Deutschlandradio Kultur Länderreport COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Ländersache Kultur (6b) Die Kulturpolitik der Bundesländer Bayern Autor Watzke, Michael Redaktion Stucke, Julius Sendung 16.03.12 - 13.07 Uhr - M A N U S K R I P T B E I T R A G - Kulturpolitik in Bayern? Christian Stückl, Intendant des Münchner Volkstheaters, nimmt einen tiefen Zug aus seiner Zigarette und zählt auf. Wir haben hier ein Volkstheater, wir haben hier ein Residenz-Theater, wir haben Kammerspiele, wir haben eine Oper, wir haben ein Gärtnerplatz-Theater. Also der Staat steckt sehr viel Geld in die großen Institutionen hinein. Man muss tatsächlich tief Luft holen, um auch nur die wichtigsten kulturellen Institutionen des Freistaates Bayern in einem Atemzug zu nennen. Allein München hat drei große Symphonie-Orchester, dazu kommen Symphoniker in Bamberg, Hof, Nürnberg, Augsburg, Würzburg. An Geld scheint es im Süden eher nicht zu mangeln. Christian Stückls Volkstheater etwa erhält pro Jahr rund 6 Millionen Euro staatlicher Zuschüsse - und ist damit noch einer der kleinen Fische im Münchner Theater-Teich. Stückl zündet sich die nächste Zigarette an. Er will ja nicht klagen über zu viel Geld, aber... Dadurch wird das, was von unten kommt, also diese Subkultur - das wird fast ein bisschen überlagert. Oben werden alle zugepfropft und kriegen ziemlich gute Investitionen und Gelder - und unten entsteht wenig. Man hat fast das Gefühl, das sind die Nachwirkungen der Monarchie. Bayern und München zeigen, wie groß sie sind, wie viel Kulturförderung reingesteckt wird. Das nimmt aber irgendwie dem, was aus dem Untergrund kommt, ein bisschen die Luft weg. Christian Stückl ist mittlerweile in eine graue Zigarettenqualm-Wolke eingehüllt, als wolle er das Bild von der fehlenden Luft inszenieren. Der Intendant wirkt mit seiner langen, lockigen Haarmähne selbst wie einer jener altbairischen Monarchen, von denen er spricht. Die bayerische Monarchie - sie spielt auch im Kulturleben des demokratischen Freistaats Bayern noch eine wichtige Rolle. Auch, weil große Teile des bayerischen Kulturschatzes in adligem Besitz sind - etwa in der Wittelsbacher Landesstiftung "Kunst und Wissenschaft", die den Hauptbestand der bayerischen Museen verwaltet. Dieser Stiftung steht indirekt Franz Herzog von Bayern vor, das Oberhaupt des Hauses Wittelsbach. An diesem mächtigen Kunstförderer und Verwalter kommt auch der bayerische Kunstminister Wolfgang Heubisch nicht vorbei. Die Wittelsbacher Linie, die gar nicht aus Altbaiern stammt, sondern in der Nachfolge sozusagen von extern nach Bayern kam, der 1759 interessanterweise mit der Gründung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Da fing es an, dass man diesen Gleichklang zwischen Wissenschaft und Kunst herstellte. Und München war die Residenzstadt. Und dadurch hatten wir dann mit der berühmten Ludwigstraße, mit dem wunderbaren Königsplatz und den Glyptotheken Entwicklungen, die waren so eminent wichtig für die späteren zwei Jahrhunderte. Davon zehren wir heute noch. Die bayerische Kultur zehrt nicht nur vom mächtigen Kulturschatz der Vergangenheit - sie ächzt bisweilen unter ihm. Denn die alten Schlösser und Museen, so schön und repräsentativ sie sind - sie stellen den bayerischen Haushalt vor hohe Belastungen: Wir müssen selbstverständlich die alten Gebäude erhalten, renovieren. Das kostet Millionen und Abermillionen. Das ist in der Tat ganz schwer zu schaffen. Das spürt beispielsweise die Bayerische Schlösser-, Gärten- und Seenverwaltung. Deren Präsident Bernd Schreiber beklagt, der Freistaat spare merklich bei der Instandhaltung seiner Schlösser. Schreiber spricht von Bremsspuren, weil der bayerische Finanzminister Jahr für Jahr einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen müsse. Im letzten Jahr war es so, dass aufgrund des ausgeglichenen Haushaltes die Ausgabenquote nicht fortgeführt werden konnte. Aber wir sind sehr zuversichtlich, dass es im kommenden Doppelhaushalt wieder den alten Stand erreicht. Der bayerische Finanzminister Markus Söder reagiert auf diese deutlichen Nadelstiche aus der Schlösser- und Seenverwaltung eher unwirsch. Ich glaube, der Bau-Unterhalt war in den letzten Jahren angemessen. Wie in allen Bereichen wird erstmal das investiert, was man dringend braucht. Da gab es eine Reihe von Herausforderungen, die sind jetzt alle gelöst worden und endlich fertig gestellt - ob in Würzburg oder woanders. Es geht ja auch nicht nur um Bau. Es geht auch darum, musealische Nutzung zu stärken. Deswegen wollen wir noch deutlich zulegen, was die Investitionen betrifft. Der Freistaat will beispielsweise ein Museum für bayerische Geschichte bauen, am Regensburger Donau-Ufer. Es soll 2018 fertig werden, rechtzeitig zum 200.Geburtstag der bayerischen Verfassung von 1818. Außerdem hat Ministerpräsident Seehofer versprochen, in München werde ein neuer Konzertsaal gebaut. Natürlich zeigt sich darin auch der bayerische Stolz auf das Repräsentative in der Kunst. Ein Erbe der monarchisch geprägten Vergangenheit, findet Alexander Krampe, Mitgründer der Kammeroper München: Ich glaube, dass das gesellschaftliche Verständnis hier anders ist. Es ist ein... es klingt jetzt komisch, wenn ich es sage, aber ein... feudaleres Verständnis. Ich meine, es gibt hier einfach nicht so starke gesellschaftliche Brüche wie z.B. in Berlin. München hat einfach eine durchgehendere Tradition von gediegenem Bürgertum. Auch gesellschaftlich repräsentativem Bürgertum, das daran interessiert ist, sich auch in möglichst repräsentativer Form zu zeigen. Das Repräsentative ist das eine. Kunstminister Heubisch von der FDP, betont aber auch gerne, dass es eine andere Seite gebe. In den Metropolen, vor allem in München, wolle er die starke Integrationsleistung von Kultur fördern: Wenn ich mir das südliche Bahnhofsviertel ansehe, wo ja das Zusammenleben zwischen Bayern und nicht nur den geborenen Münchnern, sondern auch Zugereisten aus anderen deutschen Landesteilen stattfindet. Wenn ich mir die starke türkische und griechische Community ansehe und erlebe, wie das Zusammenleben funktioniert und wie viel da an Kultur passiert, dann habe ich da eine starke Identität aus der Vergangenheit. Und so soll das auch bleiben. Ich will diesen vitalen Charakter behalten. Darum bin ich auch sehr skeptisch, wenn wieder ein Viertel in München zur Luxussanierung ansteht. Im Endeffekt wird man's nicht verhindern können, aber das ist für mich auch immer ein Verlust von Kultur. Viel haben Kunstminister Heubisch und seine Parteikollegen von der FDP bisher nicht getan, um den Verlust von Subkultur zu verhindern. Und als sich Bayerns CSU-Kultusminister Ludwig Spaenle vor einiger Zeit für den Erhalt der Kultkneipe "Schwabinger7" einsetzte, um den rauen Charakter des Künstlerviertels "Münchner Freiheit" zu bewahren, da wirkte das wie politische Inszenierung. Erreichen konnte oder wollte Spaenle nichts. Die "Schwabinger7" ist längst einem Luxus-Apartment-Komplex gewichen. München ist mit seinen Rekord-Mieten wahrlich kein Pflaster für Subkultur, sagt Alexander Krampe. Es gibt einen Anspruch, Elitäres zur Verfügung zu stellen. Ich mein, die alte Pinakothek, überhaupt die Pinakotheken, das Ensemble und die Sammlungen haben ein Niveau, auch die Staatsoper hat ein unbestreitbares Niveau, das sicher mit dem sozial und kulturellen Gepräge dieser Stadt ganz eng verbunden ist. Das weckt in anderen Teilen Bayerns bisweilen Neid. In Franken etwa, dem nordwestlichen Teil Bayerns, sieht man durchaus auch mit Argwohn, wie reich die Landeshauptstadt mit Kulturschätzen und Fördergeldern gesegnet ist. Zuletzt hat sich der alte Streit an einem Gemälde von Albrecht Dürer entzündet. Die Alte Pinakothek München wollte das empfindliche Meisterwerk "Selbstbildnis im Pelzrock" nicht für eine Ausstellung nach Nürnberg schicken. Dort gingen örtliche Politiker auf die Barrikaden. Sogar Bayerns Finanzminister Söder, selbst ein Franke, mischte sich für seine Heimatstadt Nürnberg ein. Kunstminister Heubisch hält sich aus solch innerbayerischen Scharmützeln lieber heraus. Bayern ist ein Flächenstaat, das heißt, es hat seine Zentren, bevorzugterweise München, aber es gibt eine große, weite Region. Und wir bespielen als Staatsregierung natürlich beides. Weil beides eminent wichtig ist. Ich kann mich nicht nur über die Zentren definieren, sondern ich bin stolz auf das, was draußen in den Regionen passiert. Und deshalb ist der Freistaat Bayern in den Investitionen in die Kultur, die ja 500 Millionen Euro betragen, auch in den Regionen präsent. Kulturpolitik in Bayern war und ist immer auch Brauchtumspflege. Heimatschutz. Standort-Faktor. Stärker als in anderen Bundesländern dient Kulturpolitik in Bayern der regionalen Selbstvergewisserung. Aus den Graswurzeln der unzähligen Blaskapellen, Dorftheater, Trachtengruppen und Musikschulen soll die Hochkultur erwachsen, auf die der Freistaat so stolz ist. Das war schon zu Zeiten König Ludwigs so. Und hat sich bis heute kaum verändert. - E N D E - 1