COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport 8.3.2011 13:07 Uhr Schule in Freiheit Das Verhältnis von privaten und staatlichen Schulen Schule in Freiheit - ein Länderreport über das komplizierte Verhältnis zwischen privaten und staatlichen Schulen. Am Mikrofon begrüßt Sie Katja Bigalke Seit die erste PISA-Studie vor elf Jahren den Ruf der staatlichen Schulen ruinierte, sind immer mehr Eltern bereit, für die Bildung ihrer Kinder Geld auszugeben. Die Zahl allgemeinbildender Privatschulen wuchs seither um 26 Prozent, Private Gymnasien gewannen allein in den letzten fünf Jahren knapp 62.000 neue Schüler hinzu. Und bei den Grundschülern sind die Wachstumsraten noch rasanter. Ist dies nun der Anfang vom Ende der öffentlichen Schulen? Wie gestaltet sich das Verhältnis in den unterschiedlichen Bundesländern, hat doch jedes Land seinen eigenen Umgang mit den Privatschulen. In Berlin zum Beispiel konnte Ende letzten Jahres die Volksinitiative "Schule in Freiheit" mehr als 24.000 Unterschriften für sich sammeln. Ihr Anliegen: Die finanzielle Gleichstellung von privaten und öffentlichen Schulen auf der einen Seite. Auf der anderen - die gleichen Freiheiten für die öffentlichen Schulen, wie sie die privaten jetzt schon genießen. In zwei Tagen hat die Initiative die Gelegenheit ihr Konzept im Schulausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses vorzutragen. Claudia van Laak über das Anliegen der Initiative und die Situation der Berliner Schulen in freier Trägerschaft. Claudia van Laak hat für uns die Hintergründe recherchiert: Berlin - erfolgreiche Volksinitiative "Schule in Freiheit" Redakteurin: Katja Bigalke Autorin: Claudia van Laak Atmo (leises Vogelgezwitscher) Heiligensee am nördlichen Stadtrand von Berlin. Hier ist die Metropole ganz weit weg. Kaum Autos, stattdessen Vogelgezwitscher, von weitem eine Motorsäge. An einem dreistöckigen Flachbau hängt ein handgemaltes Schild: "Herzlich Willkommen" - und ein kleiner kopierter Zettel - "Demokratische Schule X". Ein Junge mit verspiegelter Sonnenbrille und grauem Filzhut kommt heraus, aus den beiden kleinen Boxen seines MP3-Players dröhnt laute Popmusik. Musik Valentin ist 10, sehr cool, und besucht erst seit vier Wochen die Demokratische Schule X. So ganz überzeugt ist er noch nicht von der Schule, die seine Mutter für ihn ausgesucht hat. Die andere ist besser, weil man dort mehr lernen kann und die hier ist besser, weil man machen kann, was man will, da lernt man eigentlich nicht so richtig. Hendrik - 12 - widerspricht. Klar lernen wir hier was, erwidert er Valentin. Wir haben eine Chemie-AG, eine Artistik-AG. Ich finde die Schule hier besser, weil hier man sich aussuchen kann, was man machen möchte. Wenn man mal Lust hat auf Mathe, dann kann man Mathe machen, wenn man auf was anderes Lust hat, kann man das machen oder auch spielen. Wir haben auch Hamster in der Schule, die haben vor zwei Tagen Babies gekriegt und ich finde die Schule sehr gut. Der Wunsch der Reporterin, hautnah etwas von der besonderen Form des demokratischen Lernens mitzubekommen, wird abgelehnt. Natürlich erst nach einer Abstimmung, schließlich ist dies eine demokratische Schule. Das bedeutet zum einen, dass die Schüler selbst entscheiden können, was sie lernen, wie sie lernen, wann sie lernen. Und zum anderen, dass alle Entscheidungen, die den Schulalltag betreffen, in der Schulversammlung getroffen werden und in der Schulversammlung hat jeder eine gleichwertige Stimme. erläutert Martin Wilke, Mit-Initiator der Demokratischen Schule X. In der Schulversammlung haben die Kinder die Mehrheit, können eigene Regeln aufstellen und die Lehrer überstimmen, die übrigens nicht Lehrer genannt werden, sondern Mitarbeiter. Mit Schule im herkömmlichen Sinn hat das, was hier passiert, nur sehr wenig zu tun. Kein verbindlicher Stundenplan, keine Klassen, keine Noten, kein Sitzenbleiben. Vor allem: kein Zwang. Wir gehen davon aus, dass Kinder von Natur aus neugierig sind, dass sie lernen wollen. Das heißt aber nicht unbedingt, dass sie das in der Reihenfolge und in der Geschwindigkeit lernen wollen, wie es in herkömmlichen Schulen vorgegeben ist. Die Demokratische Schule X existiert erst seit 3 Monaten - 25 Kinder von 5 bis 16 besuchen diese pädagogische Einrichtung, die keine Abschlüsse vergeben darf, aber vom Senat als Gemeinschaftsschule genehmigt ist. Staatliche Zuschüsse erhalten wir erst nach 5 Jahren, ärgert sich Martin Wilke, von Haus aus Politologe. Das Problem ist, dass es gerade diese Wartefrist den Schulen schwer macht, die ersten Jahre zu überstehen. Und was noch entscheidender ist: es ist ein großes Hemmnis, überhaupt die Gründung einer Schule in Angriff zu nehmen. Eine Probezeit für Schulen in Freier Trägerschaft ist in allen Bundesländern üblich, in Berlin ist sie allerdings vergleichsweise lang. Aus gutem Grund, sagt SPD-Bildungssenator Jürgen Zöllner. Weil wir natürlich ein Interesse daran haben müssen, dass eine gewisse Verlässlichkeit und Solidität gegeben sein muss, auch finanziell. Man vergisst bei den vielen guten Schulen in freier Trägerschaft, dass es wie immer im Leben Schwarze Schafe gibt und dann wird der Bildungssenator gejagt, weil er wieder nicht aufgepasst hat. Schulen in Freier Trägerschaft sind grundsätzlich belebend für das oft starre staatliche Bildungswesen, meint Senator Zöllner. Genau aus diesem Grund möchte die Initiative "Schule in Freiheit" die Probezeit verkürzen - auch um die Gründung kleinerer, experimentell arbeitender Einrichtungen zu erleichtern. Sprecher Kurt Wilhelmi ist der Ansicht, dass Schulen in Freier Trägerschaft grundsätzlich finanziell bessergestellt werden sollten - mehr als 20.000 Berliner sehen das genauso, haben die entsprechende Volksinitiative mit ihrer Unterschrift unterstützt. Warum sollen die Schulen, die Eigenverantwortung übernehmen, die Schulalltag bestimmen und verantworten wollen, was ja was Gutes ist, weil dadurch auch die Kinder Verantwortungsfähigkeit lernen können, warum sollen die bestraft werden gegenüber den Staatsschulen, die ja einfach nur Programme umsetzen. Kurt Wilhelmi hält die Privatschulen also für besser als die staatlichen. Aber sind sie vielleicht nur besser - oder attraktiver - weil sie von einer bestimmten Klientel angewählt werden, einer bildungsbürgerlich geprägten Mittelschicht, die sich das Schulgeld leisten kann? Kinder aus Hartz IV-Familien sucht man an Privatschulen vergeblich. Das liegt nicht an den Schulen selber, meint Jonas Parrer von der Initiative "Schule in Freiheit". Würden die Schulen in freier Trägerschaft komplett vom Staat finanziert, müssten sie auch kein Schuldgeld nehmen, argumentiert der frühere Waldorfschüler. Dann entsteht die Möglichkeit für jeden Menschen in Deutschland, sich frei zu entscheiden, welches Konzept ist für mein Kind das richtige. Dann spielen finanzielle Gründe keine Rolle mehr, die momentan eine viel zu große Rolle spielen. Es entsteht eine Freiheit in der Entscheidung, und dann entsteht demzufolge eine Art kreative Konkurrenz. In Berlin übernimmt der Senat 93 Prozent der Personalkosten, allerdings keine Sachkosten - rechnet man diese hinzu, bekommen Schulen in freier Trägerschaft ihre Ausgaben zu etwa 65 Prozent vom Staat ersetzt. Bildungssenator Zöllner hält dies für völlig ausreichend. Ich meine, dass es eine im Grundsatz faire Finanzierung ist, wenn man die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten in Rechnung stellt. Berlins SPD-Bildungssenator will den Schulen also nicht mehr Geld geben, will ihnen aber auch nichts wegnehmen. Anders seine Parteifreunde im Nachbarland Brandenburg. Die dortige SPD- Landtagsfraktion hat beschlossen, die Gründung neuer freier Schulen zu erschweren, die laufenden Zuschüsse sollen ebenfalls gekürzt werden. Mod Keine Steine also in den Weg legen, aber auch nicht besonders fördern. In Berlin sieht es erstmal so aus, als bliebe alles beim Alten. Was so viel heißt wie, von Verhältnissen wie in Nordrhein Westfalen wird man hier noch eine Weile träumen müssen. In kaum einem Bundesland - so der Bundesverband Deutscher Privatschulen - geht es ihren Schulen nämlich so gut wie hier. Relativ gleichberechtigt koexistieren sie neben den öffentlichen Schulen. Und auch die Kritik, man fördere hier ein elitäres System klingt in Nordrhein Westfalen eher verhalten. Andrea Lueg erklärt, warum das so ist. Beitrag Andrea Lueg Friedliche Koexistenz - In Nordrhein-Westfalen haben Privatschulen gute Bedingungen und eine lange Tradition O-Ton Meisterjahn 7.00 Wir haben seit mehr als 12 Jahren ne Nachfrage, die wir kaum bewältigen können, das ist unser Hauptproblem. Denn wenn wir dann auswählen unter den vielen, vielen Anmeldungen, viele dieser Kinder führen das dann auf sich zurück, aber es ist eine reine Platzfrage, aber das belastet mich sehr , diese Form der Auswahl tätigen zu müssen. Gundula Meisterjahn ist die Direktorin von Schloß Hagerhof, einem Privaten Gymnasium, Realschule und Internat in Bad Honnef, vor den Toren Bonns. Das pädagogische Konzept orientiert sich an Montessori, die Ganztagsbetreuung geht von 8.15 Uhr bis 22 Uhr, das Angebot an Freizeitgestaltung kann sich sehen lassen. Schaupielern, Basketball, Musikunterricht stehen zum Beispiel auf dem Programm. Kein Wunder also, dass vielen Eltern diese Schule ideal für ihren Nachwuchs erscheint. Auf sechshundert Plätze kommen regelmässig doppelt soviele Bewerber.Atmo Schule/blenden/unterlegen Und auch die Umgebung erfüllt so ungefähr alle Klischees, die man mit Privatschule verbindet: im Wald gelegen, ein altes Schloss, drumherum nur Natur, nebenan ein Pferdehof. Innendrin hohe Decken und knarzende Holzdielen. O-Ton Meisterjahn 2.20 Natürlich ist der Standortfaktor hier einer, den man nicht unterschätzen kann, wir haben fast 70 000 qm Gelände drumherum mit Wasser und Bachläufen und Teich, Krötenschutzprogramm, also die Kinder sind auch in die Natur integriert... 350 Euro monatlich kostet die Schule, wenn ein Kind ins Internat geht 1350 Euro. Für Normalverdiener schwer zu stemmen. O-Ton Meisterjahn 3.40 Wir leben hier natürlich in einem Einzugsgebiet, das wirtschaftlich vernünftig da steht, wo es auch vielen Eltern gut geht, wir haben dennoch auch Kinder von alleinerziehenden Elternteilen, auch von Arbeitslosen, die bei uns sind, wo wir Möglichkeiten finden, auch solchen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, Eltern sind zum Teil auch sehr findig, wie sie finanzieren können. Ich habe auch den Fall erlebt, dass, wenn bsplsw Arbeitslosigkeit während des Aufenthaltes hier bei uns auftritt, Eltern das eben von uns gestundet bekommen und sie eben im Nachhinein selbst wenn das Kind schon Abitur hat noch abstottern können. Es gibt viele Möglichkeiten, aber die meisten sind einfach in der Lage, das zu bezahlen. Die Eltern der Hagerhofschüler sind nicht unbedingt reich, aber in jedem Fall sehr stark an der Bildung interessiert und häufig selbst auch Akademiker. Schloß Hagerhof ist eine Ersatzschule, das heißt sie ist staatlich anerkannt und untersteht staatlicher Aufsicht. 85 Prozent der Kosten, die auch an einer vergleichbaren öffentlichen Schule enstehen würden, bekommt sie vom Staat zurück, weil sie in Nordrhein-Westfalen liegt. Denn hier gelten die Bedingungen für Privatschulen als besonders günstig. Für die Nutzung von Schulgebäude und -Einrichtung kommen maximal noch einmal 9 Prozent obendrauf. Dafür dürfen Privatschulen in NRW kein Schulgeld verlangen. Was die Eltern im Hagerhof und anderen privaten Schulen zahlen ist ein freiwilliger Beitrag. Er geht an einen Förderverein, aus dem die Schule die restlichen Pro-Kopf Kosten und Extra-Angebote begleicht. O-Ton Meisterjahn 11.00 In NRW ist es so, dass das Ersatzschulfinanzgesetz, wie ich meine vernünftig refinanziert, sodaß private Ersatzschulen das schaffen können. Wir sagen auch immer, wir sind eine öffentliche Schule in privater Trägerschaft, wir leisten zumindest das was öffentliche Schulen auch leisten, ich finde, wir gehen darüber hinaus, indem wir Eigenmittel einsetzen und das finde ich nach wie vor ungerecht. Dennoch sind wir in NRW zufrieden mit dem, was wir haben. Privatschulen sind, selbst wenn sie nicht über mehr Geld verfügen, flexibler im Umgang mit ihren finanziellen Mitteln, sie können sich ihre Lehrer immer selbst aussuchen, haben beim Personal wenig Fluktuation und meist in der Schülerschaft deutlich weniger Problempotential als öffentliche Schulen. Diese Vorteile lösen auch bei der staatlichen Konkurrenz in NRW keine Begeisterung aus. O-Ton Meisterjahn 14.40 Also, diese Flexibilität, die wir haben, wird neidvoll gesehen. Gleichwohl verstehen wir uns überhaupt nicht als Konkurrenz, die öffentlichen Schulen sehen das auch so, weil jede Schule hier in Bad Honnef einen anderen Schwerpunkt hat. Wir verstehen uns als eine Vielfalt von Schulen, die bewusst Eltern unterschiedliche Angebote macht, ich denke auch, so wie wir arbeiten sind wir ein Angebot für bestimmte Eltern und für bestimmte Formen des Lebens. Wir arbeiten sehr eng mit den Schulen zusammen, wir haben Gremien, wo wir uns regelmäßig sehen und das nicht nur auf der Schulleiterebene, sondern auf der Fachebene. Tatsächlich funktioniert die Koexistenz staatlicher und privater Schulen trotz des kleinen Neidfaktors in Nordrhein-Westfalen reibungslos. Die Gemeinde Bad Honnef unterstützt ebenso wie andere Gemeinden das Angebot des privaten Trägers und Gundula Meisterjahn sieht sich auch vom Düsseldorfer Ministerium anerkannt und unterstützt. Das friedliche Nebeneinander begründet sich vielleicht auch dadurch dass Privatschulen in NRW eine lange Tradition haben, vor allem konfessionelle Schulen gehören schon seit Jahrhunderten zur Schullandschaft dazu. Fast flächendeckend gibt es Angebote von privaten Trägern. Und trotzdem ist Udo Beckmann vom Lehrerverband vbe kein dezidierter Anhänger von Privatschulen. O-Ton Beckmann 00.40 Also eigentlich brauchten wir keine Privatschulen, da es Aufgabe des öffentlichen Schulwesens ist und Aufgabe des Staates ist, seine Schulen so auszustatten, dass sie allen Kindern gerecht werden. Privatschulen entstehen, so Beckmann, wenn staatliche Schulen nicht das leisten, was sie müssen. Danach müsste allerdings bei den öffentlichen Schulen einiges im Argen liegen, denn zum Beispiel in NRW steigt die Zahl der Schüler, die auf private Schulen gehen seit Jahren beständig, im letzten Jahr erreichte der Anteil 7,6%, bei Gymnasien sind es sogar 16% aller Schüler. Gerade diese Entwicklung ist Beckmann, dessen Verband alle Lehrer, außer die an Gymnasien vertritt, ein Dorn im Auge. O-Ton Beckmann 6.10 Die Privatschulen übernehmen schon einen relativ großen Teil des Bildungswesens, wobei man natürlich insgesamt kucken muss, dass er sehr unterschiedlich verteilt ist und es ist natürlich auffällig, dass gerade im Bereich der Gymnasien wir einen relativ hohen Anteil an Privatschulen haben und das lässt natürlich darauf schließen, dass es gerade in diesem Bereich viele Eltern gibt, die möchten, dass ihre Kinder in einem ganz bestimmten Milieu zur Schule gehen. Privatschule als elitäre Veranstaltung lehnt Beckmann ab. Gesellschaft könne nur funktionieren meint er, wenn man nicht frühzeitig anfange aufzuteilen und aufzuspalten, etwa in den Schulen. Doch grundsätzlich lehnt auch Beckmann private Schulen nicht ab. Etwa, wenn Eltern eine Schule gründen, O-Ton Beckmann 2.40 weil zum Beispiel ein bestimmtes pädagogisches Konzept verfolgt wird, das haben wir auch in bestimmten Bereichen, kann ich es sehr gut nachempfinden, dann finde ich das auch in Ordnung, wenn der Zugang für alle Kinder gesichert ist. 8.40 Atmo Kinder Wülfrath/blenden/unterlegen So wie in der Freien Aktiven Schule in Wülfrath zum Beispiel. Gegründet von Kirstin und Robert Freitag ist die Schule heute mitten in der Stadt in einem ehemaligen Unternehmensgebäude untergebracht. Achtzig Kinder gehen hier in die Grundschule und 85 in die Realschule. Keines zahlt mehr als 100 Euro im Monat. 20 Prozent der Kinder haben Migrationshintergrund, relativ wenige Eltern sind Akademiker. Die Freitags fanden an staatlichen Schulen einfach nicht das, was sie sich für ihre eigenen Kinder wünschten. Deshalb entwickelten sie ein eigenes Konzept. Für Grundschulen sind die Regeln zur staatlichen Anerkennung besonders streng und das ganze Verfahren dauerte dann auch fünf Jahre. Doch immerhin konnte der Schulbetrieb dann ohne nennenswerte Schulden aufgenommen werden. Auch das hat mit den Bedingungen in NRW zu tun, erklärt Robert Freitag: O-Ton Freitag 39.20 Wenn Sie sicherstellen können, dass Sie den Schulbetrieb auf-und ausbauen können in der kompletten Größe, dann können Sie auch schon eine endgültige Genehmigung und damit auch Geld bekommen . Fünf Jahre hat es gedauert, bis das pädagogische Konzept der Freitags akzeptiert wurde, das ist für eine private Schule unerlässlich. Vom ersten Tag des Schulbetriebes an aber, bekam ihre Schule öffentliches Geld. Das ist in NRW einmalig im Bundesgebiet. In anderen Bundesländern bekommen Privatschulen in den ersten Jahren ihres Betriebes gar keine staatliche Unterstützung, in Bayern sogar unter Umständen erst nach sechs Jahren. So eine lange Wartefrist wäre für die Freitags nicht möglich gewesen. Ihre Schule hat keine Sponsoren, die Eltern der Kinder müssen regelmäßig mit anpacken und haben sich zum Beispiel auch bei der Möblierung der Schule aus Büroauflösungen als kreativ erwiesen. Von dieser Unterstützung ist die Schule abhängig, sagt Robert Freitag. O-Ton Freitag 37.30 Und das muss man auch sagen, letztlich von der Unterstützung der Kommune, wir haben von Anfang an die politischen Parteien eingebunden in das was wir tun. Zu Bürgermeister und Stadtverwaltung bestehen gute Kontakte. Zu den anderen Schulen in der Gemeinde herrscht eher Funkstille. O-Ton Freitag 6.30 Also es ist so, dass auf kommunaler Ebene wenig Kontakte bestehen (...) gerade auf kommunaler Ebene ist es ein bißchen schwierig. Das mag auch daran liegen, dass gerade Grundschulen in ländlicheren Gemeinden immer häufiger ums Überleben kämpfen müssen und daher die private Konkurrenz kritisch beäugen. Denn die Zahl der Erstklässler geht hier beständig zurück. Der Verband der Privatschulen in NRW verzeichnet jedenfalls eine Zunahme von privaten Grundschulgründungen. Doch dass Privatschulen den staatlichen den Rang ablaufen, darüber macht man sich in NRW noch keine Sorgen. Anders in Sachsen. Zwar besuchen auch in Sachsen nur knapp acht Prozent aller Schüler eine private allgemeinbildende Schule, was gemessen an dem europäischen Schnitt von 20 Prozent immer noch wenig ist. Aber trotzdem steuert Sachsen seit kurzem gegen den Trend zur Privatisierung im Bildungswesens. Wie im übrigen auch viele andere ostddeutsche Bundesländer, Während hier nämlich in den letzten Jahren immer mehr Privatschulen öffneten, schlossen im Osten immer mehr staatliche Schulen. Allein im Zeitraum von 2000 bis 2007 waren es im Osten knapp 30 Prozent der staatlichen Schulen. Hanno Griess über ein zunehmend schwieriges Verhältnis. Beitrag Hanno Griess Länderreport Privatschulen in Sachsen - Manuskript: Atmo vom Städtchen? Text ca. 25 Sek Rabenau, ein Ort von 4500 Einwohnern, liegt etwa 20 Kilometer südlich von Dresden. Früher gab es hier eine Grund- und eine Mittelschule. Aber 2004 entschied das Land Sachsen, die staatliche Mittelschule zu schließen, wegen Schülermangels. Der Ort hätte dann nur noch eine Grundschule in einem entlegenen Ortsteil gehabt. Das aber wollte sich die Gemeinde nicht gefallen lassen, sagt Bürgermeister Thomas Paul: AUDIO Thomas Paul 28 Sek: Nein, das würde sich negativ auf den Standort auswirken, natürlich ist eine Schule ein wichtiger Faktor, das sind Dinge, die einfach in einen Ort gehören, um den Kindern Bildung auf kurzen Wegen zu ermöglichen, ohne sie im Alter von sechs oder sieben Jahren quer durch die Landschaft durch den Bus fahren zu müssen. Text ca. 40 Sek Mindestens 20 Minuten hätten die Kinder zur Schule in die benachbarten Stadt Freital pendeln müssen. Es gab aber eine Alternative: Die DPFA Akademiegruppe, eine der größten privaten Bildungsträger Sachsens, interessierte sich für den Standort. Und nun ist in dem Schulgebäude, das Anfang des 19. Jahrhundert erbaut wurde und mit zwei imposanten Seitenflügeln imponiert, die freie Grund- und Mittelschule Regenbogen zuhause. Freundlich hell gestrichen, ein Schulhof mit einem weiten Blick ins Osterzgebirge. Die schönste Schule Sachsens, sagt Grundschullehrerin Sonnhild Kurze. Atmo Treppen hinunter gehen + AUDIO Kurze 16. Sek "Ich bin jetzt im dritten Jahr hier Lehrerin, ich hab ne zweite Klasse übernommen damals, und die übergebe ich jetzt am Ende des Schuljahres an Mittelschule bzw. an Gymnasium hier in der Region." Text ca. 35 Sek: Sonnhild Kurze ist 55 Jahre alt und neben ihrem Unterricht für die Vermarktung der Schule zuständig. Auch diesen Teil ihres Jobs nimmt sie sehr ernst, Denn die Schule lebt davon, dass man sie kennt. Mittlerweile ziehe der gute Ruf sogar Schüler aus einem Einzugskreis von etwa 20 Kilometern an. Ihre Schule punkte dabei vor allem mit zwei Eigenschaften: Erstens, würde sie nicht als elitär wahrgenommen. Auch weil sie als einzige im Landkreis die Schüler mit Down Syndrom aufnimmt - gilt sie als integrativ und sozial ausgewogen: AUDIO Kurze 30 Sek "Unsere Schule ist auf keinen Fall elitär, denn wir haben ein ganz augewogenes soziales Gefüge. Wir haben hier die Mutter, die sich den Schulbetrag absparen muss, über den Nachbarn aus der Gegend, über Gewerbetreibende bis zum Chefarzt aus dem Krankenhaus, der hier sein Kind zur Schule bringt." Text ca. 10 Sek: Neben der sozialen Mischung interessiere zieht aber auch die besondere Unterrichtsform viele Familien an: Weder Waldorf noch Montessori. Iris Engländer, die für das pädagogische Konzept zuständig ist, beschreibt den Ansatz als freiheitlich: AUDIO Engländer 14 Sek "Das kann so ablaufen, dass wir einen besonders hibbeligen Schüler nicht "einstuhlen", sondern er kann dann eben auf einem Ball sitzen oder im Zweifelsfall auch am Stehpult." Atmo Schülergruppe läuft vorbei, bleibt liegen unter Text Text ca. 15 Sek: Und das Ergebnis könne sich mehr als sehen lassen, so Engländer: AUDIO Iris Engländer 20 Sek: "Wir haben uns im vergangenen Jahr zum ersten Mal an den Kompetenztests des Landes Sachsen beteiligt, und das Ergebnis macht uns stolz: Wir liegen in unseren Grundschulen weit über dem sächsischen Durchschnitt, bei den getesteten Kompetenzen." Text ca. 18 Sek: Die Leistungsbilanz also stimmt, und so ist es bei vielen privaten Schulen hier. Neben dem großen Aufholbedarf, den die ostdeutschen Bundesländer insgesamt in Sachen Privatschulen hatten, auch ein Grund dafür, dass sich in Sachsen die Zahl der Privatschulen seit der Wende verfünffacht hat. Aktuell sind es knapp 470 Allgemein- und Berufsbildende Schulen. Die Zeit des stürmischen Wachstums im Freistaat dürfte ab nun aber vorbei sein. Der Grund? Roland Wöller, sächsischer Kultusminister: AUDIO Wöller30 Sek: "Wir haben in Sachsen einen tiefgreifenden demografischen Wandel, seit den 90er Jahren Halbierung der Schülerzahlen, wir haben seit 1990 Eintausend staatl. Schulen schließen müssen. Und im Gegenzug haben sich über 50 freie Schulen gegründet. Dass das keine gesunde Entwicklung ist, liegt auf der Hand. Wir brauchen einen gesunden Gleichklang. D.h. insbesondere dort, wo geschlossen wurde, kann es nicht unbegrenzt möglich sein, dass freie Schulen unbegrenzt in die Lücken reinstoßen, das würde zu Gefährdung des staatl. Schulsystems führen, die wir nicht hinnehmen können." Text ca. 40 Sek: Weswegen Neugründung von Privatschulen in Zukunft nicht mehr ganz so leicht sein werden in Sachsen. So werden neue Privatschulen ab dem kommenden Schuljahr nicht mehr zu 90 % gefördert - sondern nur noch 80 % der Personalkosten übernommen. Außerdem soll die so genannte Zweizügigkeit auch für Privatschulen gelten, die bisher auch Schulen mit nur einer Klasse pro Jahrgang aufmachen konnten. Und dann sind da noch die Kürzungen beim Schulgeld. An der freien Regenbogenschule zahlen die Eltern pro Monat etwa 160 Euro. Aber es geht auch wesentlich teurer. An anderen privaten Schulen in Sachsen können es auch leicht 400 Euro pro Monat sein, je nachdem, welche Zusatzangebote die Schule macht. Das Schulgeld wurde bisher vom Land Sachsen teilweise erstattet, damit ist ab dem Sommer ebenfalls Schluss, sagt Kultusminister Wöller: AUDIO Wöller 30 Sek: "Was die Frage des Wegfalls der Schulgelderstattung betrifft, kann man folgendes sagen: Der Freisstaat Sachsen ist neben Bayern das einzige Bundesland, was das bisher gewährt hat, deswegen wollen wir darauf verzichten. Ich gehe davon aus, dass es möglich ist, dass man durch eine soziale Staffelung des Schulgeldes bei denjenigen, die mehr zahlen können, mehr verlangt, und denjenigen, die das nicht können, nichts verlangt. Das zeigen auch andere Bundesländer, dass das möglich ist." Text ca. 10 Sek: Die Entwicklung wird Folgen haben auch für die Rabenauer private Grund- und Mittelschule. Prof. Claus Dietz ist der Chef und Gründer des Betreiberunternehmens DPFA. Er rechnet bereits damit, auch an seiner Schule das Schulgeld erhöhen zu müssen: AUDIO Dietz 20 Sek: "Mit den Folgen, dass es Familien gibt, die diese Schule nicht besuchen können, wir sind aber angehalten, jedem Schule zu ermöglichen, werden sehen, ob schwache Familien Kinder auf Privatschule schicken. Haben aus diesem Grund Stiftung gegründet, um das zu ermöglichen." Text ca. 15 Sek: Die Schullandschaft in Sachsen erlebt also gerade im laufenden Jahr einen grundlegenden Wandel. Privatschulen sollen staatliche Schulen nicht verdrängen dürfen, sondern nur noch sinnvolle Ergänzung sein. Wettbewerb ja, aber nicht ungezügelt. Das Pendel in Sachsen schlägt aktuell wieder mehr hin zur staatlichen Regelschule Schule in Freiheit - über das Verhältnis zwischen privaten und staatlichen Schulen in unterschiedlichen Bundesländern. Ein Länderreport heute mit Claudia van Laak, Andrea Lueg und Hanno Griess. Morgen erwartet sie an dieser Stelle der Mann der Holywood eroberte. Am Mikrofon verabschiedet sich Katja Bigalke, Machen Sie's gut