COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport 13.9.2012 Das Dorf der Energiepioniere - Wildpoldsried im Allgäu Autor: Michael Watzke Redaktion: Heidrun Wimmersberg __________________________________________________________________ TAKE 1 - ARNO ZENGERLE "Vive la France! Vive l'Allemagne! Vive l'Europe!" TAKE 2 - ATMO BLASKAPELLE Deutsch-französischer Abend in Wildpoldsried. Im Festsaal der 2500-Einwohner-Gemeinde bläst die örtliche Trachtenkapelle einen Marsch. Die Gäste aus Frankreich schunkeln und klatschen höflich zur Musik. Es sind Bürger aus St.Ambroix und Civray, den beiden französischen Partnergemeinden von Wildpoldsried. Arno Zengerle, der Bürgermeister des Allgäuer Dorfes, erinnert an die Anfänge der Freundschaft vor 26 Jahren. TAKE 3 - ARNO ZENGERLE "Fast zeitgleich mit unserem Treffen im Jahr 1986 ist der sowjetische Kernreaktor Tschernobyl explodiert und hat großen Landstrichen Tod und Verderben gebracht." Die Katastrophe von Tschernobyl spielt in der Dorfgeschichte von Wildpoldsried eine wichtige Rolle. Mitte der 80er Jahre brachte sie den CSU-Politiker Arno Zengerle und einige andere Wildpoldsrieder Bürger dazu, über Alternativen nachzudenken. TAKE 4 - ARNO ZENGERLE "Ein sehr denkwürdiges Ereignis, sowohl was unsere Partnerschaft betrifft als auch das Thema Kernkraft und regenerative Energien." Damals legte Wildpoldsried den Grundstein für eine Entwicklung, die heutzutage viele bewundern. Auch jene, die noch vor zehn Jahren verächtlich von Energiespinnern sprachen. Von Öko-Phantasten. Sogar die französischen Partnergemeinden, in deren Heimat zu 60% Atomstrom durch die Netze fließt, sehen Wildpoldsried inzwischen als Vorbild, sagt Micheline Allois aus Civray an der Loire. TAKE 5 - MICHELINE ALLOIS "Jetzt beginnen wir langsam, Windräder zu bauen, photovoltaische Anlagen. Wir haben viel Verspätung gegenüber Deutschland. Im Moment gibt es noch viel weniger von diesen Energien." Die Franzosen können sich bei ihren Allgäuer Partnern einiges abschauen. Zum Beispiel, wie man EU-Fördermittel und Subventionen erfolgreich dazu nutzt, ein kleines, verschlafenes Örtchen in ein Modelldorf der Energiewende umzuwandeln: TAKE 6 - ARNO ZENGERLE "Wir würden gerne alle europäischen Freunde auf diesem Weg mitnehmen. Den Weg in eine neue Energie-Zukunft!" TAKE 7 - ATMO APPLAUS TAKE 8 - ATMO GLOCKENLÄUTEN Wildpoldsried im Allgäu. Ein paar Kilometer von Kempten entfernt am Fuße der Alpen gelegen. Der frisch geweißelte Turm der Pfarrkirche St.Georg leuchtet in der Mittagssonne. Das rote Ziegeldach des Gotteshauses ist eine der ganz wenigen Gebäudeflächen von Wildpoldsried, auf denen keine Solarmodule liegen. Sogar die Sonne ist davon überrascht. Genauer: Frau Sonne aus Taiwan, die mit ihrem Mann in Wildpoldsried zu Besuch ist. TAKE 9 - MISTER + MRS. SUN "My name is Sun. S-U-N. My family name." / "Ja, ich wundere mich auf dem Weg hierher: Oh, es gibt so viele Dächer mit Solar-Anlage. Und ich meine, das ist super. Das ist ein Trend. Es spart so viel Petro-Energie." Herr und Frau Sun aus dem fernen Osten sind nicht zufällig in Wildpoldsried. Sie wollen dieses "Dorf der Strom-Spinner" kennenlernen, seit sie in einem Fachbuch eines japanischen Wissenschaftlers einen zweiseitigen Bericht über das Allgäuer Energiewunder gelesen haben. TAKE 10 - MISTER SUN "Diese Gegend ist wirklich sehr interessant, sehr sauber. Ich will mir hier innovative Wege anschauen, mit denen erneuerbare Energien erzeugt werden. Ich frage mich, wie die Energiekosten niedrig genug bleiben, damit die Verbraucher sie akzeptieren. Alle Menschen auf diesem Planeten müssen dafür sorgen, dass unsere Umwelt sauber bleibt." Herr und Frau Sun aus Taiwan sind nur zwei von über tausend internationalen Gästen, die seit Fukushima und der Energiewende nach Wildpoldsried gekommen sind, um sich zu informieren. Das Dorf hat erst vor wenigen Wochen ein "Ökologisches Bildungszentrum" eingeweiht. Ein Tagungshotel mit 55 Betten und zwei Seminarräumen, finanziert aus Mitteln des Freistaates Bayern und Fördergeldern der EU. Im "Kultiviert" - so heißt das Bildungszentrum - koordiniert Susanne Vogel die Besuchergruppen aus aller Welt. TAKE 11 - SUSANNE VOGEL "Die Nachfragen werden von Jahr zu Jahr größer. Wir haben mittlerweile 100 Besuchergruppen im Jahr. Brasilien, Kroatien. Letzte Woche waren Australier da. Gleichzeitig war eine Delegation aus Rom da. Die kommen nicht, um sich die Technik anzuschauen - die ist wie überall, Windräder oder Photovoltaik. Sondern wie wir das insgesamt geschafft haben. Wie wir vorgegangen sind. Wie wir die Bürger mitgenommen haben. Das ist es, was die Gäste - es sind ja hauptsächlich Kommunen - interessiert." Die Gemeinde Wildpoldsried erzeugt heute dreieinhalb mal mehr Energie, als sie selbst verbraucht - und das ausschließlich aus regenerativen Quellen. Es gibt 140 thermische Solar- Anlagen, sieben Windräder, drei Biogas-Kraftwerke und fast null Widerstand. Andernorts protestieren viele Bürger gegen die Auswirkungen der Energiewende. Warum nicht die Wildpoldsrieder? TAKE 12 - SUSANNE VOGEL "Sie verdienen mit dran. Und es ist nicht irgendein Wildfremder, der unsere Landwirtschaft verschandelt, wie manche ja sagen, und dann das Geld einsteckt. Sondern das Geld bleibt im Dorf. Das ist schon wichtig. Sicher gibt es wie überall auch welche, die es nicht toll finden. Aber es ist nicht so eine Menge entstanden, die sich dagegen ausgesprochen hätte. Gerade auch nach Fukushima haben die Leute wieder umgedacht und gesagt: ‚Eigentlich ist es schon gut, was wir da machen'." Wildpoldsried ist nicht nur Vorreiter bei der Menge der erzeugten Energie pro Einwohner. Oder bei der Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes um 80%. Es sind vor allem die zukunftsweisenden Technologie-Projekte, die den kleinen Ort in Bayern zum Pionier der Energie-Wende werden lassen. Zusammen mit vier Forschungspartnern entwickelt Wildpoldsried derzeit eine Blaupause für das intelligente Stromnetz der Zukunft, erklärt Susanne Vogel: TAKE 13 - SUSANNE VOGEL "Bei uns läuft das Projekt IRENE von Siemens mit an. Wir bekommen nächste Woche eine große Batterie, die den überschüssigen Strom speichern soll. Und da arbeiten wir natürlich immer weiter. Es sind schon Ideen in manchen Köpfen, wie man einfach den überschüssigen Strom noch besser speichern kann. Weil das ist ja gerade das große Problem, dass wir zu viel Strom haben, wenn Wind und Sonne da ist." TAKE 14 - ATMO FREIBAD Wie an diesem Sonntag im Spätsommer, an dem sich die Windräder auf dem nahen Hügel emsig drehen und die Luft über den Solarmodulen flimmert. Im Freibad des Dorfes planschen die Kinder im Wasser, und Bürgermeister Arno Zengerle sucht sofort einen Schattenplatz, als er am Dorfrand vorführt, wo die große Speicher-Batterie des Siemens-Projektes IRENE stehen wird. TAKE 15 - ARNO ZENGERLE "Das ist die Trafostation dafür. Man musste unter der Straße ein Kabel durchlegen, drum sehen Sie da die Straßenbauarbeiten. Und hier, auf dieses Fundament, wird eine Art See- Container draufgestellt. Und in diesem Container spielt sich das Ganze ab!" "Das Ganze" ist eine gewaltige Lithium-Ionen-Batterie, die in Strom-Spitzenzeiten die Energie speichern und sie später an die Haushalte abgeben soll. Zum Beispiel abends, nach Einbruch der Dunkelheit oder an kalten Wintertagen bei Nebel und Windstille. Wildpoldsried kann seine frisch erzeugte, grüne Energie oft nicht in die Netze einspeisen, weil die überlastet sind. Und auch neue Netze helfen nur bedingt, sagt Bürgermeister Zengerle: TAKE 16 - ARNO ZENGERLE "Das Vernetzen allein wird nicht ausreichen. Wir werden natürlich auch neue Wege der Speicherung finden müssen. Und es gibt da ja sehr gute Ansätze. Auch bei der chemischen Speicherung. In den Universitäten und Labors funktioniert das alles schon sehr gut. Allerdings muss es auch wirtschaftlich funktionieren." Das wollen die Forschungspartner Siemens, die Allgäuer Überland-Werke AÜW und die Hochschule Kempten in Wildpoldsried testen. Denn wenn irgendwer einen Sinn für Wirtschaftlichkeit hat, sagt Zengerle, dann die Menschen im Süden Deutschlands. TAKE 17 - ARNO ZENGERLE "Die Allgäuer, die Schwaben, die Bayern sind ein Volk von Tüftlern und Mächlern. Die schwäbische Mentalität ist so, dass sich das Ganze auch rechnen muss. Das ist bei uns genauso wie in allen anderen schwäbischen und Allgäuer Gemeinden." Mächler, das ist der Allgäuer Begriff für Erfinder. Manche der Tüftler und Mächler von Wildpoldsried haben seit einigen Jahren kleine schwarze Kästchen in ihren Haushalten. Sogenannte "smart meter". Diese 200 Boxen funken permanent Daten an die Zentrale der Allgäuer Überland-Werke in Kempten. Daten mit Informationen über die Strom-Erzeugung und den Stromverbrauch in Wildpoldsried. Normale Strom-Zähler werden nur einmal im Jahr abgelesen. Die smart meter dagegen speisen pausenlos Daten in einen speziellen Rechner. Auf diese Weise wollen die Ingenieure und Wissenschaftler herausfinden, was genau in einem Mikro-Netz wie dem von Wildpoldsried geschieht: TAKE 18 - ARNO ZENGERLE "Das Allgäuer Überland-Werk hat das mal so beschrieben: ‚Wir wissen derzeit noch nicht, wie Netze eigentlich funktionieren.' Und mit diesem Versuch IRENE, der bei uns jetzt seit eineinhalb Jahren läuft, werden die Netze erstmal praktisch erforscht. Um sie zu ‚smart grids' auszubauen. Dieser Ausbau kann allerdings in verschiedenen Arten erfolgen. Die Firma Siemens hat ganz klar die Richtung vorgegeben: wir wollen das nicht mit Kupfer, sondern mit Intelligenz machen. Weil es einfach günstiger kommt." Intelligente Netze - smart grids - auf der einen Seite, intelligente Strom- Speichermöglichkeiten auf der anderen. Immer wieder sieht man in Wildpoldsried Elektro- Autos auf den Straßen. 32 solcher e-Cars hat das Allgäuer Überlandwerk an Wildpoldsrieder Bürger verliehen. Die Kleinwagen sollen nicht nur Emissionen einsparen, sondern auch Strom speichern. Wenn die Autos nachts an der Steckdose hängen, laden sie nicht nur ihre Akkus auf, sondern dienen gleichzeitig als dezentrale Batterien für überschüssigen Strom. Ähnlich wie die große Lithium-Ionen-Batterie, die Siemens demnächst in Wildpoldsried aufstellt. TAKE 19 - ARNO ZENGERLE "Allerdings ist es so, dass das jetzt erstmal ein reiner Versuch ist, der über zehn Jahre geht. Und hieraus werden dann Schlüsse gezogen, in wieweit Batterien überhaupt als Stromspeicher für solche Zwecke verwendet werden können." Ein Versuch über zehn Jahre. In solchen Zeit-Dimensionen haben sie in Wildpoldsried schon immer gedacht. Sie haben sich sehr früh sehr ehrgeizige Ziele gesetzt. Etwa Ignaz Einsiedler, ein Landwirt mit einem riesigen Hof nördlich von Wildpoldsried. TAKE 20 - ATMO EINSIEDLER-HOF Ignaz Einsiedler hat an diesem sonnigen Sonntag viel zu tun. In seiner blauen Latzhose springt er vom Unimog. Auf dem gewaltigen Anhänger stapelt sich frisch gemähtes, duftendes Gras. TAKE 21 - IGNAZ EINSIEDLER "Heute haben wir full power. Heute müssen wir Silage ernten. Am Mittwoch soll wieder schlechtes Wetter werden. Und bis dahin muss die ganze Silage an ihrem Platz im Silo sein. Da müssen wir jetzt dranbleiben." Ignaz Einsiedler, ein sonnengegerbter Allgäuer Bauer, ist ein wahrer Landwirtschafts-Pionier. Er hat als einer der ersten Bauern in Deutschland begriffen, dass viele Landwirte in Zukunft zu Energiewirten werden. Zusammen mit seinem Bruder Wendelin dachte Ignaz schon in den 80er Jahren über alternative Stromerzeugung nach. Während Wendelin Einsiedler ein Pionier der Photovoltaik und Windkraft-Erzeugung wurde, spezialisierte sich Ignaz auf Biomasse. Zu einer Zeit, als man solche Experimente noch als Spinnerei abtat. TAKE 22 - IGNAZ EINSIEDLER "Ja, damals, das war schon aus der Reihe, kann man sagen. Man kann schon sagen, ich war Pionier. Mein erster Gedanke zum Thema "Erneuerbare Energien" ist schon 25 Jahre alt, kann man sagen. Und konkretisiert hat es sich dann vor 20 Jahren." Konkretisiert hat sich jene Biomasse-Anlage, die wie ein grüner Champignon-Pilz hinter Ignaz Einsiedlers Hof steht. Sie bildet heute das Rückgrat der Wildpoldsrieder Energie- Erzeugung. Denn anders als Windkraft oder Solarstrom ist Biomasse grundlastfähig. Das heißt, man kann den Strom jederzeit erzeugen, nicht nur bei Sonnenschein oder wenn Wind bläst. In Bayern sind Biomasse-Kraftwerke in den vergangenen Jahren sprichwörtlich wie Pilze aus dem Boden geschossen. Heute erzeugt der Freistaat 70% seiner erneuerbaren Energie mit Biomasse. Als Ignaz Einsiedler damit begann, seine Gras-Silage in riesigen Bottichen zu vergären, war es nicht mal ein Prozent. TAKE 23 - IGNAZ EINSIEDLER "Ich bin halt Landwirt, arbeite mit der Natur und hab erkannt, wie viel Energie in der Natur vorhanden ist. Heute weiß man, dass die Sonne 15.000 mal mehr Energie runterstrahlt, als wir brauchen. Und dass man diese Energie fassen muss, dass man die gewinnen muss, ist ganz klar. Daran haben wir systematisch gearbeitet. Und das hat dann weitere Kreise gezogen, man hat andere Leute motiviert dazu. So ist das langsam entstanden." Ohne die Einsiedler-Brüder wäre die Wildpoldsrieder Erfolgsgeschichte nicht denkbar. Wenn heute interessierte Besucher aus Taiwan, Brasilien oder Nordrhein-Westfalen in das kleine Allgäuer Dorf kommen, dann präsentieren Ignaz und Wendelin Einsiedler im Ökologischen Bildungszentrum ihre Visionen von einst - und die Vision für die Zukunft. Die Vorstellung von tausenden Dörfern, die ihre Energie selbst produzieren. TAKE 24 - IGNAZ EINSIEDLER "Auf jeden Fall. In vielen anderen Gemeinden könnte es so ausschauen. Und es muss auch noch so ausschauen. Das muss sich entwickeln. Und ich bin froh, dass wir da in Wildpoldsried ein Vorzeige-Beispiel haben, wo sich andere Kommunen anschauen können: wie könnte man es machen? Was kann man machen? Wie effizient ist die Energie? Und was können wir in unserem Bereich umsetzen? Es geht ja nicht alles überall. Und so, denke ich, muss das in den kleinen Kommunen, in jedem Landkreis passieren. Da muss man es umsetzen. Wildpoldsried ist ein Musterbeispiel, was man alles machen kann." Ein Musterbeispiel, an dem sich aber auch die Probleme zeigen, die jede Art der Energiegewinnung mit sich bringt. Der Energiewirt Ignaz Einsiedler etwa kann seine Biogas- Anlage nicht allein mit der Gras-Silage betreiben, die er auf seinen Feldern erntet. Er braucht energiehaltigen Mais, der aber auf den hochgelegenen Allgäuer Äckern rund um Wildpoldsried nicht wächst. Was also tut Einsiedler? TAKE 25 - IGNAZ EINSIEDLER "Wir kaufen schon Mais zu, damit die Ration für die Bakterien stimmt." Das bedeutet: dutzende LKW liefern den Mais aus tiefergelegenen Landkreisen an. Sie verbrauchen dabei mehr CO2, als die grüne Biomasse einsparen kann. Umweltfreundlich geht anders. Und dann wächst auf immer mehr bayerischen Feldern haushoch der Mais. Er laugt den Boden aus, den die Bauern wiederum mit viel Nitrat nachdüngen. Andreas Haidacher spricht von einer "Vermaisung" Bayerns. Besonders in der Region Kempten beobachtet der Fernwärme-Techniker aus Wildpoldsried eine deutliche Veränderung der Kulturlandschaft. TAKE 26 - ANDREAS HAIDACHER "Es fällt schon sehr auf, dass die Maisfelder immer größer werden. Dass die Anbauflächen immer größer werden rund um diese Biomasse-Kraftwerke. Ich lebe zum Teil davon, von der Biomasse, denn ich komme aus der Fernwärme-Branche. Für uns ist das also auch ein sehr interessantes Thema. Aber wie gesagt, es fällt einem halt auf, wenn man aus der Branche kommt, dass man teilweise in Gebiete kommt, wo es bis vor ein paar Jahren keine Fernwärme gab. Da war immer alles schön gemischt. Und dann, drei Jahre nachdem so ein Biomasse- Heizkraftwerk gebaut wurde, sieht man nur noch Mais- und Rapsfelder. Das find ich nicht immer positiv." Die Vermaisung ist nicht das einzige Problem der Energiewende. In der bayerischen Landwirtschaft ist längst ein harter Preiskampf um die Anbauflächen entbrannt. Die traditionellen Milchbauern können sich die gestiegenen Pachtzinsen für die Äcker kaum mehr leisten. Dabei sind es ihre braunen Kühe, die Bayern sein klassisches Bild verleihen und die Touristen an den Alpenrand locken. Auch Wildpoldsried lebt vom Tourismus. Bürgermeister Zengerle nennt das einen Zielkonflikt. TAKE 28 - ARNO ZENGERLE "... weil der Landwirt, der seinen Betrieb weiterführen will und seinen Betrieb aufstocken will, der braucht Pachtflächen - und da steht er in Konkurrenz zum reinen Energie-Landwirt. Und drum ist es wichtig, dass sich in den Regionen ein gewisses Miteinander einpendent. Dass man, wenn man einen gewissen Ausbaustand gerade bei Biogas erreicht hat, den dann beibehalten sollte. Und nicht zulasten der konventionellen Landwirtschaft erweitern sollte." Arno Zengerle, der schwarze CSU-Bürgermeister aus dem grünen Strom-Dorf Wildpoldsried, überrascht mit manch' unkonventioneller Betrachtung der Energiewende. Er findet beispielsweise, dass die Einspeise-Förderung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz auf den Prüfstand gehört. TAKE 29 - ARNO ZENGERLE "Das EEG war zum Einstieg sicher eine gute Sache, um die regenerativen Energien überhaupt salonfähig zu machen. Aber das EEG muss auch ständig den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Das heißt für mich auch: immer dann, wenn regenerative Energien marktfähig sind, muss der festgelegte staatliche Preis abgesenkt werden. Weil: alles, was irgendjemand einnimmt, muss ein anderer bezahlen. Und sie werden sehen: die Photovoltaik wird erst dann einen riesigen Boom erleben - der ihr auch zusteht -, wenn sie zum Beispiel die Einspeise-Vergütung bekommt wie Windkraft. Oder Wasserkraft." In Wildpoldsried plant Arno Zengerle zwei neue Windräder, er will die Fernwärme- Versorgung ausbauen und noch mehr Energie sparen - zum Beispiel mit neuen LED- Straßenlaternen statt der alten Natrium-Dampflampen. Manchmal sieht sich Zengerle als Majestix, jenen gallischen Häuptling, der den Römern unbeugsamen Widerstand leistet: TAKE 30 - ARNO ZENGERLE "Wir empfinden uns ein bisschen wie das gallische Dorf von Asterix und Obelix, das einfach bestimmte Dinge anders macht als andere Dörfer. Aber wir sehen auch, dass mittlerweile andere mitziehen. Und es macht richtig Spaß, mit anderen zusammen gemeinsame Dinge aufzubauen." Dann tritt der Bürgermeister des kleinen gallischen Dorfes im Allgäu vor das Rathaus, um seine gallischen Freunde zu verabschieden: die Bürgermeister der französischen Partnergemeinden Saint Ambroix und Civray. TAKE 31 - ATMO ABSCHIED Arno Zengerle hat seine französischen Kollegen längst überzeugt. Dort, zwischen den Weinbergen an der Loire, blinken immer mehr Solardächer in der Sonne. Und es drehen sich sieben Windkrafträder. Egal ob Frankreich oder Deutschland - die Zukunft ist grün, sagt der schwarze Bürgermeister. 2