COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Nachspiel 24.07.2011 Gummiball im Lederbeutel Über den Trendsport Lacrosse in den USA Von Max Böhnel Atmo 1 Umkleidekabine "Long Island Lizards" Autor: Noch eine Viertelstunde bis zum Spielbeginn. In der Umkleidekabine der "Long Island Lizards" wächst vor dem Match gegen die "Outlaws" aus Denver die Nervosität. So gut wie jeder Spieler versucht, das Lampenfieber zu verbergen. Ein paar konzentrieren sich, auf Stühlen sitzend, mit geschlossenen Augen. Andere sind stehend in Zweiergespräche vertieft. Wieder andere zupfen schweigend ihre Bandagen an Knien oder Handgelenken zurecht. Atmo 1 Umkleidekabine "Long Island Lizards" Autor: Der Mann mit der Nummer 41 auf dem Lacrosse-Jersey starrt vor sich hin. Er hat sich die unteren Augenränder tief schwarz gefärbt, einer Kriegsbemalung gleich. Der Hüne heißt Nicki Polanco und ist der Mannschaftskapitän der "Long Island Lizards". Polanco gilt als bester Verteidiger in der amerikanischen Lacrosse-Profiliga. Zweimal spielte er in der US- Weltmeisterschaftsmannschaft. Atmo 1 abblenden O-Ton 1 Polanco Ich bin davon überzeugt, dass es sich um einen Krieg handelt. Wenn man da rausgeht auf das Spielfeld, ist das Krieg. Ich nehme das sehr ernst. Autor: Ob Polanco Aufputschmittel genommen hat, ob es sich bei diesen Worten um Showgehabe handelt oder ob er sich damit selbst Mut zusprechen will, ist zunächst nicht auszumachen. Er lässt sich nicht beirren und fährt fort: O-Ton 2 Polanco: Die Indianer bereiteten sich mit Lacrosse auf Kriege vor, so begann es, und so ist es auch heute noch. Wir müssen Tag für Tag in den alltäglichen Krieg, das ist unser Geschäft, mit 100 Meilen pro Stunde, und ohne Erbarmen. Autor: Die Kriegerphilosophie, die Nicky Polanco vor jedem ausbreitet, der ihm ein Mikrophon hinhält, hat tatsächlich nichts mit Drogen zu tun. Sie hängt mit der Sportartikelfirma zusammen, von der Polanco gesponsert wird. Die heißt - kein Zufall - "Warrior". Polanco ist bei den Fans als aggressives Schwergewicht bekannt und bei den Gegnern in der Liga deshalb auch berüchtigt. Ausschließlich vom Profi-Lacrosse und vom Sponsoring kann der 31-jährige Athlet allerdings nicht leben. Dazu ist die Sportart selbst in den USA nicht populär genug, zu randständig. Polanco verdient wie seine Kollegen in der Liga um die 15.000 Dollar im Jahr, hinzu kommen ein paar Tausender als Werbeträger. Weshalb spielt er trotzdem Lacrosse? O-Ton 3 Polanco: Das macht man aus reiner Leidenschaft für das Spiel und für jedes einzelne Kind dort draußen. Wir sind Vorbilder, und die Kids sollen davon träumen dürfen, dass sie eines Tages auch etwas Grosses erreichen können. Ich mache das außerdem, weil ich jeden Tag kämpfen muss. Lacrosse ist meine Art, mich darauf vorzubereiten. Autor: Hauptberuflich arbeitet Nicky Polanco auf Long Island und im benachbarten New York City als Vertreter einer Medizingerätefirma. Zum Trainieren kommt er erst nach Feierabend. Atmo 2 Umkleidekabine Coach-Instruktionen Autor: Inzwischen hat der Cheftrainer der Lizards, Jimmy Mule (Mjul), die Umkleidekabine betreten. Die Teammitglieder hören ihm aufmerksam zu, während er ein letztes Mal die Namen der gegnerischen Mannschaft, der Denver Outlaws, durchgeht, deren Schwächen und Stärken beschreibt. Atmo 2 Coach-Instruktionen ausblenden Autor: Jimmy Mule (Mjul) ist ein Kenner des Sports, und das seit vielen Jahren. Er wuchs auf Long Island auf und spielte als Kind zunächst Fußball und Basketball. O-Ton 4 Mule: In meiner Highschool-Zeit Ende der 80er Jahre war Lacrosse ziemlich beliebt. Ich wechselte früh von Baseball und Fußball zu Lacrosse. Das war in der siebten Klasse. Seit 2005 bin ich Cheftrainer der Lizards. Davor spielte ich in der Major League Lacrosse. Autor: In seiner Freizeit spielt Jimmy Mule (Mjul) weiter gern Fußball, auch mit seinen drei Kindern im Teenageralter. Damit hält er sich fit. Er ist immerhin schon Anfang 40. Fußball, sagt Mule, ist eine seiner Leidenschaften geblieben. O-Ton 5 Mule: Ich bin ja mit Fußball aufgewachsen. Die Strategie im Lacrosse ist ähnlich - wie man als Team angreift, wie man die Verteidigung aufbaut, und ebenso der schnelle Übergang von der Verteidigung zum Angriff und umgekehrt. Im Lacrosse sind die Tore allerdings kleiner als im Fußball. Trotzdem fallen mehr Tore, weil der Gummiball mit dem Stick schneller beschleunigt werden kann. Autor: Bevor sie aus der Umkleidekabine im Keller der Hofstra- Universität (dt. Aussprache) aufs Spielfeld laufen, bilden die Long Island Lizards einen verschwörerisch anmutenden Kreis und stecken die Köpfe zusammen. Atmo 3 Kriegsgebrüll Autor: Jeder der gut 20 Spieler streift sich die gepolsterten Handschuhe über, nimmt den obligatorischen Helm unter den Arm sowie den Netzschläger. Das Spiel beginnt in ein paar Minuten. Atmo 4 Stadionsprecher/Hymne Autor: Das Lacrosse-Spiel ist dem Hockey, Fußball, Handball oder auch Basketball ähnlich. Ziel ist es, den Ball mit dem Netzschläger, dem sogenannten Stick, ins gegnerische Tor zu befördern. Wer den Gummiball im eigenen Netz hat, darf ihn beliebig lange tragen. Bei den Männern geht es dabei oft rau zu. Denn Verteidiger dürfen mit voller Wucht auf den Schläger des Gegners schlagen, um in Ballbesitz zu kommen. Angreifer wiederum können den Verteidiger mit Körpereinsatz von sich fernhalten. Ohne Schutzkleidung käme es zu schweren Verletzungen. Der Torwart ist wie im Hockey oder Eishockey zusätzlich mit Polstern ausgerüstet. Atmo 5 Spiel Autor: Wie im Hockey oder Eishockey geht es sehr schnell hin und her. Dabei spielen bei den Männern pro Team ein Torwart und neun auf dem Feld, jeweils drei Verteidiger, drei Mittelfeldspieler und drei Angreifer. Ein Mittelfeldspiel gibt es dabei kaum, da der Ball schneller als etwa im Fußball von der Verteidigung in den Angriff, vor und zurück, gepasst werden kann. Deshalb ergeben sich die packendsten Szenen mit Drehungen und Wendungen, mit Tacklings, Hüftschüssen und Kurzpässen fast immer vor einem Tor. Oder dahinter - denn wie im Eishockey sind die Tore ins Spielfeld eingerückt. Zurecht wird Lacrosse das schnellste Spiel auf zwei Beinen genannt. Die ermatteten Spieler werden oft nach ein paar Minuten wieder auf die Auswechselbank geholt, der Wechsel erfolgt fliegend. Noch schneller und damit fernsehgerechter wird Lacrosse in der Profiliga, wie im Spiel zwischen Long Island gegen Denver. Denn wenn die Mannschaft, die in Ballbesitz ist, nach 60 Sekunden keinen Torschuss gemacht hat, muss der Ball das Team wechseln. Für die Einhaltung der entsprechenden Regeln sorgen vier Schiedsrichter. Atmo 5 Spiel ausblenden Atmo 6 Nike-Werbeclip "Let´s get Lacrosse tonight" Autor: Fernsehwerbung des größten amerikanischen Sportartikel- herstellers Nike - auf erotisch getrimmt. In Zeitlupe streift die Kamera über einen Lacrosse-Athleten, während er im Seitenflug ein Tor erzielt. Danach nimmt sich der gutaussehende verschwitzte Sportler, weiterhin in Zeitlupe, mit einem befriedigten Lächeln auf den Lippen, den Helm ab. Der Clip "Let´s get Lacrosse tonight" ist nur ein Beispiel dafür, dass sich eine zunehmende Zahl von Fans und Spielern - aus der Sicht der Hersteller: Käufern - für Lacrosse interessiert. Fast jeder in den USA und in Kanada kennt den Sport. David Gross ist seit sieben Jahren der Ligabeauftragte der "Major League Lacrosse" und ihrer sechs Mannschaften. Der Sport wächst seiner Erfahrung und seiner Beobachtung nach seit über einem Jahrzehnt kontinuierlich. O-Ton 6 David Gross: Die meisten Mannschafts-Sportarten in den USA schrumpfen, wenn man die Teilnehmer- und Zuschauerzahlen als Berechnungsgrundlage nimmt. Beim Lacrosse ist das Gegenteil der Fall. Der Sport wächst um durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr, und das geht seit gut zehn Jahren so. Was das Wachstum bremst, das ist der Mangel an qualifizierten Trainern, an Schiedsrichtern und an entsprechenden Anlagen. Wenn wir in diesen Bereichen Fortschritte machen, wächst Lacrosse noch schneller. Autor: Bei allen Wachstumsbemühungen ist es David Gross dennoch wichtig, auf die Geschichte und das Erbe des modernen Lacrosse hinzuweisen. Denn der Sport gilt wohl zu Recht als die eigentliche nordamerikanische Mutter- Sportdisziplin, der schon die Ureinwohner des Kontinents nachgingen. O-Ton 7 Gross Jeder will das Spiel ehren. Man darf auf keinen Fall die Wurzeln dieses alten Spiels vergessen. Wir haben in der Profiliga mehrere Spieler, die Irokesen als Vorfahren haben, und ein Team in Kanada, die Hamilton Nationals, die in ihrem Vereinswappen die kanadische Fahne wie auch das Zeichen der Irokesen tragen. Ihr Motto ist "zwei Nationen, ein Team". Also, die Wurzeln zu ehren, das ist für alle wichtig. Autor: Lacrosse geht auf die amerikanischen Ureinwohner, die Indianer oder Native Americans zurück. Sie spielten an der Ostküste des Kontinents und an den Grossen Seen, auf den heutigen Gebieten Kanadas und der USA. Der mündlichen Überlieferung und den spärlichen Aufzeichnungen von Missionaren zufolge nannten es die Ureinwohner "Baggataway" oder auch "Tewaraathon" (beides deutsch aussprechen). Es war dem Kriegsgott geweiht und hieß in etwa "kleiner Bruder des Krieges". Atmo 7 langsamer Kriegsgesang von Native Americans Autor: Der Vorgänger von Lacrosse hatte vor einem halben Jahrtausend rituelle und soziale Bedeutung. Das Spiel diente dazu, Aggressionen abzubauen und territoriale Streitigkeiten zwischen Stämmen beizulegen. Die frühesten Aufzeichnungen von französischen Missionaren im 17ten Jahrhundert aus dem Land der Huronen sprechen davon, dass oft Hunderte von Spielern daran teilnahmen und sich das Spielfeld über mehrere Kilometer erstreckte. Atmo7 Kriegsgesang ausklingen lassen Autor: Die Irokesen nehmen bis heute als eigenständige Nation an den Weltmeisterschaften teil. Ihr Team heißt "Iroquois Nationals". Es handelt sich um den einzigen Verband, der keinen Nationalstaat repräsentiert. Damit sind die Irokesen, die seit 1987 vollwertiges Mitglied des internationalen Lacrosse-Verbandes sind, das einzige Ureinwohner-Volk Nordamerikas, das eigenständig bei internationalen Sportwettkämpfen zugelassen ist. Wie wichtig Lacrosse für das Selbstverständnis und den Anspruch auf nationale Souveränität ist, zeigt sich auch im wichtigsten Gremium der Irokesen, der Häuptlingsversammlung. Fast jeder der darin vertretenen "Chiefs" war oder ist ein Lacrosse-Spieler. Die "Iroqouis Nationals" sind eines der schlagkräftigsten Nationalteams der Welt, neben den USA, Kanada und Australien. Bei den Weltmeisterschaften 1998, 2002 und 2006 wurden sie jeweils Vierter. Vor den letzten Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr im englischen Manchester kam es allerdings zum Eklat. Atmo 8 Fernsehen, Ansagerin "It took the United States Secretary of State Hillary Clinton to grant permission to an American-Indian Lacrosse Team to travel.... Autor: Den 23 Mitgliedern der Iroquois Nationals wurde die Einreise zu den Weltmeisterschaften verweigert. Hintergrund war, dass die englischen Behörden die Reisepässe der Irokesen nicht anerkannten. Denn sie haben weder US-amerikanische noch kanadische, sondern eigene irokesische Reisedokumente. Die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton versuchte, dem Team zu helfen und bot vorübergehende US-Pässe an. Doch das Team weigerte sich und bestand auf dem eigenen Reisepass, dem Symbol nationaler Souveränität. Der Team-Sprecher Percy Abrams erklärte im amerikanischen, kanadischen und britischen Fernsehen, weshalb ein Kompromiss nicht möglich sei. O-Ton 8 Percy Abrams: Es gibt uns seit über Tausend Jahren. Wir waren hier, weit bevor die erste amerikanische oder kanadische Regierung existierte. Wir haben das Recht auf nationale Selbstbestimmung und auf unsere eigenen Pässe. Autor: Das Team werde auf keinen Fall mit einem kanadischen oder amerikanischen Pass nach England reisen, nicht zu letzt, weil Kanada und die USA Lacrosse-Gegner sind. "Wir reisen doch nicht mit demselben Pass wie unsere Gegner", hieß es. Nicht zuletzt würde die Akzeptanz eines solches Passes einen Präzedenzfall schaffen und den politischen Kampf um die nationale Unabhängigkeit untergraben. Da letztendlich weder die britischen Behörden noch die "Iroqouis Nationals" einlenkten, mussten die Irokesen umkehren und nach Hause fahren. Die Weltmeisterschaft im vergangenen Sommer fand damit ohne das viertbeste Team der Welt statt. Als Symbol des nationalen Erbes gilt in einigen Reservaten auch der Besitz und die Übernahme eines Lacrosse-Sticks, wie er heute genannt wird. Er dient als rituelles und religiöses Objekt. Etwa in der kanadischen Region Six Nations of the Grand River. Der indianische Geschichtenerzähler Delmore James: O-Ton 9 Delmore James: Mein Sohn spielt, ich spielte, mein Vater spielte, mein Großvater und mein Urgroßvater auch. Ich erinnere mich, dass man schon als Kind erzählt bekommt, wie wichtig der Stick ist. Meine Neffen bekamen Lacrosse-Sticks in die Wiege gelegt, als sie erst ein paar Wochen alt waren, wie eine Rassel. Autor: Delmore James wünscht sich, dass die Tradition auch nach seinem Tod beibehalten wird. Er will mit einem Stick beerdigt werden. O-Ton 10 Delmore James: Einige meiner Freunde haben ihre Lacrosse-Sticks für immer mit sich genommen. Das bedeutet viel, auch für mich. Ich werde das auch tun. Denn ich will mit meinem Vater spielen, mit meinen Onkeln, meinen Söhnen und Neffen. Lacrosse ist wichtig für mich. Autor: In den modernen Ranglisten der beliebtesten Sportarten rangiert Lacrosse weit hinter Baseball, Football oder Basketball, auch hinter Fußball, Tennis und Boxen, je nach Berechnung zwischen Platz 15 bis 20. Auch die Eigenwerbung von Lacrosse-Liga-Funktionären, es handele sich um den am schnellsten wachsenden Teamsport der USA, ist mit Vorsicht zu genießen. Aber trotzdem sind die Wachstumszahlen beeindruckend. Ganz wichtig dabei ist die Rolle des Fernsehens. Atmo 9 Medienzentrum Autor: Der größte Sportsender ESPN überträgt beispielsweise sämtliche Profiligaspiele, auch das der Lizards gegen die Outlaws. Es gibt einen entsprechenden Vertrag zwischen dem Sender und der Liga bis zum Jahr 2016. Insgesamt vier Kameras verfolgen das Spiel. Vom Medienzentrum über der Spielanlage des Stadions aus kommentieren außerdem zwei Sprecher im Wechsel den Spielverlauf. Atmo 9 ausblenden Autor: David Gross ist damit zufrieden und erläutert die Bedeutung des Sportfernsehens für Lacrosse O-Ton 11 Gross: Im Fernsehbereich haben wir viele Möglichkeiten. Denn wir sind für die Übertragung verantwortlich. Dieses Jahr produzieren wir 40 Spiele, im kommenden Jahr werden es 60 sein. Viel Geld für die Übertragungsrechte nehmen wir nicht ein. Dazu sind die Einschaltquoten auf ESPN 2 zu niedrig. Aber das Wichtigste für uns ist, dass wir überhaupt zu sehen sind. Dabei geht es übrigens nicht nur ums Fernsehen, sondern auch um Online-streaming der Live-Spiele und Videocasts auf dem Handy. Lacrosse kann action-geladene Inhalte bieten und ist deshalb ein guter Werbeträger. Autor: Trotzdem: Von einer Übertragung in den großen Networks, selbst der Erwähnung etwa des Ligasiegers oder einer Weltmeisterschaft auf NBC oder CBS, ist Lacrosse weit entfernt. Nicht darüber meckern, sondern klotzen, meint der Ligabeauftragte David Gross dazu. O-Ton 12 Gross: Das Beste, was man für die Fan- und Mitgliederwerbung tun kann, ist, es dem anfänglich Interessierten leicht zu machen, dem Ligaverlauf zu folgen. Da wir von den Mainstream-Medien nicht beachtet werden, filmen wir die Spiele selbst und produzieren den Wettbewerb fernsehgerecht. Ein Spiel der Major League Lacrosse kann man inzwischen überall im Land mitverfolgen, alle 40 Spiele, auch im Nachhinein. Autor: Das bekannteste Gesicht, das Millionen von Fernsehzuschauern mit Lacrosse assoziieren, ist das von Max Seibald. Der 23-jährige Spieler gewann im vergangenen Jahr mit dem US-Team die Weltmeisterschaft gegen Kanada. Der Sportkonzern Nike wurde daraufhin auf ihn aufmerksam und stellte ihn, wohl wegen seines guten Aussehens und seines souveränen Auftretens, als Model für Sportwerbung unter Vertrag. Atmo 10 "NIKE Boom" Autor: Der bis dahin unbekannte Max Seibald durfte in diesem, dem "Boom" genannten Werbefeldzug einen magischen Moment im Sport vorstellen, gleich neben amerikanischen Sportgrößen wie dem Basketballer Lebron James. Seitdem gilt Max Seibald als gemachter Mann. Neben dem Werbevertrag betreibt er Lacrosse-Ausbildungscamps für Jugendliche. Er spielt auf dem Feld für die Denver Outlaws und in der Halle für Philadelphia. Zurzeit sitzt er wegen einer Verletzung, wegen eines Meniskusrisses, auf der Reservebank. Trotzdem ist er aus Denver mit angereist nach Long Island. Max Seibald ist der Spitzenverdiener unter den Lacrosse-Profis. O-Ton 13 Seibald: Ich spiele auf dem Feld wie in der Halle, ich habe Sponsoren-Verträge und gebe Lacrosse-Kurse im ganzen Land. Damit verdiene ich Geld. Ich habe Glück gehabt, es geht mir wirklich gut, ich kann nicht klagen. Autor: Aber zuallererst versteht sich Seibald als Athlet, nicht als Geschäftsmann. Denn ohne hartes Training schon in der Schule und an der Universität, dem die Weltklasse-Leistung als Lacrosse-Spieler folgte, wäre er nicht soweit gekommen. Er umschreibt seine Liebe zu Lacrosse so. O-Ton 14 Seibald: Das Schöne an Lacrosse ist, dass es verschiedene Aspekte mehrerer Sportarten auf sich vereinigt. Es ist das Vor und Zurück und die Ausdauer des Fußballs, die Schnelligkeit von Basketball, der körperliche Einsatz von Football und das Geschick wie im Hockey. Ich liebe es außerdem, einfach nur fit zu sein und fit zu bleiben. Ich trainiere ziemlich oft, fast jeden Tag. Ich habe das Glück, einen eigenen Trainer zu haben und kann öfter trainieren als andere in der Liga. Autor: Der schlanke, schöne und erfolgreiche Max Seibald ist für diesen Sport das Aushängeschild und zugleich d a s Vorbild vor allem für Jugendliche, die ihm nacheifern wollen. So wichtig er aber auch sein mag: Entscheidend sei die Nachwuchsförderung, betont David Gross, der Ligabeauftragte. O-Ton 15 David Gross: Wir verlassen uns zwar viel auf unsere Firmensponsoren, aber wie erreichen wir jährlich ein Wachstum von 10 oder 20 oder 30 Prozent? Die allgemeine sportliche Grundausbildung ist wichtig, und nicht nur die, sondern auch: wie bilden wir Lacrosse-Lehrer aus, die das Spiel den Kindern nahebringen können. Wir brauchen mehr Schulen, die Lacrosse anbieten, und Universitäten, die einsteigen. Das erweitert unseren Spielerstamm. Atmo 11 Mädchen-Lacrosse-Camp Autor: An der Basis, die der Lacrosse-Funktionär anmahnt, tut sich in der Tat Einiges. Nicht so sehr in den großen Städten der USA. Denn dort fehlt es an großen öffentlichen Spielanlagen. Sondern eher in den Vorstädten, den sogenannten "Suburbs", wo die Mehrzahl der amerikanischen Bevölkerung lebt, in erreichbarer Entfernung zu Los Angeles, Denver, New York, Boston oder Atlanta. Montclair im Bundesstaat New York ist ein typisches Beispiel für die Erfolgsgeschichte Lacrosse. Der 35000-Seelenort liegt eine Dreiviertelstunde Fahrtzeit von den Hochhausschluchten Manhattans entfernt. Feld-Lacrosse blüht in Montclair, denn in dieser Vorstadt mangelt es nicht am Platz oder am Interesse. Atmo 12 Lacrosse-Camp Geschrei "Give me an L..." Autor: Gebt mir ein "L", gebt mir ein "a", gebt mir ein "c" ruft ein Teenager, und ungefähr 30 Mädchen wiederholen den Chor, bis das Wort "Lacrosse" skandiert wird. Sie sitzen an einem Wochentag im Lacrosse-Sommerferienlager im Schatten und machen Pause. Atmo 12 ausblenden Autor: Das Lager geht von neun Uhr morgens bis mittags um eins. Dann werden die Kinder von den Eltern abgeholt. Die Leiterin des Lacrosse-Sommerlagers für Mädchen ist Ann Jennings. Seit 15 Jahren unterrichtet sie Sport an der Highschool von Montclair. Pro Mädchen kostet das Camp wöchentlich 200 Dollar. Ann Jennings ist mit dem Zuspruch mehr als zufrieden. O-Ton 16 Jennings: Diese Woche haben wir 67 Mädchen, aber unser Lager ist nur eins von vielen hier. Wir haben Mädchen vom Kindergarten-Alter bis zur 9. Klasse, also alles vor der Highschool. Andere Camps sind Lager, wo die Mädchen übernachten. Unseres ist ein Halbtagslager. Der Sport ist in den letzten Jahren ziemlich gewachsen, vor allem im Mädchenbereich. Autor: Ann Jennings leitet das Lacrosse-Sommerlager im achten Jahr. Sie weiß also, wovon sie spricht. Lacrosse für Mädchen und Frauen sei ein anderer Sport als für Jungs und Männer, betont sie. O-Ton 17 Jennings: Männer- und Frauen-Lacrosse unterscheiden sich ziemlich stark. Die Regeln sind anders. Wir schlagen nicht zu mit dem Stick. Für Mädchen ist der Sport in gewisser Weise raffinierter. Autor: Ann Jennings zur Seite sitzt Marnie Brand. Auch sie ist eine ehemalige Lacrosse-Spielerin. Jennings und Brand leiten das Mädchenlager zusammen, arbeitsteilig. Während Jennings den geschäftlichen Aspekt regelt, ist Marnie Brand fürs Spielerische zuständig. O-Ton 18 Brand: Strategie, Taktik und Geschicklichkeit sind bei uns wichtiger als bei den Jungs. Das macht es für uns komplizierter. Mehr Geschicklichkeit ist erforderlich, weil der Korb am Stick anders ausgeformt ist, nämlich viel flacher. Die Jungs haben eine Art Tasche, in der der Ball ruht, wenn sie ihn gefangen haben und mit ihm rennen. Die Mädchen haben keine Tasche, sondern ein ziemlich festes flaches Gewebe. Der Ball kann bei ihnen also leicht herunterfallen. Das Spiel der Jungs ist ein kämpferisches Spiel, hauptsächlich mit Körpereinsatz. Unseres ist eher ein Spiel, bei dem man nachdenken und die Geschicklichkeit zur Geltung bringen muss. Autor: Marnie Brand nennt weitere Unterschiede im Vergleich zwischen dem Spiel bei Jungen und Mädchen: O-Ton 19 Brand: Jungs und Männer treffen und rempeln im Lacrosse den Gegner, um in Ballbesitz zu kommen. Wir dürfen das nicht, das gilt als Foul und wird bestraft. Um an den Ball heranzukommen, benötigen wir Geschwindigkeit und eine gewisse Finesse im Checking, was etwas anderes ist als die Gegnerin zu rammen. Körperlicher Kontakt ist bei uns weitgehend untersagt. Autor: Was ironischerweise dem indianischen Lacrosse, das ausschließlich Männer spielen, viel näher kommt als dem modernen Männer-Lacrosse, das starke Anleihen am Kriegerkult macht. Atmo 13 Indianer-Trommeln Autor: Ein großer Unterschied zwischen Männer- und Frauen- Lacrosse besteht außerdem in den Karrieremöglichkeiten. Denn bei den Frauen gibt es keine Profiliga wie die "Major League Lacrosse". Das Höchste der Gefühle besteht in der Teilnahme an der ersten Liga auf Universitätsebene. Schade findet das die 23-jährige Faith Richards, die beim Mädchenlager in Montclair aushilft und sich damit ein paar Dollar extra verdient. Faith Richards spielte bis vor kurzem als Verteidigerin in der Lacrosse-Frauenmannschaft der Rutgers University. Das war keine Nebenbeschäftigung, erläutert sie. O-Ton 20 Richards: Im College trainierten wir jeden Tag für mindestens zwei Stunden, dazu kamen Übungen wie Gewichtheben und Teamarbeit. Um in der obersten Collegeliga mithalten zu können, muss man sich total hingeben. Es ist wie eine Vollzeitbeschäftigung. Man besucht Kurse, trainiert und geht dann ins Bett. Autor: Ein Grund für ihre Entscheidung vor vier Jahren, ernsthaft auf Lacrosse umzusteigen und das College als Karrieresprungbrett zu testen, sei die steigende Bedeutung des Sports in der amerikanischen Jugendkultur, glaubt Faith Richards. O-Ton 21 Richards: Den Lacrosse-Jungs und -mädchen ist das Aussehen sehr wichtig. Im Fußball spielen die Klamotten nicht so eine große Rolle. Aber für Teenager ist Lacrosse eine der coolsten Sportarten. Autor: Die 23-Jährige war schon als Zweitklässlerin auf Lacrosse gestoßen, als sie mit ihren älteren Schwestern mittrainieren durfte. Sie spielte später an der Highschool und wurde von ihrer Lacrosse-Lehrerin stark gefördert. Für das Studium erhielt sie sogar ein Stipendium. Damit brauchte sie keine Studiengebühren zu bezahlen. Lacrosse - das bleibt ihre Leidenschaft, betont Faith Richards. O-Ton 22 Richards: Ich liebe diesen Sport, schließlich erhielt ich deshalb ein Stipendium. Ich will deshalb etwas an die Gesellschaft zurückgeben. Ich arbeite hauptberuflich in der Lacrosse-Bekleidungsindustrie und will das auch weiterhin machen, neben der Tätigkeit als Trainerin und der Arbeit mit den jungen Spielerinnen. (über Atmo 13) O-Ton 14 Seibald: Das Schöne an Lacrosse ist, dass es verschiedene Aspekte mehrerer Sportarten auf sich vereinigt. Es ist das Vor und Zurück und die Ausdauer des Fußballs, die Schnelligkeit von Basketball, der körperliche Einsatz von Football und das Geschick wie im Hockey. O-Ton 6 David Gross: Die meisten Mannschafts-Sportarten in den USA schrumpfen, wenn man die Teilnehmer- und Zuschauerzahlen als Berechnungsgrundlage nimmt. Beim Lacrosse ist das Gegenteil der Fall. Der Sport wächst um durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr, und das geht seit gut zehn Jahren so. Was das Wachstum bremst, das ist der Mangel an qualifizierten Trainern, an Schiedsrichtern und an entsprechenden Anlagen. Wenn wir in diesen Bereichen Fortschritte machen, wächst Lacrosse noch schneller. O-Ton 10 Delmore James: Einige meiner Freunde haben ihre Lacrosse-Sticks für immer mit sich genommen. Das bedeutet viel, auch für mich. Ich werde das auch tun. Denn ich will mit meinem Vater spielen, mit meinen Onkeln, meinen Söhnen und Neffen. Lacrosse ist wichtig für mich. Musik (1:30 Min.) Interpret: Symphonieorchester Kurt Graunke Stueck: Jack Holborn - Native Drums and War Dance Album:Jack Holborn Original Soundtrack Erscheinungsdatum: 8. August 2008 Label: Montana Copyright: 2008 montana ASIN: B002S7D77Q 2 2