COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Öl im Nationalpark 25 Jahre Ölförderung im Watt Autor Dietrich, Mohaupt Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 02.10.2012 - 13.07 Uhr Länge 19.15 Minuten Moderation Ölförderung mitten im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer - seit Jahrzehnten ist das ein Zankapfel zwischen Wirtschaft und Naturschutz. Am 01. Oktober 1987 begann das schwarze Gold aus der Lagerstätte Mittelplate zu sprudeln, gespeist aus ölhaltigen Sandsteinschichten in 2.000 bis 3.000 Metern Tiefe. Mehr als 100 Mio. Tonnen Erdöl vermuten Experten in diesem Ölfeld unter dem Wattboden vor der Dithmarscher Küste. Im vergangenen Herbst gab es - wieder einmal - hitzige Diskussionen über neue Probebohrungen, mit denen das Erdöl-Förderkonsortium RWE/DEA und Wintershall sich Klarheit verschaffen will über weitere Ölvorkommen in dem Bereich. 25 Jahre Ölförderung im Watt - der Streit geht weiter. Dietrich Mohaupt nahm sich des Themas an. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Geräusch Bohrplattform Ablegen in niedersächsischen Cuxhaven, die Sara Maatje IV ist wieder auf dem Weg zur Mittelplate. Bis zu drei Mal täglich fährt das Schnellboot durch die Elbmündung bis hinein ins Wattenmeer vor der Küste Schleswig-Holsteins und zurück - in erster Linie, um Personal auf die Bohr- und Förderinsel oder nach Ende der 14 Tage dauernden Schicht wieder zurück nach Hause zu bringen. Der Weg von und nach Cuxhaven ist zwar viel länger als der nach Friedrichskoog z.B. - bis dahin sind es nur knapp 8 Kilometer - aber die Fahrt durchs Watt an die Dithmarscher Küste wäre schwieriger und nur bei günstigen Tide- und Wetterverhältnissen möglich. Nach knapp einer Stunde hat die Sara Maatje IV Mittelplate erreicht - routiniert erledigt die Besatzung das Anlegemanöver. Die Passagiere steigen aus und klettern über steile Eisentreppen hinauf zur Anmeldung auf Deck 1 der Bohrinsel. Was sofort auffällt - von einer Inselidylle mitten im Naturpark Wattenmeer keine Spur, es ist richtig laut. 70 mal 95 Meter misst die Grundfläche der Bohr- und Förderplattform - sie steht nicht, wie andere Bohrinseln, auf langen Stelzen im Wasser. Das ganze Gebilde ist eine Spezialkonstruktion aus einer riesigen Betonwanne mit einer meterhohen Spundwand, erläutert RWE-Sprecher Derek Mösche. Mösche "Die Mittelplate ist eine künstliche Insel, die fest auf dem Sandwatt installiert ist. Hier die Spundwand, die 11 Meter hoch ist, und die verhindert, dass von Außen irgendwas eindringen kann und von Innen irgendwas austreten kann ins Wattenmeer. Also, es haben dort Berechnungen stattgefunden für die höchst anzunehmende Welle, und diese 11 Meter hohe Spundwand mit den Wellenabweisern oben dran, die verhindert eben, dass hier bei Sturm Salzwasser über die Kante geht." Genau diese vollständige Abschottung der Bohrinsel war die entscheidende Voraussetzung für die Erteilung der Förderlizenz Ende 1981. Natur- und Umweltschutzverbände hatten diese Lizenz trotz jahrelanger massiver Proteste nicht verhindern können. Immer wieder hatten sie auf die Gefahr eines Ölaustritts und die die damit verbundenen verheerenden Folgen besonders für die Vogelwelt im Watt hingewiesen - am Ende vergeblich. Bei Beginn der Bauarbeiten an der Bohrinsel im Juni 1985 gab es den Nationalpark noch nicht - erst kurz danach, im Oktober des Jahres, wurde die Region offiziell unter Schutz gestellt. Seither steht die Bohr- und Förderinsel Mittelplate in der Schutzzone 2 des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer - eine eingeschränkte Nutzung ist in diesen Gebieten erlaubt. Die Auflagen dafür sind aber sehr streng - Erdöl bekommt man deshalb auf der künstlichen Insel im Watt praktisch nirgendwo zu sehen, auch nicht im sogenannten Bohrkeller. Das ist der tiefste Punkt der Plattform, die Bodenplatte der Betonwanne, die direkt auf dem Wattboden aufliegt. Von oben, aus der Decke des Raumes, kommt ein dickes Rohr, in dem sich das Bohrgestänge dreht. Am Boden verschwindet es durch eine spezielle Öffnung in die Tiefe - hier beginnt der lange Weg zur Erdöllagerstätte. Mösche "Die Bohranlage steht über uns, wir haben hier diese Luken in der Decke, wo das Bohrgestänge quasi hier durchgeführt wird und dann hier in 2000 bis 3000 Metern Tiefe zur Lagerstätte vordringt. Also, das ist die A18e, d.h., das ist eine alte Bohrung, die A18, die jetzt noch einmal abgelenkt wird." Abgelenkt - das bedeutet, dass die Bohrung erst einmal senkrecht in den Meeresboden geht und dann mehr oder weniger horizontal weiter geführt wird. So erreichen die Experten auch Öl führende Schichten in bis zu 8 Kilometern Entfernung von der Bohrinsel. In insgesamt 3 Bohrkellern auf der Mittelplate gibt es 44 dieser Öffnungen im Boden, durch die gebohrt wird bzw. künftig noch gebohrt werden soll. 19 Bohrungen sind derzeit aktiv - knapp 1 Mio Tonnen Erdöl wurden zuletzt pro Jahr aus ihnen gefördert, und dabei tritt offenbar tatsächlich kein Tropfen aus. Der Raum ist - sauber: Kein schmieriger Ölfilm auf dem Boden, alle Ventile und Rohrleitungen sind blitzblank - und genau so sieht es auch ein paar Meter höher im sogenannten Förderkeller aus. Warm ist es hier, richtig mollig. An der Decke und den Wänden verläuft ein ganzes Labyrinth von Rohrleitungen. Hier - und nur hier - ist dann doch ein Blick auf das schwarze Gold der Nordsee möglich: A17 steht auf einer der Leitungen, an der sich Facharbeiter Christian Smigelski gerade zu schaffen macht. Mit einer Plastikflasche bewaffnet zapft er eine Probe aus dieser Bohrung A17 ab - gurgelnd und zischend fließt das Erdöl in die Flasche, eigentlich mehr Gas als Öl. Smigelski "Das kommt jetzt aus 2.000 Metern Tiefe, hat jetzt die 5 Meter hier Übertage zu Probestelle geschafft. Der größte Anteil bei der Bohrung, weil sie eine Reinölbohrung ist, ist Gas - mit der Zeit wird dann noch Wasser dazukommen, was wir dann ausschleusen müssen." Derzeit ist kaum Wasser in dem geförderten Öl, später - mit zunehmender Ausbeutung der Lagerstätte - wird der Wasseranteil rapide ansteigen und irgendwann wird sich die weitere Förderung nicht mehr lohnen. Noch sprudelt das Öl aber, gut 70 Grad ist es heiß wenn es aus dem Meeresboden kommt - deshalb ist es im Förderkeller auch so warm. Das Gas, das mit dem Öl nach oben kommt, wird übrigens nicht einfach abgefackelt - das war früher, heute nutzt RWE das Gas. Auch damit lässt sich Geld verdienen, nicht nur in der chemischen Industrie, erläutert Unternehmenssprecher Derek Mösche. Mösche "Wir fördern hier ein Gemisch von etwa 12 Teilen Erdölgas und einem Teil Öl und dieses Erdölgas wird z.B. von der Firma Sasol in Brunsbüttel gekauft und zur Erzeugung von Prozesswärme genutzt. Wir liefern es aber z.B. auch an das Fontamar in Friedrichskoog, wo es zur Beheizung des Kurmittelhauses genutzt wird, das Schwimmbad damit geheizt wird." Die Abtrennung der Gas- und Wasserbestandteile findet übrigens nicht auf der Bohrinsel selbst statt - das geschieht auf der Landstation Dieksand bei Friedrichskoog in Dithmarschen. Über eine gut 9 Kilometer lange Pipeline wird das frisch geförderte Erdöl dorthin transportiert. Bis zum Jahr 2005 wurde es noch täglich mehrmals mit Schiffen nach Brunsbüttel gefahren - weniger Schiffsbewegungen, das bedeute eine deutliche Entlastung für das Watt, betont Derek Mösche. Mösche "Diese Schiffsbewegungen, etwa 2000 im Jahr, die waren natürlich auch den Umweltschützern ein Dorn im Auge, denn solche Schiffstransporte haben auch immer ein gewisses Risikopotenzial bei Wind, Nebel, dann natürlich hier in der Elbmündung mit viel Schiffsverkehr. Und da waren auch die Umweltschützer sehr schnell davon zu überzeugen, dass die Pipeline die sicherer und bessere Lösung ist." Ganz unumstritten war aber auch diese Pipeline nicht - immerhin musste sie gut 7 Kilometer durchs Watt verlegt werden, was einen massiven Eingriff in den Nationalpark darstellt. Die Rohrleitung wurde 25 Meter tief im Meeresboden verlegt - man wollte so verhindern, dass das gut 70 Grad heiße Erdöl die oberen Wattschichten zu stark erwärmt. Das hätte die Lebensbedingungen für viele Arten gravierend verändert. Diese Pipeline endet in der Landstation Dieksand - hier werden Gas- und Wasserbestandteile abgeschieden und das aufbereitete Öl wird weiter in eine Pipeline nach Brunsbüttel und in die Raffinerie nach Hemmingstedt bei Heide gepumpt. Außerdem wird auch von Dieksand aus nach Erdöl unter dem Wattenmeer gebohrt. Auf der Landstation kommt nicht nur das Öl von der Bohrinsel an, erläutert Betriebsleiter Klaus Wiese. Wiese "Wir haben eine Bohrung mit 9.200 Meter Länge, die abgelenkt unter die Mittelplate führt. In diese Bohrung sind dann Tauchkreiselpumpen eingesetzt worden, die bei etwa 2.800 Metern im Öl schwimmen und von da aus das Öl zu Tage fördern." Über fein säuberlich geharkte Kieswege geht es zu einem der großen Tanks auf dem Gelände der Landstation Dieksand - hier lagert das schwarze Gold der Nordsee, auch hier wieder der unvermeidliche Hinweis auf die Sicherheit. Klaus Wiese macht sich an einer schweren Luke zu schaffen. Wiese "Wir haben hier einen 2.5000 Kubikmeter Stapeltank mit Rohöl, und wir wollen jetzt mal die äußere Hülle aufmachen ...(Sound Luke öffnen) ... wir haben da drin einen sogenannten Ringraum und dahinter kommt dann die eigentliche Hülle, die uns von dem Öl trennt. Das ist das Prinzip eines Doppelhüllentankers." Insgesamt 4 solcher Tanks stehen auf dem Gelände - in ihnen wird das Öl von der Bohrinsel und von den abgelenkten Landbohrungen gesammelt, bevor es weiter in die Raffinerie gepumpt wird. Pro Jahr kommen hier derzeit rund 1,4 Mio. Tonnen Erdöl an - Tendenz fallend, die Ölreserven in den bereits erschlossenen Lagerstätten werden langsam knapp. RWE will jetzt dagegen steuern - und hat deshalb Anträge für 4 neue Probebohrungen gestellt, 3 vor der schleswig-holsteinischen, eine vor der niedersächsischen Küste. Mehr als 20 Mio. Tonnen Rohöl vermuten die Experten des Unternehmens noch in verschiedenen Lagerstätten, mit Hilfe der sogen. Explorationsbohrungen will man sich ein noch genaueres Bild von den vermuteten Ölvorkommen verschaffen. 20 Mio. Tonnen Öl - ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für ganz Deutschland und vor allem für die Küstenregion, meint RWE-Sprecher Derek Mösche. Mösche "Das ist für Deutschland schon volkswirtschaftlich sehr wichtig wenn man bedenkt, dass zur Zeit die Ölreserven in Deutschland rund 36 Mio. Tonnen betragen. Allein in Dithmarschen hängen über 1000 Arbeitsplätze an Mittelplate, allein in der Raffinerie Heide sind es knapp 500, dann hängt die gesamte weiter verarbeitende Industrie in Brunsbüttel da mit dran, und auch für Niedersachsen wäre das natürlich eine interessante Option, dort einen Förderbetrieb zu bekommen an der Küste." Noch mehr Ölbohrungen im Wattenmeer, noch mehr Ölförderung mitten im Nationalpark - als diese Pläne im vergangenen Jahr bekannt wurden, meldeten sich auch wieder Umweltschutzverbände und Kritiker zu Wort. Von Anfang an hatte es erbitterten Widerstand gegen die Ölförderpläne gegeben - schon gegen die Probebohrungen in den Jahren 1980 und 81 und gegen den Bau der Plattform Mittelplate vier Jahre später. Anfang Oktober 1987 begann dann die reguläre Erdölförderung - in einem Schaukasten im Betriebsgebäude der Landstation Dieksand steht noch eine kleine Flasche mit Rohöl aus den ersten Tagen: 6. Oktober 1987 steht als Datum auf dem Etikett - damals wurde die erste Schiffsladung Öl von der Bohrinsel abtransportiert. Seither habe es keinen einzigen Zwischenfall gegeben, betont Thomas Kainer, Chef des RWE-Förderbetriebs Holstein. Ölförderung im Wattenmeer - das muss kein Zankapfel sein, meint er. Kainer "Wenn man 25 Jahre im Watt störungsfrei fördern kann, dann hat man natürlich auch einen gewissen Beweis erbracht, dass man die Technik beherrscht, dass man sein Geschäft auch wirklich kann. Zankapfel - das ist, sag ich ... man hat viele Besuche auf der Mittelplate gehabt, von Leuten, die durchaus auch kritisch gestimmt waren, die wir überzeugen konnten, dass wir unser Geschäft hier wirklich beherrschen." Mag ja alles sein, lässt sich dazu der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck von den Grünen vernehmen. Sein Ministerium ist zuständig für die Genehmigung der neuen Probebohrungen, der Verweis auf 25 Jahre unfallfreie Ölförderung im Watt erscheint ihm reichlich dürftig. Habeck "Naja, das wäre ja noch viel schöner, wenn da was passieren würde, oder wenn da permanent Öl auslecken würde. Also - es ist richtig. RWE-DEA fördern sauber, aber richtig ist auch, dass eine Bohrplattform im Nationalpark - also dem höchsten Schutzstatus den wir haben - eine potentielle Bedrohung darstellt und eigentlich nicht da rein gehört." Die Fronten wären damit wohl geklärt - leicht wird es für RWE nicht, an die Genehmigungen für neue Probebohrungen zu kommen. Das Umweltministerium in Kiel hat die entsprechenden Antragsunterlagen bereits Ende vergangenen Jahres erhalten - sie aber noch nicht bearbeitet, denn... Habeck "Die Antragsunterlagen sind damals nicht vollständig gewesen und sind zurück gegangen, sind noch nicht wieder eingetroffen - vollständig, aber das kann jetzt bald passieren und dann werden wir das nach Recht und Gesetz prüfen. Und Recht und Gesetz heißt eben: Auch nach dem Nationalparkgesetz prüfen. Und das Nationalparkgesetz sagt explizit, dass Bohrungen für Öl nicht erlaubt sind im Nationalpark. Nun kann man sich darüber streiten, ob Explorationsbohrungen nun keine Bohrungen für Öl sind oder eben doch sind ... und das werden wir auch tun, diesen Streit ausfechten." Für RWE liegt der Fall klar auf der Hand - Exploration heißt nicht nach Öl bohren, es solle schließlich durch diese Bohrungen nichts gefördert werden. Eigentlich könne es da keine zwei Meinungen geben, sagt jedenfalls Unternehmenssprecher Derek Mösche.. Mösche "Das wird dort keine neue Fördereinrichtung im Wattenmeer geben. Wir respektieren da natürlich die Schutzwürdigkeit, uns ist durchaus bewusst, wie sensibel die Region ist. Wir haben durch Mittelplate unter Beweis gestellt, dass wir dort sehr verantwortungsbewusst agieren und sind der festen Überzeugung, dass wir hier umweltgerecht zeitlich befristet diese Probebohrungen durchführen können und dann die Förderung von außerhalb des Nationalparks vornehmen können." Umweltgerechte Probebohrungen mitten im Nationalpark - für Sylvia Gauss ist das ein Widerspruch in sich. Die Biologin von der Schutzstation Wattenmeer ist so etwas wie ein Urgestein des Widerstands gegen die Ölförderung auf der Mittelplate. Sie hat sich nie mit dem Anblick der Bohr- und Förderplattform vor der Dithmarscher Küste abgefunden. Bei nur halbwegs guter Sicht ist das Bauwerk ständig zu sehen, ob vom Strand bei Büsum, beim Spaziergang auf dem Deich in Friedrichskoog oder bei der Fahrt mit dem Schiff nach Helgoland z.B. - immer wieder fällt der Blick auf die künstliche Insel im Watt, und jedes Mal nervt sie der Anblick. Gauss "Das kann und darf nie Normalität werden. Ich persönlich bin jetzt seit 20 Jahren dabei, gegen die Ölförderung im Wattenmeer anzukämpfen, und kein Naturschützer kann und wird es sich leisten zu sagen, wir finden uns mit dieser Geschichte ab. Denn - das ist und bleibt ein Schandfleck im Nationalpark." Und deshalb wollen Umweltverbände wie die Schutzstation Wattenmeer, der WWF und der Naturschutzbund NABU sich mit aller Kraft gegen die geplante Ausweitung der Erdölförderung stemmen. Einfach nur zukucken, wie neue Probebohrungen durchgedrückt werden - das kommt für Sylvia Gauss nicht in Frage. Sie setzt ganz klar darauf, dass der Umweltminister der gerade erst ins Amt gewählten Koalition aus SPD, Grünen und SSW in Schleswig-Holstein seine Zustimmung verweigert - die Faktenlage sei schließlich eindeutig. Gauss "Wenn man ins Nationalparkgesetz kuckt, zumindest für Schleswig-Holstein, da steht ganz klar drin: Ölförderung nur ausgehend von der Mittelplate. Im Koalitionsvertrag hat man sich da ja auch genau positioniert. Wir haben die Unterlagen noch nicht, die sind ja noch bei den Ministerien in der Prüfungsphase. Wir werden dann offiziell beteiligt, werden entsprechend Stellung nehmen - dann kann man eigentlich nur hoffen, dass die Sache nicht genehmigt wird. Sollte sie aber genehmigt werden, sind wir eigentlich wild entschlossen, auch da wieder Rechtsmittel einzulegen." Mit einer Klage wollen die Umweltschutzverbände also notfalls weitere Probebohrungen nach Erdöl im Watt verhindern - dabei gehe es ihnen gar nicht allein um das Öl und die damit verbundenen Gefahren für das empfindliche Ökosystem, betont Sylvia Gauss. Gauss "Ich glaube auch, dass die Ölförderung, was den Ölaustritt in die Umwelt angeht, ziemlich sicher ist. Aber es geht ja darum, das immer weitere Folgearbeiten geleistet wurden, es wurden Kabel verlegt, es wurde die Pipeline gebaut, man muss diese ganzen Folgeentwicklungen sich ankucken und eben auch die Störung, die durch die Ölförderung ja ausgeübt wird. Das ist der Schiffsverkehr, das ist die Beleuchtung, das ist die Verschandelung des Landschaftsbildes des Nationalparks - man kann davon ausgehen, dass im Grunde genommen die 7 Kilometer zwischen Mittelplate und Friedrichskoog mindestens einmal umgepflügt worden sind komplett." Und jetzt soll wieder ein massiver Eingriff ins Watt erfolgen - Probebohrungen von großen Pontons aus, die über Monate hinweg am gleichen Platz liegen werden, ein untragbares Szenario für die Biologin der Schutzstation Wattenmeer. Gauss "Dadurch dass die Pontons aufliegen werden, muss man mit Veränderungen im Watt rechnen, d.h. also - in diesen Monaten, in denen der Ponton da liegt, werden Organismen absterben. Es ist nicht abzusehen inwieweit sich das Watt überhaupt verändert und die Folgen, die Folgeschäden, kann man nur ganz ganz schlecht beurteilen, aber man darf sie auf jeden Fall nicht unter den Tisch reden." Auswirkungen der geplanten Probebohrungen, mögliche Folgeschäden - all das ist jetzt Teil des aktuellen Genehmigungsverfahrens. All das muss - nach Recht und Gesetz, wie Umweltminister Robert Habeck betont - gründlich geprüft werden. Nicht prüfen wird der Minister allerdings die Frage, ob und wie sehr sich die erwarteten weiteren Ölfunde positiv auf die knappen Kassen des hoch verschuldeten Landes Schleswig-Holstein auswirken könnten. Ein Argument von RWE für die Förderung der zusätzlich erhofften 20 Mio. Tonnen Erdöl aus den Lagerstätten unter dem Watt ist immer wieder der sogenannte Förderzins. Das Unternehmen hat z.B. allein im vergangenen Jahr 120 Mio. ? als Abgabe für die Förderlizenz an das Land überwiesen - mehr Förderzins durch mehr Ölförderung, keine sonderlich verlockende Rechnung für den Umweltminister. Habeck "Es ist richtig, dass die Mittelplate eine Ölabgabe, einen Ölförderzins zahlt - der geht dann in den Länderfinanzausgleich und etwa ein Achtel davon bleibt dann im Land Schleswig-Holstein hängen. Und sinkende Ölförderung bedeutet eben sinkende Einnahmen für das Land, bedeutet dann aber auch, dass wir uns vom Öl unabhängiger machen. Also insofern ist es bei mir eher so, dass ich sage: Wenn wir schon Öl fördern, dann soll dafür auch bezahlt werden - aber es ist nicht so, dass ich sagen würde: Um den Haushalt zu sanieren, fahren wir jetzt mal die Ölförderung hoch - schon gar nicht im Nationalpark." Geld kann und darf auch aus Sicht der Umweltverbände kein Argument sein für weitere Probebohrungen und damit eine Ausweitung der Ölförderung im Nationalpark Wattenmeer. Mehr Förderzins quasi als Trostpflaster - das kann nicht funktionieren, das ist eine Milchmädchenrechnung, glaubt Sylvia Gauss von der Schutzstation Wattenmeer. Gauss "Man darf nicht vergessen, dass diese Region ja hauptsächlich von Tourismus lebt - und wenn man dagegen rechnet, wie viel Geld über Tourismus reinkommt, dann ist das deutlich mehr als der Förderzins von RWE-DEA. Und ich glaube schon, dass auch der Tourismus es begrüßen würde, wenn ein "normaler" Nationalpark da wäre und nicht ein Nationalpark mit so einem Dorn darin." Die Erdöl-Bohr- und Förderinsel Mittelplate - seit 25 Jahren sehen viele sie als Dorn, als Schandfleck mitten im Nationalpark. Für andere ist sie Arbeitsplatz und Garant für Wirtschaftskraft in der Region. Beides wird sie noch lange bleiben, die Lizenz für die Ölförderung im Watt vor der schleswig- holsteinischen Küste ist erst kürzlich verlängert worden, fast 30 Jahre liegen noch vor uns, meint der Chef des RWE-Förderbetriebs Holstein, Thomas Kainer: Kainer "Wenn wir so unsere Hochrechnungen betrachten gehen wir davon aus, dass wir bis 2041 Öl von der Mittelplate gewinnen können, wirtschaftlich gewinnen können - und so lange wollen wir das auch sicher tun." Dafür braucht RWE allerdings die Genehmigung für die geplanten Probebohrungen im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer - sonst versiegt der Strom des schwarzen Goldes aus der Nordsee in absehbarer Zeit. Man braucht keine Glaskugel, um vorherzusagen, dass es um diese Genehmigung schon bald heftigen Streit geben wird - der schleswig-holsteinische Umweltminister Habeck jedenfalls scheint wenig Lust zu verspüren, sie einfach so zu erteilen. Habeck "Politisch bin ich klar positioniert: Ich halte es für falsch, die größte strategische Ölreserve, die wir in Deutschland haben, jetzt zu fördern und jetzt durch unsere Dieselmotoren - die auch noch zu viel Diesel verbrauchen - zu jagen. Das kann nicht richtig sein. Aber als Minister werde ich das klar nach Recht und Gesetz bescheiden - aber ich weise auch darauf hin, dass der Schutzanspruch des Nationalparks ein sehr hoher ist." -ENDE BEITRAG- MOD Öl im Nationalpark. Ein heißes Thema. 25 Jahre Ölförderung im Schleswig- Holsteinischen Wattenmeer. Dietrich Mohaupt berichtete. Den nächsten Länderreport gibt es dann am 04. Oktober. Mobile Familientherapie in Brandburg ist das Thema. das Beispiel kommt aus dem Landkreis Ostprignitz- Ruppin. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Ablaufplan-