Rolle rückwärts in der Krise Portugiesen kehren in ihre alte Kolonie Mosambik zurück Reportage von Leonie March Autorin: Wer sind diese Leute? Wirtschaftsflüchtlinge, neue Kolonialherren oder Goldgräber? Das wollte ich erfahren, als ich mich in Mosambik mit Portugiesen verabredet habe, die momentan scharenweise in ihre ehemalige Kolonie auswandern. Geflüchtet vor der Wirtschaftskrise im eigenen Land. Und eigentlich habe ich alle drei Typen dort gefunden. Atmo 1: Promenade (Jogger, Stimmen, Kehren) Autorin: Auf den ersten Blick wirkt Arthur Carvalho wie ein Tourist. Blond, braungebrannt, überdimensionale Sonnenbrille. Entspannt zurückgelehnt, einen Pappbecher mit Kaffee in der Hand, sitzt er auf einer Parkbank einer palmengesäumten Promenade, hoch über dem Meer. Grandioser Ausblick auf die Bucht des Indischen Ozeans, kilometerlange Sandstrände, schicke Hotels und Apartments direkt an der Küste. Doch der 40-Jährige Portugiese ist nicht zum Vergnügen hier in Mosambik. Er sucht einen Job. O-Ton 1: Original auf Portugiesisch ... Übersetzer 1: Ich bin seit anderthalb Jahren arbeitslos. Vor ein paar Wochen habe ich in Portugal einen Freund getroffen, der hier arbeitet. Er bot mir an mit ihm her zu fliegen, um mich nach einer Arbeit umzusehen. Er erzählte mir, dass es in hier viele Möglichkeiten gibt, dass die Bauindustrie boomt und überall neue Restaurants aufmachen. Ich arbeite im Bereich der Wasseraufbereitung. Auch das ist hier anscheinend sehr gefragt. Im Gegensatz zu meiner krisengeplagten Heimat Portugal. Dort müssen studierte Fachkräfte momentan als Kellner und in anderen Hilfsjobs arbeiten. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo kurz hoch Autorin: Arthur Carvalho nippt an seinem Kaffee, schaut auf's Meer. Er ist vor einer Woche in Maputo gelandet, zum ersten Mal überhaupt in Afrika. Doch fremd fühlt er sich in Mosambik nicht. Vieles in der ehemaligen portugiesischen Kolonie erinnert ihn an die Heimat: Die Villen und blendend weißen Apartmentblocks entlang der Promenade könnten genauso gut an der Algarve stehen. Ein paar Frauen joggen vorbei, unterhalten sich auf Portugiesisch. Ebenso wie Arbeiter in Blaumännern, die den breiten Gehweg fegen. Alle hier sprechen Arthurs Muttersprache. O-Ton 2: Original auf Portugiesisch ... Übersetzer 1: Mir gefällt es sehr gut hier. Die Menschen wirken insgesamt sehr freundlich, bescheiden und höflich. So wie in meiner Heimat, scheinen sie sich gern mit Freunden in Restaurants zu treffen. Insgesamt erinnert mich das Lebensgefühl an Portugal vor zehn Jahren, als unsere Wirtschaft boomte und sich keiner Sorgen um die Zukunft machen musste. Es waren gute Jahre. ... .Original auf Portugiesisch. Autorin: Damals hätte keiner auch nur im Traum daran gedacht, auszuwandern, fügt der 40-Jährige hinzu. Geschweige denn in ein Entwicklungsland wie Mosambik. Doch dann haben Euro- und Wirtschaftskrise alles verändert. O-Ton 3: Original auf Portugiesisch ... . Übersetzer 1: Inzwischen wissen wir, dass viel falsch gelaufen ist: Geld wurde schlecht investiert, die Korruption blühte, wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. Heute schrumpft unsere Wirtschaft um 7 Prozent, während sie hier in Mosambik um 7 Prozent wächst. In Portugal sind die Leute momentan deprimiert und pessimistisch. Es gibt keine Jobs, viele können gerade mal die Miete bezahlen. Hier in Mosambik dagegen herrscht eine positive Aufbruchstimmung, die Leute sind entspannt und fröhlich. Das spürt man überall in der Stadt. Natürlich geht es hier auch etwas chaotischer zu als in Europa, aber die Lebensfreude ist einfach unglaublich. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo kurz hoch Autorin: Der blonde Portugiese steht auf, streicht sein gestreiftes Hemd glatt und klemmt sich die schwarze Mappe mit seinen Bewerbungsunterlagen unter den Arm. Drücken Sie mir die Daumen für mein Vorstellungsgespräch, meint der gelernte Umwelttechniker, geht die Promenade entlang in Richtung Innenstadt. Atmo 2: Straße, Schritte Autorin: Maputo ist keine klassische Schönheit: Die grauen Fassaden der Hochhäuser aus der sozialistischen Ära nach der Unabhängigkeit Mosambiks erinnern an Ost-Berlin zu DDR-Zeiten. Dazwischen eingeklemmt eine liebevoll restaurierte Villa aus der portugiesischen Kolonialzeit. Blendend weiß in der Sonne. Verziert mit handgemalten, blauen Kacheln. Ein Stück weiter steht nur noch die Fassade. Wo einst edles Parket war, türmt sich nun der Müll, magere Hunde suchen nach Essbarem, ein Obdachloser scheucht sie davon. Atmo kurz hoch Autorin: Die Straßen sind voller Menschen: Einige Frauen tragen elegante Hosenanzüge, stöckeln mit hohen Hacken über die buckligen Bürgersteige. Andere haben sich traditionelle Capolanas um die Hüften geschlungen, groß gemusterte, bunte Stoffbahnen. Auf dem Kopf balancieren sie Plastikschüsseln mit Cashew-Nüssen, Papayas oder Bananen. Junge Männer mit gelben Westen verkaufen Telefonkarten. Straßenkinder betteln Passanten an. Atmo 3: Café (Leute unterhalten sich, Teller klappern) Autorin: In einem der vielen Straßencafés, die Maputo ein mediterranes Flair verleihen, sitzt der Freund, der Arthur Carvalho nach Mosambik geholt hat und ihn bei der Jobsuche unterstützt. Salvatore Costa, braungebrannt und sportlich, nur die akkurat zurückgekämmten grauen Haare verraten seine 59 Jahre. Ein Lebemann. Entspannt zurückgelehnt nippt er an einem Espresso, raucht eine Zigarette. Die Wirtschaftskrise in der Heimat hat mich nicht berührt, erzählt er. O-Ton 4: Original auf Portugiesisch ... Übersetzer 2: Ich bin nach Mosambik gekommen, weil ich hier ein interessantes Projekt angeboten bekommen habe. Nicht wegen der Rezession. Ich arbeite in der Telekommunikationsbranche und die ist ziemlich krisensicher. Die Leute brauchen doch immer Telefon, Internet und Fernsehen. Selbst wenn sie nichts mehr im Kühlschrank haben, wollen sie noch ihren Facebook-Status überprüfen. ... .Original auf Portugiesisch. Autorin: Salvatore Costa lacht kurz über seinen eigenen Scherz, dann wird seine Miene wieder ernst. Seit einem Jahr ist er in Maputo, er verlegt in Mosambik Telefon- und Internetleitungen. Mit den Einheimischen hat er bislang nur gute Erfahrungen gemacht. O-Ton 5: Original auf Portugiesisch ... . Übersetzer 2: Die Leute arbeiten gewissenhaft und lernen schnell dazu. Man zeigt ihnen ein-, zweimal etwas und dann wissen sie wie es geht. Das war in Portugal nicht immer so. Dort haben einige meiner Arbeiter auch nach Jahren noch die gleichen Fehler gemacht. Dazu kommt, dass uns die Leute hier generell freundlich aufnehmen. Wenn wir irgendwo Telefonleitungen legen, dann veranstalten die Einheimischen auch schon mal ein Fest zu unseren Ehren. Dieses Gefühl, ihnen eine bessere Lebensqualität zu ermöglichen und zur Entwicklung des Landes beizutragen, motiviert mich enorm. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo 4: Café, Reißverschluss Bis vor 20 Jahren hat in Mosambik ein blutiger Bürgerkrieg gewütet, die Infrastruktur in vielen Gebieten ist immer noch zerstört und das Land trotz des enormen Wirtschaftswachstums als eines der ärmsten der Welt. Den Portugiesen schreckt das nicht. Er greift zu seinem Rucksack unter seinem Bistrostuhl, holt ein Handy und einen dünnen Ordner heraus. Atmo 5: "Das ist mein Büro", Café und Papierrascheln Autorin: Das Café ist zurzeit Salvatore Costas Büro. Er zieht momentan um, das kann noch dauern. Solange muss der runde Tisch im Lokal reichen. Er stellt seine Espressotasse zur Seite, breitet einen Schaltplan aus und vertieft sich in die Arbeit. Atmo 6: Schritte, Markt Autorin: Gleichzeitig am anderen Ende der Innenstadt: Vasco Guerra, ein Freund von Salvatore und Arthur, geht zügig über einen Markt. Ein bulliger 37-Jähriger mit kahl rasiertem Kopf. Dunkelblaue Bundfaltenhosen, hochgekrempelte Hemdsärmel. Rechts und links von ihm haben Händler ihre Waren auf bunten Tüchern auf dem Boden ausgebreitet: Obst und Gemüse, Kunsthandwerk und bunt bedruckte Stoffe. Die Atmosphäre ist entspannt und fröhlich. Vasco Guerra grüßt rechts und links, das Handy am Ohr. Nach vier Jahren in Maputo kennt er viele Leute hier. Die Innenstadt ist überschaubar, die Einwohnerzahl wird auf rund anderthalb Millionen geschätzt. Vergleichsweise klein für eine Hauptstadt. Wenn es mir nur um den Lifestyle gegangen wäre, meint der Portugiese, dann wäre ich wahrscheinlich noch immer in Lissabon. Aber ich bin nun mal mit jeder Faser Geschäftsmann. O-Ton 6: Original auf Portugiesisch ... . Übersetzer 3: Es gibt einen großen Unterschied zu Portugal und andern Ländern, die ich kenne. In Portugal kommen einem nachts im Traum vielleicht ein paar gute Geschäftsideen, doch am nächsten Tag kann man keine von ihnen umsetzen. In Mosambik dagegen weiß man, dass diese Träume in Erfüllung gehen können, wenn man zielstrebig und hart dafür arbeitet. Allein diese Möglichkeit ist für mich Motivation genug, hier zu sein. Ich habe die Chance, mir ein richtig gutes Leben aufzubauen. Das ist in meiner Heimat und eigentlich in ganz Europa momentan vollkommen unmöglich. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo 7: Tor, Baustelle Autorin: Vor einer Villa aus der Kolonialzeit bleibt Vasco Guerra stehen, öffnet das himmelblaue Metalltor zu einer der unzähligen Baustellen der Hauptstadt. Baukräne, Umleitungen und Staubwolken gehören zum Alltag in Maputo. Häuser wie dieses werden renoviert, andere zu Gunsten von Apartmentblocks abgerissen. Denn Wohn- und Büroräume sind rar, die Mieten teurer als in Lissabon. Das müssen Neuankömmlinge wie Artur Carvalho in Betracht ziehen, wenn sie hier ein neues Leben anfangen wollen, betont der Bauunternehmer. Am Anfang sehen sie alles noch durch die rosarote Brille. Die Probleme des Landes werden ihnen erst nach und nach klar. O-Ton 7: Original auf Portugiesisch ... . Übersetzer 3: Das Image, das momentan von den portugiesischen Medien und auch in persönlichen Gesprächen vermittelt wird, ist oft zu positiv. Da ist von neu entdeckten Bodenschätzen, Kohle und Erdgas die Rede. Von schier unendlichen Geschäftsmöglichkeiten. Dabei ist es gerade im Rohstoffsektor nicht leicht, einen Fuß auf den Boden zu bekommen. Ich habe schon viele Geschäftsmänner gesehen, die nach kurzer Zeit wieder ihre Koffer gepackt haben, weil sie überzogene Erwartungen hatten. Die Dinge haben nicht so funktioniert, wie sie es sich vorgestellt haben, weil sie sich hier vor Ort nicht gut genug auskennen oder nicht die richtigen Kontakte haben. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo 8: Baustelle, Vasco spricht mit Vorarbeiter, Hämmern, Sägen Autorin: Vasco Guerra geht ein paar Schritte über die Baustelle zu seinem Vorarbeiter. Professionell und freundlich bespricht er die Aufgaben für den Tag. Der Umgangston ist angesichts der Geschichte der Portugiesen in Mosambik besonders wichtig, erklärt der 37Jährige. Doch nicht jeder verfügt über das nötige Fingerspitzengefühl. O-Ton 8: Original auf Portugiesisch ... Übersetzer 3: Es gibt leider Portugiesen, die sich komplett daneben benehmen. Meistens sind das Leute, deren Groß- oder Urgroßeltern während der Kolonialzeit hier waren. Von ihnen haben sie gehört, wie man damals mit den Mosambikanern umgesprungen ist, dass Arbeiter auch mal ausgepeitscht wurden und so weiter. Mit dieser Einstellung kommen sie heute, 40 Jahre später, zurück. Sie gehen grob mit einheimischen Frauen um und behandeln ihre Angestellten schlecht. An der Kultur und den Menschen hier haben sie keinerlei Interesse. Viele Mosambikaner macht das verständlicherweise wütend. Diese Stimmung schlägt dann pauschal allen von uns entgegen. Ich merke das manchmal an den Blicken, wenn ich mit meiner mosambikanischen Freundin ausgehe. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo 9: Handy klingelt, Vasco geht dran, Schritte, Tor Autorin: Das Klingeln seines Handys reißt Vasco aus seinen Gedanken. Sofort schaltet er wieder um auf den toughen Geschäftsmann. Winkt seinem Vorarbeiter zum Abschied, verlässt die Baustelle durch das blaue Metalltor. Atmo 10: Straße (Verkehr und Stimmen) Autorin: Ein paar Straßen weiter tritt Arthur Carvalho aus einem verspiegelten Hochhaus auf die Straße, seine Bewerbungsmappe unter dem Arm. Gerade hat sich der arbeitslose Portugiese beim brasilianischen Bergbaukonzern "Vale" vorgestellt, einem der Marktführer in Mosambik. Doch weiter als bis zum Sekretariat bin ich trotz der Empfehlung meiner beiden Freunde Salvatore und Vasco nicht gekommen, meint er sichtlich enttäuscht. Es ist nicht leicht, mit 40 Jahren noch einmal von vorn anzufangen und Klinken zu putzen. O-Ton 9: Original auf Portugiesisch ... . Übersetzer 1: Ich gehe von Tür zu Tür, frage, ob es offene Stellen gibt, gebe meinen Lebenslauf ab und vereinbare, wenn möglich, auch ein Bewerbungsgespräch. Die Leute sind alle sehr freundlich und wirklich bemüht zu helfen. Hier hatten sie zwar wieder keinen Job für mich, aber sie haben mit einen guten Tipp gegeben: Selbst ein Unternehmen zu gründen und dann als freier Berater zu arbeiten. Der Bedarf scheint groß. Allerdings ist schon die Registrierung einer Firma ziemlich teuer. 2.500 US-Dollar, sagte man mir. Man muss leider gut bei Kasse sein, wenn man hier etwas erreichen möchte. Ohne Schmiergelder geht gar nichts. Jeder Beamte erwartet, dass man ihm ein paar Scheine zusteckt, um bürokratische Prozesse zu beschleunigen. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo kurz hoch Autorin: Nachdenklich geht der 40-Jährige die Straße entlang. Er ist geschieden, hat zwei Kinder, anderthalb Jahre Arbeitslosigkeit liegen bereits hinter ihm. Er braucht dringend einen Erfolg. Maputo, so scheint es, ist seine letzte Chance. Atmo 11: Straße, Schritte, Stimmen Autorin: Nagelneue Geländewagen und Limousinen, klapprige Autos und zum Bersten volle Minibus-Taxis fahren auf der frisch geteerten Straße vorbei. Unter der blau-weiß gestreiften Markise eines portugiesischen Restaurants sitzen Geschäftsmänner in edlen Anzügen, Touristen essen Garnelen, für die Mosambik berühmt ist. Auf dem Bürgersteig davor zieht ein alter Mann eine schwere Holzkarre mit Schrott hinter sich her. Die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich ist in Maputo unübersehbar. Doch Arthur Carvalho ist spürbar bemüht, die Dinge positiv zu sehen. O-Ton 10: Original auf Portugiesisch ... . Übersetzer 1: Ich bin erst seit kurzer Zeit hier, aber lang genug, um zu sehen, dass dies ein wunderbares, lebendiges Land ist. Die Mentalität der Afrikaner unterscheidet sich grundsätzlich von unserer europäischen. Sie scheinen glücklicher zu sein, mit dem was sie haben. Wenn sie genug verdienen, um irgendwie über die Runden zu kommen, dann reicht ihnen das. Anders als in Portugal: Dort sind die Leute deprimiert, wenn sie sich nicht jeden Wunsch leisten können. Als Europäer sind wir es gewohnt, alles zu haben. Afrikaner dagegen haben schon einiges Leid erlebt und geben sich daher mit weniger zufrieden. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo kurz hoch Autorin: Vor einem in die Jahre gekommenen Gebäude bleibt Arthur Carvalho stehen, entschuldigt sich. Er hat einen weiteren Termin für ein Bewerbungsgespräch, das ihm seine Freunde Salvatore und Vasco vermittelt haben. Dabei möchte er lieber ungestört sein. Atmo kurz hoch Autorin: Jobsuchende Portugiesen wie Arthur sind in Maputo längst keine Seltenheit mehr. Vor ein paar Jahren waren Weiße im Stadtbild noch die Ausnahme. Heute jedoch sitzen in vielen der Straßencafés mehr Portugiesen als Mosambikaner. Dazu kommen andere Europäer, Südafrikaner, Asiaten. Alle angelockt vom Wirtschaftsboom. Mit den Konsequenzen dieser Einwanderungswelle beschäftigen sich mittlerweile sogar Wissenschaftler. Atmo 12: Büro (Telefon, Stimmen und Verkehr von draußen) Autorin: Mitten in der Innenstadt, im ersten Stock eines etwas in die Jahre gekommenen Wohnhauses, liegt das CEMO-Institut für mosambikanische und internationale Studien. Hortencio Lopes sitzt bei offenem Fenster an seinem Schreibtisch. Trotz der schwül-heißen, subtropischen Temperaturen trägt der Soziologe einen grauen Anzug. Hinter ihm ein Regal mit Aktenordnern, vor ihm ein Stapel eng bedruckter Seiten. Eine neue Studie. O-Ton 11: Original auf Portugiesisch ... . Übersetzer 4: Schätzungen zufolge sind bereits 25.000 Portugiesen eingewandert. Im Durchschnitt kommen jede Woche 140 neue. Es sind in der Regel junge Leute, die hier in Maputo nach Jobs suchen. Sie arbeiten in Restaurants wie diesem, in der Baubranche, für Banken oder Versicherungen. Einige gründen auch Unternehmen und schaffen so neue Arbeitsplätze, aber das ist die Minderheit. Die meisten suchen selbst eine Stelle. Dadurch ist die Jobsuche für Mosambikaner natürlich schwerer geworden. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo kurz hoch Autorin: Es ist nicht nur die verschärfte Konkurrenz, die meinen Landsleuten bitter aufstößt, fügt Hortencio Lopes hinzu, stützt die Ellenbogen auf seinen Schreibtisch. O-Ton 12: Original auf Portugiesisch ... . Übersetzer 4: Mosambikaner verdienen normalerweise weniger als Portugiesen. Selbst wenn sie die gleiche Arbeit verrichten. Als Grund dafür wird gern die bessere fachliche Qualifikation der Einwanderer angeführt. Dabei ist das längst nicht immer der Fall. Die Gründe sind vielschichtiger. Viele Mosambikaner fühlen sich Europäern gegenüber grundsätzlich unterlegen. Ein historisch bedingter Minderwertigkeitskomplex. Gleichzeitig steigt die Unzufriedenheit über die ungleiche Behandlung. Viele befürchten, dass nun eine Art Re-Kolonisierung stattfindet. Aber bislang drückt sich diese Stimmung nicht in offenem Protest oder sogar Gewalt aus. Die Leute sind einfach nur enttäuscht. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo kurz hoch Autorin: Ob die Regierung das Problem erkannt hat? Hotencio Lopes zuckt mit den Schultern. Eigentlich ist der Anteil ausländischer Beschäftigter in Unternehmen per Gesetz begrenzt, meint er, es gibt eine Quote. Aber diverse Schlupflöcher und Korruption untergraben diese Regelung. Mehr möchte er dazu nicht sagen. Atmo 13: Café Autorin: Eine halbe Stunde später in der "Pasteleria Cristal" - Bäckerei, Café und Restaurant in einem. Europäisches Kaffeehausflair. Es duftet nach Espresso, in der Auslage sind Croissants, Schokohörnchen und Kuchen appetitlich angerichtet. Ein beliebter Treffpunkt von Portugiesen in Maputo. Arthur Carvalho, Salvatore Costa und Vasco Guerra haben sich hier zum Mittagessen verabredet. Die drei Männer stammen alle aus demselben Ort südlich von Lissabon. Die Begrüßung ist herzlich. Kurze Umarmung, freundschaftliches Schulter klopfen. Atmo 14: Begrüßung, Unterhaltung, Café Autorin: Die drei setzen sich an einen Tisch, bestellen beim Kellner eine Runde Getränke. Arthur Caravlho bedankt sich bei seinen beiden Freunden für die Kontakte und Bewerbungsgespräche, die sie ihm vermittelt haben. Obwohl er noch immer keine feste Zusage bekommen hat. O-Ton 13: Original auf Portugiesisch ... . Übersetzer 1: Es ist ein großer Vorteil, so fern der Heimat Freunde zu haben. Sie helfen mir bei der Arbeits- und Wohnungssuche und dabei, mich in dieser fremden Stadt zurechtzufinden. Es ist generell so, dass die Portugiesen in Mosambik zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen. Ansonsten wäre es viel schwieriger Fuß zu fassen. So aber fühle ich mich trotz der großen Entfernung ein wenig wie zu Hause, aufgehoben und sicher. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo 15: Café, Männer unterhalten sich Autorin: Das Gespräch der drei Männer konzentriert sich bald auf die Situation in der Heimat. Salvatore Costa hat seine drei erwachsenen Kinder gerade in Portugal besucht. Gemeinsam mit seiner jungen mosambikanischen Braut. Meine Kinder haben zum Glück alle eine feste Arbeitsstelle, erzählt er, aber um ihre Zukunft mache ich mir trotzdem Sorgen. O-Ton 14: Original auf Portugiesisch ... . Übersetzer 2: In Portugal dreht sich die erste Hälfte der Nachrichten um die Krise und die zweite um die steigende Kriminalität. Bankautomaten werden gesprengt, Juweliere ausgeraubt, ältere Damen auf offener Straße überfallen. Die Diebe haben es vor allem auf Gold abgesehen. Das passiert jeden Tag, überall im Land und sorgt natürlich für große Verunsicherung. Früher hatten die Cafés bis zwei Uhr morgens geöffnet, heute schließen sie bereits um zehn Uhr abends. Aus Angst vor Überfällen. Jeden Tag melden Unternehmen Insolvenz an, die Arbeitslosenrate liegt bei 16 Prozent. Mosambik ist dagegen auf Wachstumskurs, die Verhältnisse sind sehr stabil und sicher. Für meine Entscheidung hierher zu ziehen war das ausschlaggebend und deshalb möchte ich auch bleiben. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo kurz hoch Autorin: Auch Vasco Guerra hat keine Pläne nach Portugal zurückzukehren. Wartet ab, sagt der 37-Jährige grinsend zu seinen beiden Freunden: In fünf Jahren bin ich der Chef vom Bergbaukonzern "Rio Tinto". O-Ton 15: Original auf Portugiesisch (erst nach Lachen mit Overvoice drüber) ... . Übersetzer 3: Mal im Ernst: Ich fünf Jahren wird Mosambik über die gleiche Dynamik und Stärke verfügen, wie Angola vor zehn Jahren. Dann werden sie alle kommen, um Geschäfte zu machen. Aber wir haben den Vorteil, jetzt schon da zu sein. Es gibt viele Möglichkeiten Erfolg zu haben und genug Geld zu verdienen, um ein gutes Leben zu führen. Bald kann ich auch daran denken, mit meiner Freundin eine Familie zu gründen. Vielleicht nach afrikanischer Tradition, fünf oder sechs Kinder, jedes Jahr eins. ... .Original auf Portugiesisch. Atmo 16: Verabschiedung, Café Autorin: Nach dem Mittagessen verabschieden sich Vasco Guerra und Salvatore Costa. Sie müssen wieder an die Arbeit. Der Jobsuchende Arthur Carvalho bleibt noch auf einen Espresso. Bis zum nächsten Bewerbungsgespräch hat er noch ein wenig Zeit. Die Unterhaltung mit den beiden erfolgreichen Auswanderern hat dem geschiedenen Familienvater wieder Mut gemacht. O-Ton 16: Original auf Portugiesisch ... . Übersetzer 1: Wenn ich einen Job finde, dann wird es mir leicht fallen, mir hier ein neues Leben aufzubauen. Vielleicht kann ich dann irgendwann auch meine beiden Kinder und meine Freundin nachholen. Zuerst aber muss ich hier Fuß fassen und mich beruflich etablieren. Das ist momentan das wichtigste Ziel. Original auf Portugiesisch. Atmo blenden Dann steht Arther Carvalho auf und klemmt sich wieder seine schwarze Bewerbungsmappe unter den Arm.