COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Neues von den Lippitanern - Ein zäher Menschenschlag und seine Identität - Autor Michael Frantzen Red. Claus Rehfeld Länge 18.38 Minuten Sendung 28.11.12 - 13.07 Uhr Regie Frank Merfort Moderation Klein, aber fein: Lautet inoffiziell das Motto von "Lippe", dem kleinsten Landesteil Nordrhein-Westfalens. Sie haben es nie einfach gehabt, die "Lippitianer" - gegen die Übermacht westfälischer Bauern und karnevals-trunkener Rheinländer. Kein Wunder bei gerade einmal 350.000 Lippern. Ein eher spröder, zäher Menschenschlag. 800 Jahre trotzte der Zwergstaat zwischen Teutoburger Wald und Weser den Preussen, Hessen und Oldenburgern gleichermaßen. 1947 war Schluss mit lustig. Seitdem ringen die Lipper um die eigene Identität, dort im Dunstkreis des Hermannsdenkmals. Im Vergleich zu den Rheinländern und Westfalen haben die Lipper politisch wenig zu bestellen: Ganze drei Landtagsabgeordnete - hat unser Kollege Michael Frantzen recherchiert - werden aus dem Kreis Lippe in den Düsseldorfer Landtag entsandt. Und dennoch! -folgt Script- -Script- M 01 Band Duivelspack, "Die lippischen Schützen" (selbst aufgenommen) "Zu siebzig - da zogen die Lippsken Schützen..." Regie Nach "Schützen" unter O-Ton blenden, nach Ende des O-Tons Lied wieder hoch E 01 (Hellfaier) "Lippische Identität? Wie sehen das die Lipper heute? Wie steht Lippe in Nordrhein-Westfalen da?" M 02 siehe oben "Und zu Trudel Didelda, und zu Trudel Didelda" ... Regie Nach zweiten "Trudel Didelda" unter O-Ton blenden und danach wieder hoch E 02 (Zelle) "Hier gibt's natürlich Unterschiede zum Münsterland, zum Rheinland erst recht." M 03 siehe oben "Und als sie dann kamen in das lüdke, lichte Born, da hatten se längst ihre Fahne verlorn" ... Regie Nach "Verlorn" unter O-Ton blenden und dann wieder hoch E 03 (Brakemeier) "Wir sagen immer: Wir sind der schönste Landesteil. Und das wissen die in Düsseldorf auch." (lacht) M 04 siehe oben "Ja, die Lipper - die sind da ... " Regie Nach "sind da" Lied unter Autor weg blenden AUT An mangelndem Selbstbewusstsein leiden sie nicht gerade: Die Lipper. E 04 (Brakemeier) "Worauf wir besonders stolz sind: Wir haben eine 800jährige Geschichte. Und zwar des Landes Lippe. Die erst 1947 geendet hat." AUT Dann war Schluss mit lustig. Kriegsbedingt. Den britischen Besatzern war die teutonische Kleinstaaterei suspekt. Seitdem müssen sich die Lipper im allgemeinen und Friedrich Brakemeier, der knorrige Vorsitzende des Lippischen Heimatbundes im Speziellen, gegen die Übermacht westfälischer Bauern und Karnevals-trunkener Rheinländer behaupten. E 05 (Brakemeier) "Wir versuchen immer wieder klar zu machen: Lippe is kein Kreis in Nordrhein- Westfalen. Sondern ist ein Landesteil, was auch dadurch dokumentiert ist, dass unsere lippische Rose, auch wenn nur klein, aber fein, unten im Landeswappen NRW zu sehen ist." AUT Rund 350.000 "Lippitianer" leben heute zwischen Teutoburger Wald und Weser. Ein eher spröder, zäher Menschenschlag. Lange Zeit mussten sie schauen, wie sie über die Runden kamen. Allen voran Heinrich Drake, der langjährige Ministerpräsident des Freistaats Lippe. Wenn man so will, ist der Sozialdemokrat Schuld daran, dass die Lipper nach dem Zweiten Weltkrieg beim neu gegründeten Bindestrich-Land Nordrhein-Westfalen andockten - und nicht bei den Niedersachsen. Nicht die schlechteste Entscheidung, findet Burkhard Meier, Geschäftsführer des Lippischen Heimatbundes. E 06 (Meier) "Nach '45 hatte Drake halt die Möglichkeit, einen gegen den anderen auszuspielen. Es war deutlich, dass er zu Nordrhein- Westfalen wollte. Er hat das aber nich so nach außen gekehrt, weil er mit starken Widerständen rechnen musste. Die Landwirtschaft, die hier ne Rolle spielte und andere...die waren eben sehr für Niedersachsen. Und vom Menschenschlag passen wir eigentlich auch ganz gut zu den Niedersachsen." AUT Doch die wollten die Lipper nur zum Nulltarif. Da war Nordrhein-Westfalen schon spendabler. Düsseldorf half den armen Neulingen nicht nur per Aufbauprogramm auf die Sprünge, sondern sicherte ihnen auch in Form der "Lippischen Punktuationen" diverse Sonderrechte zu: So entstand die eher ungewöhnliche Körperschaft des "Landesverbands Lippe" als Rechtsnachfolger für das alte lippische Staatsvermögen. Der ehemalige Freistaat behielt seine Heilbäder, die Staatsforste und Kulturstätten wie das Hermannsdenkmal und das Landestheater in der ehemaligen Hauptstadt Detmold. Sind sie nicht schlecht mit gefahren. Meint Burkhard Meier vom Lippischen Heimatbund, der mit seinen 13.000 Mitgliedern gemessen an der Bevölkerungszahl der mitgliederstärkste Deutschlands ist. Der immer noch jugendlich wirkende Historiker reckt in seinem Büro das Kinn: Fallen seine Kollegen im Rheinland immer aus allen Wolken, wenn sie das hören. E 07 (Meier) "Die Rheinländer sind ja sehr lebenslustig und froh, also dieses Karnevalistische hat der Lipper in dem Maße ja nich. (Brakemeier) Der Lipper feiert Karneval, in dem er eine Luftschlange wirft und Hellau ruft und dann wickelt er se wieder auf, damit er nächstes Jahr noch eine hat. (Meier) Dafür sind ja die Lipper vielleicht doch etwas beständiger und zuverlässiger - in der Einhaltung ihrer Zusagen. (Brakemeier lacht und sagt) Also rheinischen Klüngel kennen wir nich. (Meier) Na ja?!" (beide lachen) AUT Sind sich die Herren mal ausnahmsweise nicht ganz einig. Ansonsten aber: Ein Herz und eine Seele: Der Alte, ein Sozialdemokrat, der, bevor er Vorsitzender des Heimatbundes wurde, 15 Jahre lang die Geschicke der Stadt Detmold leitete; und der Junge, der während seines Geschichts-Studiums in Hannover, Heidelberg und Bonn studierte; nur um doch wieder in seine alte Heimat zurückzukehren. Aus Verbundenheit. Zum elterlichen Bauernhof oben auf dem Rothenberg, der schon seit Generationen in Familienbesitz ist. Das prägt. Genau wie Erfahrungen mit der "lieben Verwandtschaft", der angeheirateten - in Düsseldorf. E 08 (Meier) "Was uns nen bisschen traurig stimmt: Das sind die Berichte derjenigen, die nach Düsseldorf fahren müssen, um da zu verhandeln. Oder für Lippe was rauszuschlagen. Der frühere Regierungspräsident Walter Stich hat dann oft berichtet, er sei gefragt worden: Wie geht's denn bei Euch in Ost-Sibirien?" M 05 Band Duivelspack, Lied: "Die lippischen Schützen" Instrumental "Und als sie dann kamen in das heilige Paderborn, da bekiekten se de Nonnen von hinten und von vorn. Joh! Und zum Trudeldidelda und zum Trudeldidelda... Regie: "Nach zweiten Trudeldidela Musik unter Autor blenden AUT Reiselustig ist der Lipper immer schon gewesen. Zwangsläufig. E 09 (Mellies) "Issa. Hängt auch damit zusammen: Das Lipperland insgesamt war eine enorm arme Gegend immer." AUT Weiss Wilfried Mellies zu berichten, ein ebenfalls durch und durch überzeugter Lipper. E 10 (Mellies) "Die arbeitende Bevölkerung musste im Frühjahr Lippe immer verlassen, die haben auf Ziegelei gearbeitet. Mindestens ins Rheinland, manchmal sogar bis nach Dänemark. Und kamen im Herbst erst wieder. Es war nich einfach, hier im Lipperland zu leben. Und vielleicht deswegen auch nen bisschen ernst. Aber der Menschenschlag is nun mal so. Wir können auch nich aus unserer Haut." AUT Wilfried Mellies auch nicht. Traditionen sind dem Ortsvorsteher des Detmolder Stadtteils Hiddensen wichtig. E 11 (Mellies) "Das interessante bei meiner Geschichte: Wenn ich an meine Ururgroßeltern gehe: Da is einer dabei, der tatsächlich am Hermannsdenkmal 1874 im Auftrage des Künstlers Ernst von Bandel gearbeitet hat. Und hat in die Nischen des Sockels Sprüche reingeschlagen. Ich habe vor Jahren sein Tagebuch im Verwandtenkreise gefunden. Heißt also: Schon meine Vorfahren waren vom Hermann infiziert." AUT Die Hermannsche Infektion hat tiefe Spuren hinterlassen - im Hause Mellies. E 12 (Mellies) "Ob das Tassen gewesen sind; ob das Vasen sind. Ob das Gläser sind; ob Teller. Was man sich nur vorstellen kann. Eierbecher. Überall finden sie den Hermann." AUT Bei Mellies unterm Dach. Der Cherusker-Fürst, der neun nach Christi Geburt die Römer - angeblich im Teutoburger Wald - vernichtend schlug, verfolgt den Rentner auf Schritt und Tritt. Hieß ja eigentlich Armenius. Aber das ist lateinisch und passte all denen nicht in den Kram, die den Kriegsherrn zum "Befreier der Germanen" stilisierten. Also Hermann. Über die Jahrhunderte verdrehte Hermann nicht nur Luther, Kleist und Goethe den Kopf, sondern auch Herrn Mellies. E 13 (Mellies) "Ich rede jetzt mal aussem Nähkästchen: Dieses Glas hat tatsächlich 500 D-Mark gekostet. In den 70er Jahren." AUT Bei den Gläsern ist es nicht geblieben. E 14 (Mellies) "Sie sehen hier: Auch die Figur des Hermann. Aus Sperrholz gemacht. 1974 habe ich erfahren, dass eine Brauerei in Detmold, die Falkenkrug-Brauerei - die gab es mehrere hundert Jahre - geschlossen werden sollte. Und da hab ich gedacht: Rufste mal einfach den Geschäftsführer an. Ich durfte dann alles mitnehmen, was mir gefiel. Herrlich für einen Sammler. Und als wir wieder weg fahren wollten...wir standen im Hof. Und ganz oben aussem Fenster guckte dieser Hermann. Ich sach: Was is damit? Sachta: Ja, wenn früher Heimatfeste waren in den Dörfern um Detmold herum: Wir hatten einen Bierstand, dem haben wir immer als Symbol den Hermann an die Seite gestellt." AUT Heute ziert der Sperrholz-Hermann den Wintergarten der Mellies. E 15 (Mellies) "Ich gucke gerade auf Hermann und Tusnelda mit so nem Wackelkopf. Die sind übrigens aus den USA. Denn in Amerika gibt es ja auch nen kleinen Hermann. 1897 in Neu- Ulm eingeweiht. Ich glaube, 35, 36 Meter hoch. Exemplare von ihm habe ich natürlich auch hier in meiner Sammlung." AUT Die besteht nicht nur aus wackelnden Hermännern, sondern auch aus gut 150 Landschaftsbildern seiner Lipper Heimat. Kommt einiges zusammen, in vierzig Jahren Sammlerleidenschaft. E 16 (Mellies) "Dann findet man auch die ungewöhnlichsten Dinge. Und hier haben wa nen Musik- Instrument, kann man sagen. Nennt sich Kaliope. So um 1900, 1910. Mit ner entsprechenden Platte, die Melodie is eingestanzt. Das is übrigens die Grasmückenpolka. Weiss auch nich, wer das komponiert hat, aber...(Musik setzt ein)...is doch nen herrlicher Ton." (Musik läuft weiter) Regie Musik langsam unter nächsten O-Ton blenden E 17 (Hellfaier) "Das Hermanns-Denkmal ist natürlich eine Marke unserer Region. Ganz eindeutig." AUT Sekundiert Detlev Hellfaier, Direktor der lippischen Landesbibliothek. E 18 (Hellfaier) "Das is es immer schon gewesen, auch schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das ist gar keine Frage. Viele Firmen haben damit geworben. Seit dem Jahr 2009, als sich die Varusschlacht nun zum 2000sten Mal jährte, wirbt unsere Region auch mit dem Logo: "Land des Hermann". Ich finde es nicht ganz verkehrt. Denn es spricht ja Leute an." AUT Ansprechend ist auch Hellfaiers Bibliothek in der Innenstadt von Detmold: Ein wuchtiger Bau aus der Wilhelminischen Zeit, inmitten eines kleinen Parks. So oder so alles ganz adrett hier. Verwinkelte Fachwerkhäuser schmiegen sich an nicht ganz so verwinkelte Gründerzeit-Villen. Bausünden wie die leerstehende Schule aus den 70ern finden sich nur am Rande der 70.000- Einwohner-Stadt. Die Altstadt aber: Wie aus einem Guss. E 19 (Hellfaier) "Das ist das typische Ensemble; das typische Ensemble, was zu einer Residenzstadt gehört. Das is nicht unbedingt Detmold-spezifisch: Das finden sie in Wiesbaden oder Karlsruhe. Das ist eben das Ensemble bestehend aus einem Schloss, dem Residenzschloss; aus dem Landesarchiv, es gehört eine Bibliothek dazu, es gehört ein Theater dazu." A 01 (Theater - Laufgeräusche, Tür geht auf, (Gleichauf) "Hier wird gerade das Bühnenbild zum Vogelhändler aufgebaut (Arbeiter reden im Hintergrund) Das ist unsere nächste Premiere: Eine Operette. (Arbeiter) Geht ihr mal bitte weg hier! (Laufgeräusche) Regie Bei Laufgeräuschen unter nächsten Autor blenden AUT Soll noch einer sagen, auf Provinzbühnen ginge es gemächlich zu. Am Landestheater Detmold haben nicht nur die Bühnenarbeiter alle Hände voll zu tun. Auch Pressefrau Carolina Gleichauf kann über mangelnde Arbeit nicht klagen. Schließlich wollen 4300 Abonnenten und die Lokalpresse über die neusten Produktionen informiert werden - und das sogenannte "Schweinehund-Abbo". Die gebürtige Badenserin lacht. Von wegen Schwein. Mit dem flexiblen Abbo sollen junge Leute ihren inneren Schweinehund überwinden - und öfter ins Theater gehen. E 20 (Gleichauf) "Ne Gradwanderung macht man auf jeden Fall. Der Mut gehört dazu, dass man zum Beispiel mit ner Operette, die immer gut gefüllt ist, dann auch ne Uraufführung finanziert. Dass man dann auch in Kauf nimmt: Die ist nicht immer voll, aber wir bieten unserem Publikum auch mal was außerhalb des Mainstreams." AUT Stephan Clemens ist das nur recht. E 21 (Clemens) "Bin seit einem Jahr hier nen Beute-Lipper." AUT So bezeichnet der Lipper an und für sich Zugezogene wie den Schauspieler aus dem niederrheinischen Uerdingen. E 22 (Clemens) "Wir fahren ziemlich lange Strecken. Gestern waren wir zum Beispiel mit dem Musical Hair in Solingen. Im Musical Hair habe ich den Hippie-Chef Burger gespielt. Und heute morgen hatte ich wieder Probe zu Woyzeck. Also, ne 180 Grad Drehung. (lacht) Vom geknechteten Individuum zum Leader of the Gang sozusagen. Aber: Gut für uns. Weil: Wer viel spielt, hat auch viel zu tun. Man hat eine Überlebenschance, gerade in der heutigen Zeit, wo es vielen Theatern leider schlecht geht." AUT Dem in Detmold geht es noch vergleichsweise gut. Laut Intendanz sind die Finanzen bis 2018 gesichert, hält das Lipper Bildungsbürgertum dem traditionsreichen Theater die Stange. E 23 (Clemens) "Die Lipper: Dröge im Publikum?! Weiss ich nicht. Aber dröge von der Mentalität her. Oder nen bisschen sparsam - das find ich schon." E 24 (Gleichauf) "Was typisch für die Lipper is: Wenn es was kostenlos zu holen gibt, dann stürzen se sich drauf. Wir haben Matineen, immer eine Woche vor der Premiere, bieten dort oft kostenlos Sekt an und Knabbereien. Und dann kommt's schon vor, wenn man kleine Sektflaschen auf die Tische stellt, zum Nachschenken ... dass die dann in den Handtaschen verschwinden. Da gibt's so Parallelen zu den Schwaben." AUT Nicht nur in punkto Sparsamkeit. Schwaben wie Lipper, doziert Burkhard Meier vom Lippischen Heimatbund, sind von Hause aus Protestanten, pietistisch geprägt. E 25 (Meier) "Das ist mit einer ganz starken Versuchung verbunden, sich nur noch über Leistung und Arbeit zu definieren. Und ich meine beobachten zu können und das auch hier sagen zu dürfen: Das prägt die Lipper in besonderer Weise. Man zeigt auch Reichtum nicht nach außen. Na ja, diese Lebenszugewandtheit, die eben die Rheinländer haben, die erlaubt sich der Calvinist nicht." AUT War in der Familie von Friedrich Brakemeier, dem Vorsitzenden des Lippischen Heimatbundes, auch so. In seinem Elternhaus kam erst die Arbeit - und dann lange Zeit gar nichts. Schneider war sein Vater, wie schon der Großvater und Urgroßvater. E 26 (Brakemeier) "Mein Vater hat sofort zu mir gesagt: Du musst Abitur machen. Und dann studieren. Son Geschäft kann keine Familie mehr ernähren. Die haben sich krumm gelegt, die mussten noch Schulgeld bezahlen damals. Und: Urlaub hat es bei uns gemeinsam nie gegeben. Mein Vater hat gesagt: Wir dürfen das Geschäft nicht schließen, weil sonst sagen die im Dorfe: Wegen Reichtum geschlossen!" AUT Solche Sorgen musste sich er hier Zeit seines Lebens nie machen. E 27 (Prinz) "Prinz zu Lippe. Der Vorname ist Armin." AUT Macht: Armin Prinz zur Lippe. In der Kurzversion. E 28 (Prinz) "Prinz zu Lippe. Armin. Leopold. Ernst. Bruno. Heinrich. Willa. August." AUT In der Langversion. E 29 (Prinz) "Ob das nun Japaner oder Schwarz-Amerikaner sind: Die sind (lacht) immer ganz hingerissen davon." AUT Kann man verstehen. Der Prinz, Jahrgang 1924, wirkt so, wie sich nicht nur der gemeine Japaner und "Schwarz-Amerikaner" einen Blaublütigen vorstellen, sondern höchstwahrscheinlich auch jeder zweite Bunte-Leser: Der Seitenscheitel: Sitzt genau so akkurat wie der graumelierte Anzug; das Benehmen: Tadellos. Seit 1949 ist der 88jährige Oberhaupt des Hauses Lippe samt des Detmolder Schlosses mit den über 300 Jahre alten Gobelins und dem Riesen-Ahnensaal im Stil der Neorenaissance. Kann man schon mal den Überblick verlieren - bei so vielen Räumen; als Normalsterblicher. A 02 (Knarren von Holzdielen) Regie Schon unter vorherigen Autor blenden und dann unter nächsten O-Ton E 30 (Prinz) "Ich hab mal durchgezählt (Dielen knarren) Wenn man die ganz kleinen Räume ausklammert, ungefähr hundert. (Knarren) Das hier war das Arbeitszimmer meines Vaters..." Regie Nach "meines Vaters" restliche Unterhaltung unter Autor blenden AUT Der hieß Leopold. Leopold Vier, um genau zu sein, musste nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg am 12. November 1918 "dem Thron entsagen", wie eine Broschüre kund tut. Sein Sohn tat es ihm später nach, wenn auch auf andere Art und Weise: Nach überstandenem Zweiten Weltkrieg und Kriegsgefangenschaft wollte sich Armin eigentlich ganz der Wissenschaft widmen. In Göttingen studierte er Biologie. Doch nach der Promotion musste er der akademischen Karriere "entsagen", um das väterliche Erbe anzutreten. Er fügte sich - schweren Herzens. Das allerdings tat er in den 50er Jahren nicht immer. E 32 (Prinz) "Nun wollte Adenauer auf einmal schon wieder deutsche Soldaten. Ich fand: Das ist zu früh. In meinen Augen konnte es auch gar nicht gut gehen. Denn: Er war dann ja angewiesen auf die Offiziere, die unter den Nazis übrig geblieben waren. In meinen Augen ging das nicht. Durfte man nicht. (betont gesprochen) Und wenn man etwas nicht richtig fand, musste man frühzeitig Widerstand wählen." AUT Armin Prinz zu Lippe ließ den Worten Taten folgen: Er trat dem "Verband der Kriegsdienstverweigerer" bei - was ihm nicht nur Schlagzeilen im "Spiegel" einbrachte, sondern auch das Entsetzen vieler Lipper, die nicht verstehen konnten, wie ausgerechnet "ihr" Prinz bei einem Verein mitmischte, von dem Adenauer und andere behaupteten, er sei von Moskau gesteuert. Armin aber ließ sich nicht beirren; auch später nicht, als er sich für die neue Ostpolitik von Willy Brandt stark machte. E 32 (Prinz) "Ich weiss nicht, ob's die Gene sind. Oder das Haus. Die Geschichte des Hauses. Das Haus war liberal, im wesentlichen. Das hat sich ja auch in meinem ganzen Leben gezeigt: Wenn ich mal eine Meinung habe, dann vertrete ich se auch. Auch wenn's unbequem is." AUT Ein adliger Kriegsdienstverweigerer: Alles andere als alltäglich. Findet auch Michael Zelle, der Direktor des Lippischen Landes- Museums vis-a-vis des Schlosses. Der Archäologe kommt gebürtig aus Minden. Streng genommen also ein Beute-Lipper. Allerdings hat seine Mutter ihre Kindheit in Detmold verbracht. War für ihn immer etwas ganz besonderes, wenn er als Junge zu seinen Großeltern durfte - in die "schmucke Residenzstadt". Oma und Opa waren überzeugte Lipper. Lange her. E 33 (Zelle) "Immer weniger Leute haben noch einen eigenständigen lippischen Staat erlebt. Und auch immer weniger Leute, die dieses lippische Bewusstsein entsprechend hoch halten. Das tun natürlich die Alteingesessenen hier. Aber: Lippe liegt eben in einem Ballungsgebiet. Es liegt auch in einer Region, in der wirtschaftlich auch einiges passiert. Und dadurch haben sie auch ne viel größere Mobilität. Es gibt viele Zuwanderer, nicht nur aus dem Ausland, sondern aus dem Inland. Und die haben natürlich diesen engen Bezug zur lippischen Identität überhaupt nicht." E 34 (Mellies) "Ich bin auf Deutsch gesagt stolz ein Lipper zu sein." AUT Hält Bernhard Mellies dagegen, des Hermanns Alter Ego. E 35 (Mellies) "Wenn man mich fragt: Was is deine Heimat? Meine Heimat is Lippe." AUT Gibt's kein Vertun. Wissen sich halt zu behaupten - die Lipper. E 36 (Mellies) "Datt mak uns nims nach. Das macht uns keiner nach, in Lippisch Platt." AUT Wohl wahr. M 06 Band Duivelspack, Lied "Die lippischen Schützen" "Ja, die Lipper - die sind da. Ja, die Lipper - die sind daaaaaaaa." Regie Musik schon unter Ende des vorherigen O-Tons blenden, kurz frei stehen lassen und dann nach "daaaaa" langsam weg blenden -Ende Script- 1