COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Ländersache Kultur (9b) Die Kulturpolitik der Bundesländer Sachsen Autorin Altmann, Claudia Redaktion Stucke, Julius Regie Wigger, Friederike Sprecherin Prelle, Uta Sendung 04.05.12 - 13.07 Uhr - M A N U S K R I P T B E I T R A G - Sachsens Kultur- und Kunstleuchttürme strahlen in die ganze Welt. Der Feinsinn eines August des Starken hat Dresden nicht von ungefähr den Beinamen Elbflorenz beschert. Der Zwinger mit Gemäldegalerie, das Grüne Gewölbe und das Albertinum locken Touristen aus der ganzen Welt. In der Gründerzeit gönnten sich wohlhabende Bürger Theater und Museen, die bis heute Zentren von Bildung und Schöngeist sind - auch in Gegenden abseits der Metropole. Seit 1994 verfügt Sachsen - als einziges Bundesland - über ein Kulturfachgesetz: Es teilt die Kulturlandschaft in acht so genannte Kulturräume auf. Dazu gehören die Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz sowie fünf ländliche Räume. Es macht Kultur zur Pflichtaufgabe der Kommunen. (Schorlemer) Der Staat setzt auf die kommunale Eigenverantwortung, auf die kommunale Selbstverwaltung der Träger. Sie entscheiden in eigener Verantwortung, beraten von Fachbeiräten und Experten. Das Interessante daran ist auch die Hebelwirkung. Der Freistaat finanziert im Verhältnis 2:1. Das heißt auch vor Ort: Die Landkreise werden Kulturumlagen festsetzen in eigener Höhe und entsprechend finanziert der Freistaat dann zusätzlich. Es besteht also auch ein Anreiz, kulturelle Projekte durchzuführen. Laut Kunstministerin Sabine von Schorlemer fließen jährlich 86,4 Millionen Euro aus der Staatskasse in die Kulturräume. Einige Kultureinrichtungen finanziert der Freistaat direkt: Dresdens Semperoper mit der Staatskapelle, das Staatsschauspiel, die Landesstelle für Museumswesen, die Sächsische Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Insgesamt gibt Sachsen, so Sabine von Schorlemer, jährlich 177 Euro pro Kopf für Kultur aus und liegt damit unter den Flächenländern an der Spitze. Dass Kulturförderung als Staatsziel in der Verfassung verankert ist, verleiht dem Ressort mehr Gewicht, wenn es ums Geld geht. (Schöbel) Ich denke, dass in Sachsen sehr verantwortlich umgegangen wird mit dem hohen Gut der kulturellen und künstlerischen Institutionen, wenn man das im Vergleich sieht auch zu anderen Bundesländern. Trotzdem, als Künstler überwiegen natürlich die Fragen und die Forderungen, die man stellt, gegenüber der ewigen Lobhudelei für das Erreichte. Manuel Schöbel, Intendant der Landesbühnen Sachsen, mit Sitz in Radebeul bei Dresden, steht gerade vor Umstrukturierungen - eine Folge knapper Kassen. Bisher vom Land finanziert, wurde die Einrichtung in kommunale Verantwortung überführt. Schauspiel, Musiktheater, Ballett und Konzert werden in eine private Rechtsform umgewandelt. Das Orchester wird ausgegliedert. Zwei Drittel der Radebeuler Musiker werden entlassen. Die Deutsche Orchestervereinigung befürchtet, dass sich das musikalische Angebot halbieren wird. Landesbühnen- Intendant Schöbel will dennoch das Beste daraus machen - damit Kultur auch im ländlichen Raum erhalten bleibt. ... weil wir hier in Sachsen nicht davon ausgehen, dass die Leute sich irgendwie ins Auto setzen oder in die Bahn und da hinfahren, wo die Kunst auf sie wartet, sondern dass es im Sinne der Kunst ist, bei den Menschen zu sein, sich dort zu orientieren, in Verbindung zu stehen. Es ist was völlig anderes, um beim Theater zu bleiben, wenn die Leute aus der Stadt ihre Schauspieler, ihre Sänger kennen, wenn sie denen beim Bäcker begegnen können , wenn sie die tagtäglich im Lokalteil der Zeitung abgebildet sehen. Dann kann eine Verbindung entstehen, die mehr Wert enthält, die mehr bedeutet, als einfach nur eine Verabredung zum Kauf einer Karte. Aber die Strukturumwandlung bedeutet auch, dass weniger Geld für die Theater bleibt. Das bekommt unter anderem das Gerhardt-Hauptmann-Theater in Zittau zu spüren. Die 28.000-Einwohner-Stadt liegt im äußersten südöstlichen Zipfel des Freistaates, im Dreiländereck mit Polen und Tschechien. Im vergangenen Jahr kamen 80.000 Zuschauer - Rekordspielzeit seit der Wende. Intendant Carsten Knödler hält große Stücke auf das Kulturraumgesetz, weil es Planbarkeit garantiert. Aber die derzeitigen Einschnitte machen vielen Theatern sehr zu schaffen. Die klingen dann gar nicht so viel. Es geht um ein paar Hunderttausend Euro. Vielleicht in so Gesamthaushalten klingt das jetzt nicht so bedeutend. Das ist aber fatal, weil 90 Prozent der Kosten an Theatern sind Personalkosten. Das heißt, sie müssen planbar sein und wenn da plötzlich was wegfällt, bedeutet das für Theater, die schon seit längerer Zeit am, ja auch irgendwie an einem Minimum arbeiten, existenzielle Einschnitte. Die Fusion mit dem Theater Görlitz, Kürzungen und gerade in Kraft tretende Tariferhöhungen haben zur Folge, dass es in Zittau von den bisher zwölf Produktionen wohl nur noch die Hälfte geben wird. Das bedeutet 15 bis 20.000 Zuschauer weniger, keine Jugendarbeit mehr, keine Zusammenarbeit mit Partnern im benachbarten Polen und Tschechien. Also ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was die Politik gerade vorhat. Ich erlebe, dass diese Kulturlandschaft, auch diese Theaterlandschaft, die historisch gewachsen ist, nahezu mit Kalkül zerschlagen wird oder zerschlagen werden soll. Es vergeht kein Tag mehr, wo ich nicht lese, dass irgendein Theater kurz vor der Insolvenz steht oder Mitarbeiter in Größenordnungen entlassen muss. Und da muss man sich schon fragen, es geht unserm Land nicht unbedingt schlechter als vor zehn Jahren. Während Knödler sich fragt, was passiert, wenn es der Wirtschaft mal richtig schlecht geht, verweist Kunstministerin von Schorlemer auf die gesetzlich geregelte Verteilung der Zuständigkeiten. Es kann nicht wirklich einen Masterplan des Freistaates geben im Bezug auf Theater. Es ist Aufgabe der Kulturräume hier entsprechende Strukturentscheidungen und Förderkonzepte zu entwickeln. Das ist eine große Verantwortung und ich weiß, dass das nicht einfach ist, aber letztlich ist die Verantwortung vor Ort. Auch kein Allheilmittel, aber immerhin eine weitere Fördermöglichkeit bietet die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. 1994 ins Leben gerufen, fördert und berät sie und ist zugleich wichtiges Bindeglied zwischen Trägern, Akteuren und Politik. Stiftungspräsident Ulf Großmann sagt, er sei von der Kreativität und dem Ideenreichtum der Sachsen ebenso begeistert wie von der Vielfalt der traditionell fest verankerten Initiativen. Fast alle Anträge wären der Hilfe wert, wenn nur genug Geld da wäre. Also wir könnten gut und gerne in der jetzigen Situation das doppelte Volumen, von dem, was wir zurzeit zur Verfügung haben - also wir bekommen 2,4 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt aktuell - das doppelte Volumen zur Förderung einsetzen und hätten dabei ein wunderbares und gutes Gewissen. Als zentrales Förderinstrument des Freistaates unterstützt die Stiftung jährlich etwa 300 Projekte anteilig mit Summen zwischen 500 und 50.000 Euro. Hoch-, Breiten-, Laienkultur und Kulturindustrie, wie etwa Grafiker und Webdesigner, haben dabei den gleichen Stellenwert. Politiker und Abgeordnete muss Großmann nicht von den reichen Potentialen überzeugen, wohl aber zur Bereitstellung von mehr finanziellen Mitteln überreden. Er wünscht sich: ...dass man bereit ist, stärker den kulturellen Wandel, der sich ja permanent vollzieht, im Auge zu haben. Natürlich einerseits die institutionellen, tradierten Kultureinrichtungen so zu fördern, dass sie sich entwickeln können, dass sie ihre Angebote entwickeln können. Aber gleichzeitig eben auch den Blick auf die projektbezogene, projektgeförderte Kulturarbeit zu lenken und dieser Szene Luft zum Atmen zu geben. Ob das die Tanzszene ist, ob das die freien Theater sind, ob es die vielen vielen Chöre unterschiedlicher Genre und unterschiedlicher Qualitätsansprüche sind, das sei völlig dahingestellt. Sachsen kann sich ob seiner reichen kulturellen Vielfalt glücklich schätzen, aber die muss auch gepflegt und gehegt werden. Der Freistaat hat anerkanntermaßen gute Voraussetzungen für ein ausgewogenes Nebeneinander von Leuchttürmen und Basiskultur geschaffen. Dennoch sollte sich die Politik nicht auf Kreativität als Selbstläufer verlassen und durch Kürzungen den reich gedeckten Kulturtisch allmählich abräumen. - E N D E -