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Der hohe Lebensstandard. Die Saison beginnt schon Ostern und reicht bis in den November. Zu den Stammgästen zählt auch dieses Ehepaar aus Wiesbaden: O-TON (Gäste) Uns fasziniert die Landschaft, das Meer, das Klima. Ich hab es gerne etwas rau, das raue Klima gefällt mir und bekommt mir gut. Dann mag ich die Stadt. Wir sind immer in Westerland. Ich hab so ein bisschen Stadtnähe. Ich kann so ein bisschen Geschäfte gucken, einkaufen. Das ganze Flair gefällt mir sehr gut. Diese Mischung von Einsamkeit am Strand und Betrieb hier in der Stadt gefällt mir gut. Die Gastronomie oder das Ambiente, da, wo man hinfahren kann, Sansibar, Gosch nach List usw. Hörnum, wo die Schiffe abgehen. Wir sind 15 Jahre jetzt schon hier, aber jedes Jahr ist es so, dass es uns fasziniert. Hier waren jetzt 10 Tage nur Sonne, das war nicht mein Nordseewetter. Das war nicht das Wetter, das ich mir eigentlich wünsche, wenn ich an die Nordsee fahre oder auf Sylt fahre. Ich brauch schon ein bisschen Sturm, Wind, Wellen. Das gehört dazu. Ohne das ist Sylt nichts, ist die Nordsee nichts. SPRECHERIN Sylts großer Schatz ist die Natur. Viele finden, die Insel mit der kargen Dünen- und Heidelandschaft, eingefasst durch Nordsee und Watt, sei nicht nur das nördlichste, sondern auch das schönste Stückchen Deutschlands. Und das sagen nicht nur die Gäste, sondern auch manche Insulaner. Die gibt es nämlich auch. Noch. Circa 20.000 Sylter wohnen permanent auf der Insel, Tendenz eher abnehmend. Der Landschaftsfotograf Hans Jessel ist einer von ihnen. O-TON (Jessel) Wenn ich morgens aufsteh´ und an den Strand rübergeh´, dann ist dieser Moment, wo ich über die Dünen laufe, ein ganz besonderer, denn ich habe eine Landschaftsgucke, die -obwohl ich jetzt schon Zehntausende von Malen diesen Übergang benutzt habe, immer anders aussieht. Ich guck rüber, manchmal auf eine stille See, Ostwind, keine Welle ist da. Es spiegelt sich die Bewölkung, die Sonne geht auf oder unter, es sind unterschiedliche Stimmungen, es ist je nach Windstärke, Windrichtung, Bewölkung, Sonneneinfall, es ist ständig eine vollkommen andere Situation, die niemals gleich ist. SPRECHERIN Das klingt nach unberührter Natur. Aber spätestens im Sommer wird es eng auf Sylt, -dann muss man früh aufstehen und gut zu Fuß sein, um einsame Spaziergänge an dem 38km langen Weststrand genießen zu können. An manchen Tagen bevölkern bis zu 150.000 Menschen die Insel. Viele Einheimische verkriechen sich dann. Bei allem finanziellen Segen, den die Gäste mit sich bringen, herrscht inzwischen die Meinung vor, dass die Grenze der Belastbarkeit für die Insel erreicht sei. O-TON (Jessel) Auf der einen Seite müssen wir alle froh sein hier auf der Insel Sylt, dass wir diesen Tourismus haben, denn sonst könnten hier vielleicht 10% der Menschen leben. Auf der anderen Seite hat der Tourismus eine grenzwertige Situation erreicht. Das Verhältnis ist schon mal 1 zu 6 von Einwohnern zu Touristen, also es ist ein unglaubliches Gewühl. Ich geh den ganzen Sommer tagsüber nicht in die Stadt. Ich kaufe morgens punkt 8 Uhr ein und meide die Stadt tagsüber, weil es einfach zu viel ist. Das geht ganz Vielen so. SPRECHERIN Viele Sylter leben ausgezeichnet vom Tourismus. In der Westerländer Fußgängerzone reiht sich eine Boutique an die andere. Die Dichte der Schuhgeschäfte ist erstaunlich. Die Insel ist bekannt für ihre abwechslungsreiche Gastronomie und den persönlichen Service. Gute Restaurants, teure Weine. Kein Wunder, dass das deutsche Bürgertum hier gerne seinen gehobenen Lebensstil zelebriert. Nicht nur den Insulanern - auch diesen Syltbesuchern graust es angesichts der Pläne einiger Fluggesellschaften: mit Billigflügen Pauschaltouristen auf die Insel zu bringen. Hans Jessel wünscht sich jetzt schon ein Umdenken bei der Landesregierung. O-TON (Jessel) Die Belastung des Sommers, des langen, langen Sommers ist wirklich sehr, sehr hoch. Man sollte mehr drüber nachdenken, dass man es nicht immer noch steigert. - und die Entwicklung ist nicht unbedingt gut. Es war früher so, in den 60er und 70ern, dass die Landesregierung die Sylter eigentlich gebremst hat, auch mit Entwicklungsplänen, die man gemacht hat. Heute ist es genau umgekehrt. Da sagen wir hier auf der Insel, also reicht es nicht langsam mal, und die Landesregierung genehmigt das. SPRECHERIN Sylt ist eine gefährdete Schönheit. Während der Andrang auf die Insel unvermindert anhält, werden die Einheimischen weniger. Viele von ihnen können sich Sylt schlicht nicht mehr leisten. Weil so viele hier zumindest zeitweise wohnen möchten, sich hier ein Grundstück kaufen oder eine Eigentumswohnung erwerben, sind die Grundstückspreise völlig aus dem Ruder gelaufen. Für einen Wohnquadratmeter zahlt man in Kampen 25.000 - 35.000 Euro. Und die Preise werden gezahlt. In der Erinnerung ist Kampen für viele immer noch der Inbegriff der Schönen und Reichen, die die Insel in den 1960er und 70er Jahren zu ihrem Domizil gemacht haben. O-TON (von Bremen) Vor Ort war die entsprechende Presse, Axel Springer beispielsweise hatte ja dort seine Häuser und in der Zeit, wo die Sexualität revolutioniert wird durch die Pille, wir haben mit dem FKK Strand Buhne 16 den bekanntesten FKK Strand der Nation, Oswald Kolle schreibt sein Drehbuch für "Das Wunder der Liebe." Das ist natürlich eine unglaubliche Zeit gewesen. SPRECHERIN Die Autorin und Gästeführerin Silke von Bremen. O-TON (von Bremen) Wir haben die Gewinner des Wirtschaftswunders in Kampen, ob das nun Familie von Bohlen und Halbach ist -Krupp hatte ja vorher auch schon Geld, und und und. Die sind alle da und man trifft sich und das ist der Ruf, von dem Kampen heute noch zehrt. Wenn ich heute durch Kampen laufe, dann treffe ich eigentlich keine Promis. Kampen ist fast ein wenig langweilig, denn wir haben natürlich heute eine Situation, wer in Kampen ein Haus besitzt, muss schon sehr vermögend sein und diese Menschen gehen oft gar nicht in die Öffentlichkeit, sondern machen Urlaub hinter ihren Hecken. SPRECHERIN Und so trifft man in Kampens Cafés und Bars manchmal auf Menschen, die etwas zu suchen scheinen, dass es auf Sylt vielleicht nicht mehr gibt. Der ausgewiesene Sylt-Fan, Feuilletonist und Literaturkritiker Fritz J. Raddatz formuliert es so: ZITATOR Tatsächlich gibt es nach wie vor eine klischeesüchtige Klientel, Kreissparkassendirektoren mit zu grünen Jacken, zu blonden Zweitfrauen und zu roten (Leih-)wagen, die sich die Hälse verrenken -schon morgens beim Sekt- nach "Prominenz". Das ist, mag sein, auch Sylt. Mein Sylt liegt Lichtjahre entfernt; will sagen: beginnt ziemlich genau fünf Gehminuten von Kampens "Whiskymeile" entfernt. Als sei da ein Zaun gezogen mit dem Schild "Zutritt verboten" - so jäh einsam ist bereits der Weg zum und am Kampener Watt. Da umfängt den Spaziergänger eine geradezu bestürzende Stille. Anders als am meist brandungswütenden Meer herrscht hier zur "l´heure bleue" - je nach Jahreszeit mit unterschiedlichem Beginn: Mai und Juni erst spät, so um 19 Uhr herum, im September schon am Nachmittag- eine Art vielstimmiges Schweigen, dessen Wispern sich zusammensetzt aus dem Schirpen des Schilfs, dem schleifenden Flügelschlag der Möwen, dem Gunsken des auf dem Sand spielenden Wassers. SPRECHERIN Nicht nur Kampen, auch die anderen schönen Inselorte, Keitum oder Morsum sind zu über 50 Prozent in Fremdbesitz. Viele Einheimische würden gerne bleiben, aber die hohen Grundstückspreise machen es ihnen schwer, auf der Insel selber Eigentum zu erwerben. Und den, der etwas zu verkaufen hat, locken äußerst lukrative Angebote. Die Einwohnerzahl auf Sylt schrumpft aber auch, weil gerade viele junge Leute, zwar Arbeit auf der Insel finden, sich jedoch die teuren Mietpreise nicht leisten können. Viele, die auf Sylt arbeiten - ob Krankenschwestern, Lehrer, Kindergärtner, Verkäuferinnen ... müssen "zwischenfahren". Das heißt, sie arbeiten auf Sylt und wohnen auf dem Festland. Der Vorsteher der Gemeindevertretung Dirk Ipsen, kennt dieses Problem gut und reagiert etwas empfindlich: O-TON (Ipsen) Vordergründig impliziert das natürlich, dass auf Sylt etwas falsch läuft. Aber auf Sylt läuft das, was auf einer demokratischen Republik läuft, nämlich dass Angebot und Nachfrage etwas regelt. Und die Nachfrage nach den Grundstücken auf Sylt ist so hoch, dass die Grundstückspreise auf Sylt permanent in die Höhe schießen. Das ist kein Sylter Problem, sondern das ist, was sich aus der Situation Angebot und Nachfrage ergeben hat. Wir haben Leute erlebt, die mit dem Flieger hier ankommen, mit `nem Koffer voll Geld und sagen "ich will dieses Grundstück hier kaufen. Ich möchte dort leben. Ich hab viel Geld verdient. Ich bin erfolgreich in meinem Leben und ich möchte auf Sylt meinen Lebensabend verbringen und möchte hier dieses Grundstück haben oder diese Ferienwohnung haben. Und da kann ein Sylter, der hier arbeitet und aufgewachsen ist, ´nen normalen Beruf ausübt, selbstverständlich nicht mithalten. Wir als Gemeinde steuern dagegen, so gut wir können, indem wir auf Gemeindegrund mit unserer KLM, das ist kommunales Management, Wohnungen bauen und zur Verfügung stellen, so viel wir können. SPRECHERIN Jutta Hanisch, die Filialleiterin eines Schuhgeschäfts in der Friedrichstraße, der Haupteinkaufsstraße von Westerland wohnt in einer dieser sozial geförderten Wohnungen. O-TON (Hanisch) Sylter Wohnraum ist sehr, sehr knapp. Ob das nun in Kampen ist oder in Keitum, in Westerland, es ist alles sehr spärlich gesät. Wir bräuchten wesentlich mehr Wohnungen für Sylter. Damit sie eben nicht zwischenfahren müssten, d.h. nicht pendeln müssten. O-TON (Ipsen) Wir haben zurzeit in etwa 385 Wohnungssuchende, und wenn wir jetzt mal auf die alte Geschichte zurückkommen, der Fischer und sin fru. Wo der ans Meer geht und sagt "Meine Frau, die Ilsebill will nicht so, wie ich wohl will". Und dann der Butt in der See wohl sagt, "Du willst 385 Wohnungen haben, hier hast du sie. Dreh dich um, da stehen sie." Ich würde wetten, dass wir innerhalb von den nächsten 6 -12 Monaten weitere 385 Wohnungen brauchen usw... Die einzige Möglichkeit ist, wir müssen uns als reiche Gemeinde entwickeln, dass wir ausreichend Grundstücke selbst haben. SPRECHERIN Ein frommer Wunsch. Der Bund verkauft zurzeit seine Wohnungen und Grundstücke in List, und zwar zu Höchstpreisen auf dem freien Markt. Dirk Ipsen seufzt: O-TON (Ipsen) Da haben wir als Gemeinde keine Chance etwas zu bekommen. Das eins zu eins für soziale Zwecke an die Gemeinden zu übergeben, ist leider nicht mehr möglich. Die Zeiten sind vorbei. SPRECHERIN Bei einem Spaziergang durch Westerland fallen manchmal kleine weiße Schildchen auf. An Baumstämmen befestigt oder auf Steine geklebt. "Wohnraum für Sylt" steht darauf. Sonst merkt man als Fremder nichts von der Sylter Wohnungsnot. Dass es seit Jahren auf der Insel der Schönen und Reichen die "Sylter Tafeln" gibt, bleibt wohl nicht nur den Gästen, sondern auch manchem Einheimischen verborgen. Die "Sylter Tafeln" sind seit 1998 ein eingetragener Verein. Damals waren es rund 20 Menschen, die die kostenlosen Lebensmittel aus den Supermärkten oder Drogerieartikel zweimal in der Woche dankbar annahmen. Heute sind es regelmäßig ca. 60 Personen, die nicht nur Waren für den Lebensunterhalt in Empfang nehmen, sondern auch noch kurz bei Kaffee, Tee und Kuchen zusammensitzen. Ein Treffpunkt. Die Vorsitzende des Vereins, die Sylterin Dörte Schmidt Langner erzählt, dass sich eben auch auf Sylt die Altersarmut zeigt. Menschen mit sehr kleinen Renten kommen, Alleinerziehende, Arbeitssuchende mit 400 Euro-Jobs. In der letzten Zeit gibt es öfter Anfragen, gerade von privaten Fernsehsendern, die die Armen auf der Insel der Reichen zeigen wollen. Schmidt Langner und ihre Mitarbeiter lehnen ab und versuchen so weit es geht, die Anonymität ihrer Klientel zu wahren. Von Wohnungsnot und Sylter Tafeln bleiben die Touristen normalerweise verschont. Aber das grundsätzliche Inselproblem beschäftigt auch sie: Die Insel wird immer kleiner, und irgendwann wird Sylt untergehen. Im Norden, am Ellenbogen ist die Insel inzwischen weniger als 300 m breit. Südlich von Rantum wird sie mit weniger als 600m ebenfalls gefährlich dünn. Würde man nicht gegensteuern, verlöre die Insel an der 38km langen Westküste jährlich 1,50m. Unter Einfluss der Klimaveränderung und des Anstiegs des Meeresspiegels wird es noch mehr werden. Seit 1972 wird mit den sogenannten Sandvorspülungen der Küstenstreifen der Insel aufwendig verteidigt. Jährlich werden ungefähr eine Million Kubikmeter Sand künstlich vorgespült, um das Defizit auszugleichen, das die sandhungrige Nordsee besonders in den Herbst- und Wintermonaten mit sich reißt. Der Sand wird von Saugbaggerschiffen geliefert, die ihn vom Meeresgrund der Nordsee acht Kilometer vor Sylt wie mit einem riesigen Staubsauger einsaugen, ihn Richtung Insel fahren und durch Leitungen von Hunderten Meter Länge auf den Strand oder vor die Küste pumpen, wo er von Planierraupen verteilt wird. Rund 5 Millionen Euro kostet das Bund und Land jedes Jahr. Eine teure Sisyphos-Arbeit. Gibt es Alternativen? Kurzfristig jedenfalls nicht. Der Geologe Arfst Hinrichsen, der in seiner Freizeit auch Führungen zum Küstenschutz anbietet, verbreitet gute Nachrichten: "Heute ist die Situation an Sylts Küsten besser als je zuvor." Aber nur solange weiter Sand vorgespült wird. Der Meeresbiologe Professor Karsten Reise, Leiter der Wattenmeerstation des Alfred-Wegener-Instituts in List sieht das Problem "Mensch-Nordseeküste- Naturgewalten" nicht nur aus naturwissenschaftlicher Sicht. Er plädiert langfristig für ein Umdenken. O-TON (Reise) Wir müssen uns wohl mit der Idee befreunden, dass das Meer eine große küstenformende Kraft ist und all die Inseln, die sich an dieser Küste befinden, sind wandernde Inseln. Sie sind nie lagestabil gewesen und wenn wir versuchen, sie in ein Korsett zu zwingen, an Ort und Stelle zu bleiben weil wir unsere Hotels, weil wir unsere Wohnhäuser draufgesetzt haben, dann führt das zweifellos zu sehr großen und mit der Zeit immer größer werdenden Anstrengung, die Insel auf Position zu halten, also nicht da, wohin die Nordsee mit ihrer Wellenkraft, mit ihren Stürmen sie bewegen möchte. SPRECHERIN Die Diskrepanz zwischen den natürlichen Bewegungen des Meeres und den Menschen, die plötzlich möglichst nahe an der Küste bauen wollten, setzte vor ca. 150 Jahren mit dem aufkommenden Tourismus ein. Die alten Friesendörfer lagen an der geschützten Wattseite der Insel. Aber die Feriengäste schätzten die Abendsonne mit Meeresblick, und so wurde an der anderen Inselseite - und so nah wie möglich am Strand gebaut. Man baute zum Küstenschutz Buhnen, Bollwerke aus Stein und Beton, zum Beispiel die Westerländer Strandpromenade, an der sich bis zu 10 Meter hohe Wellen brechen. Nichts hielt auf Dauer der Nordsee stand. Bis man auf die Idee kam, die Sandinsel mit Sand zu retten. Karsten Reise fordert mehr Beweglichkeit, mehr Anpassungsfähigkeit von den Menschen. O-TON (Reise) Man hätte Häuser bauen können, die vielleicht nicht aus Beton sind, vielleicht aus Holz, die man vielleicht sogar auf Räder stellen kann, um sie langsam, aber doch vom Meer wegrollen zu können, wenn es dann nötig ist. Man könnte ohne weiteres mit neuen, vielleicht sogar besseren Architekten an anderer Stelle der Insel in 100 Jahren neue Häuser bauen. Man könnte sich auch heute sogar noch an diese Dynamik anpassen, wenn es denn in unseren Köpfen möglich wäre. Denn wir haben ja Eigentumsrechte und die gelten als so heilig, dass wir deswegen lieber viel Geld für den Küstenschutz ausgeben und die Insel unbedingt an der Stelle halten wollen wo sie denn nun einmal ist. SPRECHERIN Solche Töne hört auf der Insel nicht jeder gerne. Lange Zeit galt Karsten Reise als der Küsten-Kasper. Mittlerweile hört man ihm zu. Konkrete Vorschläge hat der Professor auch zu bieten. Zum Beispiel könnte man Voraussetzungen schaffen, dass sich eine neue Dünenreihe vor Sylts Westküste entwickelt. Dazu müsste man sich Sand von der Nordsee ausleihen und wie einen Puffer vorspülen. Mit dem Meeresblick vom Haus aus wäre es dann allerdings vorbei. O-TON (Reise) Aber dann könnten wir eigentlich mit den Kräften der Nordsee auf mehrere Generationen hin Frieden schließen. Es könnte zwar sein, dass diese Dünen zu wandern beginnen, wenn es denn stürmischer wird. Aber das ist nicht wirklich eine Bedrohung mit den technischen Möglichkeiten, die wir haben. Sollte die Düne etwa an eine Straße herankommen, dann können wir schließlich auch mal einen Tunnel für den Straßenverkehr bauen, bevor der Berg angekommen ist. Das gibt es nirgendwo sonst auf dieser Welt. SPRECHERIN Ein wenig Extravaganz gehört scheinbar zu Sylt - genauso wie die gute Luft. Die Insel muss seit Jahrhunderten um ihr Überleben kämpfen, und die Insulaner haben sich immer etwas einfallen lassen. Ob es irgendwann Unterwasserdeiche geben wird oder Panzer im Meer versenkt werden, um als Wellenbrecher eingesetzt zu werden. Auch solche Ideen gibt es. Auf Sylt ist -fast alles- möglich. E N D E 1