Deutschlandradio Kultur Länderreport 14.9.2012 Was macht der Kita-Ausbau? Der Stand der Dinge in den Ländern Autoren: Michael Watzke, Axel Schröder, Verena Herb, Günter Rohleder Redaktion: Heidrun Wimmersberg COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Kita-Ausbau in Bayern / Michael Watzke Die Erzieherin Dimitra Bakas aus Thessaloniki liebt ihren Beruf. TAKE 1 "Die Kinder sind alle nett, wie Sie sehen. Deshalb ist alles gut!" Noch vor einem Monat lebte Dimitra Bakas in ihrer griechischen Heimat. Nun kümmert sie sich in einer Kita in München um vier- bis sechsjährige Kinder. TAKE 2 "Ich hoffe, dass alles gut wird und ich mit meinen Kollegen gut zusammenarbeiten werde." Die Kollegen sind vor allem froh, dass Dimitra aus Griechenland nach München gekommen ist. Denn in München herrscht extremer Erzieherinnen-Mangel, sagt Rosemarie Reichelt, die Kita-Chefin der Inneren Mission München. Sie hat Dimitra und neun weitere Erzieherinnen in Griechenland angeworben. TAKE 3 "München geht es mit den Fachkraftstellen am schlechtesten, weil der Ausbau hier in den letzten Jahren am stärksten forciert worden ist. Was ja auch wichtig und gut war. Deshalb kam man gar nicht hinterher mit dem Personal. Der Zuzug nach München nimmt ja kein Ende. München ist die am stärksten wachsende Großstadt in Deutschland. Hier kommen unglaublich viele Familien mit Kindern her. Mit Kleinkindern. Die benötigen die Plätze. Da muss der Raum auch geschaffen werden." Junge Eltern wie Imke Herrmann. Die Psychologin ist Mutter eines dreijährigen Mädchens. Dass in München rund 1000 KiTa-Fachkräfte fehlen, hat Imke Herrmann am eigenen Leib erfahren: TAKE 4 "Wir haben uns bei 25 Krippen angemeldet. Erstmal vergeblich. Und hier haben wir dann endlich einen Platz bekommen, weil die Krippe neu aufgemacht hat. War reiner Zufall." Nun ist Imke Herrmanns Tochter Luzie in der Domus-Kinderkrippe im Münchner Stadtteil Laim angenommen worden. Die Mutter fährt die Kleine täglich quer durch die Stadt hierher: TAKE 5 "Der Standard ist: man kommt über den dritten Monat der Schwangerschaft, und dann rennt man los und bewirbt sich an möglichst vielen Krippen und versucht, sich vormerken zu lassen. Und dann hofft man. Bei der Luzie haben wir noch in Haidhausen gewohnt und waren dort auf Wartelistenplatz 735 oder 750 oder so. Das ist, glaube ich, eine ziemlich normale Situation für München. Man muss einfach Glück haben." Imke Herrmann braucht bald wieder Glück. In drei Monaten erwartet sie ihr zweites Kind. Wenn sie diesmal keinen Krippen-Platz finden sollte, obwohl sie einen Anspruch darauf hätte, könnte sie sich eine Klage vorstellen. Und das sehen viele Eltern so, sagt Rosemarie Reichelt von der Inneren Mission München. Sie erwartet eine Klagewelle: TAKE 6 "Es wird so sein, dass die Kommunen verpflichtet sein werden, Ausgleichszahlungen an die Familien zu leisten. Weil sie die Plätze nicht anbieten können. Weil zu wenig Personal da ist. Das kriege ich in dem Jahr nicht." In diesem Herbst will der bayerische Landtag ein neues Kinder-Betreuungsgesetz verabschieden. Es sieht vor, dass öffentliche und private Kita-Betreiber höhere Zuschüsse vom Staat bekommen. Bayerns CSU-Sozialministerin Christine Haderthauer verweist darauf, dass die Kita-Betreuungsquote in Bayern stark gestiegen sei und höher liege als etwa in Baden-Württemberg oder NRW. TAKE 7 "Der Staat investiert seit Jahren Milliarden in den Ausbau von Krippenplätzen. Zwei Drittel aller Eltern sagen aber nach wie vor: ich finde für mein Einjähriges einen Krippenplatz nicht ideal. Ich möchte es zuhause betreuen lassen oder selber betreuen. Dann muss ich auch denen helfen. Alles andere wäre verfassungswidrig." Stichwort Betreuungsgeld. Haderthauers Kalkül: wer 100 Euro bekommt, weil er sein Kind nicht in die Krippe gibt, der wird sich überlegen, ob er seinen Rechtsanspruch auf einen Kinderkrippenplatz einklagt. Haderthauer wirbt für das schwedische Modell: TAKE 8 "Die skandinavischen Länder gehen jetzt dazu über, dass sie sehr viel großzügiger als wir in Deutschland mit Familien umgehen, die sich haushaltsnahe Dienste organisieren. Die sich also als Unterstützung in der Pflege oder auch in der Kinderbetreuung gerade in den ersten drei Jahren eine Hilfe organisieren. Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass wir hier noch mal überlegen, ob wir die steuerliche Absetzbarkeit nicht vollumfänglich zulassen." Rosemarie Reichelt, der Münchner Kita-Managerin, ist damit aber nicht geholfen. Denn die Personalnot bleibt. Reichelt will jetzt Erzieherinnen in Europas Südwesten anwerben: TAKE 9 "Es gibt auch einen riesigen Markt in Spanien. Nur sind es da oft die Sprachprobleme. Dass da zu wenig oder zu schlecht Deutsch gesprochen wird. Und das ist dann einfach das Problem." Aber eine freundliche spanische Kindergärtnerin mit brüchigem Deutsch ist allemal besser als keine Kindergärtnerin. Der Kita-Ausbau in Schleswig-Holstein / Axel Schröder Der Norden holt - langsam - auf: nach den Zahlen des statistischen Bundesamts belegt Schleswig-Holstein beim Ranking der Betreuungsplätze für unter Dreijährige nur Platz 9. Obwohl das Bundesland in den letzten fünf Jahren schon überdurchschnittlich schnell aufgeholt hat. Kristin Alheit, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung ist angesichts einer Betreuungsquote von rund 26 Prozent verhalten optimistisch: OT Alheit: Schleswig-Holstein ist auf einem guten Weg! Das Niveau, auf dem begonnen wurde, war nicht besonders hoch. Wir haben aber in den letzten Jahren weit über 10.000 Plätze auch schaffen können! Fest steht: wir haben die 35 Prozent derzeit leider noch nicht erreicht. Aber ich will mich gar nicht so sehr an den Prozentsätzen festmachen. Es geht ja darum, bedarfsgerecht auszubauen! Und dieser Bedarf ist im Flächenland Schleswig-Holstein ganz unterschiedlich hoch: überdurchschnittlich ist die Nachfrage nach KiTa-Plätzen in den Ballungsräumen um Kiel, Lübeck und Flensburg oder - noch im Hamburger Speckgürtel gelegen: in und um Pinneberg. Die ländlichen Regionen müssen dagegen - trotz niedrigerer Nachfrage - ihr bisheriges Angebot überproportional schnell ausweiten. Zuständig für die Versorgung mit KiTa-Plätzen ist in Schleswig-Holstein nicht das Land, sondern es sind die Kreise und Kommunen. OT Alheit: Die gucken sich vor Ort die Situation an, manche machen Umfragen, manche fragen ihre Träger, manche gucken die Wartelisten sich an, manche fragen direkt nach der Geburt: "Wie sind denn die Bedarfe, wann braucht ihr einen Platz?" Es wird auf verschiedene Arten versucht, den Bedarf, der wirklich da wird ab nächstem Jahr, wirklich sehr nahe zu kommen. Insgesamt gibt es im nördlichsten Bundesland in fast 1.700 KiTas rund 97.000 Betreuungsplätze. Gefördert wird der Ausbau durch Bundes- und Landesmittel, erklärt Ministerin Alheit. Und noch immer stünden über zehn Millionen Euro zur Verfügung, um der 35-Prozent-Versorgung zumindest näher zu kommen. Gravierende Versorgungsengpässe gibt es nicht. Das bestätigt auch die Vorsitzende der Landeselternvertretung in Schleswig-Holstein Cati Tschepel. Allerdings gibt es immer wieder Einrichtungen, die am Rande der Leistungsfähigkeit arbeiten müssten, weil es an ausgebildeten Fachkräften mangele, so Tschepel. OT Tschepel: In allen Bereichen: sowohl in der Krippe, im Elementarbereich als auch dann anschließend im Hortbereich ist es einfach so, dass es einen unglaublichen Fachkräftemangel gibt. Dahinter steht ganz einfach, dass der Erzieherberuf so nicht attraktiv ist. Es wird berichtet, dass es mehr Abgänger an den Schulen für Erzieher gibt. Aber das Problem ist: was kommt in den KiTas an? In den KiTas gibt es oft keine ganzen Stellen. Es gibt 30-Stunden- oder nur halbe Stellen. Das reicht als Familieneinkommen nicht! Die Landeselternvertreterin geht davon aus, dass viele Erzieherinnen und Erzieher nach ihrer Ausbildung noch studieren. Denn nur mit dieser weiterführenden Qualifikation, so Tschepel, könnten die Pädagogen auf adäquate Karrieremöglichkeiten hoffen. Seit 2009 hat sich zwar die Zahl der Erzieherinnen in Ausbildung von 700 auf 1.000 erhöht. Allerdings gibt es regelmäßig personelle Engpässe, wenn Erzieherinnen und Erzieher krank würden, in Elternzeit gingen oder schlicht und einfach Urlaub machten, so Tschepel. Sie fordert, den Erzieherinnenberuf attraktiver zu machen. Forderungen, arbeitslose Kassiererinnen in Crashkursen zu Pädagoginnen umzuschulen, würden eine angemessene Würdigung der Leistungen des KiTa-Personals nicht befördern. OT Tschepel: Ich glaube, dass die in Deutschland ganz doll hinterherhinkt. Die hinkt in der Bezahlung und in der Betrachtung hinterher. In skandinavischen Ländern, in Norwegen oder in Schweden sind die Erzieher den Grundschulpädagogen gelichgestellt. Die Wertigkeit der Ausbildung und auch die Bezahlung ist dem gleichgestellt. Mehr Geld für Erzieherinnen und Erzieher? Ministerin Kristin Alheit kann sich zwar vorstellen, für mehr Respekt und Würdigung der pädagogischen Leistungen zu werben, sie beibt aber ganz nüchtern und realistisch, was die Forderungen nach einem Einkommensplus angeht: OT Alheit: Eine Anerkennung kann sicherlich sein, mehr zu zahlen. Aber das schafft an der Frage: "Wie finanziere ich das System?" wieder andere Fragen, die wir ja im jetzigen System nicht ohne Weiteres beantworten können! Und deshalb müsse man zunächst darüber nachdenken, die Stellenstruktur im KiTa-Bereich zu verbessern. Die Logik dahinter: eine nur mäßig bezahlte volle Stelle ist immer noch besser als eine mäßig bezahlte halbe Stelle. Eine echte Aufwertung sieht anders aus. Der Kita-Ausbau in Hamburg / Verena Herb Atmo Kinderspielplatz Kreuz und quer springen die Mädchen und Jungs über das hölzerne Piratenschiff: Längst haben die Kitas in der Umgebung den Piratenspielplatz Bella Martha in Hamburg Eimsbüttel gekapert: Ist das Wetter gut, stehen die großen Kinderbusse - so werden die riesigen Kinderwagen genannt - am Rand in Reih und Glied, und die Kleinen toben durch den Sand und auf den Klettergerüsten. Während andere Bundesländer große Probleme mit dem Ausbau der Kinderbetreuung haben, gibt sich Hamburg gelassen. Der Stadtstaat verfügt über genügend Plätze, auch schon für Kinder im Krippenalter unter 3 Jahre. Wer einen Platz braucht, der bekommt auch einen - proklamiert der sozialdemokratische Senat und geht sogar noch einen Schritt weiter: Während bundesweit ab dem 1. August 2013 ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren besteht, haben Eltern in der Hansestadt bereits für Kinder ab 2 Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Platz in der Krippe. Diese Regelung gilt seit August dieses Jahres. SPD-Sozialsenator Detlef Scheele: O-Ton Scheele Im nächsten Jahr wird es auch für einjährige Kinder gelten. Das ist ein großer Schritt. Und wir gehen davon aus, dass wir in 2012 75% aller Kinder ein Angebot machen können, das auch wahrgenommen werden wird. Schon heute liegt die Betreuungsquote in Hamburg bei fast 40 Prozent. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens: Hamburg hat mit den Kita-Gutscheinen ein recht unbürokratisches Finanzierungssystem eingeführt. Das heißt: Eltern bekommen einen Schein und geben ihn in der Kita ab, die ihn wiederum bei der Stadt einlöst. Zweitens: Schon seit 2005 haben Berufstätige Anspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder. Und zwar für 12 Stunden. Das gilt für Kinder von 0 bis 14 Jahren. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ist Hamburg also Vorreiter, sagt Sozialsenator Detlef Scheele stolz: O-Ton Scheele Wir können bedarfsgerecht Krippenplätze zur Verfügung stellen. Ein Jahr früher als das Gesetz es vorsieht. Und das finde ich vorbildlich. Das deutschlandweit gesteckte Ziel, bis 2013 Betreuungsplätze für 35 Prozent der unter Dreijährigen zu schaffen, wird die Hansestadt locker erreichen. Atmo Kinderspielplatz Zurück zum Spielplatz Bella Martha in Eimsbüttel. Das Viertel gehört zu den kinderreichsten in der Hansestadt. In den vergangenen Jahren sind hier Kindertagesstätten und Krippen wie Pilze aus dem Boden geschossen. Fast 170 Betreuungseinrichtungen gibt es allein in Eimsbüttel, 1050 in ganz Hamburg. Mittlerweile sieht man - gerade in den Kernvierteln - nicht selten Flyer an Laternenmasten mit der Info: "Freie Kita-Plätze". Stefanie Bibo betreut als Verwaltungsangestellte insgesamt sechs Kindertagesstätten. Sie weiß: Die Konkurrenz unter den Betreuungseinrichtungen ist groß: O-Ton Bibo Von meinen sechs Einrichtungen, die ich betreue, suchen mehr als die Hälfte händeringend - auch gerne per sofort. Wir haben Plätze frei. Definitiv. In Hamburg müssen sich Eltern nicht sorgen, ihre Kinder unterzubringen. O-Ton Bibo Von Problemen oder Ängsten, oder viel Rumrennerei, viel Bewerbungen, viel Gespräche, viele Wartelisten, viel abgelehnt werden - das höre ich seit Monaten... ne - habe ich schon lange nicht mehr gehört. Der seit dem 1. August geltende Rechtsanspruch für Kinder unter 2 Jahren könnte die Situation verändern. Zumindest hoffen das einige Krippen- und Kita-Träger. Doch Stefanie Bibo ist skeptisch. Sie glaubt nicht, dass sich alleine aufgrund des Rechtsanspruchs mehr Eltern entscheiden, einen Krippenplatz in Anspruch zu nehmen. O-Ton Bibo Vielleicht sind das ja auf einmal jetzt zwei Eltern, die mal anrufen und sagen: Och mensch, mein Kind ist jetzt zwei geworden. Ich hab jetzt nen Rechtsanspruch. Ich fände das eigentlich ganz attraktiv, wenn mein Kind jetzt sozialen Kontakt hätte in ner Einrichtung mit anderen Kindern bevor es drei wird. Und ich arbeite eigentlich nicht... Ich kann mir das nicht vorstellen. Und so glaubt sie auch nicht, dass die freien Plätze in den Kitas dadurch belegt werden können. Schon alleine, weil der Rechtsanspruch für nur 5 Stunden gilt - die meisten Kitas in der Regel jedoch 8 Stunden betreuen. Nach Informationen der Sozialbehörde haben sich in den ersten Wochen rund 1300 Eltern aufgrund ihres neuen Anspruchs um einen Kita-Platz bemüht. Fakt ist: Wenn die Zahl der betreuten Kinder weiter wächst, werden auch deutlich mehr Erzieher gebraucht. Die Sozialbehörde rechnet bis Ende des Jahres mit rund 350 fehlenden Stellen. Doch Hamburg reagiert - so Sozialsenator Detlef Scheele: O-ton Scheele Wir haben die Ausbildungskapazitäten erhöht. Also wir gehen nicht davon aus, dass wir in näherer Zukunft damit ein Thema haben werden. 580 Erzieher werden 2012 ihren Abschluss machen. 2014 sind es schon 700, die sich dann um die ganz jungen Hamburger kümmern können. Der Kita-Ausbau in Sachsen-Anhalt / Günter Rohleder Autor Magdeburg Neustadt. Vielgeschossige Wohnblocks rahmen den in die Jahre gekommenen Flachbau der Kita ‚Lachende Kinder' ein. An der Eingangstür kleben gebastelte Fahnen aus Vietnam, Tansania, Kasachstan. Zweihundert Kinder aus 15 Nationen werden hier von 22 Erzieherinnen betreut, ab der achten Lebenswoche bis zum Schulalter. In Sachsen-Anhalt besteht für Eltern längst ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Ganztags für berufstätige Eltern, fünf Stunden für Erwerbslose. Das Recht auf Ganztagesbetreuung soll demnächst auch für Arbeitslose mit Kindern gelten. Nach heftiger Kritik hat die große Koalition in Magdeburg die Reform des Kinderförderungsgesetzes dementsprechend geändert. Die Kita-Leiterin Marlies Andersch: O-Ton 1 Wir haben hier in Sachsen-Anhalt ja einen Betreuungsschlüssel von 1:6. Also eine Erzieherin sechs Krippenkinder. Im Kindergartenbereich eine Erzieherin 13 Kinder, also über Dreijährige. Hortbereich: 1:25. Der befriedigt uns nicht und wird auch dem Bildungsprogramm nicht gerecht. Autor Sechs Krippenkinder kommen derzeit im Landesdurchschnitt auf eine Erzieherin. Auf dem Papier. Im Kita-Alltag sind es acht oder mehr. Wenn eine Erzieherin krank wird, zur Fortbildung geht oder in Urlaub, passiert es schnell, dass ihre Kollegin mit mehr als zehn oder fünfzehn Kleinkindern allein zurechtkommen muss. Dann wird aus Betreuung Verwahrung. Annegret Laube, hat eine Petition an die Landesregierung auf den Weg gebracht. Die Erzieherin aus Halle kämpft dafür, einen besseren Betreuungsschlüssel im neuen Kinderförderungsgesetz festzuschreiben. Eigentlich müsse der für die Krippenkinder bei 1:4 bis 1:5 liegen, sagt Annegret Laube. Wenn vier Einjährige in vier verschiedene Richtungen laufen, fordere das bereits beide Hände und die ganze Aufmerksamkeit. Marlies Andersch hat mehrere Um- und Aufbrüche in der Kinderbetreuung mit erlebt und mit gestaltet, seitdem sie in den frühen 70er Jahren zur Erzieherin ausgebildet wurde. Die Qualitätsansprüche seien gestiegen, sagt sie. Daher hat Die Kita-Leiterin zusammen mit ihren Kolleginnen eine zweijährige Fortbildung durchgeführt. Das Team hat sich einen erfahrenen Pädagogen und Therapeuten in die Kita geholt und Spielsituationen mit Kindern mit einer Kamera aufgezeichnet, um sie später gemeinsam zu analysieren. Es wurden neue Lernwege diskutiert und ausprobiert. O-Ton 2 Es hat uns gefordert, gefördert, Mut gemacht. Es hat unsere Arbeit wert geschätzt, weil viele Dinge schon gut angelegt waren. Autor Die Fortbildung hat in der Kita ‚Lachende Kinder' zu neuen Erkenntnissen und Veränderungen geführt. Die Kitaräume wurden so umgestaltet, dass die Kinder sich freier bewegen und Spielsachen besser erreichen können. Das Spielzeug wurde reduziert und durch Alltagsgegenstände wie Pappkartons ersetzt. In der Erzieherinnenausbildung fehle es in Sachsen-Anhalt an Praxisbezug, findet Marlies Andersch. Vor allem was die Kleinsten angehe, sei die Ausbildung nicht auf dem Stand der Gehirnforschung. Im Sachsen-Anhalt gibt es ein Nachwuchsproblem bei den Erzieherinnen. Sie sind im Durchschnitt Ende vierzig, werden oft nur nach schlechten Haustarifen bezahlt, so dass viele ihr Gehalt mit Hartz IV aufstocken müssen. Und die Zahl der männlichen Mitarbeiter ist verschwindend gering. Annegret Laube und ihre Mitstreiter machen sich dafür stark, die Ausbildungsangebote für Erzieherinnen und Erzieher zu erweitern. Wir sind ein hochmotiviertes Team, sagt Kitaleiterin Marlies Andersch, aber jetzt sei die Politik am Zuge, mehr zu investieren: Für einen besseren Personalschlüssel und für bessere Ausbildung.