COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Boom und Krise Griechenland verliert Touristen an die Türkei Luise Sammann und Fatih Kanalici Atmo 1 Griechische Restaurant-Musik & Wellen Dazu: Atmo 2 Restaurantbesitzer Spyros führt auf Griechisch durch Speisekarte, Atmos kurz frei stehen lassen, dann runterblenden, Text drauf Autorin Kichererbsen-Kroketten, Feta-Creme... Spyros Galiatsatos, ein stämmiger Grieche mit kurzem schwarzen Haar und randloser Brille, sitzt am nördlichen Ufer der Insel Samos, fährt mit dem Finger über die Seiten einer Speisekarte. Wie jeden Nachmittag berät er mit seiner Mutter, was heute auf die Tageskarte des Restaurants Poseidon kommt. Während er spricht, zerrupft er ein Stück Weißbrot für die Minifische, die direkt neben seinem blau angepinselten Stuhl im glasklaren Meer schwimmen. Atmo 2 bleibt allein stehen O-Ton 1 Spyros Galiatsatos (Orig. Englisch) Wir bieten traditionelle griechische Kost an. Da ist zum Beispiel unser Schwertfisch, oder Haifisch aus der Region mit Knoblauchpüree. Natürlich haben wir auch frischen Tintenfisch in allen Varianten. Frittierte Calamari, aber auch - für die, die es ein bisschen abenteuerlicher mögen - mit Reis gefüllter Tintenfisch, gekocht in Tomatensoße, Wein und frischen Kräutern... Autorin Spyros fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Der Bauch unter seinem karierten Hemd beweist, dass er das Essen, dass Mutter und Tante in der Restaurantküche zubereiten, selbst noch nicht über hat... ‚Einer muss es ja essen', brummt der 38- Jährige, verzieht den Mund zu einem ironischen Grinsen. Viele der Tische unter seinem weinberankten Holzdach bleiben dieser Tage leer - an den Preisen liegt es kaum, denn die, weiß Spyros, fallen auf Samos: Gut 10 Euro kostet ein Fischgericht mit griechischem Salat und Hauswein bei ihm. Doch die Thymian duftende Insel Samos mit ihren endlosen Stränden, den Olivenhainen und Weinbergen erlebt die schlechteste Saison seit Jahren... O-Ton 2 Spyros Galiatsatos (Orig. Englisch) Ich habe gerade mal sechs Tische draußen - vor fünf Jahren wären es sicher 15 gewesen. Uns alle hier trifft der Einbruch im Griechenlandtourismus. Wäre ich als Deutscher hier, ich würde mich fühlen wie ein König, alle behandeln einen wie den kleine Prinzen, man hat ganze Strände für sich allein, oder eben das ganze Restaurant... Atmo 3 "Excuse me", Spyros steht auf... Autorin Spyros springt plötzlich auf, geht erwartungsvoll auf einen Mann zu, der sich suchend im Restaurant umsieht. Spyros streckt ihm die Karte hin, weist auf einen Tisch direkt am Wasser. Doch der Mann winkt ab... Als Spyros zurück kommt, ist sein Gesicht noch ein bisschen ernster als vorher, zwischen den buschigen Augenbrauen bleibt eine tiefe Falte. O-Ton 3 Spyros Galiatsatos (Orig. Englisch) Es kommen jede Menge Leute und wollen für mich arbeiten. Jeden Tag fünf, sechs Griechen auf der Suche nach einem Job... Das hatten wir hier noch nie! Viele meiner Freunde haben Samos schon verlassen und suchen im Ausland nach Arbeit. Wenn der Tourismus einbricht, trifft das alle! Die Bauern kriegen ihr Gemüse nicht mehr los, die Fischer brauchen nicht mehr raus zu fahren, weil keiner ihren Fisch kauft und in Restaurants und Hotels müssen wir die Leute entlassen, weil wir sie nicht mehr bezahlen können... Autorin Spyros rupft das Weißbrot in seiner Hand in winzige Stückchen, lässt sie wie in Zeitlupe auf das türkisblaue Wasser neben sich rieseln. Sofort kommen unzählige kleine Fische angeschossen, balgen sich um die aufgeweichten Krumen... Spyros sieht ihnen eine Weile zu, hebt dann den Kopf. "Da drüben", sagt er und blinzelt hinüber zur türkischen Küste, "da drüben haben sie keine Zeit die Fische zu füttern". Atmo 4 Fähre tutet laut Atmo 5 Türkische Party-Musik, Gedränge etc. Autorin Nur gut 1 Stunde braucht die Fähre vom Krisen geschüttelten Samos hinüber ins Nachbarland Türkei. Hier, im Städtchen Kuadasi, brummt das Geschäft! Die Gäste, die Spyros und den anderen Griechen auf Samos fehlen, rennen den türkischen Dönerbuden und Teegärten, den Bauchtanz-Bars und Kebab-Restaurants die Türen ein. Bis zu sieben Kreuzfahrtschiffe pro Tag schleusen Tausende zusätzliche Besucher durch Kusadasi, ein All-Inclusive-Hotel nach dem anderen entsteht an den Stränden ringsrum... Atmo 6 Aqua-Fantasy Hotel (draußen, Vögel etc.) Autorin Während Spyros es nicht mal schafft, die paar Doppelzimmer mit Meerblick zu füllen, die er über dem Restaurant Poseidon für 30 Euro pro Nacht vermietet, sind die 850 Zimmer im Aqua-Fantasy Hotel von Kusadasi längst ausgebucht. 3000 Betten - alle belegt! Hotel-Manager Sabahattin Mert grinst breit, besteigt ein weißes Golf Cart und beginnt eine Tour durch sein blühendes Reich. O-Ton 4 Sabahattin Mert (Orig. Türkisch) Dies hier ist der Bereich mit individuellen Bungalows in Gartenanlagen. Hier links liegt der Strand mit einem 150 Meter langen Anleger. Dort bieten wir Wassersport, eine Beachbar, Katamaran segeln usw. Atmo 7 Strand, leise Wellen Autorin Sabahattin Mert verlangsamt das Tempo, fährt vorbei an Wäldern aus blauen und roten Sonnenschirmen, an endlosen Reihen von Plastik-Liegestühlen, auf denen ölig glänzende Europäer in der Sonne braten... Es ist die gleiche Sonne, die auch wenige Kilometer entfernt über der griechischen Insel Samos scheint. Doch nur hier, auf türkischer Seite, werden in diesem Jahr die Liegestühle knapp. Die Türkei liegt mit ihren immer neuen All-Inclusive-Angeboten im Trend. Die kleinen Pensionen und Tavernen drüben in Griechenland wirken dagegen oft wie aus einer anderen Zeit. Ein in die Jahre gekommener Surfertyp kommt jetzt am Clubcar des Hotelmanagers vorbei, nickt freundlich. Zum 3. Mal in Folge ist er jetzt schon in der Türkei, strahlt der Familienvater aus Karlsruhe und schmiert sich Sonnencreme auf die rot leuchtende Nase. O-Ton 5 Tourist Franz (Orig. Deutsch) In Griechenland waren wir noch nicht, nein. Das ist ja eigentlich grad über die Berge rüber, aber ich war noch nie dort. Es ist halt auch ne Preisfrage, sag ich jetzt mal. Da kriegt man All-Inclusive-Hotel direkt am Spot, wo es sehr günstig ist. Und Griechenland, find ich, ist einfach teurer zum Urlaub machen. Und man schaut halt doch ein bisschen aufs Geld... Autorin Die Preise in den Hotels rund um Kusadasi beginnen bei unter 50 Euro pro Tag. Liegestuhl und Sonnenschirm, jeder Kaffe, jedes Bier, jeder Gang zum offenen Buffet inklusive... Vielleicht ist auch das - neben Krisenbildern und Imageverlust - ein Grund dafür, dass das Tourismusgeschäft in Griechenland im Frühjahr 2012 fast um die Hälfte eingebrochen ist - während gleich drei Millionen Besucher mehr in die Türkei gefahren sind. "Die Leute kommen eben lieber zu uns", triumphiert Manager Mert und gibt Gas. Atmo 8 Aqua Park (Fontäne, Kinderstimmen etc.) O-Ton 6 Sabahattin Mert (Orig. Türkisch) Das wichtigste an unserem Hotel ist natürlich der Wasser-Park. Durch den müssen wir allerdings laufen. Autorin Sabahattin Mert steigt von seinem Golf Cart wie ein König von seinem Ross, spaziert durch das Eingangstor hinein in eine Welt aus riesigen Rutschen, Plastikkrokodilen und Kokospalmen... Kreischende Kinder spritzen im Vorbeirennen seine Anzughose nass, Ein Vater mit dickem Hängebauch über der knappen Badehose hinterlässt platschend seine Badelatschen-Spur auf dem Weg zur Riesenrutsche... O-Ton 7 Sabahattin Mert (Orig. Türkisch) Wir haben unterschiedliche Rutschen mit unterschiedlich hohem Adrenalin- Pegel. Die erste hier nennen wir Boomerang. Und die weiße da, das ist die Familienrutsche, man kann mit drei Leuten nebeneinander rutschen. Das Ding da drüben nennen wir Kamikaze - da rutscht man mit bis zum 80km/h.... Autorin Kleine Schweißperlen stehen auf der Stirn von Sabahattin Mert. Fast sehnsüchtig blickt er hinauf zu der Rutsche, auf der jetzt eine tätowierte Blondine im pinken Bikini angesaust kommt... Der türkische Manager in Hemd und Hose passt nicht zwischen die unzähligen halbnackten, mal käseweißen, mal sonnenverbrannten Europäer. Doch er lächelt tapfer, fährt mit seinem Vortrag fort. Die meisten Besucher, weiß er, kommen in diesem Jahr aus England. Auch die Skandinavier haben sein Hotel längst entdeckt, genau wie die Niederländer - und natürlich die Deutschen, von denen allein im letzten Jahr knapp fünf Millionen die Türkei besuchten. O-Ton 8 Sabahattin Mert (Orig. Türkisch) Wenn man das hier Boom nennt, dann sind wir davon voll betroffen! Von Mai bis Mitte Oktober sind unsere 3000 Betten durchgängig belegt! Rundherum sind neue Anlagen, wunderbare neue Anlagen geplant. Und die günstigen Preise sind unser Vorteil gegenüber anderen Mittelmeeranrainern. Atmo 9 Kleinstadt Karlovasi Autorin Während sich die Touristen in der Türkei drängeln, immer spektakulärere All-Inklusive- Burgen sich gegenseitig mit Preisen unterbieten und jedes Jahr neue Besucherrekorde brechen, bleibt die nur wenige Kilometer entfernte griechische Insel Samos zu Beginn der Saison ruhig. Zu ruhig! Die schmalen Straßen von Karlovasi, der zweitgrößten Stadt auf Samos, sind an diesem Nachmittag wie leer gefegt. O-Ton 9 Chris Jones (Orig. Englisch) (empört) Das hier ist ein Touristenort! Haben Sie vielleicht irgendwen in den Bars sitzen sehen? Irgendwen, der einen Kaffee getrunken hat? Nicht einer! Und das Ende Mai! Autorin Chris Johnes, 61, rauft sich theatralisch die weißblonden Haare, deutet mit dem Finger auf die leeren Cafés ringsrum. Chris - pensionierter Sozialwissenschaftler aus Liverpool - kam 1995 nach Samos, wurde zum Wahlgriechen. In einem kleinen Bergdorf baut er gemeinsam mit den Einheimischen Wein und Oliven an, lebt von dem Gemüse, das sein Garten hergibt... Einmal in der Woche, erklärt er im Laufen, kommt er für das Nötigste hierher, nach Karlovasi. Heute aber streicht er durch die Straßen, als sehe er sie selbst zum ersten Mal. O-Ton Chris 10 Jones (läuft rum und zeigt) (Orig. Englisch) Hier, vor zwei, drei Wochen waren das noch volle Ladenfenster - alle leer geräumt! Und das hier war ein Buchgeschäft, zu! ... Ah, und hier noch ein Laden, geschlossen, seit ich das letzte Mal hier war... Überall diese Schilder: "zu verkaufen". Ich meine, wie weit sind wir jetzt gegangen - vielleicht 200 Meter?! Und schon fünf, sechs geschlossene Läden... Autorin Chris ist jetzt hochrot im Gesicht. Er hält inne, wischt sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der Stirn... Da plötzlich biegen zwei Touristen in Flipflops und Khaki- Shorts um die Ecke. Zwischen all den geschlossenen Läden wirken sie mit ihren Sonnenbrillen und Rucksäcken, als hätten sie sich verirrt. Doch Adriana aus Holland schüttelt kauend den Kopf. Sie und ihr Mann sind nicht etwa aus Versehen hier. O-Ton 11 Adriana (Orig. Englisch) Es gibt hier wunderschöne Strände, die Landschaft ist toll und es gibt jede Menge Historisches und Kulturelles zu sehen... Das hat uns angezogen. Autorin Keine Angst vor Streiks? Vor Ausländerfeindlichkeit und Euro-Hassern? Adriana tupft sich mit der Serviette die Tzazicki-Reste aus den Mundwinkeln, schüttelt entschieden den Kopf. Im Gegenteil! O-Ton 12 Adriana (Orig. Englisch) Wir wollten die griechische Wirtschaft unterstützen, indem wir hierher kommen. Und ich glaube es ist absolut sicher auf die Inseln zu fahren. Vielleicht kann es schwierig werden, wenn man nach Athen muss, wegen der Demonstrationen usw. Aber nicht hier! Und die Griechen sind alle extrem freundlich zu uns... Autorin Chris, der etwas abseits im Schatten eines alten griechischen Hauses verschnauft, kommt jetzt dazu und klopft dem Holländer auf die Schulter, als wären sie alte Freunde. O-Ton 13 Chris Jones (Orig. Englisch) Es muss wirklich mal gesagt werden - und ich hoffe, dass es noch viele andere sagen: Die Leute hier mögen die Touristen aus Deutschland oder eben Holland. Da gibt es überhaupt kein Problem! Sie sind vielleicht auch mal wütend oder frustriert, aber das ist wegen der Politiker, nicht wegen der Leute! Sie werden die Griechen hier sagen hören: Wir wollen, dass Touristen kommen! Bitte kommt, wir brauchen euch, ihr Touristen seid unser Lebenselexir. Und, es ist hier nicht gefährlich, kein bisschen... Autorin Chris stapft davon, der nächste geschlossene Laden ist ihm nur noch ein trauriges Kopfnicken wert. Chris weiß: Die Urlauber, die sich nach all den negativen Medienberichten noch nach Griechenland trauen, reichen nicht aus, um die täglich steigenden Steuern und Rechnungen der Inselbewohner zu bezahlen. Wie zum Beweis bleibt er vor einem kleinen Laden stehen, dessen Besitzerin rauchend auf den Treppenstufen sitzt. Den wuscheligen Lockenkopf in die Hand gestützt wartet Katherina auf Kunden. O-Ton 14 Katherina (Orig. Englisch) Ich verkaufe Gastronomie-Bedarf. Tafelsilber, Gläser und Teller - alles, was mit Bars, Restaurants und Hotels zu tun hat. Natürlich ist auch mein Geschäft betroffen, jeder hier ist betroffen. Die Zeiten sind schwierig... Autorin Wenn die Touristen ausbleiben, kauft keiner blau-weiße griechische Tischdecken, keine Kochmützen und Serviettenhalter...Katharinas Augen füllen sich mit Tränen, sie wendet den Kopf ab. Das hier müsste ihre Hauptsaison sein, die Restaurants und Hotels von Samos müssten sich dieser Tage auf die Ferienmonate Juli und August vorbereiten. Doch Katherinas Laden bleibt leer. O-Ton 15 Katherina (Orig. Englisch) Ich weiß nicht mehr weiter, in den nächsten paar Monaten werde ich sehen, was ich tun kann. Ich bin nicht mehr sicher, ob ich es schaffen kann... Autorin Chris legt Katherina die Hand auf die Schulter, versucht ein aufmunterndes Lächeln. Seit 25 Jahren, raunt er beim Rausgehen, hat sie ihr Geschäft. 2012 könnte das letzte sein.... Atmo 10 Alacati (fröhliche türkische Café-Musik, Menschen) Autorin Läden schließen, Mieten fallen - in Griechenland, auf Samos. Ein paar Kilometer von der Insel entfernt, im türkischen Alacati, steigen die Immobilienpreise zeitgleich in die Millionen. Jeder einzelne Stein des malerischen Kopfsteinpflasterörtchens nahe Izmir steht für den Boom der vergangenen Jahre. 10.000 Menschen leben hier im Winter. 150.000 werden es im Sommer! O-Ton 16 Burak Önal (Orig. Türkisch) Das hier ist unser Marktplatz mit vielen kleinen Läden rundherum. Schlachtern, Krämern, Souveniershops usw. Dieses Haus hier war völlig herunter gekommen. Letztes Jahr wurde es verkauft, restauriert und wird nun zum Hotel. Unten kommen Cafes oder Restaurants rein... Atmo 11 Burak führt herum Autorin Burak, ein pummeliger Türke mit Kinngrübchen und freundlichen braunen Augen, führt stolz durch die Straßen seines Heimatortes. Alle paar Meter bleibt er stehen, grüßt die alten Männer, die rauchend vor ihrem Teehaus sitzen und die Gebetsketten durch die Finger gleiten lassen, nickt dem Souvenirverkäufer an der Ecke zu, erklärt einem verirrten Touristen den Weg zum Strand... Burak, 31 studiert und redegewandt, steht für den Wandel von Alacati, dessen Bewohner bis vor wenigen Jahren von Viehzucht und Tabakanbau lebten. O-Ton 17 Burak Önal (Orig. Türkisch) Das hier zum Beispiel ist eine alte Schmiede. Hier haben sie den Pferden die Hufe beschlagen. Jetzt haben die Enkel vom Schmied hier ein Cafe. So erhalten sie sein Erbe. Einen Schmied braucht hier keiner mehr, die Pferde und Esel sind weg. Autorin Burak spaziert weiter. Der Duft von frischem Jasmin weht durch die engen Gassen, unzählige Schwalben haben ihre Nester in den Eingängen der historischen Steinhäuser von Alacati eingerichtet - sausen über die Köpfe der Touristen hinweg, die jetzt am Nachmittag die unzähligen Cafes und Restaurants bevölkern. Vor einem davon bleibt Burak stehen. Atmo 12 Buraks Café O-Ton 18 Burak Önal (Orig. Türkisch) Das hier ist das Haus, in dem ich geboren und aufgewachsen bin. Später haben wir es in ein Café umgewandelt. Das hier war das Wohnzimmer - jetzt bewirten wir darin unsere Gäste, als wären es Freunde, die zu Besuch kommen... Autorin ...mit dem kleinen Unterschied natürlich, dass die Gäste in Buraks Wohnzimmer nun bezahlen, Burak zwinkert verschwörerisch. Ein Glas Cay kostet bei ihm 3 Lira, ein Wucherpreis für türkische Verhältnisse! Doch Burak und seine Nachbarn wissen längst: Drei Lira, gut ein Euro, sind für die türkische Oberschicht oder europäische Touristen immer noch ein Schnäppchen... O-Ton 19 Burak Önal (Orig. Türkisch - Aussprache s. Audiofile!) Bis 1995 gab es nicht ein einziges Hotel in Alacati! Das hier waren alles Wohnhäuser. Hier gegenüber wohnte Tante Fikriye und dort auf der anderen Seite, das war das Haus von Tante Gökcen, daneben Tante Zeki...Im Sommer sind wir alle auf einen Lastwagen geklettert, einige brachten Tee mit, andere Börek, andere Käse - und dann ging es zum Picknick an den Strand. Der war damals leer - heute ist er berühmt für internationale Surf-Meisterschaften! Atmo 13 Flipflops, Meer, Wind O-Ton 20 Evelyn (Orig. Deutsch) Evelyn Also, wir laufen jetzt runter in die Surfbucht, wo die Surfschulen ansässig sind, hier rechts von uns ist das erste Hotel am Platz, das erste, was es gab. Und die Surfschulen werden scheinbar immer mehr. 2004 waren wir schon mal hier, seither ist einiges dazu gekommen, da gab's dieses eine Cafe und daneben eben ne Surfschule und sonst eigentlich nichts. Evelyn aus Stuttgart steckt die Fingerspitze in den Mund, hält sie dann in die Luft, prüft kritisch den Wind. Sie und ihr Freund Martin sind in Neoprenanzug und Flipflops auf dem Weg zu ihren Brettern. Zwei Wochen Surfen - dafür hätten sie auch nach Ägypten, Tunesien oder eben Griechenland fliegen können. Evelyn guckt Martin an, der schüttelt entschieden den Kopf. O-Ton 21 Martin (Orig. Deutsch) Grad waren ja auch die Wahlen in Griechenland und dadurch dass es alles ein bisschen unsicher ist und es schon öfter Generalstreiks gab an den Flughäfen usw. haben wir uns wirklich für die Türkei entschieden aktiv. Es war wirklich erst 50:50 erst und dann haben wir uns wirklich aktiv für die Türkei entschieden, das war der Grund... Evelyn und Martin streifen ihre Flipflops ab, schieben die Bords ins Wasser und mühen sich einen Moment lang an den schweren Segeln ab, bis ein Windstoß sie beide erfasst. Ein paar Kilometer trennen sie nur von Griechenland, wenn sie wollten, könnten sie sich hinüber tragen lassen... Atmo 1 Griechische Restaurant-Musik & Wellen Autorin ... bis an einen der Strände von Samos zum Beispiel - oder direkt vor das Restaurant Poseidon am nördlichen Ufer der Insel. Restaurantbesitzer Spyros Galiatsatos erinnert sich noch gut an die bunten Surf-Segel, die einst auch hier im Wind standen. Jetzt liegt das türkisblaue Wasser still und glitzernd da, zwei Möwen tippeln auf dem nahegelegenen Kiesstrand auf und ab, ein paar vereinzelte Touristen haben sich auf ihren Handtüchern ausgestreckt... Ratlos zuckt Spyros mit den Schultern. Mit den All- Inclusive-Preisen der Türken können er und seine Landsleute nicht mithalten, die Fernsehbilder von Demonstranten in Athen können sie nicht beeinflussen... Was also tun? Spyros legt die Hand über die Augen, blickt hinüber in die Türkei. Als er ein Schuljunge auf Samos war, waren Türkei und Griechenland noch erbitterte Feinde. ‚Die Küste dort drüben', Spyros zeigt mit dem Finger darauf, die wirkte bedrohlich und die Türken waren arm'. Er lacht leise. Jetzt verdienen viele Türken mehr als die Griechen! Der Streifen am Horizont wirkt heute eher wie ein Hoffnungsschimmer... O-Ton 22 Spyros Galiatsatos (Orig. Englisch) Ich sehe es in den Zeitungen und auch hier um mich herum, dass sie versuchen mehr türkische Touristen nach Samos zu bringen. Wenn wir Glück haben, bekommen sie ein Visum und die Türken können sogar mal fürs lange Wochenende rüberkommen. Wir können nur hoffen, dass es noch mehr werden!