COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. DLR Kultur "Nachspiel" Chance für freie Berichterstattung? Medien und Pressefreiheit in China am Vorabend der Olympischen Spiele Autor: Günter Herkel Als China vor sieben Jahren den Zuschlag für die Spiele bekam, geschah dies unter auch unter der Auflage, die Lage der Pressefreiheit und der Menschenrechte deutlich zu verbessern. Aus Sicht der kritischen Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen hat sich seitdem jedoch wenig zum Positiven entwickelt. Sprecherin Katrin Evers: Take 1 (0:20) Evers: Und das kritisiert Reporter ohne Grenzen natürlich auf das Schärfste, dass China im Grunde damit durchkommt, seine Zusagen nicht einzuhalten und trotzdem aber denkt, erfolgreiche Spiele stattfinden lassen zu können, während immer noch Zensur herrscht, während immer noch rund 80 Journalisten und Internet-Dissidenten hinter Gittern sitzen, und während auch ausländische Medien nicht frei berichten können. Dabei gab es nach dem chinesischen PR-Desaster um die Tibetunruhen im Frühjahr durchaus kurzfristig Anlass zu Hoffnung. Bei der Berichterstattung um das große Erdbeben im Frühjahr etwa reagierten die Behörden mit ungewohnter Liberalität. Und gemessen an den repressiven Arbeitsbedingungen früherer Jahre registrieren chinesische Journalisten sehr wohl positive Veränderungen. Take 2 (0:10) Li Wenkai Es sei eine Reihe von Regularien in Kraft getreten, die mehr Freiraum für die Medien ermöglichen, berichtete unlängst Li Wenkai, Leiter der Kommentarabteilung des "Southern Metropolitan Daily" in Guangzhou, bei einem China-Symposium der Heinrich-Böll-Stiftung. Neue Richtlinien würden Medien und Bürgern zum Beispiel ein verbessertes Auskunftsrecht bei staatlichen und lokalen Behörden einräumen. Andererseits gebe es immer noch klare Stopp-Schilder für die Berichterstattung. Dazu gehörten Tibet und Taiwan sowie militärische und religiöse Fragen. Auch das Privatleben von Politikern sei Tabu. Zensur und Selbstzensur gehören nach wie vor zum Alltag journalistischer Arbeit in China. Gelegentlich kommen Behörden und Redaktionsleitungen auch mit anderen Mitteln zum Ziel. Take 3 (0: 20) Fischer: Der China News Daily, die Redaktion hatte versucht, die Erfolgsbeteiligung der Journalisten an ein Punktesystem zu knüpfen. Je höher die Ebene einer positiven Begutachtung, also wenn die oberste Parteiebene gesagt hat: Diesen Artikel fanden wir toll, dann sollte es eben die höchste Punktzahl geben... Sagt Doris Fischer, Wirtschaftswissenschaftlerin am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik und China-Expertin. Prämien für politische Korrektheit - eine wahrlich originelle Motivationsstrategie. Auch für ausländische Korrespondenten hat sich durch die Olympischen Spiele die Situation nicht grundsätzlich verbessert. Reporter-ohne-Grenzen- Sprecherin Katrin Evers: Take 4 (0:20) Evers: Die Regeln, die zu Anfang 2007 erlassen wurden und bis Oktober 2008 gelten sollen, die Erleichterungen, die sind in der Tat kaum zu spüren vor Ort. Der Club der ausländischen Presse in Peking hat zahlreiche Einschränkungen für ausländische Journalisten nach wie vor festgestellt. Sie können sich nicht frei bewegen. ARD-Dopingexperte und Sportreporter Hajo Seppelt kann davon ein Lied singen. Von 100 Interviewanfragen, so seine Erfahrung, würden 95 in der Regel ohne Begründung abgelehnt. Take 5 (0:22) Seppelt: Es ist nämlich so, dass im Gegensatz zu den Regularien, die ab 1.1. 2007 für die angeblich freie Berichterstattung von Journalisten in China gegolten haben, jetzt plötzlich davon die Rede ist, dass man beim Visaantrag angeben muss, welche Interviewpartner man hat und wann man sie interviewt und wo man sie interviewt. Und das ist aus meiner Sicht eher eine Verschärfung. Entsprechende Erfahrungen machte auch das ZDF bereits einige Wochen vor Beginn der Spiele. Eine genehmigte Live-Übertragung an der Großen Mauer wurde sogar von Sicherheitskräften rüde unterbrochen. So weit, so schlecht. Und was ist mit dem Internet, mit Blogs, mit digitalen Medien, die die staatliche Zensur unterlaufen können? Take 6 (0:05) Zhan Jiang: Das Internet und die Blogger spielen inzwischen zunehmend eine wichtige Rolle, urteilt Zhan Jiang, Professor für vergleichende Journalismustheorien an der Jugend-Universität Peking. Manche behaupteten sogar, das Internet sei die eigentliche chinesische Opposition. Eine Opposition, deren Wirksamkeit jedoch einstweilen noch begrenzt ist. Der Zugriff auf Online-Videos zum Beispiel wurde vom Pekinger Informationsministerium erst kürzlich drastisch eingeschränkt. Webseiten, die Filme und Videos enthalten, dürfen nur noch von staatlich kontrollierten Firmen betrieben werden. Die Betreiber solcher Dienste, so heißt es laut amtlicher Verordnung, müssten dem Volk und dem Sozialismus dienen. Angesichts solcher Verhältnisse rief Reporter ohne Grenzen die Staats- und Regierungschefs sowie die Repräsentanten der Königshäuser auf, die Eröffnungsfeier zu boykottieren. Diese Politik der "leeren Stühle" funktionierte nur teilweise. Bundeskanzlerin Angela Merkel blieb zu Hause. Andere wie etwa der scheidende US-Präsident Bush oder auch Frankreichs Präsident Sarkozy folgten dagegen der Einladung. Für Reporter ohne Grenzen ist jetzt vor allem das Internationale Olympische Komitee in der Pflicht, bei den chinesischen Autoritäten die Einhaltung der Olympischen Charta einzufordern. Take 7 (0:20) Evers: ... die eigene Olympische Charta, die besagt, dass die Spiele im Einklang stehen sollen mit einer Gesellschaft, die die Menschenwürde respektiert, die zum anderen aber auch zusagt, dass Journalisten frei berichten können. Wenn das IOC nur darum kümmern würde, dass diese Sachen eingehalten werden, dann wären wir schon n großen Schritt weiter, da passiert aber nichts. Athen im Sommer 2008. Die griechische Metropole stöhnt unter der Hitze. 36 Grad im Schatten. Wie immer sind die Straßen verstopft. Die Fußgänger quälen sich durch den Stau. Athen ist eine der am dichtesten besiedelten Städte Europas. Jedem Einwohner stehen nur 2 Quadratmeter Grünfläche zur Verfügung, im Vergleich dazu hat jeder Berliner 24 Quadratmeter. Kein Wunder also, dass Bezirksrat Christos Vlacho seinen Traum von einem Metropolenpark auf dem alten Athener Flughafen Hellinikon nicht so einfach aufgeben will. Und zwar auf dem Gelände, auf dem während der Olympischen Spiele 2004 gleich mehrere Sportarten ausgetragen wurden. Wie z. B. Baseball und Basketball. Aber auch Kanu-Kajak. Die damals moderne Anlage verwittert langsam. Hohe Metallzäune halten Besucher fern. Entlang der Absperrungen stapelt sich der Müll. Christos Vlacho ärgert das. O-Ton1 Vlacho sec. 0.40 (Voice over Sprecher 1) All diese Stadien die sie hier sehen, kann man nicht so einfach abreißen, die meisten stehen leer und werden nicht genutzt. Nur der Baseballplatz wurde umgebaut, da spielt jetzt der Athener Fußballclub Ethinikos. Die Basketballhalle da drüben wird vom Panionos Basketballclub benutzt. Aber der Rest, das Hockeyfeld und die Softballarena, sind einfach sich selbst überlassen. 500 Hektar umfasst das alte Flughafengelände. Athen braucht hier einen Park und nichts anderes. Autorin 2 Ein Konsortium hat den Zuschlag für einen Wasserpark erhalten. Doch passiert ist bislang nichts. Und so drängt auch der Bürgermeister der Gemeinde Helikon?, Christos Kotzidis, die Regierung endlich ihr Versprechen für den angeblich größten Park Europas einzulösen. Die hat aber inzwischen ganz andere Pläne. Sie will die rund 100 Hektar des direkt am Meer gelegenen innerstädtischen Filetgrundstücks bebauen, um attraktiven Wohnraum für rund 20.000 Einwohner zu schaffen. O-Ton2 Kotzidis sec. 0.31 Sprecher 2 Wir sind gegen diesen Bebauungsplan der Regierung. Diese Wohnparks und Einkaufzentren sind quasi eine neue Stadt in der Stadt auf dem alten Flughafengelände. Dagegen werden wir uns entschieden wehren. Wir wollen einen Metropolenpark mit den bestehenden olympischen Sportanlagen, die dann auch für Wettkämpfe weiter genutzt werden sollten. Wir wollen ein Naherholungsgebiet für die Athener. Autorin 3 Dem hält der griechische Regierungssprecher Evangelos Antonaros entgegen. O-Ton 3 Regierungssprecher Antonaros (dt.) sec. 0.30 Diese Forderungen sind unrealistisch. Da wird der Staat nicht nachgeben. Durch den Bau wird der Park finanziert. Einen Park kann man nicht einfach so hinstellen und seinem Schicksal überlassen. Die Pflege eines solch` großen Parks kostet immer viel Geld, deshalb muss es Einnahmen geben. Deshalb ist es auch wichtig gewesen, diese Anlagen richtig zu vermarkten. Autorin 4 Eines muss Regierungssprecher Antonaros allerdings einräumen: O-Ton 4 Regierungssprecher Antonaros (dt.) sec. 0.14 Was es im Moment gibt, ist unschön. Das Gelände ist verwahrlost und verlassen. Das ist ein alter Flughafen, den niemand haben will. Alte graue verlassene Betonbauten. Atmo 2: Segelschlagen, Segel aufziehen Autorin 5 Ein paar Kilometer weiter die Küste entlang - im Faliron Delta: Die 15-jährige Australierin Jessica Stevens zieht die Segel an ihrem Boot hoch. Sie nimmt an der Segel-Weltmeisterschaft der 420er Klasse in Athen teil. O-Ton 5 Jessica Stevens sec. 0.17 (mit voice over Autorin) Die Anlage ist gut, aber hier schwimmt jede Menge Müll rum. Das würde es in Australien so nicht geben. Und es gibt nicht genug Schatten hier. Trotzdem: der Wettkampf ist sehr gut organisiert. Autorin 6 Veranstalter der Weltmeisterschaft war der ortsansässige Segelverband. Dem wurde die olympische Trainingsstrecke von 2004 zwar überlassen, bislang aber nicht offiziell übergeben. Bei der WM fanden hier zum ersten Mal seit vier Jahren wieder Regatten statt. Die lange Flaute ärgert Organisatorin Niki Anastasiou sehr. O-Ton 6 Niki Anastasiou ( mit Voice over Autorin) sec. 0.30 Als wir vor drei Monaten angefangen haben die WM zu organisieren und alles in Ordnung zu bringen, war die Anlage in einem katastrophalen Zustand. Das ist eine phantastische Anlage, auf der unbedingt große Wettkämpfe stattfinden müssen. Aber wenn ihnen etwas nicht gehört, was können sie da machen? Wir versuchen aber mit vereinten Kräften, alles in den Griff zu bekommen. Immerhin: einige Wettkampfstätten werden also langsam wieder auf Vordermann gebracht. Athen profitiert aber auch von den Olympischen Spielen. Seit vier Jahren hat die Stadt endlich eine vernünftige Infrastruktur. So wurde z. B. das U-Bahn Netz ausgebaut und modernisiert. Atmo Metro Autorin 7 Syntagma - die Metrostation im Herzen Athens. Von hier aus fährt die Linie 2 in die unmittelbare Nähe der früheren Badmintonhalle, heute Spielstätte der ersten Athener Musicalproduktion. Atmo Tiger Lillies Song Autorin 8 Gerade probt hier die englische Gruppe Tiger Lillies für ihre neue Show. Die Idee, große Musicals nach Athen zu bringen, hatte Michael Adams, ein in Amerika aufgewachsener Grieche. Er hat so erfolgreiche Produktionen wie Cats und Mama Mia in die griechische Hauptstadt geholt. Mit Erfolg. Seit der Eröffnung der Musicalhalle 2007 haben rund 400.000 Athener die Aufführungen besucht. Adams hat eine echte Marktlücke in Griechenland geschlossen. O-Ton 7 Michael Adam sec. 0.33 Sprecher 3 Schon am ersten Tag der Olympischen Spiele habe ich mir diese Halle angeschaut, nicht weil ich Badminton sehen wollte, ich habe überhaupt keine Ahnung von diesem Sport. Nein, ich war von Anfang begeistert von diesem Ort. Tja und so hatten wir die Nase einfach vorn und waren die Favoriten bei der Ausschreibung. Wir haben dann durch unsere Cats Aufführung gezeigt, dass wir etwas auf die Beine stellen können. Aber das Wichtigste ist, wir haben genau den Nerv der Leute mit unseren Produktionen getroffen. Autorin 9: Trotzdem: vier Jahre nach den Olympischen Spielen in Athen werden nur sechs der 15 Wettkampfstätten sportlich oder anderweitig genutzt. Thomas Weber - Sportpfarrer in Peking Von Gerd Michalek für DR-Olympia-Magazin am 10.8.08 Anmoderationsvorschlag: Was macht ein Pfarrer bei den Olympischen Spielen in Peking? Thomas Weber ist Sportpfarrer des deutschen Teams und (seit 3. August) vor Ort. Ein Portrait unseres Reporters Gerd Michalek. Atmo 1: Blättern in der Bibel Als sie aber das hörten, ging es ihnen durchs Herz. Und sie sprachen zu Petrus und den anderen Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder - was sollen wir tun? (..) Liebe Gemeinde, wenn ich den Text aus der Apostelgeschichte lese, werde ich neidisch: (dann leise dem Sprechertext unterlegt): Petrus ergreift das Wort, die Menschen, die ihm zuhören, sind betroffen.... Thomas Weber steht auf der Kanzel in seiner Heimatgemeinde Gevelsberg, einer Kleinstadt nahe Wuppertal. Der schlanke Mann mit kurzem grauen Haar und zwei Meter Körperlänge wirkt nicht nur sportlich, er ist es auch: O-Ton 2 Ich war gut in der Schule, im Schulsport, habe dann sehr gerne Handball gespielt und Tennis. Im fortgeschrittenen Alter von 48 Jahren fahre ich im Sommer gerne Fahrrad, jogge und spiele nach wie vor gerne Tennis und im Winter fahre ich Ski. Und merke auch, wie Sport mir und meinem Körper gut tut, wie ich auf andere Gedanken komme, wie ich abschalten kann und mir Dinge, die anstehen, in aller Ruhe durch den Kopf gehen lasse an der frischen Luft. Thomas Weber arbeitet als Sportpfarrer in China. Zu Peking hat er sich schon lange vor den Olympischen Spielen seine Gedanken gemacht. Im März, als es in Tibet zu Ausschreitungen kam, fragte man ihn, ob er für einen Boykott der Spiele sei? O-Ton 3 Der Sport kann nicht die Probleme bewältigen, die die Politik und die Wirtschaft nicht unter die Füße kriegen. Man erwartet sehr viel vom Sport im Vorfeld der Olympischen Spiele. Und ich bin der Meinung, dass ein Olympiaboykott der Sache nicht dienlich ist, denn gerade, so erlebe ich das bei den großen sportlichen Veranstaltungen, durch das Aufeinanderzugehen der Teilnehmer und Teilnehmer - es ist ja wirklich eine internationale Gemeinschaft - und viele Sportler verstehen sich prächtig mit den Konkurrenten aus anderen Ländern. Dieses Aufeinanderzugehen kann etwas bewirkt werden, dadurch dass man sich kennen lernt, dadurch, dass man Kontakt hat. Wenn die Olympischen Spiele stattfinden unter dem Gedanken, dass sich die Welt trifft auf der Plattform des Sports, dann kann das mehr bewirken, als zu sagen: "Wir boykottieren die Spiele." Der Gevelsberger Pfarrer ist eher ein Mann der leisen Töne - ein guter Zuhörer: O-Ton 4 Und viele Gespräche bei solchen Großveranstaltungen ergeben sich über Gott und die Welt auf den Fahrten zu den Trainings- und Wettkampfstätten, bei den gemeinsamen Mahlzeiten. Wenn man abends zusammensitzt in gemütlicher Runde, dann werden solche Fragen gestellt: "Warum bist du, warum sind Sie überhaupt Pfarrer geworden? Welche Funktion hat ein Pfarrer? Ich habe mit der Kirche gar nichts zu tun. Können Sie nicht mal bisschen erzählen? Gibt es wirklich Gott? Welche Rolle hat die Kirche in der Gesellschaft heutzutage? Hilft mir Gott, mein Leben zu bestehen? Und es ist nicht so, dass die Menschen in ein eventuell vorhandenes Seelsorge-Zimmer kommen, um mit den Sportpfarrern Kontakt aufzunehmen. Auch Ausnahmesituationen kann es immer geben - weiß Weber aus der Vergangenheit: O-Ton 5 Das war eine Begebenheit bei der Universiade in Bangkok, da bekam ein Team-Mitglied plötzlich die Nachricht aus der Heimat, dass sein Vater verstorben sei. Der Athlet war natürlich total aufgelöst und stand unter Schock, und wir Sportpfarrer wurden von der Teamleitung gebeten, den Sportler zu betreuen. Der Gevelsberger Pfarrer bringt für seine sportbezogene Arbeit in Peking viel Erfahrung mit: Er gehört seit einigen Jahren dem Arbeitskreis "Kirche und Sport" der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) an. Der Rat der EKD gab ihm schon dreimal den Auftrag, als Sportpfarrer an Universiaden - also Studen- ten-Weltmeisterschaften - teilzunehmen. Im Jahr 2006 war er erstmals bei Olympischen Winterspielen in Turin dabei. Das wirkte nachhaltig auf ihn: O-Ton 6 Für mich war Turin auch ein Blick hinter die Kulissen. Und ich habe gemerkt, dass die, die vor den Kulissen stehen, sich mit den Problemen des Lebens beschäftigen müssen, die jedes normale Gemeindeglied auch vor sich herträgt und bewältigen muss. Sei es, dass da gefragt wird, wie geht es mit mir zukünftig weiter, wenn ich im Sport keine Perspektive mehr sehe? Was sollte sein, wenn ich krank werde? Wie steht es um meine Familie? Wie sieht es mit den alt gewordenen Eltern aus, um die ich mich kümmern muss? Und so kommen viele Fragen selbst bei solchen Großereignissen auf, die sich zwangsläufig ergeben und von denen ich den Eindruck habe, dass es genau dieselben Fragen sind, die auch von den Gemeindemitgliedern in Gevelsberg gestellt werden. Gegenüber der normalen Gemeindearbeit fällt Thomas Weber jedoch ein Unterschied auf, wenn er sich unter Hochleistungs- sportler begibt: Athleten und Trainer stehen ständig unter höchstem Leistungsdruck. Den können Seelsorger zwar nicht beseitigen, doch wirken sie immerhin entlastend: O-Ton 7 Ich habe von zahlreichen Team-Mitgliedern in Turin gehört, dass sie es ganz wichtig finden, dass zur Mannschaft auch Menschen gehören, mit denen man, in Anführungsstrichen, ganz normal sprechen kann, ohne dass es am nächsten Tag in der Zeitung steht. Auf seine Schweigepflicht als Theologe können die Sportler bauen. Wie sehr Athleten und Trainern mitunter die Nerven blank liegen, bekam Weber hautnah bei den Spielen in Turin mit: Während einer Busfahrt saß neben ihm eine ausländische Wintersportlerin, die gerade einen vierten Platz erzielt hatte, nur einen Wimpernschlag hinter der Dritten. O-Ton 8 Der Trainer sie dann anfaucht und sagt: "Du bist aber nur Vierte geworden. Wie kannst du damit zufrieden sein? Ich habe keine Lust mit Leuten zu arbeiten, die sich mit dem 15. Platz zufrieden geben." Da sagt die junge Frau: "Wer redet vom 15. Platz!" Und sie guckt ihren Trainer an und da brach es aus ihr heraus und sie sagt: "Von klein auf kriegen wir eingetrichtert, du musst gewinnen, gewinnen und schon Zweiter oder Dritter zu sein gilt als Niederlage." Als ich sie nachher beobachtet habe, wie sie beide aus dem Bus ausgestiegen sind und getrennte Wege gingen zu ihrem Mannschaftsquartier, habe ich mich gefragt: Unter welchem Druck hat der Trainer gestanden, unter welchem Druck hat die junge die Athleten gestanden? Und ist das nicht auch ein Spiegelbild für unsere Gesellschaft, dass erwartet wird: "Du musst der erste sein, du musst ganz oben sein! Ist das nicht genauso, wie wenn Eltern von Kindern erwarten: "Du musst in der Schule ganz oben sein!" In Peking wird Pfarrer Weber nicht nur wie sein katholischer Kollege Hans-Gerd Schütt im Olympischen Dorf Gottesdienste abhalten. Er wird sich, sofern es seine Zeit erlaubt, auch Land und Leute anschauen: O-Ton 9 Ich bin vorher noch nie in China gewesen und in Peking gewesen. Mir vorzustellen, dass jeder fünfte Weltbewohner ein Chinese ist, das übersteigt eigentlich schon unsere Vorstellungskraft. Länge: rund 6:49 Minuten 11