COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel vom 13.5.2010 "Nach dem 'Großen Wall' in 'Pulvermanns Grab'" - Was Springreiter am Hamburger Derby reizt Von Kirsten Lemke MUSIK 1) Kleis Das ist wohl der größte Tag in meiner Laufbahn bis jetzt. /.../ unfaßbar! Beerbaum Eins der größten Dinge, die mir passieren konnten, /.../ in meiner Sammlung hat mir dieser Derbysieg gefehlt, und es ist ein wahnsinnig schönes Gefühl, daß es heute geklappt hat. Granzow Da geht schon ein richtiges Ventil auf, wenn man weiß, alles hat sich ausgezahlt die Vorbereitung, und jetzt ist man wirklich Null über diesen Parcours, das ist schon der Wahnsinn, ja - HGW Ich bin hier nur hingekommen, um zu beweisen, daß ich das auch konnte. Damit hatte ich meine Schuldigkeit getan. 25" Derby-Sieger und Placierte aus mehreren Jahrzehnten; zuletzt Hans Günter Winkler, der das Hamburger Spring-Derby 1955 mit der legendären Stute Halla gewonnen hat. Worin besteht die besondere Herausforderung für Reiter und Pferde? Hans Günter Winkler: 2) Die Naturhindernisse - das nicht Alltägliche /.../ Ein Pferd springt über ein buntes Hindernis, wenn sie einen Baumstamm hinlegen, steht er wie ein Ochse davor. Fragen Sie mich nicht, warum, das hat noch keiner gefunden. Die Naturhindernisse machen Schwierigkeiten den Pferden, nicht die bunten Stangen. 15" Andre Thieme, Derby-Sieger von 2007 und 2008: 3) Man muß einfach sich super vorbereiten, das Pferd super vorbereiten, viel mehr Kondition im Pferd haben als normalerweise gefordert ist, damit die Pferde nicht nur die Kraft, sondern auch die Konzentration am Ende nicht verlieren, und die Länge des Parcours, die hohen Steilsprünge - am Ende ist alles schwierig am Derby. 21" Achaz von Buchwald, Derby-Sieger von 1982 und 1996: 4) Dieser Parcours ist ja nur so aufgebaut, daß man unglaublich sich als Reiter dabei denken muß, seine Pferde rittig haben muß und dazu auch noch vorsichtige Pferde mit viel Mut, und dabei ist da auch noch Riesenvermögen verlangt. 16" ATMO Glocke Rep 1 Der Vorjahressieger Nelson Pessoa aus Brasilien /.../ mit Gran Geste, einem prachtvollen Schimmel, der das erste und jetzt auch das 2. Hindernis fehlerfrei überfliegt. 17" Eine Reportage aus dem Jahr 1963. Der Anfang ist vergleichsweise einfach: beim braunen Rick und dem Doppelrick, den ersten beiden Hindernissen, passiert meistens nicht viel. ATMO Parcoursbesichtigung 5) Dies ist ein Parcours, der aus der Jagdreiterei entstanden ist, und das sind alles altmodische Hindernisse, die früher im Jagdfeld auch gestanden sind. 10" Wie sieht er aus, der 1230 Meter lange Kurs mit den 17 Hindernissen? Kaum einer kennt ihn so gut wie Achaz von Buchwald. Er hat von 1967 bis 2003 jedes Jahr am Hamburger Derby teilgenommen und neben seinen beiden Siegen so viele Placierungen errungen, dass er sie nicht mehr gezählt hat. Außerdem hat er sich mit der Geschichte des Derby-Parcours beschäftigt, den der Hamburger Kaufmann und Reiter Eduard F. Pulvermann zum ersten Mal im Jahr 1920 aufgebaut hat. 6) Man sieht schon daran, dass das genial gewesen ist, was er gemacht hat, weil dieser Parcours bis heute Bestand hat. Das ist unglaublich, und es gibt eigentlich Passagen in diesem Parcours, Hindernisfolgen, die heute immer noch wieder aufgebaut werden. /.../ Zum Beispiel ein Sprung mit viel Schwung anreiten, einen Hochweitsprung, und darauf folgend eine Steilsprung-Kombination. 26" Die Linienführung und die Art der Hindernisse sind seit 1920 praktisch unverändert geblieben. Nur die Abmessungen wurden immer mal wieder verändert - heute können die Sprünge bis zu einem Meter 65 hoch sein. Aber die Höhe ist gar nicht das größte Problem. Woran es liegt, dass es in der 90jährigen Derbygeschichte bis heute erst insgesamt 135 fehlerfreie Ritte gegeben hat, das zeigt schon das dritte Hindernis, eine Wallkombination: Rep 2 Guter Einsprung drüben am Holsteiner Wall und auch korrekter weiter fliegender Aussprung von Gran Geste - 9" ATMO Parcoursbesichtigung 7) Dies hier ist schon mal ein klassischer Derbysprung, eine Kombination aus zwei - wir nennen das: Irischen Wällen - /.../ das Pferd springt rauf, wieder runter, muss zwei Galoppsprünge machen und dann auf den nächsten Wall rauf und wieder runter. 14" Klingt einfach, ist es aber nicht. Denn zum einen liegt zwischen den beiden Wällen ausgerechnet der Ein- und Ausritt, eine gewisse Verlockung für die Pferde, die ganze Angelegenheit einfach abzukürzen; zum anderen ist die Landung auf dem Wall für viele Pferde ebenso ungewohnt, wie der Absprung - Achaz von Buchwaldt: 8) Da die Pferde diese Art Sprünge gar nicht mehr gewöhnt sind, landen die nach dem Sprung irischer Wall ganz ganz schlecht, das heißt sie fallen so von oben runter so auf allen vier Beinen, und das geht fürchterlich in den Rücken und in die Beine, und sogar da ist die Verletzungsgefahr groß, nur in der Landung, was ein normaler Zuschauer gar nicht sieht. 24" Verletzungsgefahr - das ist etwas, was die Reiter überhaupt nicht mögen in Zeiten, wo Pferde hunderttausende Euro wert sind und die Behandlung selbst kleinerer Verletzungen gleich eine Turnierpause bedeutet. Das Risiko wollen viele Reiter nicht eingehen, und deshalb lassen einige der ganz Großen des Springsports das Derby lieber aus. Und warum auch soll man dem Pferd etwas zumuten, was ihm womöglich weh tut? 9) Ich meine dass die Verletzungsgefahr nicht so groß ist, wenn man sein Pferd auch entsprechend vorbereitet. Aber es ist sicher so, dass heute die Vorbereitung für dieses Springen nicht mehr so gut ist. 11" Auf Kosten der Pferde, könnte man meinen, aber Achaz von Buchwaldt winkt ab: 10) Die meisten Verletzungen haben den Reiter getroffen, auf jeden Fall /.../ also die Pferde - ich wüsste jetzt nicht, dass sich ein Pferd mal schwer verletzt hätte im Derby. 11" MUSIK Weiter mit Nelson Pessoa und seinem Siegesritt 1963: Rep 3 Nelson Pessoa, der sich jetzt dem Wassergraben nähert, ihn weit überspringt, Staub wirbelt hoch, aber kein Wasser sprüht auf - jetzt die Palisadenwand, die grün gestrichen ist und die flankiert ist von Bäumen, von Tannen und von Birken. jetzt der große Wall - auch hier kann man sich leicht verschätzen beim Einsprung, aber nicht so Pessoa, nimmt das Rick in der Mitte, lässt sich dann herunterfallen (aus anderthalb Metern Höhe) und springt auch gut über die weiße Bretterplanke... 35" Das spektakulärste Hindernis im Derby-Parcours: der Große Wall mit der Planke gleich dahinter. Der Wall ist übrigens nicht anderthalb Meter hoch, wie der Reporter von 1963 sagt, sondern dreieinhalb! ATMO Parcoursbesichtigung 11) Man springt rauf auf den Wall, hat dann drei Galoppsprünge und muss oben diesen kleinen Sprung springen, der 1 Meter 15 hoch ist - das ist nicht viel, aber wenn man da oben ist auf dieser Höhe noch einen Sprung machen muss, bevor es steil runtergeht, dann ist das schon eine Klippe. /.../ Das ist mir auch mal passiert in meiner langen Laufbahn, dass ein Pferd partout nicht rübergehen wollte, im Training hat er s gemacht, aber hier stand ich da oben und dann war die Reise beendet. Das war sehr peinlich, (lacht) aber kann passieren. 41" Aber die eigentliche Klippe kommt erst dann: der Abstieg. Da stehen die Pferde oft und schauen ängstlich in die Tiefe - und nicht wenige lassen sich nicht dazu bewegen, den Wall herunterzugehen. 12) Dazu kommt auch noch, dass viele Reiter nicht den Mut haben, an dieser Kante noch mal den Impuls zu geben und zu sagen: komm, jetzt musst du da runter, und zwar einen energischen Impuls, weil sie Angst haben, dass das Pferd womöglich von oben runterspringen könnte, und das ist ja auch berechtigt. Aber meistens ist das so, wenn man beim ersten Mal nicht geschafft hat, das Pferd runterzukriegen, das heißt also, wenn das Pferd zurückgeht, dann kriegt man ihn auch nicht mehr runter. Man muss wenn der die Vorderbeine schon hinter der Kante hat, dann muss dieser Impuls kommen, dass es dann auch weitergeht. Sonst geht das nicht. /.../ Das ist eine Mutprobe auch. 40" Wenn es gelingt, sieht es ganz einfach aus: das Pferd rutscht ungefähr zwei Drittel des Walls möglichst gerade hinab und springt dann ab. Dann passt auch die Distanz von einem Galoppsprung zur folgenden weißen Planke, die 1 Meter und 60 hoch ist. Aber das gelingt auch den besten Reitern nicht immer. Hans Günter Winkler hat beim ersten Derby nach dem Krieg 1949 recht schmerzliche Erfahrungen am Wall gemacht: 13) Ich kam also von hier hinten angaloppiert, und in dem Bemühen, dass das Pferd hier über die Kante tritt und runterrutscht, hab ich natürlich Druck gemacht. Das Pferd hat das falsch verstanden und ist von hier aus frei in die Luft springend ohne ... frei rausgesprungen -/.../ das Pferd 10 Zentner, bums, und ich da oben drauf. Ich dachte ich hätte alles... wäre auf Lebzeit entmannt, und das Pferd denk ich auch kaputt, aber wir hatten nur alle uns sehr weh getan, aber es waren Prellungen, Stauchungen... 28" Es folgten noch einige Lehrjahre, bis Hans Günter Winkler 1955 das Derby mit Halla gewinnen konnte. Holger Wulschner, Derby-Sieger von 2000, hat beim Abstieg vom Wall auch schon mal Probleme bekommen. Als ihm sein Siegespferd Capriol nicht mehr zur Verfügung stand, startete er kurzfristig mit einem anderen Pferd, das aber nicht soviel Erfahrung hatte. 14) Im Derby selber ging er den Wall nicht runter, da hat er sich blitzschnell oben gedreht und wollte rückwärts runter, dann bin ich da oben abgesprungen, Gott sei Dank. Im Nachhinein hat ich da so einen Sinneswandel, und der ist rückwärts runtergegangen und ich hinterher, uns ist beiden nix passiert dem Pferd nicht und mir auch nicht. 17" Auch einer der erfolgreichsten Springreiter überhaupt, Ludger Beerbaum, hat den Abstieg vom Wall nicht immer hingekriegt. 1998 und 2003 gewann er das Derby mit dem Schimmel Champion du Lys, im letzten Jahr versuchte er es mit Goldfever - da war auf dem Wall Schluss: 15) Ich hatte mir eigentlich doch einiges vorgenommen, ich hätte gerne das Derby zum dritten Mal gewonnen, aber wie man sieht - Goldfever hat zwar mit all seiner Erfahrung mit 18 Jahren da doch einen gehörigen Respekt, den Wall runterzugehen, und ich hab dann entschieden, der hat das nicht verdient, dass ich den da unter Umständen runterzwinge oder womöglich mir noch ne Verletzung kassiere, wenn der da oben abspringt, /.../ und dann hab ich gedacht: ok, mit Gewalt geht's nicht - 19" Wenn einem das passiert, muss man irgendwie an der flacheren Seite wieder runterkommen vom Wall. Und wenn auch das nicht gelingt? 16) Da gibt's ja auch so eine schöne Geschichte aus den 60er oder Anfang der 70er Jahre, dass ein Engländer nachts probiert hat, mit seinem Pferd diesen Wall zu springen. Da kam er auch hoch, aber er hatte ein Riesenproblem, dass er alleine nicht wieder runterkam (lacht), und da mussten erst am nächsten Morgen ihm welche helfen (lacht) 21" Die wohl größte Schwierigkeit des Parcours! - und wenn die Pferde mutig in die Tiefe rutschen, dann kann es passieren, dass sie ungünstig landen. Janne-Friederike Meyer ist im Jahr 2005 mit ihrem Pferd Callistro zwischen Wall und Planke so unglücklich gestürzt, dass sie zunächst bewusstlos liegen blieb. Zum Glück hatte sie nur eine leichte Gehirnerschütterung. Spätestens nach einem solchen Erlebnis muss einem doch mulmig werden. Kann man die Angst da verdrängen? 17) Das muss man gar nicht verdrängen, das muss man einfach abhaken, das ist passiert, und ich bin damals nicht gut zum Sprung gekommen, und wenn ich jetzt das nächste Mal wieder reinreite, dann habe ich da keinen Gedanken mehr dran. 9" Das nächste Mal lässt allerdings auf sich warten - auch in diesem Jahr startet Janne Meyer nicht im Derby. Spielt für andere Reiter die Angst eine Rolle? Andre Thieme und Holger Wulschner: 18) Thieme: Wenn man die ersten Jahre immer mal diese verrückten Bilder am Wall gesehen hat, und dann kurz danach starten musste, ist man schon ein bisschen gehemmt in den Parcours geritten. /.../ Mit jedem Sturz kriegt man mehr Respekt, und man kann nur hoffen, dass man solange wie möglich davon verschont bleibt. Wulschner Das erste Jahr, wo ich geritten hab, da waren vor mir zwei Unfälle, da hab ich gedacht, ich reit am besten gar nicht mehr rein - da ist Hugo Simon gestürzt, Pit Weinreich gestürzt, nach mir noch Nelson Pessoa gestürzt - da wars mir dann nicht mehr einerlei. 27" Die Angst ist also begründet, das räumt auch Achaz von Buchwaldt ein, der aber die Schwierigkeiten des Derby-Parcours gegen Kritik verteidigt: 19) Da ist natürlich jede Art von Verletzungen drin, da ist niemand vor gefeit. Obwohl - und das muss man auch dazu sagen - wenn man das richtig trainiert und das richtige Pferd hat, passiert da nix. 12" Hat man Wall und Planke aber gut hinter sich gebracht, bleibt keine Zeit zum Aufatmen. MUSIK Rep 4 und ebenfalls fehlerfrei über das achte Hindernis, über das Koppelrick... 5" 20) Den Fehler darf man nicht machen, sich nach der Planke schon so zu freuen, und das ist ja so, dass die Leute immer so mitgehen, und acht Galoppsprünge dahinter hängt schon die nächste Klippe, und wenn sein Pferd da nicht richtig auf die Füße bekommt und hin reiten kann, ruckzuck hat man da einen Fehler, und ist das große Gestöhne da, 18" DAZU: ATMO Applaus, dann Raunen Matthias Granzow schaffte in den letzten beiden Jahren fehlerfreie Runden und war 2009 nach dem Stechen Zweiter hinter Thomas Kleis. Beide Reiter stammen aus Mecklenburg, ebenso wie die Derbysieger Holger Wulschner und Andre Thieme. Der große Erfolg der Mecklenburger Reiter in den letzten zehn Jahren kommt nicht von ungefähr, denn sie bereiten sich sehr gründlich auf das Springderby vor. In der Nähe von Rostock gibt es gleich zwei nach gebaute Derby-Plätze, mit allen Hindernissen, die dazu gehören, und beide hat übrigens Holger Wulschner gebaut. 21) Dann haben wir in Passin so eine Ecke gehabt, wo halb Koppel halb Müllplatz war, und dann haben wir das alles mal ein bisschen urbar gemacht. Und so ist das entstanden, dann haben wir immer so nach und nach die Hindernisse zusammengebaut und immer was verändert, und dann war der Platz irgendwann sehr heilig. 16" ATMO Passin Heute trainiert Matthias Granzow auf der Reitanlage in Passin, und viele Reiter fahren mit ihren Pferden hierher, um sich auf Hamburg vorzubereiten. So kommt es, dass gerade im Derby Reiter erfolgreich sind, deren Namen nicht ganz so bekannt sind - sagt Matthias Granzow stolz: 22) Man kann es ja wirklich so sehen, wenn ich das mal so ein bisschen frech sagen darf, dass die sich manchmal wirklich so, die Spitzenreiter, egal ob Olympiasieger oder Weltmeister, sich eigentlich einbilden, dass es so hinzukriegen ist, das Derby zu reiten, dass sie meinen, ich hab ein Pferd, das macht das eigentlich so gut, und mit meinen reiterlichen Fähigkeiten werd ich das schon hinkriegen, so hab ich den Eindruck bekommen, dass das eigentlich in den letzten Jahren so war, aber dass das ohne eine detailgenaue Vorbereitung nicht funktionieren kann, hat man immer wieder gesehen. 31" ATMO Granzow Derby fehlerfrei Rep 5 ...macht das Pferd jetzt schnell, dreht es nach rechts, nimmt das Tor in der Mauer an, auch hier noch kein Fehler... 9" 23) Dieses Gatter in der Mitte, das heißt Tütjes Tanzsalon - fragen Sie mich nicht warum das so heißt, aber das hat diesen komischen Namen... 9" 24) Hab ich in alten Annalen noch mal gelesen, da hab ich aber gelesen, dass es Tiedjes Tanzsalon hieß, /.../ das soll mal ein Restaurant in der Elbchaussee gewesen sein, das es tatsächlich gab, aber wieso dieses Tor nun Tiedjes hieß, das kann ich auch nur weitergeben, das hieß mal so - 16" Klaus Meyer ist erster Vorsitzender des Norddeutschen und Flottbeker Reitervereins, der das Hamburger Derby seit jeher veranstaltet. Seit 1920 hat es, abgesehen von einer zehnjährigen Pause während des Zweiten Weltkriegs und danach, jedes Jahr stattgefunden - in diesem Jahr also die 81. Ausgabe. Dass es nach dem Krieg bis 1949 dauerte, bis es das Derby wieder gab, lag vor allem daran, dass der Platz zerstört war: 25) Da soll ein Panzergraben quer über den Platz gezogen worden sein, wie es damals so üblich war, damit die Panzer nicht da durch kamen, also ein ganz tiefer Graben, und soweit ich weiß, sind die Wälle um den Platz herum aus Trümmerschutt gemacht worden. Ich glaube, die Renovierungsarbeiten für das Gelände waren ganz erheblich. 18" Nach dem Krieg begann die Hochzeit des Derbys, geprägt von Namen wie Fritz Thiedemann - hier sein Ritt von 1959: Reportage Ritt Thiedemann 1959 Atemlose Spannung liegt über dem Parcours, als der Elmshorner mit Retina dem Derbysieg entgegen reitet - (Applaus) die siebenjährige Schimmelstute kam unter Thiedemann in 46,7 sec auf den ersten Platz. Godewind und Meteor placierten sich an 3. und 5. Stelle. Ein Rekord in der Geschichte des Springderbys, der nicht leicht zu wiederholen sein wird. 25" Und auch nicht wiederholt wurde - aber Nelson Pessoa schaffte es 1963, mit den beiden einzigen Null-Fehler-Ritten den ersten und den zweiten Platz zu belegen. Der Brasilianer Nelson Pessoa - mit insgesamt sieben Derbysiegen unerreicht, es folgen in der ewigen Bestenliste Fritz Thiedemann und Hugo Simon mit jeweils fünf Siegen. Frauen waren nur viermal an der Spitze, zuletzt die Britin Caroline Bradley 1975. Rep 6 Als nächstes die beiden Ochser, zunächst der Birkenochser, fehlerfrei gesprungen, sehr kurz herumgenommen Gran Geste jetzt von Nelson Pessoa - der Buschochser - eine kleine Hilfe, und fehlerfrei fliegt Gran Geste über das Hindernis. 23" 27) Es hat früher hier schwere Stürze gegeben, als die Hecke noch bis an die Stange war. Manche Pferde hat das irritiert, und die haben in der Luft dann - wollten aufsetzen in dieser Hecke, haben dann - wir nennen das: über dem Ochser Rad gefahren, und dann ne Stange zwischen die Beine bekommen, und dann hat es ganz schwere Stürze gegeben. 20" Im Jahr 1998 erwischte es am Buschochser gleich zwei der ganz Großen: Nelson Pessoa und Hugo Simon: Simon Archiv 1998: "Ja, das ist immer ein Problem, dieser Buschochser. Nachdem die Pferde immer auf den Wall drauf springen, fußen sie doch ein, und Sie haben ja heute gesehen: hats ja doch ein paar Stürze gegeben. Gut, aber mein Pferd hat eigentlich Routine dafür - aber es ist trotzdem passiert." 15" MUSIK Rep 7 ... die beiden Eisenbahnschranken: Einsprung, Rhythmus dazwischen gut, und Aussprung, immer noch fehlerfrei - 8" Die Eisenbahnschranken - eine Steilsprungkombination, diesmal aus ganz normalen bunten Stangen. Allerdings: jeweils nur eine Stange hängt in luftiger Höhe, das Hindernis ist damit sehr transparent und für die Pferde schwer zu taxieren. 29) Das ist auch ein Sprung, den es heute nicht mehr gibt, und der ist so hoch, dass die Pferde neigen, da stehen zubleiben und dann den Kopf runter zu tun und eher drunter herzulaufen, als drüberzuspringen. Und Winkler hat damals die schwere Stange auf seinen Arm bekommen und sich den Arm gebrochen. Aber da gibt es einige Pferde, die da einfach stehen bleiben. 23" Hans Günter Winkler hat also nicht nur am Großen Wall schmerzliche Begegnungen mit dem Derbyparcours gemacht. Rep 8 Das Holsteiner Tor - jetzt kommt Pulvermanns Grab, und Pessoa macht das sehr richtig, indem er das Pferd versammelt - springt ein und springt fehlerfrei aus (Applaus) 14" 30) So hier ist das berühmte Pulvermanns Grab - jeder kennt es: Einsprung, es geht runter, die Pferde kucken auf den Graben und dann wieder rauf - schwieriger Sprung, den es sonst nicht mehr soviel gibt, und da werden unheimlich viele Fehler gemacht. 15" Der Wassergraben in der Mitte - das macht die Tücke dieses Hindernisses aus, das den Namen seines Erfinders trägt. Wie es dazu kam, beschreibt Eduard F. Pulvermann selbst: Sprecher: Bei dem ersten Nachkriegsturnier in Travemünde 1919 war ich für den Aufbau der Hindernisse verantwortlich. Eines von ihnen war ein Sprung, der einen tief gelegenen Graben zwischen zwei Weiden darstellen sollte. Das Gelände ging von beiden Seiten schräg herunter. Das ganze Hindernis hatte mit dem zwei Meter breiten Graben eine Ausdehnung von fünfzehn Metern. (...) Auf Wunsch meines Freundes, Buddenbrock-Pläswitz, startete ich als Erster. Mein Pferd stutzte, und ich fiel in den Graben. Als Buddenbrock das sah, schrie er laut: "Ah, das ist Pulvermanns Grab!" Ein Jahr später wurde das Hindernis Teil des neuen Derby-Parcours in Hamburg Klein-Flottbek. Überliefert ist, dass Pulvermann auch dort dieses Hindernis niemals fehlerfrei überwunden hat. Ob allerdings wirklich sein Zylinder nach einem Sturz auf dem Wassergraben schwamm, lässt sich heute nicht mehr überprüfen. Derby nannte Pulvermann das Springen in Anlehnung an den Galoppsport: so wie dort das Derby ein ganz besonderes Rennen war, sollte sein Springen anders als alle anderen Turniere sein. Wer war eigentlich dieser Eduard F. Pulvermann? Achaz von Buchwaldt ist auch heute noch von ihm begeistert: 31) Pulvermann das war ein Jagdreiter, der hier in der Gegend viele große Jagden geritten ist, und aus dieser Zeit heraus, des Militärs und der Jagden, hat er dann diesen Parcours entwickelt, und zwar auch mit diesen Hindernissen, die praktisch aus der holsteinischen Landschaft entnommen waren. Und er muss ein genialer Parcoursaufbauer, Pferdemann, guter Reiter gewesen sein, sonst hätte er das gar nicht so schlau und clever zusammensetzen können. Das ist ein grandiose Leistung gewesen, weil er der Zeit um 50 Jahre voraus war. 45" Joachim Winkelmann ist kein Pferdemann, dennoch stieß der Arzt im Ruhestand, der ganz in der Nähe des Derby-Parks wohnt, irgendwann auf den Namen Pulvermann und wurde neugierig. Er entdeckte eine facettenreiche Persönlichkeit. Nach drei Jahren intensiver Recherche in Archiven und bei den Nachkommen Pulvermanns veröffentlichte Winkelmann eine Biographie über den Parcoursbauer von Klein Flottbek. Sprecher: Eduard F. Pulvermann wurde 1882 in Hamburg geboren - sein Vater war Kaufmann, und der Sohn stieg in die Firma ein. Seine Leidenschaft gehörte der Reiterei, er widmete sich dem Turniersport und kaufte ein Gut in Schleswig-Holstein, wo er seine Pferde hielt - die hatten Namen wie "Weißer Hirsch" oder "Heiliger Speer". Dass sein Vater jüdischer Herkunft war, spielte keine Rolle im Leben Pulvermanns - bis er mit den Behörden in Nazi- Deutschland in Konflikt geriet. 32) Er war 1939 in Norwegen und hat dort einen Brief geschrieben an seinen Vetter / ... / und hat die desolate Situation der Firma beschrieben und diesen 4 Seiten langen Brief beendet mit den Worten: ich bleibe noch bis 28. Oktober hier und genieße das gute Essen. Das Essen bei uns ist furchtbar. 23" Das brachte Pulvermann eine Anklage wegen "Heimtücke" ein, erzählt Joachim Winkelmann - er kam in Untersuchungshaft und wurde 1942 zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. 33) Da er gesagt hat, das Essen bei uns ist furchtbar, war das eine Beleidigung des Staates, das heißt der Partei. 7" Als die Strafe eigentlich abgesessen war, kam ein zweites Verfahren wegen Devisenvergehen hinzu. Pulvermann wurde 1943 erneut verurteilt und kam vom Polizeigefängnis Fuhlsbüttel ins Konzentrationslager Neuengamme. Dort wurde er so krank, dass man ihn ins Haftkrankenhaus Langenhorn brachte, wo er am 9. April 1944 starb. Und Pulvermanns Grab? 34) Sein echtes Grab? Auf dem Ohlsdorfer Friedhof! Ist in meinem Buch genau beschrieben wie Sie hinfinden, weil es nicht leicht zu finden ist (lacht) MUSIK Rep 9 Die Mauer ist überflogen, jetzt kommt der Holsteiner Wegesprung - Einsprung, Aussprung, ebenfalls noch fehlerfrei - 12" ATMO Parcoursbesichtigung 35) Dieser Holsteiner Wegesprung, das ist ein hoher Steilsprung mit einem Graben dahinter und dann in einer ganz, ganz langen Distanz mit zwei Galoppsprüngen kommt ein Graben davor und wieder ein hoher Steilsprung. 14" Kurz vor dem Ende werden Pferd und Reiter noch einmal richtig gefordert. Eine anspruchsvolle Kombination, die viel Springvermögen und Kraft erfordert, obwohl die Pferde an dieser Stelle schon mehr als einen Kilometer Parcours hinter sich gebracht haben. Da zeigt sich, was ein echtes Derbypferd ist - Janne Friederike Meyer und Andre Thieme: 36) Janne Meyer: Es muss sehr mutig sein, es muss viel Vermögen haben... Thieme: Das ganz Besondere bei einem Derbypferd, denk ich, ist der Wille, dieser Mut und dieser Kampfgeist, dass eben wirklich, wenn die Kraft rausgeht und der Parcours immer noch nicht zu Ende geht, dann noch mal zu kämpfen und noch mal zu kämpfen .. 18" Ein solches Pferd hat Spaß am Derby, glauben zumindest nicht wenige Reiter - Holger Wulschner über den Hengst Capriol und Matthias Granzow über die Stute Antik: 37) Wulschner Der hat hier beim Rausreiten einfach Spaß gehabt, hat gebockt, war trotz des langen Parcours immer noch frisch, da sag ich einfach mal an dieser Stelle herzlichen Dank ans Pferd, auch wenn er's nicht versteht. Granzow Die freut sich jedes Jahr aufs Derby, das merk ich schon, weil das da nicht so bunt ist. 16" Rep 10 Es wird der bisher beste Ritt werden, denn er hat nur noch die Mauer, die letzte Hürde zu nehmen, und die müsste Gran Geste eigentlich fehlerfrei schaffen - setzt herüber und fehlerfrei! 12" Am letzten Hindernis kann eigentlich nicht mehr viel passieren - eigentlich..., aber: 38) Ein Pferd, das hieß Egly, war ein Holsteiner, der ganz erfolgreich war, und der ging Null im Derby, und am letzten Sprung, weg vom Ausgang, wollte er nicht diese Mauer springen, und das ist auch so eine dieser vielen Derbygeschichten... 15" Zur Ehrenrettung Eglys sei's gesagt: er hat das Derby auch einmal gewonnen, 1935 mit Günter Temme, jenem Reiter, der zwei Jahre zuvor den Parcours als erster fehlerfrei überwunden hatte. Rep 11 (1963 Pessoa) Der erste Nullfehlerritt des heutigen Nachmittags beim deutschen Springderby in Hamburg Klein-Flottbek von Gran Geste, dem Vorjahrssieger Nelson Pessoa aus Brasilien - 16" 39) (Reportage 2009 Kleis) noch ein Sprung, und Thomas Kleis gewinnt das Deutsche Springderby 2009 (Applaus) jawoll - schauen Sie sich diese Freude an nach dieser Konzentration bei Thomas Kleis - (rhythmisches Klatschen) --- 23" MUSIK (Musik: Mission Impossible / I: The Royal Philharmonic Concert Orchestra, Mike Townend / K: Lalo Schiffrin / LC 00136 insgesamt 3:00 Min.) 12