COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Nachspiel am 13. September 2009 Aus der Provinz in die Bundesliga Wie ein Getränkeunternehmen dem Fußball in Leipzig Flügel verleihen will Autorin: Alexandra Gerlach Redaktion: Jörg Degenhardt Atmo Stadion am Bad in Markranstädt Stadionsprecher: Die Mannschaften stehen bereit, heute und hier bei dem schönen und spannenden Fußballnachmittag, bei großer Kulisse, hier im Stadion am Bad. Es ist heiß an diesem Sonntagnachmittag im August, im Stadion am Bad in Markranstädt, rund 10 Kilometer südwestlich von Leipzig. 32 Grad im Schatten misst das Thermometer, als die beiden Mannschaften des Fünftligaspiels, Rasenball Leipzig gegen den FSV Zwickau in der Arena auflaufen. Zuspielung Stadion-Sprecher Es ist angerichtet, freuen wir uns also auf den Nachmittag, ich wünsche allen viel, viel Spaß in der Sportstadt am See, in Markranstädt. Es ist das erste Heimspiel des neuen Retortenclubs aus Markranstädt. Große Erwartungen lasten auf den Spielern in den weiß-roten Trikots mit den roten Bullen auf der Brust. Seit dem Einstieg des österreichischen Multimilliardärs Dietrich Mateschitz Anfang Juni hat im SSV Markranstädt eine neue Zeitrechnung begonnen. Der 65-Jährige Unternehmer, der knapp die Hälfte der Anteile am Energy-Drink-Weltmarktführer RED BULL hält, will den Fünfligisten unter seinen Label in die Bundesliga führen und damit auch seine Marke in Deutschland weiter ausbauen. Fünf bis acht Jahre dürfe der Aufstieg dauern, sagt der neue RB- Leipzig-Sportdirektor und Mateschitz- Vertraute, Markus Egger: O-Ton Markus Egger, Sport-Direktor Rasenballsport Leipzig Kurzfristig Aufstieg, langfristig kontinuierliches Entwickeln nach oben bis Bundesliga und was immer es darüber noch gibt. Die österreichische Liga sei zu schwach, um international und vor allem in der finanziell lukrativen Champions League mitzuspielen, hat Red-Bull-Eigner Mateschitz erst kürzlich einem Schweizer Zeitungs-Journalisten in den Block diktiert. Daher wolle er sich global aufstellen, mit drei eignen Clubs, Red Bulls Salzburg, Red Bulls New York und jetzt Rasenball Leipzig in Markranstädt. Nur der jüngste Club darf den Namen "Red Bull" nicht direkt tragen. Hier stehen die Statuten des Deutschen Fußballbundes einer Übertragung des Firmennamens in den Vereinsnamen entgegen. In Deutschland dürfen allein die Clubs von Wacker Burghausen, Carl Zeiss Jena und Bayer Leverkusen Vereins- und Produktnamen so eng verquicken. Die Fußballer des SSV Markranstädt, der jetzt unter dem Kürzel "RB Leipzig" antritt, was dem Firmennamen RED BULL schon deutlich näher kommt, haben bereits mit dieser Namensänderung Geld verdient. Von einer sechsstelligen Summe ist die Rede und das ist nur der Anfang der finanziellen Zuwendung an den Verein. Die Zahl von insgesamt 100 Millionen für die nächsten 10 Jahre steht im Raum und wurde bislang nicht mal dementiert. Für die beiden etablierten Rivalen vor Ort, die traditionsreichen Fußballclubs "FC Sachsen Leipzig 1990" und "1. FC Lokomotive Leipzig" ist der neureiche Club ein harter Brocken. Lok-Leipzig Präsident Steffen Kubald kritisiert: O-Ton Steffen Kubald , Präsident Lok Leipzig Ja, das hat schon damit zu tun, dass man die Tradition von anderen Vereinen kaputt macht durch das viele Geld, indem man eben alles kauft und es keine Tradition gibt, es ist ein Retortenverein, der dort auch keine Mitglieder zulässt, sondern es wird alles von Red Bull bestimmt und das ist manchen bestimmt ein Dorn im Auge. Der VfB Leipzig war 1903 erster Deutscher Meister. Vom einstigen Glanz ist nicht viel übrig geblieben. Lok Leipzig mit seinen knapp 1.700 Mitgliedern muss vieles in seinem betagten Bruno-Plache-Stadion im Do-it-yourself Verfahren reparieren, da es an Geld fehlt. Die Mitgliederbindung ist hoch, der Stolz auf das Erreichte ausgeprägt, allerdings fehlt es an Mitteln, um sportlich vorne mitzuspielen. Die neue Konkurrenz durch den dritten Club dürfte die Lage noch verschärfen, doch der Lok-Präsident Kubald bleibt äußerlich gelassen: O-Ton Steffen Kubald Im Moment bedeutet das gar nichts für uns, wir werden deswegen den Kopf nicht in den Sand stecken, wir werden einfach weiter machen und sehen, wie sich die Sache entwickelt. Das meint auch Peter Schur, der Fanbeauftragte des zweiten Traditionsreichen Fußballclubs, FC Sachsen Leipzig. Die Reaktion der Fans auf den neuen, dritten Club, fielen unterschiedlich aus, sagt Schur: O-Ton Peter Schur, Fanbeauftragter FC Sachsen Leipzig Also aufregen würde ich vielleicht nicht sagen, er polarisiert auf jeden Fall. Also es wird nicht von jedem angenommen, viele sagen, es ist uns egal, sie sollen aufsteigen, am Ende haben wir ja vielleicht doch mal was davon? Nach dem Willen des neuen Managements beim RB Leipzig und auch in der Salzburger Konzernzentrale des Finanziers, soll es ein märchenhafter Aufstieg des Fünftligisten aus Markranstädt werden, genauso schön wie tief im Westen bei der TSG Hoffenheim, so das Kalkül: O-Ton Stadionsprecher Fußball mit Herz, Fußball für die Familie, das ist der neue Slogan, und wir freuen uns alle auf den Start in die Fußball- Oberliga. Viel Spaß, einen schönen Fußballnachmittag, Danke-Schön!!!! Doch der Weg ist steinig, aller schönen Slogans zum Trotz. Die Situation für die Spieler ist angespannt. Erst eine Woche zuvor sind sie beim ersten Punktspiel in Jena attackiert und bespuckt worden, so dass sie am Ende der Begegnung ohne Dusche und völlig überstürzt unter Polizeischutz zum Mannschaftsbus geleitet werden mussten. RB Leipzig-Trainer Tino Vogel ist auch Tage später noch empört: O-Ton Trainer Tino Vogel, RB Leipzig Erstmal ist wichtig dass unsere Spieler geschützt , dann ist alles ok. Es können Sprechchöre kommen, keine Problem, aber wenn es dann an das Wohl unserer Spieler geht, dann müssen wir einschreiten, das kann irgendwo nicht sein, dass gewaltbereite, ich sage mal Chaoten hinter einer Barriere stehen, die nicht umzäunt ist und die Spieler dann bespuckt beworfen oder sonst was werden. Randale wie in Jena soll sich nicht noch einmal wiederholen, das verspricht auch Clubmanager Joachim Krug: O-Ton Joachim Krug, Clubmanager RB Leipzig Wenn versucht wird Randale zu machen, dann müssen sich die Leute darauf einstellen, dass sie ganz ganz großen Widerstand von uns bekommen werden und wir werden nur die Leute reinlassen, die dort mit friedlichen Absichten kommen. Krug hält Wort. Beim ersten Heimspiel des neuen Clubs am 16. August, gleicht das bescheidene Stadion am Bad einer Festung. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot in Markranstädt angetreten. Schon auf den Zufahrtsstraßen zur unscheinbaren 15.000 Einwohner-Stadt vor den Toren Leipzigs patrouillieren Mannschaftswagen. Rund 250 hochgerüstete Polizeibeamte und zwei Wasserwerfer sowie eine berittene Polizeistaffel sind im Einsatz. Die massive Präsenz der Sicherheitsorgane steht in krassem Gegensatz zu den Fußballfreunden, die zum Teil mit der ganzen Familie ins Stadion strömen. Auf der schmalen Straße vor den Toren des Sportareals künden die Nummernschilder von weitgereisten Fußball-Feaks. Am Eingang werden Taschen und vor allem junge, männliche Besucher kontrolliert. Und drinnen, wo sonst nur ein paar Hundert Zuschauer auf den Rängen sitzen oder stehen, herrscht jetzt Gedränge Zuspielung Atmo Fangesänge.... Die rund 500 Fans aus Zwickau werden vor Spielbeginn konsequent getrennt von den Rivalen auf der anderen Seite. Dazwischen leere Ränge wie in einer Pufferzone. In der Arena und mit dem Rücken zum Spielfeld haben Fanbeobachter in Zivil Position bezogen. Der sächsische Fußballverband hat bis auf weiteres alle Spiele des ehrgeizigen Neulings aus der Provinz in die Kategorie "Risiko" eingestuft, jedes Spiel wird sorgsam vorbereitet. Rasenball-Pressesprecher, Hans-Georg Felder: O-Ton Hans-Georg Felder, Pressesprecher RB Leipzig Wir werden immer ein Aufgebot haben, was ein störungsfreies Spiel garantiert. Also es wird so sein, dass wir vor jedem Spiel, das wir austragen, eine Sicherheitsbesprechung haben, und dann geht es um die Gegebenheiten des Stadions, dann geht es um das zu erwartende Fan-Aufkommen, und dann geht es eben auch um die Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, dass ein störungsfreies Spiel vonstatten gehen kann. An diesem Sonntag ist die Stimmung friedlich. Die Vorkehrungen der Sicherheitskräfte greifen, doch die massive Präsenz der Polizei und weiterer Sicherheitskräfte wirkt irritierend. Sprechchöre und rhythmische Gesänge der Fans Die Mannschaft von Rasenball Leipzig spielt schnell und konzentriert, die Kicker aus Zwickau geraten schnell in die Defensive, ihre Fans fiebern mit. Doch Glücksgöttin Fortuna hält es an diesem Tag mit Rasenball: Atmo aus Stadion und 1. Tor In der 23. Minute fällt das erste Tor, der Jubel auf der Tribüne ist groß: Stadionsprecher 23. Minute Die Stimme des Stadionsprechers überschlägt sich fast vor Freude, nur bei der Nennung des neuen Vereinsnamens gerät er noch etwas durcheinander Tor für SSV-Markranstädt.... Dann geht es Schlag auf Schlag. Das neue Team um Trainer Tino Vogel nutzt vor allem die erste Halbzeit um zu punkten auf dem Weg an die Tabellenspitze, wenngleich es an der Unterstützung durch die Fans noch etwas hapert. Immerhin: ein wenig zaghaft halten RB-Leipzig-Fans in der einen Stadionkurve ein blau-weißes Banner mit der Aufschrift "Lasst hier Tradition entstehen" hoch. Der Rest muss sich noch finden: O-Töne Fan, weiblich Na, es will sich jetzt ein Fanclub gründen, von den mehreren jüngeren Spielern, die noch bei Markranstädt spielen, die wollen da was zusammen nehmen und dann denke ich auch die Jugendlichen von den Ortschaften her. Der Gegensatz zu den Fans aus Zwickau ist überdeutlich. Den RB-Leipzig Fans fehlt es noch an Schlachtrufen und an rhythmischen Gesängen. Hans-Georg Felder, der jahrelang sein Geld beim Bundesligisten Hertha BSC verdient hat, weiß warum: O-Ton Hans-Georg Felder, Pressesprecher RB Leipzig Na gut, die RB-Leipzig Fans müssen sich daran erst noch ein bisschen daran gewöhnen, ich weiß, dass sich ein Fanclub gegründet hat, die werden sicherlich die nächsten Wochen nutzen, um entsprechende Texte und Lieder zu kreieren, woher soll es die geben? Der Verein ist ja quasi erst jetzt in der Oberliga präsent, deswegen müssen sich jetzt erst die Fans und die Fangesänge entwickeln. Zaghafte Ansätze gibt es schon, (Amo rhythmisches Klatschen) und auf der Tribüne wird kräftig mitgezittert. (Atmo richtiger Tumult) Um so besser läuft der Verkauf mit den neuen Fan-Artikeln: O-Ton Verkäuferin Fan-Artikel Einwandfrei, also richtig viel schon verkauft, die Anfrage ist riesig, also es läuft. Momentan haben wir nur Kinder T-Shirts. Für Erwachsene Base-Caps und die Fan-Schals, aber es soll noch mehr kommen, also wir wollen noch Anstecker, Buttons, Wimpel fürs Auto, was zum hängen, Trikots, .. das wird alles noch nachgeliefert, es muss ja erstmal ins Rollen kommen. Während des kurzen Interviews hat sich eine kleine Schlange vor dem Verkaufstisch gebildet, ein Mann so um die 30 kauft mitten im Hochsommer einen Fan-Schal in den neuen Farben: Reporter-Frage: Was ist so toll an so einem Schal? Warum kauft man so einen Schal? O-Ton Fan mit Fan-Schal Identifikation mit dem Verein, mit der Marke halt. Können Sie sich schon mit dem neuen Verein identifizieren? Ja, ja, weil das für Leipzig gut ist. Wir haben halt eigentlich ein schönes großes Stadion, viele Fans, die Fußball sehen wollen, die nicht so gewalttätig sind und deshalb finde ich das perfekt. Also ich bin selber Sachsen Leipzig Fan gewesen und gehe immer noch hin und finde das ok., die Tradition soll ja auch bleiben, aber es passiert halt da zu wenig. Die vielbeschworene Tradition ist Segen und Fluch zugleich in der alten Messestadt. Zu DDR-Zeiten war man hier im Fußball erfolgsverwöhnt, spielte national in der höchsten Liga und manchmal sogar international. Zwei große Clubs dominierten das Geschehen, Chemie Leipzig, der heutige FC Sachsen und Lok Leipzig. Beide Clubs sind sich in inniger Abneigung verbunden, die Lager galten bislang als unversöhnlich. Streitsüchtige und auch gewaltbereite Fans auf beiden Seiten haben in der Vergangenheit mehrfach für hässliche Schlagzeilen gesorgt, während der sportliche Erfolg sich nicht mehr einstellen wollte. Beide Clubs haben Insolvenzen hinter sich oder stecken wie der FC Sachsen Leipzig auch noch mitten drin. Dennoch blieb der FC standhaft, als Red Bull schon einmal einen Vorstoß in die Gründungsstadt des Deutschen Fußballbundes wagte. Damals scheiterte die Vereinsführung, an den eigenen Mitgliedern, die ihre Tradition nicht zugunsten des finanzkräftigen Sponsors aus Österreich aufgeben wollten. Zwei konträre Meinungen prallten aufeinander: O-Ton Fans FC Sachsen Leipzig Wenn man wirklich in den Profi-Fußball will und Leistung bringen will, dann geht das nur mit entsprechender finanzieller Unterstützung, die ist momentan hier in Leipzig so nicht gegeben. Aber den Namen möchte ich nicht verlieren, auf keinen Fall, da haben wir eine zu große Tradition! Eine Erfahrung die der österreichische Getränkehersteller und Großsponsor im Sport zuvor schon beim Traditionsverein Fortuna Düsseldorf machen musste. Auch hier scheiterte der Einstieg am Traditionsbewusstsein der Club-Mitglieder. Doch es gibt auch andere Töne, die Hoffnung statt Ablehnung und Häme hegen: O-Ton Fan, der guten Fußball sehen wollen Ich denke mal beide Seiten in Leipzig haben es versemmelt, inklusive die Stadt Leipzig hat es mit versemmelt, dann sollte man eigentlich froh sein, wenn einer da ist und neben dem ganzen, ich nenne es mal die Verrückten, die links und rechts für Tumulte und Theater sorgen, gibt es in Leipzig und rings um Leipzig noch genügend Leute, die sich für wirkliches Fußball interessieren, und es gibt genügend Leute, die wollen einfach mal wieder höherklassigen Fußball sehen. Die Gegner des neuen Leipziger Fußball-Clubs, der wenn alles gut läuft, im kommenden Jahr nicht mehr im Stadion am Bad sondern im hochmodernen, schicken Leipziger Zentralstadion auflaufen wird, halten den Spielern vor, sich für Geld zu prostituieren, den reinen Charakter des Fußballsports dem blanken Kommerz unterzuordnen. Völliger Unsinn sei das, ärgert sich Jürgen Lenz. Er ist einer von vier Gründungsvätern der Champions League und hält den Kritikern entgegen: O-Ton Jürgen Lenz, Mitbegründer der Champions League Wenn man heute im Profi-Fußball tätig sein will, dann braucht man Geldmittel, dann braucht man Kapital. Insofern muss man sich entscheiden. Wenn man im Amateurfußball bleiben will, dann ist das natürlich wesentlich weniger der Bedarf dafür da, Mittel zu beschaffen, aber wenn man im Profi-Fußball mitspielen will, wenn man in diesem Haifischbecken mit,..., dann muss man auch die entsprechenden Waffen haben. Eine Waffe davon ist sicherlich Geld, aber es ist bei weitem nicht die einzige Waffe. Also mit Geld allein hat es bis jetzt noch kein Fußballclub geschafft Erfolg zu haben. Lenz verweist auf britischen Club FC Chelsea London, der es bis heute trotz des vielen Geldes seines Besitzers nicht geschafft hat, die millionenschwere Champions League zu gewinnen. Und selbst den beiden anderen Red Bull Clubs in Salzburg und New York ist der große sportliche Durchbruch bislang verwehrt geblieben. Für eine Befriedung der Leipziger Fußballszene sei der sportliche Erfolg des neuen Clubs hingegen von grundsätzlicher Bedeutung sagt Lenz. Mit dem Erfolg werde auch der Widerstand der anderen Fans zurückgehen, sagt der Marketingexperte: O-Ton Jürgen Lenz Im Grunde genommen ist der Fußball-Fan und der Sport- Fan generell, das ist ein Mensch voller Hoffnung und wenn es mal nicht so läuft, dann hofft er auf bessere Tage und das ist auch das, was ihn immer wieder ins Stadion bringt. Das ist immer das hoffen, dass es doch noch möglich ist. Jeder Sportfan folgt seinem Sport immer mit der Hoffnung, dass es klappt. Zuspielung Atmo aus Stadion Markranstädt, 1. Heimspiel Kurz vor dem 3. Tor, dann Jubel,... Beim 1. Heimspiel des RB Leipzig in Markranstädt steht es am Ende 4:0 für den Novizen und der befürchtete Tumult bleibt aus. Polizisten eskortieren die enttäuschten Fans aus Zwickau zu ihren Bussen. Einen Kontakt mit der Siegerseite gibt es nicht. Das Sicherheitskonzept geht auf. Von der Hitze erschöpfte Polizeibeamte schälen sich im Schatten mächtiger Bäume aus den dicken Schutzwesten und klemmen den Helm unter ihren Arm. Doch den Spielern des RB-Leipzig sitzen die unschönen Ereignisse von Jena noch im Nacken, wie Mannschaftstrainer Tino Vogel zugibt: O-Ton Tino Vogel, Trainer RB Leipzig Aber, wie gesagt, die Jungs sind Profis und das muss man aus den Köpfen herauskriegen. Wir haben uns auf den Fußball zu konzentrieren, und mit solchen Nebensächlichkeiten wollen wir und nicht beschäftigen, wir müssen das abhaken, wir wollen ja nicht daran zerbrechen, sondern Stärke zeigen. Das klingt defensiv und ist es auch. Schon gleich zu Beginn seiner neuen Karriere hat der Verein mehrere Testspiele aus Sicherheitsgründen abgesagt. Die Abneigung und der Hass gegen den neuen Club, der nunmehr mit einem finanzkräftigen Sponsor im Rücken den Durchmarsch durch alle Ligen bis in die erste Reihe der Bundesliga schaffen will, ist grenzenlos. Vor allem in den Fan-Foren der beiden bis aufs Blut verfeindeten Leipziger Fußballclubs, Lok Leipzig und FC Sachsen Leipzig geht es hoch her, und bei den so genannten Ultras sind erschreckende Beispiele für eine offensichtlich gewalt- bereite Intoleranz nachzulesen: "Hi, Bubis, ich freu mich auf die nächste Saison. Dann können wir nicht nur in Salzburg Rote Bullen verhauen, sondern auch in Leipzig! Bald werdet Ihr viele Ultras aus der ganzen Welt sehen, die Euch jagen werden" So oder ähnlich lauten die Kampfansagen, wie diese von einem Schreiber namens "Paul 79" auf der Fanseite der Ultra Hooligans im Netz. Andere beschimpfen den neuen Club als "Drecksklub", als "Hure" und als "totale Schande" für Leipzig. Geld könne keine Tore schießen, heißt es auf einer Fanseite und manche gehen sogar soweit, den Niedergang des Leipziger Fußballs den Roten Bullen von Markranstädt zuzuschreiben. Droht ein Fußballkrieg an der Pleisse, fragen manche sich besorgt? LOK-Präsident Steffen Kubald verneint: O-Ton Steffen Kubald, Präsident LOK Leipzig Nein, also das ist die Darstellung von außen, ne, von Leuten, die sich sonst nicht mit dem Leipziger Fußball beschäftigen und jetzt nur, weil hier mal was ist, oder mal was Neues ist denken, hier passiert irgendetwas. Es wird immer Anfeindungen geben, das wird Rasenball Leipzig immer haben, egal in welcher Liga die spielen, je höher die kommen, desto aggressiver werden die Sachen auch, aber ich denke nicht, dass wir jetzt hier eine Krieg befürchten müssen. Auch der Fanbeauftragte des FC Sachsen Leipzig, Peter Schur schüttelt den Kopf und meint: O-Ton Peter Schur, Fanbeauftragter FC Sachsen Leipzig Kann ich mir so nicht direkt vorstellen, weil erstens mal beim FC Sachsen gibt es keine große Ultra-Bewegung mehr, denn die sind weggegangen zur BSG-Chemie-Leipzig und die haben da ihr eigenes Zeug, die spielen in der elften Liga, das dauert schon noch eine ganze Weile, bis die mal dahin schnuppern, wo wir jetzt gerade sind oder wo der RB dann mal irgendwann ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es große Kriege gibt. Beide Clubs haben das Thema Rasenball Leipzig ausführlich in den eigenen Reihen thematisiert. Die Abneigung vieler Fans gegen den Emporkömmling bleiben bestehen. Deren Aggressionen seien leicht zu erklären, sagt Champions- League-Mitbegründer Jürgen Lenz: O-Ton Jürgen Lenz, Mitbegründer Champions League Also ich denke mal, man muss eines verstehen. Fußball ist eine emotionale Angelegenheit. Und die Emotionen, die bei den Fußballfans vorhanden sind für ihren Verein, im positiven Sinne gegen andere Vereine, die haben meistens auch eine lange Geschichte. Eine persönliche Geschichte, das hat mit dem Spielen gegeneinander und miteinander zu tun und wenn jetzt plötzlich so ein neuer Spieler da ist, in Anführungsstrichen ins Feld kommt und der in der Sicht der Fans mit einem dicken Portemonnaie, dann ist das, würde ich sagen, ganz normal, dass es erst einmal eine Abwehrreaktion da ist. Kein Verständnis für den Hass und die Randale hat der Markranstädter Rentner Franz Grund. Der langjährige ehemalige Fußballspieler und spätere Trainer des SSV Markranstädt begrüßt das Engagement des österreichischen Brause- Herstellers. Seine Initiative könnte den Ostfußball insgesamt beflügeln, meint der erfahrene Fußballer: O-Ton F. Grund Ich finde das gut, man muss dankbar sein, dass überhaupt so eine Gelegenheit gekommen ist, ich meine ich hänge ja nun wirklich an Leipzig, dass es mit dem Leipziger Fußball vorwärts geht. Aber sie haben 15 Jahre, Lok oder VFB oder Sachsen und Chemie versucht und gestümpert, beide Vereine haben zwei Insolvenzen hingelegt. Sachsen befindet sich noch in Insolvenz, also es geht nicht. Und es ist ja eigentlich in Deutschland, Leipzig eine solche Fußballtradition, der DFB wurde hier gegründet, es geht nur über einen Großsponsor oder so. Ohne Geld geht sowieso nichts. Und tatsächlich fällt es schwer, auf der Straße oder im Stadion Stimmen einzufangen, die der neuen Zeitrechnung im Leipziger Fußballsport - auch vor einem Mikrophon - so gar nichts abgewinnen können. Für viele überwiegen die Vorteile dieses kommerziellen Engagements: O-Ton Fan FC Sachsen Leipzig Ich bin leidenschaftlicher Chemie-Fan, aber, hatte Angst vor dieser Saison, fünfte Liga, zwei Vereine Fünfte Liga, das war die Situation in Leipzig. Mit Red Bull, denke ich mal, haben wir eine Chance. Tradition hin, Tradition her, ich habe keine Lust in zehn Jahren immer noch fünfte Liga zu gucken. Dennoch wurde die erste Begegnung der beiden Clubs, FC Sachsen Leipzig und RB-Leipzig am ersten Sonntag im September doch vorsichtshalber in das große Leipziger Zentralstadion verlegt. Am Ende blieb die Partie, aus der der Markranstädter Tabellenführer RB Leipzig siegreich hervor ging, friedlich. Die Fans sahen ein gutes Spiel. Beschimpfungen und andere Ausfälligkeiten gegenüber den in Rot-Weiß spielenden Kickern blieben aus. Experten warnen dennoch vor einer Hooligan-Allianz, die sich bilden könnte, im Kampf gegen den Newcomer, der die Erfolgsgeschichte der westdeutschen TSG Hoffenheim in Ostdeutschland wiederholen möchte. Die Sorge ist, dass die gewaltbereiten Anhänger der lokalen Rivalen, FC Sachsen Leipzig und Lok Leipzig ihre abgrundtiefe Feindschaft überwinden und sich im Kampf gegen den neureichen Emporkömmling verbünden könnten. Hinzu kommt, dass die rechtsextreme NPD das Thema aufgegriffen und für sich entdeckt hat. In einer Pressemitteilung blies sie unlängst zum Kampf gegen den Kommerz im Leipziger Fußball. Welche Auswirkungen solch ein politisches Engagement haben könnte ist noch ungewiss. Die Stadt Leipzig jedenfalls ist fest entschlossen sich Randale unzufriedener, frustrierter und gewaltbereiter Fans nicht bieten zu lassen. Leipzigs Sportbürgermeister Heiko Rosenthal: O-Ton Heiko Rosenthal, Sportbürgermeister Leipzig, Die Linke Das wird die Stadt, das wird die Stadtgesellschaft nicht dulden. Wir werden uns dem Sport verpflichten, wir werden allen drei potentiellen Kandidaten natürlich alle Türen öffnen, damit sich sich positiv erfolgreich entwickeln können. Doch bis dahin scheint es noch ein weiter Weg zu sein. Mitte Juni, unmittelbar nach der Vereinsneugründung des "Rasen Ballsport Leipzig e.V." hatten Unbekannte größere Mengen eines Unkrautvernichtungsmittels auf dem Spielfeld in Markranstädt verteilt, um eine Unbespielbarkeit des Platzes herbeizuführen. Inzwischen schützen Sicherheitskräfte den Platz. Die Schuldigen wurden nicht gefunden. Beim letzten Lokalderby des FC Sachsen Leipzig gegen Lok Leipzig war kürzlich auf den Rängen auf einem Banner zu lesen: "Vereint gegen die Sache - Getrennt in den Farben". Die ohnmächtige Wut ist vor allem beim Aufsteiger Lok Leipzig spürbar, der sich um den gerade begonnenen eigenen Aufstieg betrogen sieht. Hinzu kommt, dass die kleinen Vereine es sich finanziell kaum auf Dauer werden leisten können, im teuren aber schicken Leipziger Zentralstadion anzutreten. Sicherheit hin, Sicherheit her. Bereits 2010 soll Rasenball Leipzig hier dauerhaft spielen, erzählt Iris Rackwitz von der Betreibergesellschaft des Leipziger Stadions, dass dem schillernden Unternehmer Michael Kölmel gehört: Atmo Zentralstadion darüber O-Ton Iris Rackwitz, Eventmanagerin Sportforum Leipzig Ja, also wir haben die Haupteinfahrt ins Stadion, den Haupttunnel, einfahrt für die Spieler genauso wie für die VIPs, die Presse geht da lang, fahren mit den Aufzug hoch in die Siebente, die VIPs gehen da lang,.... Gewaltige Säulen tragen die Last des neuen Stadions, das elegant mit dem Hauptgebäude des alten Leipziger "Stadions der 100.000" verbunden wurde. Am Fuße der abschüssigen Einfahrt führt ein kleiner Tunnel aus Plexiglas auf das grasgrüne gepflegte Spielfeld: O-Ton Iris Rackwitz Ja, hier kommen wir gerade in die Mixed Zoone, hier kommen aus beiden Garderoben hüben und drüben die Mannschaften und laufen durch den Spielertunnel hier gleich zum Feld, zum Rasen hin. Eine sehr schöne Geschichte, wenn wir jetzt hier so durchgehen dann die Atmosphäre mal zu sehen, zu erleben, wie ein Spieler hier rauskommt und was er dann sieht. Über dem Westtor vis-a-vis des Spielertunnels liegt die La-O-La- Welle, blaue und blau-grüne Sitzschalen in welliger Anordnung auf den Tribünenstufen verteilt. Dynamisch und doch nicht schreiend in den Farben liegt das nach den WM-Anforderungen gebaute Stadion in der Mittagshitze. 43.000 Plätze hat die privat betriebene Arena, die nun sehnsüchtig auf ihre neue Bestimmung wartet. Red Bull hat sich die Namensrechte schon gesichert bis 2030 heißt es: O-Ton Iris Rackwitz Das bedeutet, dass es so jungfräulich und leer, wenn auch architektonisch sehr schön vor uns liegt. Sie sehen keinerlei Werbung auch keine Namensrechte, noch nicht "gebraendet", also es start quasi am Start in der Situation. Nun hofft die Betreibergesellschaft, schon in der nächsten Saison auf Dauerbetrieb schalten zu können, mit Rasenballsport Leipzig. Und auch die Stadt hat große Erwartungen an das Gesamtprojekt. Sportbürgermeister Heiko Rosenthal: O-Ton Heiko Rosenthal, Sportbürgermeister Leipzig Also für eine Stadt wie Leipzig mit der Größenordnung größte ostdeutsche Stadt nach Berlin, ist es zwangsläufig immer das Ziel auch eine Mannschaft in den Stadtgrenzen beheimatet zu haben, die in der ersten oder zweiten Fußball-Bundesliga mitspielt, das ist eine Imagefrage, das ist ein Imagefaktor, ein Wirtschaftsfaktor da sind viele viel andere Aspekte damit verbunden. Insofern ist ein solcher Verein ganz ganz wichtig! Das Ziel ist ehrgeizig, am Gründungsort des Deutschen Fußballbundes soll schon bald wieder erstklassiger Fußball gespielt werden. Wenn alles klappt.... Doch zunächst muss Trainer Tino Vogel alles daran setzen, seine Mannschaft mit den zahlreichen Neuzugängen zusammenzuschweißen. Vogel, Sohn des 74fachen DDR- Nationalspielers Eberhard Vogel der als weitgehend unerfahren im Profi-Fußball gilt, hat zur Überraschung vieler Fußballkenner den Auftrag bekommen, die Mannschaft als Coach auf Erfolgskurs zu trimmen: O-Ton Tino Vogel, Coach RB Leipzig Wir wollen nicht nur langen Hafer spielen und dann mal gucken, was der liebe Gott noch zuzusetzen hat, sondern wir wollen natürlich und fußballerisch erheblich steigern und gerade über die Flügel auch zum Erfolg kommen. Zuspielung Atmo Training Noch hapert es manchmal an der wortlosen Kommunikation auf dem Spielfeld. Die Feinabstimmung zwischen Sturm und Verteidigung ist ausbaufähig. Das sei ganz normal, sagt Ex- Nationalspieler und RB-Leipzig Mannschaftskapitän Ingo Hertzsch: O-Ton Ingo Hertzsch, Mannschaftskapitän RB Leipzig Also es braucht seine Zeit, bis alles funktioniert. Ich denke viele müssen erst mit der Oberliga klar kommen und das braucht auch seine Zeit. Der Kapitän verhehlt nicht, dass die gereizte Atmosphäre der Leipziger Fan-Landschaft und die öffentlichen Hasstiraden nicht spurlos an der Mannschaft vorüber gehen. Er selber erfahre weitgehend Unterstützung und Ermutigung für den eingeschlagenen Weg, sagt der Kapitän. O-Ton Ingo Hertzsch. Kapitän RB Leipzig Angegangen hat mich bis jetzt noch keiner, Zuspruch habe ich erfahren, einige sagen, ja, lasst Euch nicht beirren, macht weiter so, es ist gut für die Stadt und die Region, es ist eigentlich positiv auch. Zu mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Newcomer rät daher auch Peter Schur der Fanbeauftragte des FC Sachsen Leipzig. Stadt und Region seien groß genug für drei Fußballclubs und: O-Ton Peter Schur, FC Sachsen Leipzig Ich sage kann einfach, die sollen ihr Ding machen, die sollen aufsteigen von mir aus auch in die erste Bundesliga. Ob es ganz so einfach ist wie in Österreich wird sich zeigen. In Deutschland ist Fußball doch ein wenig anders. Ich wünsche Ihnen viel Glück, mehr kann ich dazu nicht sagen. ENDE 1