Deutschlandradio Kultur COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport Mein Stadt-Portrait -Der Comiczeichner Fil betrachtet sein Berlin- Autor Julius Stucke Sendung 10.12.2010 - 13.07 Uhr Länge 17.45 Minuten Moderationsvorschlag Mehr als 3,4 Millionen Menschen leben in Berlin. Einer von ihnen ist, glaubt man dem Schweizer Ausgehmagazin Berner Woche, einer von ihnen ist "der komischste Deutsche der Welt". Sein Name: Philip Tägert alias FIL. Geboren 1966, aufgewachsen im Märkischen Viertel. Urberliner Comiczeichner, Bühnenunterhalter und ein Stück Berlin. Seit Mitte der 90er Jahre beginnt jede Ausgabe des Berliner Stadtmagazins Zitty mit einem Fil-Comic über die Berliner Imbissbuden- und Bierbüchsenproleten Didi & Stulle. Julius Stucke portraitiert Fil, der über Berlin einiges zu zeichnen und so manches zu erzählen hat. -folgt Script Beitrag- -Script Beitrag- OT 01a (Auszug Show, erst kurz Applaus, dann Fil darauf:) Wenn ich wieder auf der Bühne bin, könnt ihr aufhörn zu klatschen... OT 02a (Fil, Interview) Mein Name ist Fil... OT 01b (fortgesetzt) ...man dreht ja nich am Wasserhahn wenn det Wasser schon läuft! Oder ist nett zu der Freundin, die man schon hat! (Publikum, Lachen) OT 02b (fortgesetzt) ... ich bin Mitte 40 und Liedermacher... OT 03 (Auszug Show) Verdammt nochmal - seit so vielen Jahren kommt ihr immer wieder hier her, ermöglicht mir diesen Beruf...durch Euer Sitzen. Ist eigentlich eine Win-Win-Situation. Ihr sitzt - ich muss nicht richtig arbeiten. OT 02c (fortgesetzt) ...und Cartoonist aus Berlin! OT 04 (Fil, Interview) Ich hab letztens ne Show ,Die Stimme Berlins' genannt. Und zwar aus genau dem einen Grund: Damit da nen Haufen Touristen kommen. Dann bin ich damit aufgetreten und in der Show berlinere ich überhaupt nicht. Und die Leute haben sich dann auch beschwert (skandierend) ,wir wolln Berliner Mundart, wir wolln Lokalkolorit' und ich dachte, wie eklig. (lacht) Klar ich habs gemacht, dachte dann kommen mehr Leute. Aber ich mach es nie wieder. Ich finde diese Berlin-Nummer...Nee! OT 05 (Wolfgang Köglmeier, Cartoonverantwortlicher bei der Zitty) Er ist bestimmt eine der herausragenden Stimmen Berlins - das möchte ich schon unterschreiben. OT 06 (Fil, Show-Auszug) Ich möchte Euch die Wahrheit über mich erzählen...ich komme natürlich nicht aus Berlin. Ich behauptete das jahrelang, weil mein Management meinte ,mach mal das, sei mal dieser Junge von Nebenan' und ich so ,aber ich bin doch son bisschen etepetete' ,nein, mach mal nicht, sei mal dieser prollige...' und jedenfalls ist es natürlich nicht so. Wer kommt schon aus Berlin? Da geht man hin, da kommt man ja nicht her! Und so komme ich, genau wie ihr, aus einem kleinen Dorf, war dort der Dorf-Punk, wurde mit Steinen beworfen und bin dann nach Berlin um - je nach Generation - den Wehrdienst zu verweigern oder irgendwas mit Medien zu machen...was so ein bisschen aufs Selbe hinausläuft eigentlich... AUT Auf der Bühne des kleinen Kreuzberger Mehringhoftheaters nimmt Philip Tägert alias Fil seine Berliner Herkunft nicht ernst - und sich sowieso nicht: Schwarz-weißes Dienstmädchenkleid. Strapse an den haarigen Männerbeinen. Eine schwarze Indianermädchen-Perücke verdeckt die kurzgeschorenen - lange schon nicht mehr vollen - Haare des Mittvierzigers. Nichts ist ihm mehr peinlich...im Gegenteil: OT 07 (Fil, Interview) Letztens hat mich einer gefragt ,schaffst Du es überhaupt in Würde zu altern' und dann denke ich so: das Geile ist ja am Altern, dass man keine Würde mehr braucht. Jetzt versteh' ich des, wie zum Beispiel meine Mutter, also alle Mütter, dass die total peinlich sind - aber mit einer Freude daran. Mit einer Lust an der Pein. Und das kommt bei mir langsam auch und das genieß ich sehr. Ich merke, ich werde immer uneitler. Ich war früher extrem eitel. Nen hübscher Mann ist eigentlich ne sinnlose Sache. Damit kann man nix anfangen. Der steht sich selber im Weg. AUT Philip Tägert, geboren 1966, ist sich - über all die Jahre, die er nun Comics zeichnet und auf der Bühne mit Gedichten, Liedern, Geschichten zum Lachen bringen will - treu geblieben. Wirkt auf der Bühne chaotisch und improvisierend, spontan. Das passt zu seinem Auftreten zu Hause, beim Interview. Die Wohnung: schöner Altbau und dennoch wie der Prototyp einer etwas unaufgeräumten Junggesellenbude. Tägert selber ebenfalls etwas unaufgeräumt und alles andere als Mitte 40. Die jugendliche Art kommt nicht gekünstelt daher - es steckt noch viel vom Punk in ihm, der er in seiner Jugend war. Er kokettiert mit Dilettantismus, will sich in seine Kunst nicht reinreden lassen und nimmt weder ein Blatt vor den Mund, noch Rücksicht auf irgendwen oder etwas. Aber zurück zum Anfang. Fil ist Berliner. Gebürtig. Urberliner... OT 08 (Fil, Interview) Ähmm...ja. Was immer das auch bedeutet. Ich bin Nordberliner. Aus dem Märkischen Viertel. AUT Das märkische Viertel. Nordberlin. Eine Satellitenstadt, Großwohnsiedlung. Entstanden in den 60er / 70er Jahren. In und über Berlin hinaus bekam das Märkische Viertels früh schon ein schlechtes Image aufgedrückt. Uniforme Hochhäuser, monoton, grau. Sozialer Brennpunkt. OT 09 (Fil, Interview) Grau...weiß ich nicht. Also ich fand es eher krass als ich mit meiner Punkband mit 14 das erste Mal in 'nem besetzten Haus gespielt habe, in Kreuzberg, und dachte: die leben ja wie die Tiere hier! In diesen zugigen Altbauten was soll das? Haben die keine Zentralheizung? Jeder findet des gut wo er herkommt. Denke ich mal. AUT Fils Jugend im Märkischen Viertel. Als Punk. Viele Freunde aber ebenso viele Typen, die ihn und seine Kumpels schief ansehen. Fil nennt sie Biker. Bemerkt anerkennend, dass sie ihn wenigstens nie verprügelt hätten. Irgendwo in diesem Universum entstehen seine Comicfiguren Didi und Stulle. So etwas wie die größten Helden von Fil. Mittlerweile erscheint der neunte Sammelband mit ihren Abenteuern. Picklige, bierbüchsenschwingende Schweinegestalten. Proleten? OT 10 (Fil, Interview) Proleten...versuche ich ja immer zu vermeiden. Außerdem, ich hab die noch nie arbeiten gesehn (lacht) aber es sind zwei Berliner. Zwei Nordberliner würde ich schon sagen. AUT Der eine: Didi, Dieter Kolenda. Der große Dicke der beiden. Mit Wort und Tat unterdrückt er stets Stulle, Andreas Stullkowski. Den kleinen, manchmal nachdenklichen und feinfühligen Freund. Stichwortgeber des Anderen. Die beiden brauchen sich. Und stets berlinern sie derbe und politisch völlig unkorrekt durch die Gegend. ZIT 01 - Wat erwateste Alta! Wir sind hier inna ehemaljen DDR, Faschismus is ihre Art uns zu sagn ,Hallo? Wir sind ooch noch da?!?' - War Hamburg echt früha DDR jewesen? - Na voll. Kiek dich dochma um. Merkel kommt ooch von hier. Dit sagt eingich allit. OT 11 (Wolfgang Köglmeier, Zitty) Eine wunderschöne Geschichte: Didi und Stulle stehen vor einer Häuserfront und Didi schneidet fürchterlich auf er hätte da eine Geliebte im Haus und er müsste es ihr unbedingt mal wieder besorgen und malt das wirklich in den feurigsten Farben aus. Und dann sagt Didi ,ok ich geh jetzt hoch, Du stoppst die Zeit'. Und er geht hoch und es stellt sich heraus es ist die Adresse seiner Großmutter - und die Großmutter empfängt ihn ganz freundlich ,Didi, lange nicht gesehen' und macht ihm gleich einen Brei zurecht und dann kommt er nach 25 Minuten hinunter und schließt demonstrativ seinen Hosenschlitz und Stulle fragt ,und wie war et' und er sagt , Feucht war et. Wat denkst Du denn' und meint ,beim nächsten Mal versuch ich zwei, drei Stunden'. Und dann geht er wieder hoch - und tatsächlich, das zieht sich wesentlich länger hin als beim ersten Mal, weil er mit seiner Oma Malefiz spielen muss. Man muss es gesehen haben, das hat sich bei mir als eine der Lieblings Didi & Stullen festgefressen. AUT Sagt Wolfgang Köglmeier. Beim Berliner Stadtmagazin Zitty ist er für die Cartoons verantwortlich. Seit Mitte der 90er Jahre beginnt jede Ausgabe der Zitty mit einem Didi & Stulle Comic. Den ersten Fil-Comic druckte die Zeitung sogar noch früher. Anfang der 80er. Fil war gerademal 14 Jahre alt. Köglmeier erinnert sich gerne an den Anfang einer fruchtbaren Zusammenarbeit: OT 12 (Köglmeier) Eines Tages lag nun wieder einer dieser DIN A4 Umschläge auf meinem Tisch - und was sofort auffiel war dieses Begleitschreiben, dieses handschriftliche, gezeichnete, gemalte Begleitschreiben mit kleinem Selbstportrait in dem Fil auf drastische Art und Weise seine Situation dargestellt hat. In der er uns quasi die Pistole auf die Brust gesetzt hat... ZIT 02 Liebe Kinder! Ich mache zur Zeit einen dreckigen Hilfsarbeiterjob und hab so langsam die Schnauze voll von. Würde lieber mal wieder was Vernünftiges machen. Zum Beispiel Kommiks malen. Deshalb wäre es meine totale Rettung, wenn ihr mir alle zwei Wochen was abkaufen würdet. Überlegt's euch's. Ist eure große chance, denn ich bin der absolute Njukammer. AUT Wo Didi & Stulle auftauchen - das ist stets eine Überraschung. Von Berlin aus geht es ins Weltall, auf den Mars, in fremde Städte, Länder, parallele Universen. Und in die Hölle. Die erinnert verdächtig an die Perleberger Straße in Moabit... OT 13 (Fil, Interview) Das ist die Hölle. Da hab' ich gewohnt in der Gegend und das ist die Hölle. Da gibt's sogar ne Kneipe ,Zur Hölle'. AUT Wo auch immer die Beiden sind, wen auch immer sie treffen - eines bleibt konstant OT 14 (Köglmeier) Das Konstante daran ist das Berliner Idiom, sie würden niemals ihre Vergangenheit leugnen, indem Sie hochdeutsch sprechen, sondern sie berlinern lustig drauflos. Nirgendwo, in keinem Comic wird so authentisch berlinert wie bei Didi & Stulle. AUT Ein Dialekt, der Fil nicht in die Wiege gelegt wurde. OT 15 (Fil, Interview) Im Gegenteil, also uns wurde verboten zu Berlinern. Das war ja im Westen oft so, dass galt nicht als fein. Aber selbstverständlich: wenn Du im Märkischen Viertel wohnst, berlinern alle anderen außerhalb Deiner Wohnung wie irre. Aber ich musste es mir drauf schaffen. Ich rede ja jetzt auch hochdeutsch. Es ist ja auch beim berlinern so, wenn Du spontan anfängst so ,icke saje et mal...', dann klingt es immer falsch. Ich habs mir dann draufgeschafft als Teenager. AUT Die Einflüsse auf Fils Comics und Auftritte haben sich über die Jahre verändert. Damals: Das Märkische Viertel, Hochhäuser, eine Jugend als Punk. Dann Wedding, Moabit, Arbeiterviertel, ungeliebte Jobs um durchzukommen. OT 16 (Fil, Interview) Also ich hab definitiv anders gearbeitet, als ich noch arm war. Ich hab ja keine Ausbildung. Und ich hab immer gejobbt. Ich bin mit 17 von zu Hause ausgezogen und hab dann auch ziemlich früh angefangen zu arbeiten. Bei McDonalds, Nachtschicht in der Küche und...eben so fiese Jobs. Irgendwie hatte ich da mehr Energie oder mehr des Bedürfnis zu zeichnen, um was anderes zu haben, ein Gegengewicht. So wie Bukowski - Bukowski war immer mein Held. AUT Seit einigen Jahren lebt er im früheren Ost-Bezirk Prenzlauer Berg. Ist Vater. Bukowski war gestern. Er ist nicht reich - aber erfolgreich. OT 17 (Fil, Interview) Erfolg macht weich, denke ich. Das ist einfach so. Aber so ein bisschen Weichheit ist natürlich ganz angenehm, also ich bin ganz froh, dass ich jetzt nicht mehr so struggeln muss. AUT Und genug zu beobachten gibt es für Philip Tägert natürlich auch hier. Im Prenzlauer Berg, der sich, wie Berlin, in den vergangenen Jahren so stark verändert hat: OT 18 (Fil, Interview) Voll, verändert sich andauernd. Aber...na ja...wahrscheinlich auch nur hier, im Prenzlauer Berg. (lacht) Wenn ich zu meinen Eltern in den Norden fahre hat sich da nicht so viel verändert. AUT Prenzl-Berg. Zuerst: unsaniertes Altbauviertel, Künstler- und Studentengegend, Freiräume, günstige Mieten. Dann, mehr und mehr: Szenebezirk. Heute eine auf chick sanierte Gegend, in der besserverdiende - oder ,gerne besserverdienende' Bürger - meist Zugereiste - das Bild prägen OT 19 (Fil, Show-Auszug) Ich laufe ja durch die Straßen dieser verrückten Metropole, in der wir wohnen - dieses Moloch - dieses sich selbst ständig neu wieder erfindende Spree-Stuttgart-Berlin, sagen wir es doch in einem Wort. Und da muss ich einiges anmerken, da fällt mir einiges auf. Gerade in dem Bezirk in dem ich wohne: Prenzlauer Berg. Auch da geht einiges ab, wo ich sagen muss: na hoppla. Zum Beispiel hat sich jetzt im Prenzlauer Berg die Gentrifizierung eingeschlichen. Ich habe nach ihr nicht gefragt. Würden Sie bitte gehen? Gehen Sie, Gentrifizierung! AUT Fil weiß - Geschichten und Witze über den Prenzlauer Berg und seine szenigen Bewohner, über Gentrifizierung, den Kinderreichtum oder Latte- Macchiato-trinkende Medienmenschen...diese Geschichten sind klischeebeladen und mittlerweile oft erzählt. Er kann sie sich trotzdem nicht immer verkneifen: OT 20 (Fil, Show-Auszug) Prenzlauer Berg - Baustellengeratter - da bröckelt das Ciabatta Da sitzen die ganzen Mediencharakter in ihren Cafés, schütten sich den Schaum über die Rübe. Da hinten radelt eine Frau schnell durch Prenzlauer Berg durch. Hat keinen Kindersitz auf dem Fahrrad: sie fühlt sich wie eine Prostituierte, alle starren sie an, schnell hier vorbei, nicht nach rechts, nicht nach links gucken...NICHT schwanger werden...schnell weiter... AUT Aber - er versucht die Geschichten weiterzudrehen. Und so wird bei seiner Variante der Gentrifizierungsthematik die Szeneklientel verdrängt. Gentrifizierung 2.0... OT 21 (Fil, Show-Auszug, Gentrifizierungslied) Die kleine schwäbische Werbeagentur in der Chorinerstr. 36 gibt's nicht mehr - ich bin da letztens vorbeigeschlendert und musste sehen ups, der Laden ist leer. Es schien doch so gut für sie zu laufen - und jetzt steht da ,zu verkaufen'. Hier konnte man sie doch immer durch die Scheibe beobachten, wie sie wie besessen auf ihre alten Macintosh Probooks eintippten. Und dann und wann schon einmal den einen oder anderen doppelten Latte Macchiato kippten. Aus den dickwandigen Pappbechern von der alten schwäbischen Kaffeerösterei gleich nebenan - die sind als nächste dran. Ihren 12 Euro Soja-Karamell-Frappuchino bringen sie jetzt schon nur noch zögerlich an den Mann. Seit hier im Kiez die Mieten sinken wolln die Leute nicht mehr so teuer trinken. Essen Wurstbrot statt wie früher die guten alten gluten-freien Vollkorn- Ciabatta-Bagel-Focaccia mit Serrano Schinken. Auch die kleine verschmitzte Castingagentur von um die Ecke hat es in den Konkurs getrieben. Und von der multilingualen spanisch-schwäbischen Kindertagesstätte "die Serrano-Spätzle" ist nur die Fassade geblieben. Dort steht nun krud' von Narrenhand geschrieben: ,Yuppies, wir werden Euch niemals lieben!' Und ein Penner kommt vorbei und kratzt sich am Po - Serrano liegt jetzt anderswo... OT 22 (Fil, Interview) Andererseits suche ich immer nen Aspekt, der noch nicht zu Tode bewitzelt wurde. Also die Straßenbahnschienen, darauf ist noch keiner gekommen. OT 23a (Straßenbahnschienen-Song) ...und ein weiterer Westler mit Brille und Bart fährt mit seinem Fahrrad in die Schienen und fällt hart fällt auf die Fresse mit lautem Klingeling zum Glück hab ich das gesehen und kann jetzt drüber sing' ich frag' mich, womit so szenige Brille-Bart-Typen ihr Geld verdienen Und da hinten brettert schon der nächste in die Straßenbahnschienen Ein weiterer Westler brettert in die Straßenbahnschienen Ein weiterer Westler brettert in die Straßenbahnschienen Das ist halt Prenzlauer Berg, dieses Besondere... Ost und West sind da zusammen aber mischen sich seit 20 Jahren nicht Wie Wasser und Öl mäandern sie nebeneinander her OT 24 (Fil, Interview) So geht der Westen an den Osten ran. Er kommt da hin. Er erobert ihn. Und achtet nicht auf das, was schon da war. Außer die Ampelmännchen, aber auch die werden jetzt von Schwaben hergestellt. Die Straßenbahnschienen haben die Schwaben nicht gemacht - also negieren sie die. Die gibt's nicht. Also brettern sie rein. OT 23b (Straßenbahnschienen-Song fortgesetzt) Ganz unten sind die Straßenbahnschienen, das ist noch pure DDR Das geht gar nicht zusammen - und warum? Ost Bauarbeiter reißen nachts die Straßen auf Und verändern heimlich den Schienenverlauf OT 25 (Fil, Interview) Also bei mir wurden die Straßenbahnschienen zweimal schon aufgerissen und wieder ungefähr so verlegt. Aber nicht ganz so! OT 23c (Straßenbahnschienen-Song fortgesetzt) Es stürzen die Amis, die Schwaben, die Dänen Mein Kind macht sich Ketten aus gefundenen Zähnen Ein weiterer Westler brettert in die Straßenbahnschienen Ein weiterer Westler brettert in die Straßenbahnschienen (Song-Ende, Applaus) OT 26 (Fil, Interview) Also früher sind die Leute gekommen, um vorm Militär zu fliehen. Heute kommen Sie, weil sie Vollidioten sind. Das ist schon so - wir haben ein größeres Vollidiotenanzugspotential. Was immens ist. Ich weiß auch nicht, ob die Stadt das bewältigt. Andererseits muss ich sagen, dann lese ich Interviews von irgendwelchen schwäbischen Szenekaspern aus den 80er Jahren, die sagen ,oh jetzt kommen so viele Touristen hier her, das ist nicht mehr unser Berlin' und da denk ich: das war nie euer Berlin. Ihr Arschgeigen. Ihr seid die ersten die es zerstört haben. Was auch immer, wenn man etwas zerstören kann. Szeneleute sind immer der Anfang vom Ende. Aber letztlich dann auch nur in Ihren Szenebezirken. Ich bin selber schuld, dass ich im Szenebezirk wohne, ich bin sicher, wenn ich nach Tegel ziehe, würde ich sagen ,det is mein Berlin'. Genau wie immer. AUT Aber, meint Fil, halb so schlimm. Veränderung ist ja eigentlich in Ordnung. Und wenn ihn was stört, dann eher das gesteigerte "auf-Berlin-wertlegen", das "Berlin-betonen": OT 27 (Fil, Interview) Dieses Berlin-Feeling...Leute, die in Berlin geboren sind - warum sollten sie das haben, weißt'de, also wofür. Meine Heimat ist in der Popkultur. Wie wahrscheinlich bei allen meiner Generation. Also gute, kreative Leute. Das ist meine Heimat. Berlin ist irgendwie: Leute, die hier herkommen, die Fresse aufsperren, ein riesen Brimborium veranstalten und dann wieder abrauchen. Was solls, ich pfeiff drauf. AUT Der Blick eines Berliners auf seine Stadt. Eines Urberliners... OT 28 (Fil, Interview) Urberliner - als wär' das was exotisches. Wie wenn die ganze Zeit farbenblinde zu Dir kommen und fragen ,wie ist es denn so, Farben zu sehen?' und du so ,es ist geil - aber es ist auch irgendwie normal für mich'. Was solls. Anders als ironisch kann man eigentlich nicht ,ick bin een Berliner' sagen. Wir leben im 21. Jahrhundert, ey. Lass uns aus den Dörfern rauskommen, wir sind Weltenbürger. OT 29 (Show-Auszug) (Applaus) Dankeschön! Auf Wiedersehen. -ENDE Sendung- 2 9