COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Nachspiel am 27.05.2012 "Tore nach Plan" In der Nachwuchsarbeit überlässt der deutsche Fußball nichts mehr dem Zufall Autor: Thomas Jaedicke: Atmo 1: U-16 Länderpokal in Duisburg-Wedau. Spielgeräusche, Rufe, Bälle etc. Kevin Basala: "Also, ich spiele jetzt Fußball, seit ich acht bin. Und seitdem wollte ich immer Fußballprofi werden." Autor: Kevin Basala, 15 Jahre, 1. FC Nürnberg. Kevin Basala: "Wo ich dann immer die Stars gesehen hab, Christiano Ronaldo, dann wollte ich halt auch immer Profi werden und so." Atmo 1: Spielgeräusche, Rufe, Bälle etc. Benjamin Henrichs: "Ja, wir werden sehr oft angesprochen, ob wir jetzt Interesse haben, von Beratern, von Scouts aus England oder Spanien." Autor: Benjamin Henrichs, 15 Jahre, Bayer Leverkusen, Kapitän der deutschen U-15 Nationalmannschaft. Benjamin Henrichs: "Na, am Anfang war es so eigentlich immer ´ne Ehre für mich. Aber es hat sich jetzt halt gehäuft und die Anfragen wurden halt sehr oft. Und deswegen nervt das jetzt schon ein bisschen, weil ich muss immer wieder das Gleiche sagen und macht langsam keinen Spaß mehr dann." Atmo 1: Spielgeräusche, Rufe, Bälle etc. Autor: Ein nasskalter Sonntag in Duisburg. Auf sechs Rasenplätzen zu Füßen des mächtigen sechseckigen Turms der Sportschule Wedau am Rhein wird an diesem Vormittag gekickt. Robert Preisinger: "Am Anfang war es am schwierigsten, bis man sich da dran erst mal gewöhnt hat." Autor: Robert Preisinger, 15 Jahre, 1. FC Nürnberg. Robert Preisinger: "Aber wenn man ein Ziel vor Augen hat, also den Traumberuf Profifußball eben, dass man das dann in Kauf nimmt, den ganzen Stress und so. Man hat ja auch viele Kumpels, man lernt ja auch neue Freunde kennen. Und deswegen ... .also, man gewöhnt sich einfach dran." Autor: Ein paar Dutzend Zuschauer verlieren sich auf der riesengroßen Anlage. Sie pendeln zwischen den Spielfeldern hin und her. Meist sind es Männer um die Vierzig: Scouts und Spielervermittler. Viele tragen kurze, schwarze Mäntel - die Kragen hochgeklappt. Pausenlos machen sie sich Notizen oder sprechen leise und geheimnisvoll in ihre Smartphones. Jeder Kontakt zu einem Spieler, den sie an Vereine weitervermitteln können, bringt ihnen Geld. Bei bis zu zehn Prozent Beteiligung an neuen Verträgen, ist das ein lukratives Geschäft. 22 Mannschaften spielen bei diesem Turnier, das fünf Tage dauert, um den U-16 Länderpokal, die deutsche Meisterschaft der 15jährigen. Frank Engel: "Das sind die einzelnen Landesauswahlmannschaften, also von Westfalen, Württemberg, Baden, Sachsen, Sachsen-Anhalt; also alle Bundesländer, wenn man so will ... oder alle Landesverbände, die wir haben. Und wir, als jüngerer Jahrgang, nehmen als U-Nationalmannschaft daran teil." Autor: Frank Engel trägt einen Trainingsanzug. Er ist ein alter Haudegen. Weil er seine Spielerkarriere wegen einer Verletzung mit 19 beenden musste, ist der Leipziger jetzt schon seit über 40 Jahren im Trainergeschäft. Breitbeinig steht der Fußballlehrer im schwarz-rot-goldenen DFB-Outfit am Spielfeldrand und sieht seinen Jungs zu. Seit drei Jahren ist Frank Engel Cheftrainer der U-15, der jüngsten Auswahl, die der Deutsche Fußballbund zu bieten hat. Frank Engel: "Klar, wir sind DFB, U-15 Nationalmannschaft, aber es ist noch nicht so eine Auswahlmannschaft, die so eng eingespielt ist wie die anderen. Das erste Jahr U-15, das ist Sichtung. Das heißt, wir wollen die Jungs gewöhnen an das Procedere in den Abläufen bei den U-Nationalmannschaften." Autor: Frank Engel hat schon in der DDR Nachwuchsteams betreut. Dort entdeckte und förderte er das Talent von Matthias Sammer. Heute ist Sammer als DFB-Sportdirektor für die Nachwuchsförderung beim Verband zuständig und Engels Chef. Sammer gibt in enger Abstimmung mit Männerbundestrainer Löw die Spielidee vor: Viererkette, Spieleröffnung durch die Innenverteidiger, Spiel in die Tiefe, offensive Grundeinstellung. Möglichst schnell müssen auch schon die jüngsten Nationalspieler der U-15 klare Angriffs-Abschluss-Aktionen suchen. Der Erfolgsdruck ist hoch. Frank Engel: "Wir wollen einfach vom Weltspitzenniveau ausgehen. Das sind unsere Anforderungen, die wir uns stellen. Da werden Ableitungen getroffen, was ist wann und wo zu tun. Das ist ooch ´ne klare Forderung vom Sportdirektor." Autor: Noch ist Spanien der Maßstab. Aber in den letzten Jahren hat der DFB aufgeholt und im Nachwuchsbereich drei Titel geholt. In Frank Engel hat der ehrgeizige Sammer einen treuen Erfüllungsgehilfen gefunden, der für ihn früh die Weichen auf Erfolg stellen soll. Bereits die 15jährigen müssen die Spielphilosophie der Männer verinnerlichen, damit es später keine Brüche gibt. Viel Zeit zum Eingewöhnen bleibt da nicht. Frank Engel: "Damit wir ganz einfach sehen: Aha! Dort zeigt sich der Junge. Es gibt ja manche, die sind ganz gute Fußballer. Aber man merkt dann, wenn sie auf ein höheres Tempo müssen, dann gibt es ein paar Dinge, die einfach nicht mehr so sind. Dann können sie einfach ihr Leistungsvermögen nicht mehr so rüberbringen. Da ist es manchmal so, dass Spieler ... .die kriegen sehr gute Kritiken aus dem Verein, aber wenn sie dann unter den 30, 40 Besten sind, deutschlandweit, wie wir die Jungs hier zusammenziehen, da merkt man dann schon doch Unterschiede." Atmo 1: - Turnier: "Und vorne arbeiten!...Einer länger bleiben!...Und drehen wieder, kommt unser Ball!....Schlusspfiff. Autor: Der Turniermodus ist ein bisschen kompliziert: Weil es in Deutschland 21 Landesverbände gibt, bittet man die Nationalmannschaft dazu - damit es keine ungerade Teilnehmerzahl ist und die Paarungen aufgehen. Der DFB spielt mit den Besten aus ganz Deutschland, aber die Nationalspieler sind dafür zum Ausgleich ein Jahr jünger als die Kicker der Landesauswahlen. Das kann in diesem Alter ein ziemlicher gravierender Vorteil für die Älteren sein. Nach dem 1:1 gegen Baden verliert die U-15 ihr zweites Spiel gegen das Rheinland. Enttäuscht, aber nicht geknickt, verlassen die Spieler in den weißen Nationaltrikots den Rasen. Sie sind sich sehr bewusst, vielleicht eine goldene Zukunft vor ihnen liegt. Auch Nationaltrainer Frank Engel weiß, dass er viele kleine Fußballkönige in seinen Reihen hat. Frank Engel: Autor: Engel: "Wir waren mit Abstand die fußballerisch bessere Mannschaft. Aber Rheinland, die haben sich sehr geschickt verteidigt, viel mit langen Bällen und haben eigentlich ihre körperlichen Vorteile des Ein-Jahr-Älter-Seins genutzt, und wir unsere Chancen nicht und dann verliert man das Spiel." Mir ist besonders von den technischen Fähigkeiten aufgefallen die Nummer Acht bei Ihnen. Ist das der Spieler, der bei Arsenal spielt? "Ja, das ist Gideon Selalem. Das ist ein Junge, der in Berlin aufgewachsen ist, bei Hertha gespielt hat und dann mit seinen Eltern nach Amerika gegangen ist. Das ist schon ein technisch veranlagter Junge. Da fehlt natürlich ooch noch ´nen bisschen was, in der Zweckmäßigkeit. Aber man sieht schon, dass er Fußballspielen kann und die Basics sind recht gut ausgebildet. Relativ ballsicher. Beidbeinig. Er sieht was, er ist klar orientiert auf dem Spielfeld. Muss in ´nen paar Situationen sich noch eher vom Ball trennen. Aber das müssen sie lernen, wenn es dann weiter nach oben geht." Autor: Duisburg ist von der Struktur- und Wirtschaftskrise des Ruhrgebiets schwer gezeichnet. Von der Duisburger Sportschule Wedau bis nach Moers sind es 20 Autominuten. In der grünen Beschaulichkeit von Moers liegt das noble Hotel Van der Valk. Hier logiert die U-15-Auswahl während des Turniers. Das umsichtige Personal liest den jungen Helden und seiner Entourage fast jeden Wunsch umgehend von den Augen ab. Und der DFB-Tross ist riesig. Neben Chef-Trainer Engel gibt es noch einen Teammanager, einen Torwarttrainer, weitere Co-Trainer, einen Individualtrainer für Technik und Taktik, Fitnessfachleute, Physiotherapeuten, weitere Betreuer und sogar Lehrer gehören dazu. Sie sorgen dafür, dass die Spieler, die während der Turniere und Lehrgänge von der Schule freigestellt sind, nicht zu viel Stoff versäumen. Gideon Selalem: "Well I´ve always wanted to be a professional football player. So that´s my first. But ... like ... if not ... like ... always have school and like ... keep going to school and getting good grades." Autor: Gideon Selalem ist 15. Seit fünf Jahren lebt er in der Nähe von Washington D.C, weil sein Vater dort einen Job als Ingenieur gefunden hatte, zog die Familie in die USA. Gideon, der sagt, dass er nie etwas anderes als Fußballprofi werden wollte, spricht kaum noch Deutsch. Jetzt kehrt er zurück nach Europa. Er hat gerade einen Dreijahres-Vertrag bei Arsenal London unterschrieben. Gideon Selalem: " I was playing in a tournament in Dallas. And the Arsenal UA Teams were there. And one of the North American scouts who works for Arsenal saw me play like three or four games and then decided me to go on a trial in the summer. So then I did good. And then they want me, yeah." Autor: Die Scouts von Arsenal haben Gideon Selalem bei einem Turnier in Dallas entdeckt. Er lebt jetzt in London, seine Familie blieb in den USA. Wenn Frank Engel ihn zu einem DFB-Lehrgang einladen möchte, muss er eine E-Mail mit einer Anfrage an Gideons Vater in Washington schicken. Gideons Vater telefoniert dann mit Arsenal und fragt, ob ob sein Sohn entbehrlich sei. Gideon Selalem: "No, it´s fine. I´m adjusting day by day. The pace is faster in England, but ... yeah ... it´s good." Autor: Das Tempo in England sei zwar höher, aber er komme ganz gut klar. Gideon Selalem ist ein hoch bezahlter Fußballprofi. Mit 15! Ein Teenager, der, wenn er redet, wirkt, als spreche ein 30jähriger aus einem viel zu kleinen, für diese Worte viel zu jungen Körper . Ein erwachsenes Kind sitzt mir im offiziellen DFB-Trainingsanzug mit den drei Weltmeistersternen auf der Brust im Konferenzsaal eines Nobel-Hotels gegenüber. Eine absurde Situation: Wer spricht da? Ein frühreifes Kind; ein kindlicher Erwachsener? Oder ist Der, der da so merkwürdig abgeklärt redet, schon ein kommender Hauptdarsteller der mächtigen Unterhaltungsindustrie Fußball? Gideon Selalem: "Well, just waking up every day ... like ... knowing ... .like ... your job is what you love to do. And that ... like ... you get paid for loving what you do, which some people cannot say. So it´s good being ... doing something that you love doing." Autor: Ganz selbstverständlich, routiniert und cool schießt Gideon die gängigen Textbausteine des Metiers ab. Selbst wenn ich versuche, mir den Rahmen der Inszenierung, deren Teil ja auch ich bin, wegzudenken, fällt es mir schwer, in meinem Gegenüber einen jugendlichen Schüler zu erkennen, einen normalen Jungen, der einfach nur ein bisschen besser als die anderen Fußball spielen kann. Stars wie Carlos Tevez vom neuen englischen Meister Manchester City verdienen 250.000 Pfund die Woche. Tevez hat für großen Ärger gesorgt. Als sein Trainer, der den Argentinier als Reservespieler auf die Bank gesetzt hatte, Tevez einwechseln wollte, hat der sich einfach geweigert, auf den Platz zu gehen. Er war sauer über seine Degradierung . Gideon Selalem findet die Einstellung von Tevez nicht o.k. Aber grundsätzlich findet er, dass Stars wie Tevez, Ronaldo oder Messi, das Geld, das sie bekommen, natürlich auch verdienen. Gideon Selalem: "I mean it all depends on how you do ... like ... I think ... .like ... .Carlos Tevez doesn´t deserve that money just based on his attitude. But if you´re ... .like ... .world star player like Ronaldo, Messi of course you deserve that money, being one of the best players in the world ... .yeah." Atmo 3: - Hotel am Sportpark, Frühstücksbüffet - Autor: Bayern ist als Titelverteidiger zum U-16-Länderpokal nach Duisburg gereist. Die bayerische Landesauswahl ist im Hotel "Am Sportpark" abgestiegen. Die Einrichtung des Hauses ist höchst wahrscheinlich seit den 70er-Jahren nicht mehr erneuert worden. An den Wänden im Treppenhaus hängen zig Wimpel von Fußballvereinen, dazwischen eine Menge von der Sonne blaustichig gewordene Drucke alter Meister. Eine seltsame Mischung. Das Frühstück hat Jugendherbergsstandard. Dafür gibt es im Keller ein Schwimmbad und zum Stadion sind es bloß fünf Minuten: Zu Fuß. Kevin Basala: "Meine Eltern sind in Afrika geboren, in Kongo. Und dann sind die halt, vor so 25 Jahren, sind die dann nach Deutschland gekommen. Meine Eltern, die arbeiten nicht mehr. Ja, mein Bruder ist Profi geworden und so was ... Da mussten die halt nicht mehr arbeiten und so." Autor: Kevin Basala spielt in der bayerischen Auswahl im Sturm. Geboren ist er in Köln. Aber er spielt jetzt für den 1. FC Nürnberg. Der 15jährige hat den Verein gewechselt, weil die Jugendarbeit beim Club besser sei und er dort bessere Perspektiven sieht. Alle 14 Tage besucht er seine Eltern in Köln. Sein Bruder, Bienvenue Basala-Mazana, ist 20 Jahre alt. Er hat einen Profivertrag beim 1. FC Köln. Kevin Basala: Autor: "Ja, das is halt ... dass man immer im Rampenlicht steht und so was ... .das is halt schön ... Und dass man die anderen Profis halt ... .man will besser als sie werden, so was. Das motiviert einen auch und so. Man will besser als der Beste sein. Und dafür trainiert man halt." Und spielt Geld auch ´ne Rolle? Denkst Du auch manchmal über Geld nach? (Lacht) "Ja ... .schon. Manchmal denke ich auch über Geld nach. Stimmt schon." Autor: Kevin Basala lebt im Fußballinternat des 1. FC Nürnberg und besucht die Berthold Brecht Schule. Das ist eine vom DFB finanziell geförderte Eliteschule des Fußballs. Ende der 90er- Jahre hatte der Verband mit diesem Modell auf die Krise im deutschen Fußball reagiert. Kevin Basala möchte seinen Hauptschulabschluss machen. So oft es sein Lehrplan und seine Leistungen erlauben, kann er bei seinem Verein, dem 1. FC Nürnberg, trainieren. In ganz Deutschland gibt es 29 Eliteschulen des Fußballs. Die meisten sind an einen großen Verein angebunden. Die Fußballeliteschulen ermöglichen zusätzliche Trainingseinheiten an Leistungszentren und halten über Koordinatoren engen Kontakt zum Verein des Schülers und zum Landesverband. Durch dieses engmaschige Betreuungsnetz sollen schulische und sportliche Anforderungen, so gut es geht, verbunden und der Schüler so ganzheitlich wie möglich, gefördert werden. Robert Preisinger: "Also mein Tagesablauf sieht eben genauso aus, wie ´nen Kevin seiner. Immer bis 15 Uhr 40 Schule und dann eben gleich zum Training." Autor: Robert Preisinger ist aus dem 160 Kilometer entfernten Hof zum 1. FC Nürnberg gewechselt. Genau wie sein Mannschaftskamerad Kevin besucht er dort die Fußballeliteschule. Robert will dort Abitur machen. Ein Hauptargument für seinen Wechsel waren aber die guten Trainingsmöglichkeien. Robert Preisinger: Autor: Robert Preisinger: "Also wir haben zwei Mal Frühtraining mit den Trainern vom 1. FC Nürnberg. Und das heißt, wir haben da also zwei Trainingseinheiten in der Woche mehr wie die Anderen noch mal. Und das treibt mich eben auch voran." Und Frühtraining, bedeutet, das ist vor der Schule noch, bevor die Schule losgeht? Also, wenn Du so einen Tag noch mal in den einzelnen Schritten aufzählen könntest, wenn Du Frühtraining zum Beispiel hast, wie sieht der dann aus? "O.k. Also zum Beispiel Dienstag ist es so, dass wir von 8 Uhr bis 9 Uhr 30 Frühtraining haben. Dann haben wir ganz normal Schule, wie die Anderen, bis 15 Uhr 40. Und dann habe ich noch ungefähr ´ne Stunde im Internat Zeit. Und dann fahre ich schon zum Training, weil wir um 18 Uhr Trainingsbeginn haben." Autor: Roberts Mannschaftskamerad Kevin hat es inzwischen schon in den B-Kader der U-16 Auswahl geschafft. Er hofft, dass er sich durch gute Leistungen beim Länderpokal, den viele Scouts und Trainer sehr genau beobachten, für den A-Kader qualifizieren kann. Da möchte auch Robert Preisinger hin. Er sieht die Nationalmannschaft als ein Schaufenster. Sie würde ihn noch bekannter machen, und das wäre vielleicht ein weiterer Schritt in Richtung Profikarriere. Aber die DFB-Auswahl ist eben nur ein Baustein in seinem Karriereplan. Robert Preisinger: "Es gibt ja auch viele Beispiele, wie zum Beispiel die Bender Brüder, Zwillinge. Die haben es auch ohne Nationalmannschaft geschafft. Und deswegen denke ich auch, dass es eben ein Bonus wäre, wenn man es jetzt in der Jugend schaffen würde, in die Nationalmannschaft zu kommen. Aber ich denke, dass der Verein dich zum Profi machen wird." Robert Heringslehner: "In Bayern ist das so, wir haben zwei Eliteschulen, eine in München , eine in Nürnberg." Autor: Der Fußballlehrer Robert Heringslehner ist Trainer der Bayerischen Landesauswahl. Robert Heringslehner: "Und die fünf Bundesligisten oder vier Bundesligisten, das wär Bayern, 60 München und dann Nürnberg und Fürth und Augsburg, die ham Vorrecht, die können bestimmen, welche Schüler auf welchen Klasse gehen. Für jeden Schultypus gibt´s da eine Klasse. Augsburg besitzt so was nit, da gehen die Jungs auf ganz normale Schulen." Autor: Die Spieler, die er mit zum Länderpokal in Duisburg genommen hat, kommen in diesem Jahr ausnahmslos von den bayerischen Bundesligisten. Seitdem es im Süden auch schon für C- Jugendliche, also für 13- bis 15jährige, eine Regionalliga gibt, sieht der Spielplan auch richtig weite Auswärtsfahrten bis nach Freiburg im Breisgau in Baden-Württemberg vor. Wenn zum Beispiel Fürth geben Freiburg spielt sind das dem Bus hin und zurück locker 800 Kilometer an einem Tag. Das sind ganz andere Distanzen und Herausforderungen als vorher in der überschaubaren Bayernliga. Diesen finanziellen und logistischen Aufwand können aber die kleinen Klubs nicht leisten. Deswegen wechseln die talentiertesten jungen Spieler immer früher zu den Großvereinen. Robert Heringslehner: "Darunter leidet sicherlich die Schule. Der Stress ist sehr groß. Da is beispielsweise Fürth, wenn die gegen Freiburg spielen, dann is unter Umständen a kleinerer Spieler, der da momentan vom Körperlichen noch a bissel Probleme hat, aber ansonsten a Talent is, der sitzt fünf Stunden im Bus, macht sich dann a halbe Stunde warm, wird für fünf Minuten eingewechselt und fährt wieder fünf Stunden mit dem Bus nach Hause. Dass des nit des Beste sein kann bei uns im Süden liegt auf der Hand." Autor: Seit zwölf Jahren ist Robert Heringslehner jetzt Trainer beim Bayerischen Landesverband. Der 50jährige hat früher für den FC Bayern in der Oberliga gespielt. In den vergangenen Jahren hat er festgestellt, dass die Strukturen selbst für die ganz Jungen immer professioneller geworden sind. Wenn die Spieler zu ihm in die Auswahl kommen, sind sie athletisch weiter und technisch besser ausgebildet als früher. Aber obwohl es noch Kinder sind, stehen die jungen Spieler schon unter einem sehr hohen Leistungsdruck. Robert Heringslehner sieht diese Entwicklung sehr kritisch. Besonders, wenn der Spieler früh zu einem der großen Vereine wechselt. Das Risiko bei einem 13-, 14jährigen mit der Karriereprognose schief zu liegen, ist ziemlich hoch. Robert Heringslehner: "Wenn a Spieler den Verein wechselt, dann isser erst mal - die ersten zwei bis sechs Monate, das ist unterschiedlich lang - mehr oder weniger durch den Wind, trägt die Nase sehr hoch, bis er merkt, ich bin zwar bei meinem Traumverein gelandet, aber da san ja 20 andere, die genauso gut san, die auf meiner Position spielen wollen. Die müssen sich erst mal durchsetzen." Autor: Für die Talente ist es eine sehr schwierige Phase. Sie sind ehrgeizig und ihre Eltern sind es meistens auch. In der Schule müssen sie Leistung zeigen, in ihrem Verein und in der Landesauswahl werden sie auch gefordert. Und wenn sie zur Nationalmannschaft eingeladen werden, treffen sie auf ein hoch ambitioniertes Umfeld, wo alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um möglichst viele internationale Titel zu holen. Robert Heringslehner hat viele Talente scheitern gesehen. Für sie ist es eine schlimme Erfahrung, wenn sie sich nach einem Jahr bei ihrem Traumklub nicht durchsetzen können und wieder weggeschickt werden. Der erfahrene Trainer möchte ihnen dies gern ersparen, was seiner Meinung nach einfach wäre, wenn nicht immer der zweite vor dem ersten Schritt gemacht würde. Robert Heringslehner: "Wenn mir jetzt so a typischen Spieler nehmen bei uns, der an der tschechischen Grenze wohnt. Der hat dann 100 Kilometer nach Regensburg und 200 nach München oder Nürnberg. Und der Weg, den wir wollen, is eigentlich der, dass er dann vielleicht auch schon in der D-Jugend oder spätestens in der C-Jugend dann zu Regensburg wechselt. Dort is er gut aufgehoben. Da wird ähnlich professionell trainiert wie bei den Bundesligisten. Und wenn er dann diesen Schritt geschafft hat, dann wär der nächste Schritt zum Bundesligisten." Autor: Viele, sind es nicht, die es bis ganz nach oben schaffen. Aber in diesem Hochleistungssystem ist Scheitern scheinbar nicht vorgesehen. Fehler haben keinen Platz. Aber wer sagt den Jungs, wenn es genug ist? Wer passt auf die auf, die nicht mehr mitkommen? Wo bleibt die Leichtigkeit? Das Spielerische? Natürlich sind die meisten voller Hoffnung und Zuversicht: Immer weiter, nur nach vorn. Kaum einer von den Jungs hat einen Plan- B in der Tasche, falls es mit der großen Karriere doch nicht klappen sollte. Atmo 1: "Kommt abfangen, wieder!......Weiter! Komm! Komm! Komm!....Da müssen wir dran stehen, Gut so!....Gut, gut, gut!.....Bleib dran, bleib dran, bleib dran!... (Schlusspfiff) Autor: Zwölf Nachwuchsnationalteams leistet sich der Deutsche Fußballbund: Fünf für die Mädchen und sieben für die Jungs, von der U-15 bis zur U-21. Zusammen mit den Spaniern sind die deutschen Jugendspieler Weltspitze. Zuletzt holten die U-19 und die U-21 Titel. Bei der gerade zu Ende gegangenen U-17 Europameisterschaft in Slowenien wurde Deutschland erst im Finale von den Niederlanden gestoppt. 16 Millionen Euro gibt der DFB pro Jahr für die systematische Nachwuchsförderung aus. Das Geld geht an die Juniorenteams, 29 Fußball-Eliteschulen und 366 Leistungszentren im ganzen Land. 1000 Trainer arbeiten dort. Jedes Wochenende sehen sie sich die Pflichtspiele der 11- bis 14jährigen an. Die besten werden dann montags zum Training am Stützpunkt eingeladen. Jedes Jahr werden so 600.000 Spieler gesichtet. Ein sehr engmaschiges Netz. Atmo 3: - Frühstücksbüffet Sporthotel - Autor: Nach drei Turniertagen ist der Montag beim Länderpokal in der Sportschule Wedau spielfrei. Während sich die Bayernauswahl im Pool des kleinen Sporthotels vergnügt, besteigt die U-15- Auswahl vor dem Hotel van der Valk in Moers den offiziellen DFB-Bus. Ein gemeinsamer Ausflug ins Kino steht auf dem Programm. Fast jeder Spieler wird von einem Mitglied aus dem Funktionsteam in den Bus begleitet. In diesen Kreisen wird nichts mehr dem Zufall überlassen. Kyung-Yiub Lee: "Man erkennt das schon an der Anzahl der Funktionsteammitglieder, die im Tross dabei sind. Das waren früher mal fünf, sechs Personen - mittlerweile 14, 15. Bei größeren Veranstaltungen auch schon mal über 20. Das heißt, wir haben teilweise mehr Funktionsteammitglieder dabei als Spieler." Autor: Während die Jungs im Kino sitzen, nutzt Dr. Kyung-Yiub Lee die Zeit, um auf dem iPad die Aufgaben und Zielsetzungen für den DFB-Lehrgang neu zu justieren. Seit vier Jahren ist der Betriebswirtschaftler Teammanager der U-15. Für den 36jährigen, der als Spieler bei Hertha BSC aktiv war, ist es ein Fulltimejob. Es ist nicht einfach, alle Beteiligten mit ihren individuellen Bedürfnissen und Verpflichtungen unter einen Hut zu kriegen. Kyung-Yiub Lee: "Und auch die Anzahl der Maßnahmen ist gestiegen, aber auch die Rahmenbedingungen verbessern sich ständig. Denn der Anspruch der sportlichen Leitung ist, sportliche Weltspitze zu erreichen und dem möchten wir natürlich im organisatorischen Bereich auch gerecht werden. Autor: Nur mit straffer Organisation kann eine mehrtägige Maßnahme wie das Turnier in Duisburg ein Erfolg werden. Obwohl die Mannschaft ein paar Tage zusammen ist, bleibt unter dem Strich doch nur sehr wenig Zeit für konzentriertes Arbeiten. Kyung-Yiub Lee: "Und dementsprechend gibt es eine größere Aufgabenteilung. Wir haben zum Beispiel auch Lehrer dabei, die sich um das Wohl der Spieler kümmern, damit sie im Schulischen auch weiter kommen und nicht zu viel verlieren. Also, alles ist sehr viel Professioneller geworden als früher." Autor: Im Basement, also im Keller des Van der Valk Hotels befindet sich der Konferenzbereich. Einen Saal, wo sonst Hotelgäste größere Feste feiern, haben die DFB-Lehrer zum Klassenzimmer umfunktioniert. In Dreierreihen wurden - mit jeweils zwei Meter Abstand - Tische aufgestellt. Hinter jedem Tisch stehen zwei Stühle. Bis zur Rückkehr vom Ausflug sind sie noch leer. Aber auf den Tischen liegen schon Lineale, Stifte, Bücher und Schulhefte bereit. Zwei DFB-Lehrer unterrichten die Nationalspieler in Duisburg. Ein Kollege ist für Sprachen zuständig. Dennis Mur: "Ja, man merkt schon, dass die schon eine gewisse Reife vorzeigen im Gegensatz zu anderen vielleicht." Autor: Dennis Mur wird an diesem Nachmittag eine Mathestunde geben. Dennis Mur: "Aber allgemein, denke ich, geht alles sowieso schneller und, wenn man guckt, heute die 18jährigen oder 16jährigen, wie die teilweise aussehen, dann denkt man, die sind 24, wenn die sich richten. Und auch insgesamt, denke ich, dass es auch allgemein mit der Gesellschaft zu tun hat. Und jetzt nit nur Fußball." Dennis Mur: Dennis Mur, der gerade sein Lehramtsstudium abgeschlossen hat, ist 26. Er spielte mit den Stuttgarter Kickers in der A-Jugend- Bundesliga. In seinem Jahrgang waren Spieler wie Mario Gomez, Andreas Ottl, Tobias Weis oder Marvin Compper. Dennis Mur wollte auch Profi werden. Aber mit 21, nach einem komplizierten Schien- und Wadenbeinbruch, war es für ihn vorbei. Dennis Mur: "Und es ist ja auch ein Traum, also ... .Aber ... klar, vielleicht ... .es fehlt natürlich schon ´nen Stück Jugend dann, denke ich. Ich hab früher auch hoch gespielt. Jugend. Und da sind die anderen halt am Wochenende weggegangen und alles, abends mit Freunden unterwegs. Und wir hatten halt Sonntagmorgens Abfahrt, nach Nürnberg oder was weiß ich wohin. Da mussten wir halt schon drauf verzichten, aber ich ... .also die Zeit würde ich nicht missen." Autor: Aus eigener Erfahrung weiß Dennis Mur, wie wichtig es ist, neben dem Sport noch ein zweites Standbein zu haben. Selbst bei den Hochbegabten läuft nicht alles glatt. Die große Mehrheit wird es in dem gnadenlosen Ausleseverfahren nicht schaffen, Fußballprofi zu werden. Der DFB-Mathelehrer findet, dass man auf einfühlsame Weise ehrlich zu den jungen Spielern sein muss. Dennis Mur: "Wir sagen, wir wollen trotzdem natürlich ihnen helfen, dass auf jeden Fall noch die zweite Chance da ist, falls es halt mal schief geht. Aber wir sagen jetzt halt nicht, es kommt nur einer durch, oder so, von 100 Leuten. Und deswegen müsst ihr, so! Sondern wir vermitteln das halt ein bisschen auf die positive Weise." Benjamin Henrichs: "Also, im Moment habe ich eigentlich schon das Ziel, Profi zu werden. Und was passiert, wenn es nicht klappt, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht." Autor: Benjamin Henrichs ist der Kapitän der U-15 Nationalmannschaft. Er spielt für Bayer Leverkusen. Weil er schon jetzt so gut ist, kann er einmal die Woche auch bei den 16jährigen aus der B- Jugend seines Klubs mittrainieren. Benjamin Henrichs glaubt an sich. Er zweifelt nicht an seiner Perspektive bei den Profis. Benjamin Henrichs: "So was wird uns von dem Trainer halt oft gesagt. Und auch, wenn wir jetzt mit der B-Jugend zum Beispiel mittrainieren, dann geben die uns noch mal so ein Feedback, wie wir waren, und was wir verbessern können, und dass wir das dann im nächsten Training halt besser machen können. Und diese reden halt immer auch über die Zukunft. Und Leverkusen baut ja auch eigentlich sehr auf die Jugend. Und deswegen hat man eigentlich gute Chancen da." Atmo 1: - Spielgeräusche, Rufe, Bälle etc. - Autor: Obwohl die U-15 bei der Vergabe des Länderpokals, der an Niedersachsen geht, kein Wörtchen mitreden kann, sind die Auswahlspieler von den Scouts in den kurzen schwarzen Mänteln heftig umlagert. Die jungen deutschen Fußballer sind inzwischen so begehrt, dass sogar Vermittler aus England und Spanien an den Plätzen stehen, um das Spielermaterial zu begutachten. Die Strukturreformen in der Nachwuchsförderung, die Mitte der 90er-Jahre vom DFB eingeleitet wurden, waren also erfolgreich. Mesut Özil und Sami Khedira, die bei Real Madrid unter Vertrag stehen, sind vielleicht die prominentesten Spieler, die stellvertretend für diese positive Entwicklung stehen. Julian Draxler, der auch Jugendnationalspieler war und jetzt als 18jähriger in den Kader der A-Mannschaft berufen wurde, zeigt, dass noch jüngere Spieler bereits auf dem Sprung sind. Frank Engel: "Wenn man seine Position halten will, dann muss man immer wieder zulegen." Autor: Für U-15-Bundestrainer Frank Engel sind die Erfolge kein Grund zum Ausruhen. Er hat in Leipzig die harte Schule des Leistungsorientierten DDR-Sport-Fördersystems kennen gelernt. Frank Engel: "Da gilt eigentlich dieser alte Spruch: `Was heute gut ist, reicht morgen schon nicht mehr.` Und wenn man diese Dinge dann aufnimmt, auch für sich selber, für seine Arbeit, ich glaube, dann ist das richtig." Autor: Frank Engel sagt, der Deutsche Fußballbund sei sich der hohen Verantwortung für seine jungen Talente absolut bewusst. Schließlich seien es ja noch Kinder, deren persönliche Entwicklung im Vordergrund stehen müsse. Aber die Nationalmannschaft ist nun mal eine elitäre Auswahl, auch bei 15jährigen. 1