber es geht schon, da muss man durch! Das ist mein Wintersport. Ich schlüpf mal schnell rein? Autorin Zum Schluss zieht sich Sebastian die Kapuze über den Kopf ? jetzt sieht er aus wie ein Froschmann. Atmo hoch ?Reißverschluß?Jetzt hör ich dann auch nicht mehr so gut?So, mein Radl? 6. Atmo Treppenflur, runtertragen 0.20 Autorin Brett und Fahrrad werden hinuntergetragen. Seine Kleidung für die Arbeit, Handtuch und Duschzeug muss der Wissenschaftler nicht mit zum Bach nehmen ? so wie andere, die direkt vom Surfen ins Büro fahren. Seine Wohnung liegt praktischerweise zwischen Surfspot und Uni, so dass er auf dem Rückweg noch schnell warm duschen kann. Seine Wohnung, eine WG, hat er extra nach Eisbachnähe ausgesucht. 7. Atmo Tür auf, Straße 0.30 Autorin Fünf Minuten später ist er am Englischen Garten. Auf der kleinen Eisbachwelle sind nur zwei Surfer. Sebastian freut sich. 8. Atmo am Eisbach, Sebastian 0.10 ?Ist gar nicht so viel los! Gut. Das ist schön, da kann man schnell durchgleiten und es wird einem nicht so kalt? 9. Atmo Bach 0.40 Autorin Wenn richtig Winter ist, wird hier auch bei Schnee und Minusgraden gesurft. Der Eisbach friert nie zu, so schnell fließt er durch den Englischen Garten. 10. O-Ton Sebastian am Bach 0.32 Prinzipiell gibt es zwei Arten, wie man auf der Welle zu stehen kommt. Wie er jetzt gerade gemacht hat. Er hat sich praktisch auf dem Bauch reingeworfen aufs Brett. Und dort einen klassischen Take-Off gemacht, also in der Welle praktisch aufstehen. Und dann gibt es noch die andere Art, wie ein Skateboard-Move. Dass du das Board reinwirfst und im Reinwerfen dann auch gleich auf das Board stehend raufspringst?rauschen? Atmo Bach s.o. Darauf Autorin Es kann immer nur jeweils ein Surfer auf die Welle, so schmal ist sie. Brett reinwerfen, zur Welle paddeln, aufs Brett klettern ? in Sekundenschnelle steht der Surfer auf der Welle und versucht, so lange wie möglich darauf zu bleiben. Je nach Können werden Tricks und Sprünge gemacht. Wenn die Welle nicht zwischendurch weg ist und nur noch weißer Schaum brodelt. Dann lässt sich der Surfer ins Wasser fallen, schwimmt zum Rand, klettert an der Mauer wieder hoch und stellt sich wieder an, um erneut in die Welle zu springen, wenn freie Bahn ist. Sind nur zwei, drei Surfer da und man muss kaum warten, so wie jetzt, ist das schon Hochleistungssport. 11. O-Ton Sebastian am Bach 0.20 Das was an der Welle speziell ist, ist: Wenn die Strömungsverhältnisse nicht optimal sind, dass die Welle ab und zu zusammmenbricht und wirklich nur aus einer Weißwasserkrone besteht. Jetzt siehst du, ist hier wieder ein grüner Teil entstanden. Und dieser grüne Teil ist das, was man sucht. Das ist der surfbare Teil. Atmo Bach s.o. Autorin Auf der Suche nach der Welle ziehen die Münchner Surfer mal hierhin, mal dorthin. An der sogenannten Floßlände, dem größten Spot für Anfänger, ist jedoch das Surfen kaum noch möglich, da wegen eines Öko-Strom-Kraftwerks dort Wasser abgleitet wird und für die Surfer nicht mehr reicht. 12. O-Ton Sebastian am Bach 0.16 Als ich da angefangen habe an der Floßlände, da war ich nur vier Mal. Da war es so: Kurz Welle, dann wieder zusammengefallen. Dann hast du wieder eine Minute gewartet mit 20 Leuten hinter dir! Deswegen bin dann auch schnell wieder weg? Autorin Direkt vor Sebastian steht das Schwimmen-Surfen-Paddeln-Verbotsschild. 13. O-Ton Sebastian am Bach 0.32 Aber drunter steht, kleingeschrieben: Riversurfing is not a crime! Ganz wichtig, der Aufkleber. Das war ja erst letzten Sommer so, dass die Verantwortlichen sich überlegt haben, das zu schließen. Die müssen Maßnahmen ergreifen, um sich juristisch abzusichern. Dass sie nachweisen können, sie haben etwas zum Schutz der Bevölkerung getan. So ist dieser Zaun entstanden. 14. Atmo Bach 0.25 Autorin Auf der Mauer, die den Bach eingrenzt, ist ein Maschendrahtzaun, der die Surfer abhalten soll, sich in den Eisbach zu werfen. Was tun sie? Gehen bis zum Ende des Zauns, springen ins Wasser, schwimmen hinüber und klettern dort auf die Mauer, balancieren nach vorn zur Welle ? was auf einer vereisten Mauer auch nicht ganz ohne ist - um sich dann mit ihrem Board in die Welle zu stürzen. 15. O-Ton Sebastian am Bach 0.34 Direkt danach hat das dann angefangen, dass Leute eine Unterschriftenaktion gestartet haben für den Erhalt der Welle. Das war im Gespräch, dass man hier alles zuzementiert, den Untergrund zementiert, so dass keine Welle mehr entsteht. Durch diese Unterschriftenaktion wurden Politiker aktiv, und es war dann parteiübergreifend so, dass sie gesagt haben: Okay, das soll bleiben, wir wollen das nicht sinnlos zerstören. Ich schmeiß mich jetzt hier rein, lass mich in die Welle treiben und kann dann, wenn ich Glück habe, die erste Welle schon gleich nehmen. 16. Atmo Bach 0.12 Autorin Schild hin, verbot her: Es läuft darauf hinaus, dass man die Surfer stillschweigend duldet. Deutsche Korrektheit gepaart mit bayerischer Toleranz: Leben und leben Lassen. So geht das am Eisbach. 17. O-Ton Sebastian am Bach 0.42 Es wäre echt schön, wenn wir auf eigene Verantwortung reingehen könnten. Aber momentan ist es halt offiziell nicht so. Man hat ja hier auch im Sommer hunderte von Schwimmern, die runter kommen. Flußaufwärts werfen die sich rein bei 35 Grad und lassen sich runtertreiben. Ist ´ne herrliche Abkühlung im Sommer. Die, die es ganz extrem machen, lassen sich hier noch durchtreiben, steigen weiter hinter wieder aus dem Fluß raus, steigen in die Trambahn rein und lassen sich wieder hochfahren zum Haus der Kunst ? wo sie dann wieder reinspringen? Darauf Autorin Es sind also nicht nur die Surfer renitent in München, sondern auch die Schwimmer. Sebastian schnappt sich sein Board. O-Ton hoch ?Ich hau mich mal rein, sonst wird?s mir kalt!...Rauschen? Rauschen Bach verblenden mit Musik CD Darauf Autorin Weg ist er. Verschwunden im sprudelnden Wasser. Für eine Stunde im Surfertraum, mitten in München, 800 Kilometer vom Meer. Musik hoch, verblenden mit 18. Atmo Eisbach, Straße 0.56 Autorin Ein Stück flußaufwärts, am Haus der Kunst, wo sich die Schwimmer im Sommer ins Wasser werfen, braust der Verkehr. Dort verschwindet der Eisbach unter der sechsspurigen Prinzregentenstraße, eine der Hauptverkehrsadern der Stadt. Im Sommer werden hier Busladungen von Touristen abgesetzt: Eisbach-Surfer gucken. Von der Brücke hat man eine gute Sicht auf die sogenannte große Eisbachwelle ? dort surfen die Könner. Wolfrik Fischer ist einer von ihnen. Er ist mit dem Fahrrad gekommen, einen nostalgischen amerikanischen Armeehelm auf dem Kopf. Den hat er mal bei Dreharbeiten abgestaubt, Wolfrik arbeitet als Mann für Spezialeffekte für Film und Werbung. Jetzt steht er auf der Brücke und schaut resigniert hinunter. Alles nur weißer Sprudel, keine glatte Welle. Hier kann man heute nicht surfen. 19. O-Ton Wolfrik am Bach 0.20 Letztendlich hängt das mit dem Wasserstand zusammen und wie insgesamt die Verhältnisse sind. Kommt ein paar Mal im Jahr vor, wann, weiß man nie genau. Mei ? und dann ist halt nix. So schaut?s aus. Am Meer ist es ja genauso. Da hat?s mal Welle und dann hat?s keine Welle. Da hat man Glück oder eben kein Glück. Hier ist es jetzt so, dass man davon ausgehen kann, dass es in einer Woche wahrscheinlich wieder geht. Aber jetzt geht?s halt leider gar nicht. Leider! 20. Atmo Bach, Straße 0.54 Autorin Auch hier gibt es ein Schild: Surfen nur für geübte Flußsurfer erlaubt, steht darauf. Die Betonklötze, die sich unter der brodelnden Wasserfläche verbergen, sind unsichtbar. Die Strömung ist viel gewaltiger als an der kleinen Welle weiter hinten im Englischen Garten. 21. O-Ton Wolfrik am Bach 1.04 Deswegen heißt es auch, dass die große Eisbachwelle hier nur was für Profis ist. Und dem ist auch so. Erstens kommen hier 25 Tonnen Wasser runter pro Sekunde. Das ist ein enormer Druck. Das ist wahnsinnig viel Wasser. Und dieses Wasser schießt über diese Schräge hier runter und trifft das etwas langsamere Wasser. Und dadurch entsteht eigentlich überhaupt erst eine Welle. Wenn man nicht genau weiß in der Welle, wo man steht und ungünstig reinfällt, dann drückt einen dieser Wasserstrom, der sehr, sehr schnell und sehr heftig ist, unter die Weißwasserwalze und drückt einen völlig am Boden hin. Wir nennen das immer ?die Steine Küssen? ? aber in Wahrheit ist es viel heftiger. Mir selbst ist glücklicherweise noch nie wirklich was passiert, ich hatte auch schon diverse Prellungen an den Beinen, die ziehen sich gern über zwei Wochen hin. So heftig ist das. Atmo Bach s.o. Autorin Von seinem heftigsten Unfall möchte Wolfrik nicht viel erzählen. Er passierte nicht am Eisbach, sondern im Atlantik, wo er in den 70er Jahren wie viele andere Münchner das Surfen gelernt hatte. Nach seinem Unfall stieg er 15 Jahre nicht wieder auf Brett. Als sein Sohn 15 war, fragte er seinen Vater, wo denn in München die Welle sei. Seitdem hat ihn das Surfen wieder gepackt. 22. O-Ton Wolfrik 0.57 Ich glaub vor zwei Monaten, da ist jemand nachts gesurft ohne richtige Beleuchtung. Und da gab es nicht wirklich Leute, die aufgepasst haben. Und dann hat es ihn halt da rein gedrückt. Jedenfalls ist er bewusstlos unter Wasser weitergetrieben. Immer weiter. Es hat ihn glücklicherweise weiter hinten jemand gesehen. Bzw. es hat jemand das Board gesehen, aber keinen Surfer dazu. Glück gehabt, dass er nicht umgekommen ist. Also, so heftig muss man?s nicht haben. Deswegen darf und soll man hier nicht als Anfänger anfangen. Auch nicht, wenn man glaubt, am Meer richtig gut zu surfen, sollte man hier auf keinen Fall unbedarft reingehen. Hier kann man nur rein, wenn man das Riversurfen, also das Flußsurfen, relativ gut beherrscht. Atmo Bach, Straßes.o. Autorin Von denen, die es richtig drauf haben, gibt es in München 700 Surfer, schätzt Wolfrik Fischer. Dazu kommen rund 2000, die an den einfacheren Spots wellenreiten. 23. O-Ton Wolfrik am Bach 0.38 Also bis vor fünf Jahren war das Surfen hier zwar verboten, aber geduldet. Das hatte zur Folge, dass hier regelmäßig irgendwelche Polizeikontrollen vorbei gekommen sind. Leute nachts im Neoprenanzug mit Board einfach ins Polizeiauto eingepackt worden sind, zur nächsten Polizeidienststelle. Dann durften sie sich dann legitimieren, konnten sie natürlich nicht, dann mussten sie wieder zurück, hier ihren Personalausweis zeigen oder was auch immer. Dann hat man sie meist laufen lassen, so ist es nicht, Aber es war halt verboten. Atmo Bach, Straße s.o. Autorin Wie die kleinere Welle gehörte damals auch die größere Welle zur Schlösserverwaltung des Freistaates Bayern, gleich an der Straße ist jedoch der Grund städtisch. Die Schlösserverwaltung hatte aus Haftungsgründen wie an der kleineren Welle das Surfen verboten. Auch hier gab es eine Unterschriftenaktion, an der sich 15 000 beteiligten. 24. O-Ton Wolfrik am Bach 0.40 Last but not least war es dann so, dass die Stadt München das Grundstück getauscht hat und der Freistaat Bayern hat hier das Areal um die Welle der Stadt München überschrieben. Und dann konnte es das erste Mal richtig erlaubt werden. Seitdem ist es legal. Aber: Es gibt einen Deal zwischen der Stadt München und uns, dass wir selber drauf achten, dass hier kein Quatsch getrieben wird und dass vor allen Dingen wirklich nur erfahrene Surfer surfen. 25. Atmo Bach, Straße 1.25 Autorin Nun gibt es also in München eine illegale, aber geduldete Welle für Anfänger und eine legale, aber nur für Profis zugelassene Welle. Das Problem ist: Es gibt zirka 3000 Surfer in München ? und dazu kommen in der wärmeren Jahreszeit mindestens noch mal so viele von außerhalb. 26. O-Ton Wolfrik am Bach 0.34 Es ist natürlich ´ne Attraktion und jeder, der surfaffin ist sagt sich irgendwann mal: Das muss ich unbedingt ausprobieren. Es ist auch so, dass während der Wiesn-Zeit hier unwahrscheinlich viele Amerikaner und Australier etc. hier ankommen. Und das vorher schon kennen, durch irgendwelche Medien. Und die sagen: Wow, das muss ich machen, ich bin in München und jetzt muss ich reinspringen. Weil es auch im süddeutschen Raum fast die einzige Welle ist, gibt es viele, die von außen kommen. Atmo Bach, Straße s.o. Autorin Anstehen am Eisbach, nur noch im tiefen Winter oder in der Nacht surfen? So kann es nicht weitergehen. Da gründen sogar mal Surfer, von Natur aus eher Individualisten und nicht Vereinsmeier, eine Kampfgruppe. Wolfrik ist einer der Sprecher. 27. O-Ton Wolfrik am Bach 0.52 Und das ist auch der Punkt von der Interessengemeinschaft Surfen in München, dass wir halt versuchen, natürlich zumindest die Floßlände zu bekommen, die leider krankt an Wassermangel, der zugunsten von Ökostrom angeblich abgezwackt wird, einfach nicht immer geht, viel zu selten geht. Früher ist die Tag und Nacht gleich gelaufen. Man bräuchte in München noch mal drei bis vier Wellen mehr. Und die hatten wir früher. Auch in der offenen Isar, die mittlerweile renaturiert worden ist, d.h. aufgeweitet worden ist zugunsten natürlicher Flußläufe. Was wunderbar ist, es sind tolle Landschaften entstanden. Aber e s ist ein Problem, dass durch die Aufweitung fünf bis sechs Wellen, die dort vorhanden waren, verschwunden sind. Atmo Bach, Straße s.o. Autorin Wolfrik Fischer schiebt sein Fahrrad zum Haus der Kunst. Surfen ist heute nicht, da geht er wenigstens auf einen Ingwertee ins Café im Haus der Kunst, wo sich ? an Tagen mit funktionierender Welle - die Surfer aufwärmen. Auch so ein schräges Bild: Leute im Neoprenanzug neben schick gekleideten Museums-besuchern. 28. O-Ton Wolfrik, Straße 0.42 Früher haben die Leute wirklich schräg geguckt. Mittlerweile ist es nicht mehr so. Surfer in der Stadt, das ist mittlerweile in München ein Synonym für einen Teil der Stadt München geworden. Das ist mittlerweile so bekannt, dass sich niemand mehr wundert, wenn er einen Surfer sieht mit ´nen Brett unterm Arm oder auf dem Fahrrad oder Skateboard, oder im offenen Wagen, das Brett oben heraus schauend. Das hat ein bisschen was von so einem Hawai- oder California-Feeeling. Das macht halt auch den Charme dieser Stadt aus. Musik CD Darauf dann 29. O-Ton Wolfrik 0.16 Ein paar von uns haben hier ihre Stammtassen im Regal stehen. Dann weiß der Barkeeper genau, wem was gehört. Und dann gibt es wahlweise einen Kakao, einen Kaffee, einen heißen Tee oder sonst was rein. Autorin California-Feeling ist es gerade nicht im Dezember am Eisbach. Und natürlich sehnt sich auch ein Eisbach-Surfer ans Meer und ist bestrebt, so oft wie möglich im Jahr ans Meer zu fahren. Die meisten haben dort das Surfen gelernt, so auch Wolfrik Fischer ? der jedoch wie die meisten Surfer auch noch eine andere Brettsportart beherrscht. 30. O-Ton Wolfrik 1.08 Bei mir war es so, dass ich mit 13, 14 angefangen habe mit Skateboardfahren. Als die erste große Welle nach Deutschland kam. Damals gab es ja noch keine Skateparks, es war einfach eine Strecke, und die war links neben dem Haus der Kunst. Und da kam im Sommer jemand und sagte: Eh wollt ihr Brettl fahren? Was ist denn das? Und wir sind 200 Meter zum Eisbach hier rüber und dann habe ich gesehen, was das ist. Ganz ursprünglich waren es alte Türen, die hatten oben in der Mitte ein Loch an der Schmalseite und zwei weitere Löcher an der Seite. In der Mitte das Loch wurde verbunden mit einem langen Seil und das hat man irgendwo am Baum hingehängt. Und an den Seitenlöchern kamen zwei Seile raus und da hat man oben einen Griff quer hingemacht, so ´nen Haltegriff. Das funktioniert super im Bach. Das Brettlfahren ist nix anderes als eine Art Mischung aus Wasserski fahren, Monoski fahren ? und Surfen. Autorin Und so gilt München als Geburtsstadt des Flußsurfens. 1972 war Arthur Pauli der erste, der es ausprobierte und sogar Weltmeisterschaften im Flußsurfen, genauer in ?Stehende Welle surfen? in München organisierte. Das war, als die Welle an der Floßlände noch nicht vom Wasserkraftwerk geschwächt war. Nach vielen Jahrzehnten Wettkampfpause gibt es seit drei Jahren wieder in jedem Sommer eine Europameisterschaft im Flußsurfen. Zwei Ingenieure ? ein Münchner Ehepaar ? natürlich selbst Flußsurfer ? konstruierten einen Wellenpool, in dem sie die Eisbachwelle nachbauten. Jedes Jahr wird der Pool am Münchner Flughafen aufgebaut, tausende Zuschauer strömen zu dem spektakulären Ereignis. Natürlich nimmt auch die jüngere Generation der Eisbachsurfer an der Meisterschaft teil ? und räumt meist die Preise ab. Auch Quirin Stamminger gehört zu dieser Riege. 31. O-Ton Quirin 0.20 Als die Meisterschaft das erste Mal stattgefunden hat, haben sehr, sehr viele von uns mitgemacht. Und andere nicht, weil sie gehofft haben: Wow, in der Zeit ist es mal richtig leer am Eisbach! Das haben sich mehrere gedacht! Und es sind richtig viele Neue dazugekommen, richtig viele. Das hat mit den größten Schub bisher gegeben. Autorin Den anderen Schub brachten die Medien: Videos im Netz, Facebook, Handyfotos, die um die Welt gehen. Vor vier Jahren dann der Dokumentarfilm ?Keep surfing?, der von einem der Münchner Surfer am Eisbach gedreht wurde und der auf Festivals in der ganzen Welt lief. Die einst geschlossene Münchner Surfergemeinde öffnete sich. Langsam. 32. O-Ton Quirin 0.38 Früher hätte es so ein Interview wie jetzt nicht gegeben. Wenn jemand mit Kamera oder Mikrofon gekommen ist, die wurden verscheucht. Das war sehr gut, das hat die Szene zusammen gehalten. Es war ein exklusiver Kreis, die nur wegen dem Surfen da waren. Und jetzt ist es halt momentan so ein Trendsport ? Sport in Anführungszeichen. Trend, Spaß, Massenveranstaltung. Und es kommen auch viele Leute, die fürs Surfen nicht so viel übrig haben, aber ganz gern halt mitmachen. Aber das ist eine Tendenz, die nicht aufhaltbar ist. Das ist bei jedem Sport zu sehen, der irgendwie eine Faszination erweckt. Autorin Quirin Stamminger geht meist nur nachts surfen oder früh am Morgen. Nicht nur, weil er viel unterwegs ist als Softwarespezialist, sondern weil es ihm zu voll ist auf dem Eisbach. In jedem Touristenführer ist diese Münchner Attraktion mittlerweile erwähnt, in einem Werbespot für Münchner Bier läuft Quirin im Neoprenanzug mit seinem Board unterm Arm an biertrinkenden älteren Herren vorbei. Stadtmarketing mit Eisbachsurfern - die Geister, die man rief, wird man nun nicht wieder los. 33. O-Ton Quirin 0.16 Wenn jetzt jemand kommt und sein kleines Kind da rein wirft und sagt: Komm, surf doch mal, du bist doch so ein hochbegabtes Kind. Ziehen ihm noch ´nen Helm an und ´ne Schutzausrüstung. Die Eltern haben natürlich nix an. Wer zieht den raus, wenn er sich verletzt oder verheddert oder ihm irgendwas passiert, wer zieht den an Land? Autorin München braucht wieder Wellen für Anfänger, da sind sich die Surfer und die Verantwortlichen der Stadt einig. Legale Wellen, keine illegalen. Was der in Grunde ihres Herzens anarchistischen Surferszene zwar etwas von ihrem Kitzel nimmt ? aber es hilft ja nichts. 34. O-Ton Quirin 0.26 Wenn man so was offiziell macht, dann muss man für Parkplätze sorgen, man muss einen Bademeister hinstellen, der aufpasst ? blablabla. Vom Hundertsten ins Tausendste. Die Bade- und Bootsverordnung muss angepasst werden und noch wieder ´ne andere Verordnung - und die widersprechen sich dann. Ist nicht einfach. Man muss viele Leute an Bord kriegen und da sind wir seit Jahren im Gespräch. Und jetzt intensiviert sich das halt ? vor dem Hintergrund, dass Surfen einfach ein Riesenthema ist. Autorin Im Film ?Keep surfing? sieht man die Münchner Surfer dem Hochwasser hinterherfahren ? wenn irgendwo Hochwasser ist und sich an einer Stelle eine heftige Flußwelle bildet, sind sie dort. Und wenn es hunderte Kilometer weiter ist. 35. O-Ton Quirin 0.40 Traumhaft. Kann man schwer vergleichen mit dem Meer, weil es ein anderer Sport ist. Aber vom Naturerlebnis her ist es noch wilder, weil Hochwasser einfach wahnsinnig gefährlich ist, eine wahnsinnige Energie hat. Es sind unendliche Wassermengen, die da durchspülen. Also Hochwasserwellen, so gefährlich sie auch sind, so viel Spaß machen sie auch. Ist toll. Klar, man ist hier, man surft hier ? und hat trotzdem das Verlangen, auch anderes zu sehen. Ob Meer oder andere Flußwellen. Ich glaub?, das geht jedem Surfer so, der irgendwo lebt und surft ? der sehnt sich auch nach anderen Wellen, von denen er schon Geschichten gehört hat und dann in seinen Träumen ausmalt. Autorin Die Träume und die Geschichten vom Surfen hält auch die Internetseite Eisbachwelle.de bereit. Quirin Stamminger gründete sie und stellte sie ins Netz ? mit Biographien von alten und jungen Surfern, Konstrukteuren, Fotografen, Künstlern. Menschen, die ihr Leben nach der Welle ausrichten. 36. O-Ton Quirin 0.30 Der Kernpunkt ist einfach die Welle selber. Diese verrückte Konstellation, dass mitten in der Großstadt eine Welle vor sich hin braust und brodelt und Menschen rundrum komplett aus ihrem Leben schmeißt. Menschen verändert und Menschen beeinflusst. Das soll die Webseite auch zeigen, wie die Welle Energie ausstrahlt und dadurch die Menschen auch verändert. Wenn ich nicht surfen könnte in München, wär ich schon vor vielen Jahren weggegangen. 37. Atmo Eisbach, Rauschen 0.42 Darauf Autorin Im Englischen Garten, an der kleineren, ungefährlicheren Welle, schwimmt Sebastian Wiesmayer nach einer Stunde ans Flußufer. Erschöpft klettert er über die Mauer aus dem Eisbach. Nase und Wangen sind rot vom eiskalten Wasser und der noch kälteren Luft. Viele Male stürzte er sich vergeblich in die Welle ? zuviel schaumiges Gebrodel, zu wenig glatter, surfbarer Teil. Aber eigentlich verbringt ja der Surfer sein ganzes Leben mit dem Warten auf die richtige Welle. 38. O-Ton Sebastian am Bach 0.10 Jetzt hab ich gerade noch eine gute erwischt. Die einzige gute heute. Mit so einem guten Gefühl gehe ich jetzt?Rauschen? Darauf Autorin Eine einzige gute Welle nach einer Stunde warten. Viel braucht ein Surfer nicht, um glücklich zu sein. Und das Leben entspannt zu sehen. Atmo Bach s.o. Darauf 39. O-Ton Sebastian 0.30 Beim Surfen hat es für mich den Charakter, dass man dieses Gleiten, dieses Erlebnis auch haben kann, wenn man jetzt nicht der beste Surfer der Welt ist. Es gibt ja auch den berühmten Spruch: Der beste Surfer ist der, der am meisten Spaß hat. Ich finde, das passt einfach! Ich glaube, das hat was mit dieser Wellenbewegung zu tun. Vielleicht wie im Leben, es geht bergauf und bergab. Man kann dem Ganzen seinen Lauf lassen und es funktioniert schon irgendwie!?Bach rauscht? Atmo Bach hoch Musik: I: Donovan Frankenreiter, ?Too much water? K: Frankenreiter, Lehning LC 01846 (1:10) ?Mansions on the sand? K: Frankenreiter, Philipps LC s.o. (O:30) ?Pass it around? K: Frankenreiter LC s.o. (O:30) ?Sing a song? K.: Frankenreiter (O:30)