COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandrundfahrt - 6.12.2008 Von Affen und Menschen Leipzig: Zoo drinnen und draußen Von Sabine Korsukéwitz OPENER MIT MUSIK O-Töne über die Musik O 1 Junhold Es war sicherlich auch so, dass ein Zoo immer den Traum von fremden Welten und vom Ausland - was für DDR-Leute halt nicht möglich war - erfüllt hat. O 2 Lange Also Fantasie war ja in der DDR in dieser Stadt Leipzig eine richtige Strafe! Das Schönste für uns, die wir hier durchgehalten haben: Es ist also in einer Weise auferstanden, dass jeder Besucher nur staunt! O 3 Plate Regel 1 ist: nach oben gucken, weil die Fassaden wirklich unglaublich viel schöne Dinge bieten. Regel 2 für Leipzig ist: Wenn die Türen offen sind gehen wir durch. O 4 Avelar Leipzig is going to become a very important art center for germany, so we want to be part of it! Geräusch 1 Affengebrüll (sehr kurz) Spr.v.D. " Von Affen und Menschen. Leipzig: Zoo drinnen und draußen", eine Deutschlandrundfahrt mit Sabine Korsukéwitz. Openermusik geht über in Straßenatmo mit Baulärm Atmo 1 Bahnhofsvorplatz/Straßenbahnen Autorin Die beste Einstimmung auf Leipzig, die alte Messestadt im Herzen Sachsens, ist ihr Hauptbahnhof. Eine Kathedrale des Verkehrs aus gelbem Sandstein, im massiven, großzügigen Stil der Gründerzeit gebaut. Da ahnt man schon: Diese Stadt war mal was Großes. In der Eingangshalle empfängt den Besucher weithin sichtbar das berühmte Doppel-M und das Messemännchen winkt - das dem Ost- Sandmännchen so ähnlich sieht. Und dann das erstaunliche Erlebnis: zwischen Bahnhof und Innenstadt ist man schon dreimal äußerst freundlich behandelt, ja fast an der Hand über die Straßenbahnschienen geleitet worden. Das versuchen Sie mal in Hamburg oder Berlin! Atmo 1 Straßenbahn kurz hochkommen lassen Atmo 2 Nikolaistraße ggf im Folgenden (Töne haben Atmo) Autorin Immer geradeaus, dann stößt man bald auf eine romanische Kirche, innen unerwartet reich gestaltet als Paradiesgarten mit Palmensäulen und einer Kassettendecke in ockergelb und grün. Aber ihre besondere Bedeutung hat sie nicht wegen ihrer Schönheit. Fragen wir die Passanten: Was ist denn das für eine Kirche, was war denn da? O 5 Passant Die Nikolaikirche, ja, na: die ersten Demosammelpunkte. Autorin In der Nikolaikirche fanden seit Mitte der 1980er Jahre die Montagsgebete statt. Sie war zentraler Ausgangspunkt der friedlichen Revolution im Jahr 1989. Dieses ältere Ehepaar war dabei: O 6 Passantin War nicht schön, die erste Zeit, erst waren ja ganz wenige, und dann wurden es immer mehr, das war schon beängstigend. Am schlimmsten war die Runde Ecke. Da haben wir alle die Luft angehalten. Autorin ... da saß die Stasibezirksverwaltung drin. O 7 Passantin ... wo sie das gestürmt hatten, die Ecke, da sind wir trotzdem dran vorbei, also das war nicht ohne. Autorin Man findet in ganz Leipzig kaum einen Einheimischen über 35, der nicht dabei war. Auch diese Dame erinnert sich. O 8 Passantin och, wir haben immer drinne gesessen auf dem Fußboden! So voll war das. War'n so balde 2000 Mann drinne. Bis zum Gang haben wir draußen gesessen (lacht). Ja, es war immer ganz schön, da hat der Pfarrer gesprochen und nu ja, wie das so war, draußen stand dann die Polizei... Autorin Gewalt lag in der Luft, als sechs prominente Leipziger am 9. Oktober 1989 die Verantwortlichen zu Besonnenheit aufriefen, darunter der damalige Gewandhauskapellmeister Kurt Masur - und der Kabarettist Bernd Lutz Lange: O 9 Lange Ich hab den Umbruch ja sehr persönlich beschrieben anhand dieser Wohnung in der Südvorstadt, ne, wo wir also wenn wir zu DDR- Zeiten im Sommer bei Ostwind das Fenster geöffnet haben an unserem Schlafzimmer, das ganz schnell wieder zugemacht haben weil es dann nach Aas roch, so als ob verfaultes Fleisch bei und sozusagen auf dem Fensterbrett liegt und das hing damit zusammen, dass wenige Meter entfernt der zentrale Knochenplatz von Leipzig war; gibt ja bestimmte Menschen die jetzt so nostalgisch werden mit der DDR, die vergessen zuviel die Leute! Ja, das war also da nebenan der Schlachthof mit dem wunderbaren Namen VEB Delicata und wenn man dann heute dorthin geht und sieht, was für eine Metamorphose auf diesem Gelände geschehen ist, das sind ja wunderschöne Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, die sind nun fantastisch restauriert, alles was dort schwarz und grau herumstand leuchtet, gelbe Klinker - also ich will damit sagen, wir wurden hier an vielen vielen Stellen in unserer Stadt überrascht durch eine ganz besondere Farbigkeit. Atmo 4 Baulärm I. (kurz) Autorin Das Lied der Stadt. Leipzig, einmal die reichste Stadt Deutschlands, ist wieder auferstanden oder besser - ist im Begriff des Wiederauferstehens - überall Baustellen, hier wird ein altes Haus entkernt.... Atmo 5 Baulärm II (kurz) Autorin ... dort am Citytunnel gebuddelt. Atmo 6 Baulärm III (kurz) Autorin Die Innenstadt fängt an teuer zu werden, eine Entwicklung die von gewissen Leuten vorausgesehen wurde. O 10 Lange Das war natürlich die Phase, wo die Männer mit den wehenden Mänteln kamen, die kamen natürlich als wir noch gar nicht daran gedacht haben was... Immobilien, den Begriff kannten wir überhaupt nicht, ne? Als wir noch um den Ring marschiert sind, da kamen dann schon - es war ja nicht gerade die Elite der Nation, da waren ja einige Hasardeure dabei, ne - und die sind natürlich dann die claims schon abgeschritten und dann haben die natürlich auch mal einer Omi für ein paar tausend D-Mark eine Jugendstilvilla abgeschwatzt, das ist natürlich alles passiert, das ist klar. Das war eine Phase wo wirklich dann nur diese Männer in den Restaurants überall saßen und überall erschallte das Wort "Quadratmeter!". Autorin Aber Bernd-Lutz Lange als Kabarettist ist mit den Niederungen der menschlichen Psyche soweit vertraut, dass er sich bei einzelnen Entgleisungen nicht bitter aufhält, sondern von dem Guten schwärmt, was da über seine Stadt kam: O 11 Lange Dass ein Fluss wie die Pleiße, der eigentlich nur reine Chemieabwässer noch führte, und wo wir immer scherzhaft gesagt haben: "in der Pleiße kannste Filme entwickeln", dass in diesem Fluss nach nicht mal zwanzig Jahren Fische leben, die man angeln und essen kann, das hätten wir nicht für möglich gehalten. Und dass in dieser geschundenen Landschaft dieser vielen Braunkohletagewerke jetzt ein Seengebiet entstanden ist mit dem schönen Namen "Neuseenland", dass also die Umgebung von Leipzig die größte Landschaftsbaustelle Europas ist, das es gar keine Karte gibt, wo man nachgucken kann, wie ist denn jetzt hier eigentlich der Stand, das ist alles märchenhaft, wunderbar! Musik 1 Interpret: Polarkreis 18 Titel: Rainhouse CD: The color of snow Track: 7 Komponist: Polarkreis 18 Text: Polarkreis 18 LC/Best.-Nr.: LC 14513 DLR-Archiv: 93-35735 Übergang in Atmo 3 Mädlerpassage, Meissner Glockenspiel (erklären??) Folgende O-Töne haben Atmo, für Zwischentexte Atmo 2 Nikolaistraße Autorin Leipzig in Sachsen liegt schon seit der Bronzezeit an der Kreuzung mehrerer großer Handelstraßen und hat davon profitiert, insbesondere vom Pelzhandel, der eine Zeitlang 40 Prozent der gesamten Steuereinnahmen eingebracht hat. Das sieht man heute noch an den Gebäuden, und deshalb... O 12 Plate Regel eins ist: nach oben gucken, man allerdings wenn man nur nach oben guckt aufpassen muss, dass man nicht stolpert oder die Leipziger umrennt. Autorin ... warnt der Gästeführer Thorsten Plate, und tatsächlich sind es die Leipziger gewohnt Touristen auszuweichen und sogar Autofahrer zeigen Geduld, wenn wieder einer mit seiner Kamera die Straße blockiert. O 13 Plate Das was diese Pelzgewerbehäuser so einmalig macht sind die Fassadengestaltungen. Das heißt, Sie können an den Skulpturen immer sofort erkennen, dass hier Pelzhandel stattgefunden hat. Sehr schön hier zu sehen das berühmte sibirische Eichhörnchen "Feh", hier unten links und rechts neben dem Erker - es ist nicht unser rotbraunes Waldeichhörnchen, sibirisch Feh hat so einen graumelierten Pelz mit bräunlichen und schwarzen Einsprengseln, sieht sehr elegant aus und das ist der absolute Modepelz gewesen. Autorin Am Brühl, in der Nikolai- und der Ritterstraße prangt ein steinerner Zoo an den Fassaden: Bären, Füchse, Robben, Löwen, Luchse, Dachse, Rinder und Schafe, Chinchilla und Hermelin in Marmor und Sandstein, in Majolika-Fliesen oder grün eloxiertem Kupferblech. O 14 Plate So, bei Richard Glöck haben wir einmal über den Fenstern in der ersten Etage fast karikaturhaft anmutende Köpfe und diese Köpfe stehen für die Kontinente aus denen Richard Glöck seine Pelze bezogen hat. Also wir haben den Asiaten, steht für Asien, der Schwarze für Afrika, und der stolze Indianer für die USA und Kanada, auf der anderen Seite ist ein Grönländer, steht also für die Robbenfelle und bei den Grönländer kann man ganz deutlich sehen, dass der Bildhauer nicht die allergeringste Vorstellung hatte, wie ein Grönländer auszusehen hat, das ist wirklich sehr verrutscht, die Geschichte. Autorin Als in der Gründerzeit die alten Gast- und Messehöfe des Mittelalters abgebrochen und durch Geschäfthäuser neuesten Stils ersetzt wurden, da sollen sich die Star-Architekten Europas darum gerissen haben, ein Objekt in Leipzig umsetzen zu dürfen. Es war eine erstklassige Visitenkarte und den Auftraggebern mangelte es nicht an Geld: Es hat hier Unternehmen gegeben, die bis zu 60 Millionen Reichsmark jährlich im Pelzhandel umgesetzt haben, das wären heute rund 199 Millionen Euro. Viele der Pelzhändler waren Juden aus dem Osten. O 15 Plate Was als der Pelzhandelsweltort dem Brühl das Rückrat gebrochen hat ist natürlich 33: Die Machtergreifung der Nationalsozialisten, da beginnt der Exodus der jüdischen Pelzhändler aus Leipzig, 1941 wird der Brühl "judenfrei" gemeldet, also das letzte Unternehmen ist arisiert bzw. abgewickelt worden und dann kam 1943 der schwerste Bombenangriff auf Leipzig in der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember, der diese Straße fast komplett in Schutt und Asche gelegt hat. Autorin Zum Glück haben viele Fassaden den Krieg und die Vernachlässigung in der DDR überstanden und konnten mit viel Geld und Mühen gerettet werden. Einiges ist noch schwarzgrau, aber nach und nach schält sich die alte Farbigkeit nach außen. - Noch eine Eigenheit hat diese Handelsarchitektur. Touristen erkennt man daran, dass sie mit dem Stadtplan in der Hand Straßen abwandern - Einheimische sieht man in irgendwelchen Hauseingängen verschwinden. Sie tauchen dann, wie durch ein Wurmloch im All, an irgendeinem anderen Ort wieder auf. O 16 Plate Für die Leipziger ist es normal, dass wir durch die Gebäudekomplexe durchgehen. Wenn die Türen offen sind, gehen wir durch. Autorin Und da öffnen sich Welten, die berühmten Leipziger Passagen mit Boutiquen und Cafes, in voller Gründerzeitpracht: Überglast, die gekachelten Wände fangen das Tageslicht ein - was für das Pelzhandwerk wichtig war. Man entdeckt eine Fülle von Details. Vor Auerbachs Keller streiten sich Student und Teufel - eine Bronze des Leipziger Bildhauers Mathieu Molitor, am Eingang drängeln sich Touristen, die sich einmal dort betrinken möchten, wo das auch Goethe schon getan hat. Diese heute so angenehmen Straßen und Quartiere verbindenden Passagen hatten früher einen praktischen Zweck: O 17 Plate Messe muss man sich für diese früheren Zeiten vorstellen, für vier Wochen hat sich Leipzig in einen gigantischen Markt verwandelt, und zwar konnte man wirklich alles kaufen von Lebensmittel bis hin zu Möbeln, Luxuswaren, Exotica, Kunstgegenständen, Schmuck - es gab nichts, was hier nicht zu haben gewesen ist, und diese Dinge sind angeboten worden in solchen Höfen auf ambulanten Tischen, in diesen Messgewölben hier im Erdgeschoss. Im 18. Jahrhundert kommt dann als Novität hinzu, einfach um den Fuhrleuten und den Kaufleuten die Arbeit zu erleichtern, dass die eh schon ziemlich lang und schmalen Grundstücke dazu genutzt worden sind, um Höfe zu bauen, die eine Ein- und eine Ausfahrt haben. Das heißt ohne Manöver, ohne auszuspannen, ohne rückwärts zu setzen, in den Hof einfahren, abladen, und zur anderen Seite wieder herausfahren. Musik 2 3:59 (Instr. nach Bedarf kürzen) Interpret: Tape-Five Titel: Cancun - tribute to Henry Mancini CD: Bossa for a coup Track: 04 Komponist: Martin Strathausen Text: - LC/Best.-Nr.: LC 06217 DLR- Archiv#: - Zitat Ä Froschdeich, där war zugefrorn. De Fräsche hoggten draumverlorn Ganz schtill un stumm im Schlamme drin Un deesten drahnich vor sich hin. Bis schlißlich eener schbrach: "Heert druff: Daut unser Eis zum Frijahr uff, Dann sing mir wie de Nachdigalln, Denn's Gwaaken hat mr nie gefalln." "Jawoll", so fieln de andern ein, "mir grinden ä Gesangverein." Atmo 7 Zoo/Park Autorin ... so dichtete die Leipziger Mundartpoetin Lene Voigt, 1933 von den Nationalsozialistin verfolgt wegen ihres respektlosen Umgangs mit deutschen Balladen und Heldensagen. Jahrhunderte lang hatten die Leipziger gut daran verdient, den Tieren das Fell über die Ohren zu ziehen -im späten 19. Jahrhundert entdeckte ein geschäftstüchtiger Gastwirt, dass Tiere auch was einbringen, wenn man den Pelz dran lässt: 1878 borgte Ernst Pinkert sich ein paar Raubtiere vom Tierpark Hagenbeck, um sie seinen Gästen bei Kaffee und Kuchen vorzuführen. Das Unternehmen gedieh, umfasst heute als Leipziger Zoo 27 Hektar Land mitten in der Innenstadt. Geräusch 2 Löwen O 18 Junhold Der Zoo Leipzig ist einer großen traditionsreichen deutschen Zoos, mit einer Geschichte, die um die Gründerzeit herum die Löwenzucht in einer Art und Weise hervorgebracht hat dass sie also heute noch unerreicht ist mit mehr als 2300 geborenen Löwen, dafür ist der Zoo Leipzig bekannt auch in der Fachwelt international. Dieser Ruf hat sich auch erhalten bis in die DDR Zeit hinein. Es war sicherlich auch so, dass ein Zoo immer den Traum von fremden Welten und vom Ausland, was für DDR-Leute halt nicht möglich war, erfüllt hat. Das war auch so eine Ventilfunktion um zu träumen von Asien, von Afrika und von den fremden Welten. Autorin Zoodirektor Dr.Jörg Junhold hat noch als frisch gebackener Doktorand an den Montagsdemos teilgenommen und war später, als Zoodirektor, in der glücklichen Situation, Geld für die längst fällige Modernisierung zu bekommen. Das kommt natürlich in erster Linie den Tieren zu Gute, aber auch den Besuchern. Zoodirektor Junhold ist bekennender Fan der Disney-Parks. O 19 Junhold Die Dekoration und die Auffassung, die hat sich grundlegend geändert. Ein klassischer Zoologischer Garten wie er in Mitteleuropa existiert hat, war eine Gartenanlage die sehr gestaltet war; an den Neuanlagen versuchen wir die Wildnis nachzugestalten und dort versuchen wir auch rustikal zu sein, am liebsten natürliche Wege, natürlich anmutende Materialien, wir verstecken auch Gebäude mal hinter Felsen, so dass sie gar nicht wahrnehmbar sind für den Besucher und dort wo wir Gebäude haben, da geht's auch mal um rustikale Hütten, um nachgebaute Lehmhütten, um eine stilechte Lodge, so dass wir den Eindruck haben, wir sind also im urwüchsigen, natürlichen Kontinent und nicht in moderner Architektur. Geräusch 3 Tropenvögel unter Autorin Autorin Da führen krumme Wege durch Bambusgebüsch und über Hängebrücken. Fast keine Gitter sind mehr zu sehen, statt dessen scheinbar Flechtzäune, Wirtschafteingänge verschwinden hinter hohen hölzernen Schwingtoren à la "Jurassic parc". Den Tieren ist das eigentlich egal. O 20 Junhold Wenn man's reduziert auf das was die Tiere brauchen, so ist das bei Menschenaffen nötig Klettermöglichkeiten zu haben und das kann man auf verschiedene Art und Weise erfüllen, wenn man es naturnah macht, so wie wir das versuchen, gibt es viele Bäume und Kletterseile dazwischen. Es gibt aber immer noch Zoos wo das etwas steriler ist, wo aber genauso gut die Klettermöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden können. Wir machen es mit naturnaher Gestaltung, weil uns sehr bewusst ist, dass die Menschen mit allen Sinnen durch diese Anlage gehen und wir versuchen auch die Erlebniswelt für den Besucher fühlbar zu machen, so dass er sich selbst auf Safari fühlt und in diesem Gefühl auch noch ganz anders für den Schutz sensibilisiert werden kann. Geräusch 4 Elefanten (wenig, einflechten) Autorin So gibt es inzwischen eine Löwen-Savanne, die Tiger-Taiga, den Elefanten-Tempel Ganesha Mandir, wo die grauen Riesen zwischen verwitterten Fresken und umgestürzten Säulenresten, entlang einem kleinen Fluss malerisch und Rüssel schwenkend spazieren gehen. Eine besondere Attraktion ist es, ihnen durch eine Panzerglasscheibe hindurch beim baden zuzusehen, die faltigen Hinterteile und die durch die Lichtbrechung im Wasser vergrößerten Augen und Wimpern, das ist schon ein Anblick, für den man gern früh aufsteht. Um 10:15 Uhr ist Elefantenbaden. Doch hinter den hübschen Kulissen steht der Leipziger Zoo für Artenschutz: O 21 Junhold Zum einen betreiben wir Bildung, Umwelt, Erziehung. Das nächste ist, dass wir uns beteiligen an einem Zuchtprogramm, damit dafür sorgen, dass die Art und die entsprechende Diversität erhalten wird und Populationen erhalten werden in Zoos und da gibt es auch Netzwerke, das schafft man als Zoo nicht alleine sondern da arbeiten international alle Zoos zusammen; und das dritte ist und das gewinnt eigentlich immer stärker an Bedeutung ist der Artenschutz vor Ort, wo wir als Zoo immer stärker auch Projekte unterstützen in den angestammten Heimaten der Tiere, also wir im Zoo Leipzig unterstützen seit Jahren eine Auffangstation für bedrohte Primaten in Vietnam. So versuchen wir als Zoogemeinschaft, dort wo das Problem eigentlich existiert auch mitzumischen. Atmo 8 Pongoland (vorderer Teil leise, 2.Teil laut mit vielen Kindern) Autorin Zu den Wendegewinnlern im Leipziger Zoo gehören unbedingt die Menschenaffen, die ein niegelnagelneues Haus mit Außenanlage auf drei Hektar bekommen haben. O 22 Junhold Pongoland gibt's seit 2001, die ersten Ideen sind 1997 gekommen als die Max Planck Gesellschaft die Idee hatte ein neues Institut zu gründen, um interdisziplinär die Menschheitsgeschichte zu erforschen und dafür wurde ein Zoo gesucht. Der Zoo sollte Erfahrungen haben mit Menschenaffen, er sollte in einer guten Universitätsstadt liegen und er sollte auch bereit sein, Fläche zur Verfügung zu stellen, und für uns als Zoo Leipzig war das ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl. Atmo 9 Affengebrüll (Schimpansenfütterung) (Folgende O-Töne Petschauer und Warneken haben Affenhausatmo, Atmo 5 für Zwischentexte) Autorin Die Affen hausen komfortabel hier im Pongoland, in kleinen Terrassenlandschaften mit Bäumen, Felsen und Spielmöglichkeiten. Der Besucher geht mitten zwischen den Affenhorden durch und stützt sich auf krumme Holzbalken, um ihnen zuzuschauen. Irgendwo rauscht ein kleiner Wasserfall. An beiden Enden der Innenräume sind die Observationsräume der Forscher. Dort kann man ihnen morgens bei der Arbeit zuschauen. O 23 Petschauer Die kommen, wenn sie reinkommen wollen, das läuft natürlich alles auf freiwilliger Basis. Die sind sehr auf Futter motiviert, die freuen sich auch auf die Studien weil es da was zu tun gibt, weil man zusätzlich Leckereien bekommen kann als Belohnung. Sie sehen: Eine Tür ist offen und sie haben dann die Möglichkeit reinzugehen oder nicht reinzugehen. Und jetzt: Die guckte rein oder die war hier im Gang.... Autorin ... erklärt Forschungsassistentin Hannah Petschauer den Besuchern. Eine Orang Utan-Dame kommt und geht gleich wieder: "Macht eure Tests alleine, ich habe keinen Bock." - Versuchen wir's mit den Schimpansen. O 24 Petschauer Hier ist auch eine Studie, das ist Trudi, unsere Schimpansin, da wird geschaut ob sie bestimmte Bilder erkennen kann und ob sie die richtigen Bilder dann antippen kann. Wenn sie das richtige Bild antippt auf dem Monitor bekommt sie eine kleine Belohnung, die nach Bananen schmeckt. Autorin Na was denn, Kinderspiel! Her mit der Banane! - Ein kleiner Besucher versucht sich unterdessen als Affe. O 25 Kind (kreischt wie ein Affe) Autorin Und da ist dieser merkwürdige junge Mann, der vor den Affenkäfigen herumläuft und mit den Armen schlenkert. Und jetzt drückt eine Schimpansendame ihr Hinterteil von innen gegen die Glasscheibe und der junge Mann klopft von außen mit der flachen Hand dagegen! Ist das normal? Ja! Er ist einer der Forscher vom Wolfgang Köhler Primatenzentrum: Dr. Felix Warneken. O 26 Warneken (mit langer Atmo vorne schon dran, laufen, klopfen) Also das ist eine Spieleinladung, wenn man die Arme so hin und her bewegt. Ja, also die spielt halt gern, das ist die Alexandra, das ist nur so eine Begrüßungsgeste, das kommt von dem grooming, also dem lausen, dass man sich umdreht, dass man eben hier auch andere Körperteile berührt, was natürlich durch die Scheibe nicht so gut geht aber sie spürt das, wenn man dagegen haut. Autorin Na dann ... Und was erforschen Sie denn so? O 27 Warneken Ich interessiere mich in der Hauptsache für Formen der Kooperation wie "helfen", dass eine Person ein Problem hat, nicht zum Ziel kommt, beispielsweise eine Tür ist zu und man will da unbedingt durch oder etwas fällt einem runter und man streckt sich danach aus und kommt nicht ran, und ist eben auf die Hilfe einer anderen Person angewiesen und das untersuche ich bei Kleinkindern, Kindern im zweiten Lebensjahr in der Hauptsache und eben Schimpansen. Und die Frage ist ob die Kinder und Schimpansen erstmal die kognitive Fähigkeit haben zu erkennen, was das Problem ist, welches die andere Person hat und zweitens dann eine Motivation mitbringen, sich für den anderen einzusetzen. Autorin In Tests konnte erstmals nachgewiesen werden, dass Schimpansen so genanntes "instrumentelles Helfen" vollführen, einer anderen Person bei einem konkreten Problem helfen - und das, ohne dass eine Belohnung winkte. Atmo 9 Bimbo (Alpha Orang) Autorin Wäre es nicht aber im Daseinskampf vorteilhafter, nicht zu helfen? O 28 Warneken Ja, das ist das große Rätsel des Altruismus: Wie ist es eigentlich möglich, dass ein Individuum einem anderen hilft obwohl es ja eigentlich so sein sollte, dass man eigentlich seine eigenen Gene weitergibt, das ist das grundlegende Gesetz der Evolutionslehre. Allerdings wird das eben verkompliziert durch ein paar andere Faktoren. Beispielsweise ist es ja so, dass Individuen auch anderen Individuen helfen, mit denen sie genetisch verwandt sind. Autorin ... die Erhaltung der Art ... O 29 Warneken Es gibt auch andere Formen des Altruismus, die bezeichnet werden als reziproker Altruismus, also dass man sich eben gegenseitig hilft. Dass es in der jetzigen Situation für mich von Nachteil ist, Ihnen zu helfen vielleicht, aber ich erwarte dass wir uns in der Zukunft wieder sehen und dann erwarte ich, dass ich mal Hilfe brauche und dann werden Sie mir helfen. Autorin "netzwerken" nennt man so was in Neudeutsch und wir werden diesem Begriff in Leipzig noch häufiger begegnen. Aber zurück zu den Menschenaffen: Was unterscheidet sie denn nun eigentlich so grundsätzlich von uns? O 30Warneken Ein feiner Unterschied scheint zum Beispiel zu sein, dass Menschenkinder von Anfang an sehr viel mehr sozial lernen. Eine Studie meiner Kollegin Esther Hermann hat neulich gezeigt, dass wenn es um physikalische Kognition geht, also das Verständnis von Kausalzusammenhängen, von Quantität, Werkzeuggebrauch und so weiter, unterscheiden sich zweieinhalbjährige Kinder, Orang Utans und Schimpansen nicht signifikant voneinander. Wenn man ihnen aber Tests zur sogenannten sozialen Kognition gibt, wie zum Beispiel lernen durch Imitation, verstehen von Gesten und so weiter, dann waren zweieinhalbjährige Kinder deutlich besser als beide Menschenaffenarten. Hier zeigt sich so ein kleiner Unterschied, der aber eine große Wirkung hat! Kurz Atmo 8: Affengebrüll Autorin Da hamses, sprach Ramses! Es spricht also eine Menge dafür, seinen Kindern soviel wie möglich vom über die Jahrtausende gesammelten Wissen mitzugeben, darin sind die Sachsen auch, wie man kürzlich hörte, besonders gut - siehe Pisastudie! Und schon Goethe sagte: Zitat Mein Leipzig lob ich mir. Es ist ein Klein-Paris und bildet seine Leute. Autorin Ein Teil des Geldes, das man früher mit ihren Pelzen verdient hat, geht heute wieder an die Tierwelt zurück: Bis 2014 sollen cirka 90 Millionen Euro in den Zoo der Zukunft investiert werden. Das nächste Großprojekt: O31 Junhold Gondwanaland ist eine Riesentropenhalle, wo wir den Urkontinent hier wieder auferstehen lassen wollen auf einer Fläche von 1,6 Hektar, die überdacht sein wird, tropische Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit, wollen wir also den Dschungel nachbauen. bringen dort im Urkontinent Gondwanaland die Erdteile Asien, Afrika und Südamerika wieder zusammen. Wir zeigen dort die Tier und Pflanzenwelt aus den Urwäldern dieser drei Kontinente, wir lassen den Besucher dieses alles erleben: Er wird eine Bootsfahrt durch den Dschungel machen können, aber gleichzeitig wieder mit unserem Hintergedanken den Menschen sensibilisieren wollen zum Erhalt dieses fantastischen Ökosystems. Autoren Und weil der Leipziger Zoo sich auch für den Schutz der Frösche einsetzt, derzeit der bedrohtesten Wirbeltierart der Welt, schauen wir noch mal bei den Fröschen im Teich vorbei, die - Sie erinnern sich - einen Gesangsverein gründen wollten: Zitat Doch wie dr scheene Frihlink gam, Un lind vom Deich de Däcke nahm, da wards dän armen Fräschen glar, dass ähmd ihr Los äs Gwaaken war. Se gahm sich färchterliche Mieh', Vor Anschtrengunk zerblatzt' manch Vieh. De Schgala schriense ruff un runter - Doch ä Garuso war nich drunter. Musik 3 2:59 Interpret: Die Weintraubs Titel: Mein Gorilla CD: Berliner Nächte Track: 7 Komponist: Walter Jurmann, Bratislaw Kaper, Fritz Rotter Text: " LC/Best.-Nr.: LC 02582 DLR-Archiv: 93-06948 Übergang zu Atmo 1 Straßenbahn unter Autorin, danach weg Autorin Messestadt Leipzig. Besteigt man am Hauptbahnhof die Straßenbahn, so ist man in 16 Minuten an der Peripherie der Stadt, flaches Wiesenland, Gärten und Einfamilienhäuser. Unvermittelt ragen futuristische Würfelbauten und eine gewaltige Bogenhalle aus Glas und Stahl in den kobaltblauen sächsischen Himmel: Das neue Messegelände, 1996 fertig gestellt. Es liegt auf dem ehemaligen Flughafen Mockau, von wo aus einst Zeppeline in die Luft stiegen. Einer der Geschäftsführer der Leipziger Messe, der nach Jahren im Westen wieder in seine Heimat zurück gekehrt ist, macht klar, dass man sich als Teil einer langen Tradition sieht. O 32 Buhl-W. Es hat damit angefangen dass es eigentlich ein Marktplatz war an einer Kreuzung von 2 großen Straßen, da erhielt auch die Stadt Leipzig das erste Mal das Marktrecht und sie erhielt dann später auch das Messerecht durch den Kaiser Maximilian, dann begann durch den Handel auch die Architektur sich in der Stadt Leipzig zu verändern und als dann der Handel sich wiederum ausweitete wurde ein neues Messegelände gebaut unter dem Gesichtspunkt Logistik. Das heißt die Architektur der Messe hat sich immer den Gegebenheiten angepasst aber letztendlich war die Messe immer eine Form der Handelsplattform für die Region. Autorin So wichtig war der Handel für das Land, dass ihm zuliebe sogar eine Sonderregelung im sächsischen Recht geschaffen wurde. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war ja die Geschäftführungsfähigkeit von Frauen stark eingeschränkt, doch Kurfürst August von Sachsen verfügte 1572: Zitat "Insbesondere denen Weibspersonen, so zu handthieren pflegen mit kauffen und verkauffen, in denen Kramen und andern dergleichen Waaren, ohne Vormünden beständlich und verbindlich zu schliessen und zu handeln, hiermit unbenommen seyn sollen." Autorin Damit waren Frauen voll Geschäfts- und auch schuldfähig - Gleichberechtigung auf Sächsisch. Die Wirkung einer großen Messe war den Regierenden aller Zeiten bewusst, weshalb die Nationalsozialisten die Leipziger Messe dem "Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda" unterstellten. In der DDR war sie Leistungsschau des Sozialismus und für die Westler das Tor zum Osten, eine Tatsache, die sich auf Leben und Mentalität der Leipziger auswirkte, wie der Kabarettist und Bürgerrechtler Bernd Lutz-Lange erinnert : 33 Lange Wir haben ja hier über Jahrhunderte mit der Messe natürlich ein ganz besonderes Training hinter uns: Die Leipziger sind viel aufgeschlossener als manch andere Mensch irgendwo im Osten, ohne jetzt jemandem weh tun zu wollen - aber wenn man eben Jahrhunderte zweimal im Jahr die Welt zu Gast hatte und das war ja auch zur DDR-Zeit - das ist ja vielen in den alten Ländern gar nicht klar, dass die Westgäste zum großen Teil in den Wohnungen der Menschen wohnten, denn die Hotelkapazität, die hat ja überhaupt nicht ausgereicht. Wir hatten ja alle Kontakt mit irgendwelchen Leuten aus der Bundesrepublik oder aus westlichen Staaten. Das hieß ja auch dass wir nie so richtig hinter dem eisernen Vorhang abgeschlossen waren. Wir hatten zweimal im Jahr ein Guckloch. Autorin 1990 ging es mit den Besucherzahlen dramatisch bergab. Der bislang behüteten Leipziger Messe blies auf einmal ein scharfer Wind um die Nase. 34 Buhl-W. Die Messe ist damit so umgegangen dass sie ja von einem Modell einer Frühjahrs- und einer Herbstmesse in einen Fach bezogenen Messekatalog gewechselt hat. Wir haben jetzt ein Programm mit über 35 Fachmessen mit einer Vielzahl von Fachkongressen. Also die drei besucherstärksten sind die games convention, die Buchmesse, und die Automobilmesse. Autorin Gerade tobt ein Kampf um die games convention .... 35 Buhl-W. Es ist so, die Konkurrenz auf dem Messemarkt ist sehr erheblich und das ist auch teilweise freundlich ausgedrückt. Es ist so, dass Messeplätze sich teilweise Veranstaltungen abwerben, das liegt daran, dass nicht immer die Messen im Besitz der Messegesellschaften sind sondern die Veranstalter sich das Gelände suchen, das hat es schon immer gegeben. Die Art wie es zur Zeit manchmal passiert, ist ... ist neu! Es wird in einer Schärfe geführt, wie es früher nicht üblich war. Autorin Ein bisschen schade, dass die Buchmesse nun auch ausgelagert ist, aber das war nötig bestätigt Stadtführer Thorsten Plate: O 36 Plate Das war baulich eine relative Zumutung, also nach ner Stunde kriegte man Schnappatmung...da ging einfach gar nichts mehr! Autorin .... trotzdem ist die Buchmesse noch in der Stadt präsent durch ... O 37 Plate das Begleitprogramm der Leipziger Buchmesse, das ist damals von Bertelsmann angeschubst worden, als Leipzig eigentlich auf der Kippe gestanden hat und da haben die dieses Programm kreiert "Leipzig liest" und das ist mittlerweile eine Aktion geworden, die eigentlich die Buchmesse schon in den Schatten stellt, das heißt in fünf Tagen Buchmesse haben Sie 700 Lesungen an den ungewöhnlichsten Orten: In den Katakomben am Völkerschlachtdenkmal, Lyriklesungen in der Straßenbahn, im Gasometer, in der Pathologie. Die Besucher oder auch die Aussteller, wenn die Messe zumacht, dann fahrt alles in die Stadt, also da bekommt man schon was mit. Musik 4: 2'06 Interpret: Gewandhausorchester/ Riccardo Chailly/Janine Jansen Titel: Violin Concerto in E-minor Op 64 CD: Concerto & romance Track: 1 Komponist: Felix Mendelssohn-Bartholdy Text: LC/Best.-Nr.: k.A. DLR- Archiv#: 50-14371 Autorin Leipzig ist durch den Handel groß geworden, und weil ja in alter Zeit sogar die Majestäten behutsam mit denen umgehen mussten, die ihre goldenen Eier legten, konnte sich hier ein selbstbewusstes Bürgertum etablieren. O 38 Lange Wir haben auch als Leipziger uns von dem Adel von Dresden etwas versucht zu distanzieren soweit das ging. Zum Beispiel wollte der August unbedingt hier ein Schloss haben hier in Leipzig, und Sie sehen noch die geschlagenen Schneisen im Rosenthal, aber der Rat hat dann mit viel Strategie und Taktik es wirklich geschafft das zu verhindern, weil er wusste dass natürlich unglaublich viele Kosten auf ihn zu kommen: Und da gab's schon Entwürfe und so und da wurde dann immer wieder: "Aber Majestät! Im Rosenthal - die Mücken! Und das sumpfige Gelände! Und Majestät: Eine Räuberrotte!"Und es wurde also immer wieder was Neues erfunden und am Schluss hat er ein kleines Haus am Markt gekriegt, das Königshaus, das ist dann übrig geblieben von dem großen Schloss. Autorin Bürgersinn wurde in dieser Stadt immer groß geschrieben - etwas kleiner in der DDR, da war das nicht möglich - doch davor und nach der Wende hat Bürgergeld Vieles möglich gemacht. O 39 Lange Das ist ja nun der große Unterschied zu Dresden. In Dresden wurde ja alles vom "geenich" initiiert. Dass also Oper und Kunstsammlungen alles aus der Königsfamilie kam. Das ist in Leipzig immer völlig anders gewesen, drum sieht sich Leipzig wirklich auch als stolze Bürgerstadt. Das Museum der bildenden Künste, das sind eben alles Stiftungen von Leipziger Bürgern. Die gesamte Bildersammlung, das ist eben alles von den wohlhabenden Kaufleuten gestiftet worden, es gab eine Unmenge von Stiftungen, auch das Gewandhausorchester ist das älteste bürgerliche Orchester der Welt! Atmo 9 Augustusplatz (Baulärm) unter Autorentext Übergang in Orchesterprobe G 5 Orchesterprobe bis O 40 Autorin Der Augustusplatz, man muss es leider sagen - ist gründlich verhunzt. Ein Riesenplatz mit Straßenbahnkreuz, Tiefgarage, einem vereinsamten Brunnen und der Baustelle, an der die umstrittene neue Aula/Kirche der Universität entsteht (die übrigens von der Form her dem Platz viel Gutes tut)... gegenüber das neue Gewandhaus, in dem Riccardo Chailly als Gewandhauskapellmeister residiert. Westliche Feuilletonisten äußerten sich verwundert, als er vor ein paar Jahren den Ruf nach Leipzig annahm. Was hat ihn überzeugt? O 40 Chailly The renommée of the Gewandhausorchestra. The Quality of this splendid concerthall and also the Geschichte, the history, the tradition of this city, one of the most musical cities all over europe, not only in germany. I was very very pleased about he invitation of the gewandhausorchestra and the tradition of this longstanding 228 years of musicmaking is something completely uncomparable to any other institution. Music has always had a primary role in the life of the society in Leipzig. And still is today. Übersetzung Die Qualität der Konzerthalle und die musikalische Tradition der Stadt. Es ist eine der am meisten musikalischen Städte Europas mit einer 228 Jahre alten Tradition des musizierens - unvergleichlich. Musik hat in der Leipziger Gesellschaft immer eine besondere Rolle gespielt und tut es heute noch. Musik 5 Schumann/Frühlingssinfonie (einen Hauch unterlegen) Interpret: Gewandhausorchester Titel: Frühlingssinfonie CD: The art of Konwitschky Track: 1 Komponist: Robert Schumann Text: - LC/Best.-Nr.: LC 06203 DLR- Archiv#: 50-08868 Autorin Felix Mendelssohn-Bartholdy war als Gewandhauskapellmeister in Leipzig tätig; das Künstlerehepaar Robert und Clara Schumann empfing in seinem Haus in der Inselstraße die Kollegen Liszt, Wagner und Berlioz; Johann Sebastian Bach arbeitete als Kantor in der Thomaskirche und ist dort begraben. O 41 Chailly That was the thing I did much early, when I was here for the first time with the Concertgebow Orchstra, and what I did early in the morning was to ask to open the church and they kindly organised for me to visit the St.Thomas Church, of course the grave of Bach, but also was very interesting for me to go upstairs where the space - even though now things changed in the St.Thomas church compared to the time of Bach, but the cantorei empore of course is a moment of spiritual memories to the time of Bach composing so many masterpieces in that church. smething absolutely unique. Oh there immediately when I went upstairs I could not miss the beginning of the Matthäus passion for instance, absolutely clear, but those are only personal subjective emotions Übersetzung Ich habe schon sehr frühzeitig, als ich das erste Mal mit dem Concertgebow-Orchester hier war, das Grab von Bach besucht. Früh am Morgen hat man mir freundlicherweise die St.Thomas Kirche aufgeschlossen. Und - natürlich sieht es dort heute anders aus, als zu Bachs Zeiten - aber als ich auf die Empore gestiegen bin, habe ich ganz deutlich die Matthäus-Passion gehört. Akzent Musik 6 Bach/Matthäuspassion (kurzes Einspiel) Interpret: Thomanerchor/Gewandhausorchester Titel: Matthäuspassion CD: - Track: - Komponist: Johann Sebastian Bach Text: " LC/Best.-Nr.: - DLR- Archiv#: 50-02272 Übergang zu G 6 Fabrikgeräusch Spinnerei Autorin Kunst und Kultur in Leipzig sind nicht nur Fassaden, Museen und Erinnerungen. Auf einem alten Fabrikgelände am Rand des Problemviertels Plagwitz, wo nach der Wende 50.000 Arbeitsplätze weggefallen sind, haben sich Maler, Galeristen und Kunsthandwerker angesiedelt. Über zehn Hektar erstrecken sich Fabrik- und Verwaltungsgebäude aus Backstein; ein restaurierter Schornstein ragt auf, im rissigen Pflaster sind noch die alten Schienen zu sehen, auf denen früher Baumwolle und fertige Produkte transportiert wurden. Auf dem Areal ist auch ein Archiv, in dem die Kunsthistorikerin Sophie Wojtyschak arbeitet. O 42 Wojtyschak Die Spinnerei wurde 1884 gegründet aufgrund einer Marktanalyse. man hat eben damals versucht herauszufinden, welche Produkte in Sachsen noch nicht produziert werden und auf dem Markt noch fehlen und hat sich eben dafür entschieden hier eine Baumwollspinnerei zu eröffnen, die speziell auf stärkere Garne spezialisiert ist im Gegensatz zu den englischen Produktionsstätten die viel mehr Erfahrung hatten im Spinnen und eben sehr feine Garne produziert haben. Und das lief so gut, dass innerhalb von wenigen Jahren das die größte Kontinentaleuropäische Baumwollspinnerei war. Es gab sehr lange Arbeitszeiten teilweise bis zu 77 Stunden die Woche, auch Kinder haben hier gearbeitet, 1909 gab's dann einen Streik, wo eben die Arbeiter einen Aufstand geleistet haben gegen diese extrem schlechten Arbeitsbedingungen und dann wurde ein Zehn-Stundentag festgelegt. Autorin Die Arbeiterbewegung soll hier ihren Anfang genommen haben. Berühmt wurde die Publikation "Rote Spinne". - Mit der Zeit wurden die Arbeitgeber milder, es wurden ein Tanzsaal, Arbeiterwohnungen mit kleinen Gärten gebaut und ein Kindergarten eingerichtet. O 43 Schulze In der Weltwirtschaftkrise war die Spinnerei der erste Betrieb, der seine eigenen Währung rausgegeben hat, die dann aus Dollarreserven der Spinnerei gestützt waren, und hier in der Spinnerei wurde dann eine Bäckerei eingerichtet, wo für die Arbeiter Brot gebacken wurde, damit die nicht von den Maschinen weggerannt sind um schnell Brot zu kaufen bevor das Geld noch viel weniger wert war. Autorin Bertram Schulze hatte über einen befreundeten Künstler von dem größtenteils leer stehenden Gelände gehört und sich zunächst mit seiner Kunsttischlerei dort eingemietet. Heute ist er Geschäftsführer der Leipziger Baumwollspinnerei Verwaltungsgesellschaft GmbH. O 44 Schulze Das Faszinierende damals war, dass es eigentlich ja noch ein Standort war, wo produziert wurde, ich sag mal von den vielleicht 80.000 Quadratmetern Nutzfläche wurde vielleicht noch auf 10.000 Quadratmetern produziert, die sind dann schrittchenweise zurück gebaut worden bis zum Jahr 2000 wo die letzte Produktion dann zugemacht hat und der Eindruck war natürlich schon: das ist ne riesige, vor allem leere Anlage, aber mit einem gigantischen Potential, mit einer einmaligen aufstehenden Gebäudesubstanz, und in verschiedenen Ecken waren eben schon Ansiedlungen da, waren Künstler da, waren aber auch Handwerker da, Leute da, die individuelles Wohnen gesucht haben hier und auf anderen Flächen wurde noch ganz normal produziert, also man konnte nachts durch die Gänge gehen und stand plötzlich in einem Saal, der noch unter Hochbetrieb lief mit Spinnereimaschinen, was schon interessant war, war ne irre Stimmung! G 6 Spinnerei nochmal kurz aufrufen Autorin Das Gelände wurde von den Gesellschaftern für mehrere Millionen Euro gekauft und nach und nach saniert. Das Risiko war hoch, man warb aktiv um Mieter und bemühte sich dabei um eine gesunde Mischung aus Kunst und Handwerk. Angesagte Galerien sind auf dem Gelände, ein großer Künstlerbedarfsladen, aber auch ein Callcenter und eine Computerfirma - Geldbringer. O 45 Schulze Sie können hier einen Tag locker im Areal verbringen um sich die Ausstellungen anzugucken ohne einen Euro dafür zu bezahlen. Das ist ja nichts Neues, das haben schon ganz viele vor uns gemacht, dass die zeitgenössische Kunst in alte Industriegebäude reingebracht haben, aber das es eben auf kommerzieller Basis gut funktioniert und gleichzeitig den Spagat schafft zwischen Besucherstandort und Heimatbildung für die Künstler, dass ist glaub ich auch noch was sehr Spezielles. Autorin In Leipzig geht einiges, das sagen Viele, die hier Ideen verwirklichen wollen und das "sesam öffne dich" ist oft weniger das "Geld" als vielmehr das "Netzwerk". O 46 Schulze Ganz prägnanter Erfolg und auch ein absoluter Juchu-Tag war 2004 am 21. Juni, dort haben wir 120 Jahre Spinnerei mal gefeiert und dort haben wir eine Werkschau organisiert, wo einfach jeder Künstler im Gelände eine Arbeit reingegeben hat und es war auch das erste Mal eine Gelegenheit, wo sich auch die Leute intern kennen gelernt haben. Das war so ein ziemlich guter Anfang von der Thematik "creating communities" dass man wirklich auch darauf achtet, dass ein Netzwerk eventuell entsteht, dass Geld vielleicht im Gelände bleibt, dass Dienstleistungen im Gelände eingekauft werden, und das hat mit diesem Tag, der auch mit einer wunderschönen Party geendet ist, so ein bisschen seinen Anfang genommen. G 7 Kleinlaster im Leerlauf Autorin Es dunkelt auf dem Gelände; die Lichter aus den Fenstern spiegeln sich in den Pfützen auf dem rissigen Beton; da kommt durch das alte eiserne Werkstor noch einmal ein Kleinlaster gefahren. Er bringt Kunst aus Mexiko, Ölgemälde des Malers Daniel Lezama zu einem kleinen Eckgebäude, wo die mexikanische Galerie Hilario Galguera ihren ersten Standort in Europa eröffnet hat. Ende G 7, eine Depot-Tür wird geöffnet Autorin Die Galeristin Pilar Avelar - zierlich, schwarzhaarig, schwarze Fingernägel, sehr chic! - überwacht nach ihrer 48 Stunden-Reise um die Welt das Ausladen und sehnt sich nach ihrem Hotelzimmer. Warum Leipzig? O 47 Avelar We heard that Leipzig is going to become a very important art center for germany so we want to be part of it. We really want to be part of it. We had offers in Berlin, we didn't want Berlin. (Lacher)Im beeing honest! Right now in Mexico they all know about this place because of us. We did a lot of press. We had interviews, phone calls, magazines, press asking: why leizig? And we explained them, we believe this is going to be very famous and trendy in no time, very fast. Übersetzung Wir wollten unbedingt dabei sein. Wir hatten Angebote aus Berlin, aber wir wollten Berlin nicht, ich bin ehrlich. In Mexiko hat uns die Presse bedrängt: Warum Leipzig (?) und wir haben ihnen erklärt, dass das hier in Null Zeit sehr angesagt sein wird. Autorin Und warum machen eigentlich Affen keine Kunst? O 48 Warneken Oh, äh - Kunst? Also ich meine unsere drei Waisenkindschimpansen, die spielen auch mit Farbe und das sieht auch ganz nett aus. Ob Sie das als Kunst wirklich verstehen, das ist natürlich ein anderer Punkt - Tja, also die Herstellung eines zweckfreien Objekts ist für die vielleicht nicht einleuchtend. Atmo 10 Affengebrüll übergehend in Schlussmusik Schlussmusik Spr.v.D. "Von Affen und Menschen. Leipzig: Zoo drinnen und draußen", eine Deutschlandrundfahrt mit Sabine Korsukéwitz. Schlussmusik zum Ausblenden überstehen lassen. Deutschlandrundfahrt Leipzig 6.12.08 Sabine Korsukéwitz 16