COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport 05. Januar 2011, 13.07 Uhr Von Köchen und Kellnern - die Grünen in Berlin auf dem Vormarsch? Von Wolf-Sören Treusch Redaktion: Claudia Perez TAKE 1 (Renate Künast) Ich kandidiere, mit Euch gemeinsam, das wird ein harter Weg, da geht es nicht um Selbstzweck, sondern um einen Neuanfang für Berlin, und ich setze auf Sieg, und ich setze nur auf Sieg. Ich will mit Euch Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden. (Reichlich Applaus als ATMO drunterlassen) AUTOR Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen in einer umgebauten Industriehalle im ehemaligen Berliner Arbeiterbezirk Wedding: mit einer 24-minütigen Kampfansage an die rot-rote Landesregierung schwört Renate Künast das grüne Parteivolk ein auf die Abgeordnetenhauswahl im kommenden Herbst. TAKE 2 (Renate Künast) Ich will Euch zum Abschluss eines sagen: jetzt wird es hart, man wird uns beobachten, man wird uns auf die Finger schauen. Was wir wollen, ist: die soziale Kompetenz für diese Stadt auch wahrnehmen und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern den Versuch machen es anzupacken. Weil: das Schlimmste, was man einem Menschen oder einer Stadt oder einem Land vorwerfen könnte, ist ja, es nicht versucht zu haben. Als grünes Team können wir es gemeinsam schaffen: eine Stadt für alle ist das Ziel. (standing ovations als ATMO drunterlassen) AUTOR Zwei Tage zuvor hatte Renate Künast die Katze aus dem Sack gelassen. Auf einem glänzend inszenierten Mitgliederabend in einem altehrwürdigen Museumsbau hatte sie endlich verkündet, als grüne Spitzenkandidatin für den Berliner Wahlkampf zur Verfügung zu stehen. In der gerade dort laufenden Ausstellung zum Thema "Gerüchte" machte das Schlagwort von der Krönungsmesse die Runde. Die Umfragewerte für die Grünen waren auf dem Höhepunkt: stärkste Partei in Berlin mit 30 Prozent, lautete die Prognose im vergangenen Oktober. Der Parteienforscher Oskar Niedermayer von der FU Berlin. TAKE 3 (Oskar Niedermayer) 0'33 In Berlin sind sie deswegen so populär, weil sie eine sehr gute Kampagne gefahren haben im letzten halben Jahr, was die Medien immer wieder angefüttert hat, ihnen aber nicht wirklich den Brocken hingeworfen hat, den sie eigentlich gebraucht haben, nämlich die Kandidatur von Künast, und das jetzt erst seit kurzem wirklich richtig feststeht. Sie haben es mit dieser Kampagne geschafft, was vor einem Jahr noch fast undenkbar gewesen wäre, auf Augenhöhe ihre Kandidatin Künast mit dem Platzhirsch Wowereit zu bringen. TAKE 4 (Stefan Ziller) 0'11 Es gibt eine Aufbruchstimmung, es gibt bis an den Stadtrand Leute, die sagen: ,ja, Ihr Grünen seid jetzt dran, Ihr müsst jetzt die Verantwortung übernehmen', aber ob das bis zum Schluss hält, wird man sehen. AUTOR Stefan Ziller sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus. Er hat sein Wahlkreisbüro im Ost-Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Eigentlich grüne Diaspora, Hochburg der Linken, doch seit kurzem, sagt er, erlebe er einen Eintrittsboom wie nie zuvor. TAKE 5 (Stefan Ziller) 0'17 Wir hatten jetzt zuletzt das erste Mal, seit ich dabei bin, eine Kreisverbandssitzung, wo die Mehrheit der Leute weniger als ein Jahr dabei war, also der Trend ist schon deutlich zu erkennen, es ist auch eine große Vorfreude auf das, was auch mit Renate versprochen wird, da sind sehr viele, die darauf setzen, dass das etwas Gutes wird. AUTOR Was die Partei für viele so attraktiv macht, ist ihre Beharrlichkeit, mit der sie seit Jahren ihre Kernthemen vertritt: Klimaschutz, Energiepolitik, Mobilität. Daraus entsteht Glaubwürdigkeit. Ihre Anziehungskraft besteht in ihrer besonderen Fähigkeit, den Anhängern den Eindruck zu vermitteln, auf der richtigen Seite zu stehen. In Zeiten solch umstrittener Projekte wie ,Stuttgart 21' oder ,Castor-Transporte durch bundesdeutsche Kleinstädte' ist es en vogue, grün zu sein. Die Partei ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. In seiner Titelgeschichte über "Das Grüne Wunder" schrieb der SPIEGEL: SPRECHER v. D. Die grüne Lebenswelt aus Biotheke, Tempo-30-Zone und Kinderladen ist schon lange nicht mehr Gegenwelt, sondern Normalität, jedenfalls in den bürgerlichen Vierteln, aus denen die Grünen ihre Anhänger rekrutieren. AUTOR Ein kleines Ladenlokal im Ost-Berliner Stadtteil Friedrichshain: hier trifft sich die Grüne Jugend jeden Montag zum Gedankenaustausch. Drei Wochen sind seit der Nominierung von Renate Künast zur Spitzenkandidatin ihrer Partei vergangen, 23 junge Frauen und Männer diskutieren das Thema ,Direkte Demokratie' - wohl geordnet und strukturiert, alle lassen einander ausreden. Der angriffslustig guckende Igel an der Wand, das Symbol aus der Anfangszeit der Berliner Grünen vor 30 Jahren, scheint seine Stacheln eingezogen zu haben. TAKE 8 (Madeleine Richter) 0'02 Ja, da haben Sie die Richtige vor sich. AUTOR Madeleine Richter, Sprecherin der Grünen Jugend. TAKE 9 (Madeleine Richter) 0'19 Für die Grüne Jugend ist Renate Künast natürlich jetzt nicht die schlechteste Wahl, weil wenn man guckt, was wäre so die Alternative gewesen, ist das, glaube ich, schon vertretbar, auf der anderen Seite: ich persönlich hätte mir einen anderen Vorgang gewünscht. Also ich finde, dass so eine Mitgliederbefragung da nicht an der falschen Stelle gewesen ist. AUTOR Im Klartext: die Grüne Jugend hätte sich die Nominierung von Renate Künast zur Spitzenkandidatin basisdemokratisch gewünscht. Und am liebsten auch erst nach dem Programmparteitag, der im März stattfindet. TAKE 10 (Madeleine Richter) 0'10 Man muss halt gucken: was kann Renate mittragen und was halt nicht? Ich finde, diese Machtfrage stellt sich erst, wenn man ein richtig gutes Programm hat und wenn man weiß, womit man in den Wahlkampf gehen möchte. AUTOR Bundesweit haben die Grünen so viele Mitglieder wie nie zuvor. In Berlin verzeichneten sie im vergangenen Jahr einen Zuwachs von durchschnittlich 7,9 Prozent. TAKE 11 (Katharina Kolbe) 0'12 Sie kommen wahrscheinlich gerade so an, das kann ich mir gut vorstellen, die böse "Dagegen-Partei", die gerade so ein bisschen Contra die schwarz-gelbe Regierung ist, ja, sie ist irgendwie schon hip. AUTOR Katharina ist zum ersten Mal bei einem Treffen der Grünen Jugend. Seit einem Jahr studiert sie in Berlin, früher hat sie es bei den Jusos in ihrer Heimat in Thüringen probiert, jetzt kann sie sich vorstellen, Mitglied bei den Grünen zu werden. TAKE 12 (Katharina Kolbe) 0'28 Warum? Um meinen eigenen Beitrag zu leisten. Ich finde, das System Demokratie kann ja nur funktionieren, wenn jeder so ein bisschen mitmacht einfach auch. Und seine Meinung einbringt, und seine Werte einbringt. Wenn man immer nur daneben sitzt und sagt: ,das ist alles Scheiße, was die da machen, die oben, die bösen Politiker', kommt man nicht weit. Ich finde, da muss man auch ein bisschen selbst Hand anlegen, und deswegen wollte ich schon immer aktiv werden. AUTOR Dass Renate Künast ihren Hut im Kampf um den Bürgermeisterposten in den Ring geworfen hat, das findet sie "interessant" - mehr aber auch nicht. Die Grünen kamen immer ohne Personenkult aus, wenn es nach der Sprecherin der Grünen Jugend, nach Madeleine Richter ginge, sollte es auch so bleiben. TAKE 13 (Madeleine Richter) 0'46 Als Partei ist man das den Leuten irgendwie auch schuldig, dass man eben einfach zu den Kernwerten steht. Und dass man auch quasi gewagte und radikale Positionen vertritt. Weil: wenn am Ende jede Partei nur noch danach guckt, womit man die meisten Leute auf die Seite ziehen kann, dann haben wir am Ende so einen Einheitsbrei, und das ist dann schade, denn ich glaube, gerade deshalb braucht man ja Parteien, die auch ein Profil haben, weil man weiß: ,okay, darauf kann man sich verlassen: Grüne werden sich für ihren Lebtag gegen Atomkraft einsetzen, für Umwelt'. Deswegen Tempo 30 in der Innenstadt finde ich, geht auf jeden Fall in eine gute Richtung, und wenn die Leute sagen: ,och nee, dann wähle ich die Grünen nicht mehr', dann sollen die das machen. Dann sollen die die Grünen nicht wählen, man muss ja trotzdem irgendwie authentisch bleiben. AUTOR Zu den urgrünen Kernwerten stehen und gleichzeitig Regierungsfähigkeit demonstrieren, um neue Wählerschichten anzusprechen: das ist der Spagat, den Bündnis 90/Die Grünen in Berlin hinbekommen müssen. Wie sagte Renate Künast auf dem Parteitag im November vergangenen Jahres: TAKE 14 (Renate Künast) 0'04 Jetzt wird es hart, man wird uns beobachten, man wird uns auf die Finger schauen. AUTOR Ein Thema, bei dem man die Grünen besonders kritisch beäugt, ist die Verkehrspolitik. Grüne stehen immer unter dem Generalverdacht, das Auto abschaffen zu wollen. Renate Künast weiß das aus eigener Erfahrung. 1989 - sie war gerade Fraktionsvorsitzende der Alternativen Liste im West-Berliner Abgeordnetenhaus - führte der rot-grüne Senat Tempo 100 auf der Avus ein. Die Volksseele kochte. Monate lang. Nun, 22 Jahre später, will Künast Tempo 30 in Berlin. Flächendeckend, schrieen gleich mehrere Zeitungen auf, weil Künast nicht schnell genug dementierte. Dabei hatte die Spitzenkandidatin lediglich darauf hingewiesen, dass man in Berlin mit seinem Pkw durchschnittlich sowieso nicht schneller als 30 km/h fahren könne. TAKE 15 (Oskar Niedermayer) 0'14 Natürlich wird auch Frau Künast nicht die gesamte Stadt flächendeckend mit Tempo- 30-Zonen überziehen wollen, aber so kam es rüber. Mit Ausnahme mancher Hauptverkehrsstraßen. Und auch das gefällt nicht jedem Grünen, weil nicht jeder Grüne kein Auto hat. TAKE 16 (Jens-Holger Kirchner) 0'02 Renate, es war so schlecht verkauft. AUTOR Jens-Holger Kirchner, grüner Ordnungsstadtrat im Bezirk Pankow. TAKE 17 (Jens-Holger Kirchner) 0'18 Ja, die Durchschnittsgeschwindigkeit in Berlin sind 25 km/h, und das ist nicht mal Postkutschentempo. Und da zu sagen ,was wollt ihr eigentlich, Tempo 30 gilt ja schon in dieser Stadt', rein praktisch, so kann man es sagen, aber andererseits: in 80 Prozent dieser Stadt gelten ja auch schon in den Wohngebieten Tempo 30. AUTOR Manche Streitthemen eignen sich nicht zur Profilierung, weil der Unterschied zwischen dem, was schon gesetzlich geregelt ist, und dem, was die Grünen noch erreichen wollen, gar nicht mehr so groß ist. Tempo 30 gehört nach Meinung des grünen Stadtrates dazu. Doch zwischen oppositionellem Wunschdenken und Regierungswirklichkeit können manchmal auch Welten liegen. Diese schmerzvolle Erfahrung macht Renate Künast zurzeit in der von ihr selbst angezettelten Debatte um den Großflughafen BBI in Schönefeld. TAKE 18 (Renate Künast) 0'16 Der Flughafen ist entschieden, aber wie er betrieben wird, wie viele Menschen eigentlich unter dem Lärm leiden müssen, wie kompliziert es ist, Lärmschutzmaßnahmen zu bekommen, wie knauserig da einige sind, das sind die spannenden Fragen und mich interessiert eigentlich eher die Frage, wie man diese Probleme löst. AUTOR In einem Telefoninterview fürs Radio wurde Renate Künast konkreter: man müsse noch einmal öffentlich darüber debattieren, sagte sie, was für ein Flughafen BBI eigentlich sein solle: einer, der uns mit Europa verbinde oder mit der ganzen Welt. Der Aufschrei in Berlin war groß. SPRECHER v. D. Künast stellt Flughafenplanung infrage. AUTOR Titelte der Tagesspiegel, und die B.Z. fragte: SPRECHER v. D. Bestätigt Frau Künast alle Vorurteile? AUTOR Um sich gleich selbst die Antwort zu geben: SPRECHER v. D. Unseriös, unzuverlässig, ideologisch verbaut und populistisch ... AUTOR ... seien die Grünen und damit ... SPRECHER v.D. ... absolut nicht regierungsfähig. AUTOR Auch Amtsträger aus den eigenen Reihen übten leise Kritik an dem Vorstoß ihrer Spitzenkandidatin. Zum Beispiel Jens-Holger Kirchner. TAKE 19 (Jens-Holger Kirchner) 0'13 Ich denke, dass man bestimmte Sachen nicht in Frage stellen sollte, die seit Jahren klar sind. Die ganze innerparteiliche Kommunikation, denke ich, muss sich noch fein justieren, und dann klappt das auch. AUTOR Vieles sei "noch verbesserungswürdig", entschuldigte sich Renate Künast, für alle sei die Situation, mit einer ernsthaften Chance auf das Amt des Regierenden Bürgermeisters in den Wahlkampf zu ziehen, neu und ungewohnt. Die glänzenden Umfragewerte der Grünen jedenfalls sanken, sie liegen nun bei 27 Prozent, gleichauf mit der SPD. Renate Künast selbst verlor in der Gunst der Wähler gleich sechs Prozentpunkte, sie liegt nun gegen den amtierenden Bürgermeister Klaus Wowereit mit 31 zu 50 Prozent klar im Hintertreffen. Egal. Sagt Daniela Billig, Kreisvorsitzende der Grünen in Pankow. Die Debatte, die Renate Künast über den Großflughafen losgetreten hat, habe ganz viel mit grüner Glaubwürdigkeit zu tun. Und das sei wichtig. TAKE 20 (Daniela Billig) 0'38 Ich habe genau dieses Statement so verstanden, dass wir in dem Augenblick, in dem wir ein Drehkreuz für die Welt haben, den Menschen nicht auch ein Nachtflugverbot versprechen können und ,ihr kriegt die angenehmen Flugrouten', und das ist eben genau nicht unser Stil, sondern wir sagen: ,wenn ihr das große Drehkreuz mit internationaler Anbindung haben wollt, dann müssen wir eben damit rechnen, dass wir sehr viele Starts und Landungen haben, und die Bürger müssen wissen, worauf sie sich einlassen'. Wir sind immer noch bei 27 Prozent, das heißt obwohl wir natürlich auch unangenehme Wahrheiten aussprechen, bedeutet das, dass der Wähler es im Großen und Ganzen sehr positiv empfindet und genau das akzeptiert. AUTOR Eine solche Argumentation sei purer Populismus, erwidert Bilkay Öney von der SPD. Die Grünen wollten nichts anderes als an die Macht. 2009 hätten sie zum Beispiel versucht, die Mehrheitsverhältnisse im Abgeordnetenhaus zu kippen. Der rot-rote Senat hatte zu dem Zeitpunkt eine hauchdünne Mehrheit, die Grünen schafften es, eine SPD-Abgeordnete davon zu überzeugen, zu den Grünen zu wechseln. TAKE 21 (Bilkay Öney) 0'19 Das war kurz vor der Bundestagswahl, in einer schwierigen Zeit, wir stecken in einer Wirtschaftskrise, und da habe ich gesagt: ,nee, es muss größere Ideale geben als das. Es muss mehr geben als einen Senatsposten, als ein Staatssekretärswagen oder im Präsidium zu sitzen oder irgendwas anderes'. Und deswegen ist es so gekommen, wie es gekommen ist. AUTOR Wenige Tage später ging Bilkay Öney den umgekehrten Weg: weg von den Grünen, hin zu den Genossen. Die alten Mehrheitsverhältnisse waren wieder hergestellt. TAKE 22 (Bilkay Öney) 0'19 Das war ja auch für mich das Neue. Dass ich dachte, die Grünen sind die Gutmenschen, aber eigentlich sind das ganz normale Menschen. Wie du und ich auch. Also: es unterscheidet sie im Endeffekt nichts, wenn es um Macht geht, wenn es um Machtspiele geht, dann sind wirklich alle Menschen gleich, und das ist eine Erfahrung, die ich gemacht habe spät, aber besser spät als nie. ATMO 1 (Fraktionssitzung B90/Die Grünen in Pankow) kurz frei, dann drunter AUTOR Fraktionssitzung von Bündnis 90/Die Grünen in Pankow. Von der Wand grinst der Igel herunter, das Parteisymbol: nicht angriffslustig, eher freundlich. Die Stimmung an den Tischen ist eher düster. Die Fraktionsmitglieder diskutieren, wie es mit dem Aus- und Umbau der Kastanienallee in Prenzlauer Berg weitergehen soll, einem der wichtigsten Infrastrukturprojekte im Bezirk. Touristen bezeichnen die Straße gern als hippste Einkaufsmeile Deutschlands. Die Anwesenden sind sich einig: die von ihrem Stadtrat Jens-Holger Kirchner geplanten Maßnahmen machen die Straße verkehrssicherer, lebenswerter. (ATMO 1 weg) TAKE 23 (Jens-Holger Kirchner) 0'12 Die Kastanienallee, ja, liegt in einem Gebiet, wo wir sehr stark sind. Aber es ist mir auch vergleichsweise egal, was die wählen, weil: das interessiert mich überhaupt nicht. AUTOR Bei der letzten Abgeordnetenhauswahl vor fünf Jahren bekamen die Grünen hier im Prenzlauer Berg im Wahlkreis rund um die Kastanienallee 30,8 Prozent der Zweitstimmen, vor zwei Jahren bei der Bundestagswahl sogar 39,4 Prozent. Die Kastanienallee ist eine Hochburg der Grünen. Bis jetzt. Viele ihrer Wähler haben sich nun in Bürgerinitiativen zusammengetan und kämpfen gegen die Maßnahmen ihres Stadtrates. TAKE 24 (Jens-Holger Kirchner) 0'36 Grüne Politik heißt nicht, dass 100 Prozent Interessen von bestimmten Klientel, Schichten oder Bevölkerungsgruppen durchgesetzt wird. Das wird gerne moralisch reklamiert. ,Jetzt, wo ihr regiert', so. Aber das ist ein großes Missverständnis, weil: Demokratie ist nicht hundertprozentiges Durchsetzen von Partikularinteressen von einzelnen Gruppen, sondern ist - für mich zumindest - immer auch Abgleich von verschiedenen Interessen, Versuch, Ausgleich zu schaffen, und vor allen Dingen transparente und öffentliche Entscheidungen darzustellen. AUTOR Der Streit im Szenekiez zeigt einmal mehr, mit welchen Problemen die Grünen zu kämpfen haben, wenn sie in Regierungsverantwortung kommen. Doch noch ruhen alle Hoffnungen auf ihnen: der Bezirk Pankow ist insgesamt eine Wähler-Hochburg der Grünen. Hier wohnt das neue Bürgertum: junge Familien, besser verdienende Selbständige, nachhaltige Konsumenten. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Partei hier einen Mitgliederzuwachs von mehr als 16 Prozent. Da bei der Abgeordnetenhauswahl damit zu rechnen ist, dass die Grünen in Pankow weit mehr Stimmen erhalten als vor fünf Jahren, dürften sie auch mehr Sitze in der Bezirksverordnetenversammlung bekommen. Die Grünen bieten für Neumitglieder daher ein Mentorenprogramm an. Die Kreisvorsitzende Daniela Billig. TAKE 25 (Daniela Billig) 0'39 Die sitzen jetzt schon ein ganzes Jahr mit dabei, bei den Fraktionssitzungen, bei den Ausschusssitzungen, so dass sie in dem Augenblick, wo sie dann anfangen, wissen: wie muss ein Antrag formuliert werden, was ist eine kleine Anfrage, was ist eine große Anfrage, wie ist die BVV aufgebaut, wie sind die Regeln, mit denen man da miteinander umgeht, das heißt: das ist eben genau so, dass sie nicht ins kalte Wasser geworfen werden, sondern mit einer gewissen Sicherheit und Routine dann gleich sich auf die inhaltlichen und fachlichen Aufgaben stürzen können und nicht irritiert sind von den vielen neuen Erfahrungen und Gesichtern, sondern mit einer Sicherheit gleich wissen, was sie tun müssen. AUTOR René Feige und Andreas Trebs nehmen an einem solchen Mentorenprogramm teil. Beide sind sehr angetan von der Offenheit, mit der sie bei den Grünen aufgenommen wurden, aber auch von der Professionalität, mit der sie auf mögliche künftige Aufgaben vorbereitet werden. TAKE 26 (René Feige) 0'28 Mich hat es schon in die Partei gezogen, weil ich eben wirklich politisch aktiv mitarbeiten wollte. Und eine Bürgerinitiative ist letztendlich nicht stimmberechtigt. Ein gewisses Profitum muss natürlich da sein, um überhaupt politisch mitarbeiten zu können. Das war mir auch wichtig. Also hätte ich die Grünen jetzt nicht als Profis wahrgenommen, sondern eben relativ spontan oder unorganisiert, dann hätte mich das sicherlich nicht begeistert, und dann wäre ich auch nicht eingetreten, ich finde den Weg schon richtig. TAKE 27 (Andreas Trebs) 0'34 Ich achte jede Einstellung, und wenn Leute demonstrieren, ist das ihr gutes Recht, aber ich bin nun nicht ein Mensch, der so gern auf die Straße geht, ich möchte Anträge stellen, ich möchte sozusagen ein bisschen längerfristig die Ziele verfolgen, das war auch ein Punkt, wo ich erstmal skeptisch war, ob das bei den Grünen so funktioniert, aber nachdem ich da in diesen Versammlungen war, habe ich weniger Bedenken gehabt, das das zu Basisdemokratisch ist. Also es ist ganz vernünftig. TAKE 28 (Renate Künast) 0'08 Ich setze auf Sieg, und ich setze nur auf Sieg. Ich will mit Euch Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden. (Reichlich Applaus als ATMO drunterlassen) AUTOR Irgendwann wird der Hype um Renate Künast nachlassen, und die Medien kümmern sich verstärkt um die Inhalte grüner Politik. Das eine mit dem anderen zu verbinden, also den Rummel um die eigene Person mit Inhalten zu kombinieren, genau darin liegt die Chance für Renate Künast und die Grünen in Berlin. Findet Jens-Holger Kirchner. Und deswegen hat ihm der Nominierungsparteitag, die so genannte Krönungsmesse sehr gut gefallen. TAKE 29 (Jens-Holger Kirchner) 0'49 Es geht um Kommunikation, es geht um Inszenierung, es geht ja nicht um den Verkauf von leeren Worthülsen, dass da das Dröge - und deswegen finde ich das sehr wohltuend, dass da auch ein bisschen mehr Show einfach, es muss ja auch was fürs Auge sein, die Medien wollen Bilder. Nix gegen die Altväter unserer Partei, aber diese strickenden, bärtigen Männer, dass das so ein bisschen abhanden gekommen ist dieses Bild, dass tatsächlich modern kommuniziert wird, auch mediengerecht kommuniziert wird, die Inhalte sind gut, die Themen sind gut, und warum soll das dröge rüberkommen? (ATMO Applaus weg) Mir steht es nicht zu, Renate irgendwelche Tipps zu geben. Wenn sie da weiter macht, wo sie angefangen hat, dann klappt es auch. Sie hat eine Berliner Schnauze, sie ist präsent, und ich meine, der Berliner verträgt auch mal einen Kanten Wahrheit. 1