DEUTSCHLANDFUNK Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Ulrike Bajohr Kreativ aber günstig Der Künstler als ideales Arbeitsmodell westlicher Ökonomien? Von Gesche Piening BR/DLF URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? DeutschlandRadio Sendung DLF: 12.12. 2014 O-Ton_Schmidt Naja, allein schon dadurch, dass ich Freiberufler bin und zuhause arbeite, gibt?s für mich schon allein räumlich überhaupt keine Trennung mehr, zwischen Arbeit und Leben. O-Ton_Enninger Die Branche ist sehr, sehr kleinteilig, sehr sehr viele Einzelkämpfer, Freiberufler, szeneorientiertes Arbeiten herrscht vor und eine sehr starke Wirtschaftsferne. O-Ton_Fischer Auch die Möglichkeit irgendwie an ganz vielen Sachen gleichzeitig zu arbeiten, das finde ich eigentlich nicht nur total zeitentsprechend, sondern für mich eben auch total entsprechend. O-Ton_Enninger Tatsächlich ist die Grundlage der Kultur- und Kreativwirtschaft diese intrinsische Motivation, das heißt, dass ich zuerst mal etwas mach, weil ich es machen muss, auch ein Stück weit aus Selbstverwirklichung heraus, und nicht, weil ich ans Geld verdienen denke. O-Ton_Fischer Reich, wird man nicht, denke ich mal. Und wenn man nicht reich wird, dann muss ich nen andern Nutzen, ne andere Möglichkeit, andere Benefiz irgendwie rausschlagen lassen. O-Ton_Schmidt Offensichtlich scheinen Unternehmen entdeckt zu haben, dass diese Form von ? nennen wir es mal Flexibilität ? die gepaart ist mit einer hohen Eigenmotivation, nämlich sich auch außerhalb der Arbeitszeiten oder am Wochenende aus Leidenschaft an Dinge zu setzen, etwas ist, was man sich auch in klassischen Unternehmen wünscht. O-Ton_Cisco Da gibt es ganz, ganz viele banale Beispiele im Alltag, wo Mitarbeiter sich eben zu wenig trauen, auch mal n Prozess oder ne Aufgabe auch mal selbst zu gestalten, obwohl sie die Vorstellung dazu hätten. Und der Künstler ist eben die Figur, die sich das traut. Wachstums-Song, instrumental SPRECHERIN 1: KREATIV ABER GÜNSTIG Der Künstler als ideales Arbeitsmodell westlicher Ökonomien? Ein Feature von Gesche Piening Kapitelüberschriften im Loop SPRECHERIN 1: Jeder ist ein Unternehmer. Jeder ist ein Kreativer. Jeder ist ein Konkurrent. Jeder ist sein Jobprofil. Jeder ist sein Standort. Jeder ist sein Stundenlohn. Jeder könnte Gegenwehr. Sehnsuchtssong, instrumental SPRECHER 4: Wir suchen ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt einen freiberuflichen Kreativ-Allrounder Beschäftigungsgrad: 24/7 SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Sie sind eine unverbrauchte künstlerische Persönlichkeit mit langjähriger Berufserfahrung? SPRECHERIN 2: Sie haben unkonventionelle Ideen, sind gleichzeitig publikumsorientiert und wirken in hohem Maße identitätsstiftend? SPRECHER 4: Sie übernehmen selbstbewusst und verlässlich Projektverantwortung in finanzieller, administrativer und personeller Hinsicht? SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Sie sehen flexible Arbeitszeiten mit variablem Einkommen und Risikobeteiligung als Herausforderung? SPRECHER 4: Sie denken unternehmerisch und nicht in Sozialversicherungsstandards? SPRECHERIN 2: Sie verfügen über einen Hochschulabschluss und sprechen mehrere Fremdsprachen fließend? SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Sie sind reisefreudig und bereit ihren Lebensmittelpunkt den Erfordernissen anzupassen? SPRECHER 4: Sie sind handwerklich begabt und packen gerne mit an? SPRECHERIN 2: Dann passen Sie zu uns! Die Stelle ist auf neun Wochen befristet, keine Probezeit. SPRECHER 4: Ihre Bewerbungsunterlagen sind vollständig, wenn sie uns folgende Unterlagen zugesandt haben: Ausführlicher Lebenslauf, Motivationsschreiben, Kreative Konzepte in Kurz-, Lang- und Vollversion, Kritiken, Berichte, Demobänder ihrer bisherigen Arbeiten, zwei aussagekräftige Referenzschreiben... SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Die Bewerbungsunterlagen senden Sie bitten bis morgen an die hiesigen Rundfunkanstalten, Stichwort ?kreativ aber günstig?. Sehnsuchtssong, instrumental O-Ton_Schmidt Ja guten Tag, mein Name ist Ulf Schmidt, ich bin Theaterautor, Blogger, Digitalberater und Theaternachdenker. O-Ton_Fischer Ich bin Florian Fischer, studiere gerade Regie an der Otto-Falckenberg im Abschlussjahrgang und habe gerade mein Diplom gemacht. O-Ton_Enninger Mein Name ist Jürgen Enninger ich bin regionaler Ansprechpartner im Kompetenzzentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes für Bayern. O-Ton_Cisco Also, Agostino Cisco ist mein Name, ich arbeite seit fast 25 Jahren in der Personalentwicklung und komme ursprünglich aus der Philosophie. O-Ton_Piening Ich bin Gesche Piening, Schauspielerin, Regisseurin, Dozentin, Trainerin und Autorin dieser Sendung. O-Töne_Schmidt_Fischer_Cisco_Piening_Enninger Ökonomisierung - Ökonomie - Selbst-Ökonomisierung - Ökonomisierung der Gesellschaft - Wertschöpfung - Wettbewerb - Wachstum - Unternehmerpersönlichkeit - ökonomische Kalküle - Businessplan - Produktivität - Markenbildung - Markt - Marktwert - meine Marke - Marketing - Verwertungslogik - Zielgruppe - Produkt - Produktinnovation - Dienstleistung - Nachfrage - Einpreisung - Lukrativität - Verkaufszahlen - Gewinnzahl - Output Soundsignal SPRECHERIN 1 Jeder ist ein Unternehmer O-Ton_Enninger Jeder Künstler ist automatisch auch Unternehmer, weil er mit dem, was er macht, auf einem Markt ist, auch wenn ihm das nicht bewusst ist. / Künstler ja, aber ich bin auf nem Markt, ich bin Unternehmer und wenn ich in diesen Prozess bewusst reingehe, kann ich bestimmte Abläufe besser reflektieren und verstehe besser, wenn ne Situation entsteht, aus der ich vielleicht mehr rausholen könnte. / Kunst ist dann auch ein Produkt, eine Dienstleistung, ja, klar. SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Monatelang haben wir uns gefragt, wie wir Sie, unsere Kunst-Kunden, heute begrüßen wollen. SPRECHERIN 2: Wie Sie willkommen heißen, anlässlich dieser für uns ? persönlich wie geschäftlich ? so entscheidenden Sendung? Welche Worte sind die richtigen? SPRECHER 4: Schließlich möchten wir Ihnen glaubhaft und authentisch vermitteln, wie viel uns Ihr Zuhören bedeutet, wie ernst wir die Verantwortung nehmen, heute für Ihre Unterhaltung Sorge zu tragen! O-Ton_Enninger Was ist ein Kreativ-Unternehmer? Sie müssen sich das so vorstellen, genauso wenig wie sie als Künstler nicht künstlerisch aktiv sein können, können sie als Mensch nicht nicht unternehmerisch aktiv sein, wenn sie Freiberufler sind, das heißt, wir versuchen diese Aspekte, die eher so nebenher abgewickelt werden, bewusst zu machen, um einfach diese Unternehmerpersönlichkeit, die ja auch in einer freiberuflichen Karriere angelegt ist, mit zu unterstützen. Dabei geht es uns nicht darum, Künstlerisches Schaffen zu verwässern, möchte ich ganz deutlich sagen, sondern das, was aus dem Künstlerischen Schaffen entsteht dafür ein Bewusstsein zu schaffen, dass es einfach auch einen Wert hat. SPRECHERIN 2: Ich habe im vergangenen Jahr sehr viel nachgedacht, viel gelernt und viel verstanden. Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen davon einiges offen zu erzählen. Unser aller Welt ist stark von ökonomischen Ideen und Bildern geprägt. Das ist sehr unpoetisch. ? Leider. Deshalb versuche ich, mir diese stark ökonomisch geprägte Welt poetischer zu gestalten. Wir Künstler gelten als empfindungsstark und identifikationsfähig. Man könnte auch sagen, wir sind Experten der Subjektivierung. In diesem Jahr habe ich verstanden, dass mich genau diese Fähigkeit für ein Leben im Wettbewerb qualifiziert. O-Ton_Enninger Ich glaube einfach, dass in einer pluralen Gesellschaft das Künstlerische, das, was man als künstlerischen Lebensstil versteht, dazu führt, dass man das Grundgefühl hat, sich selber mehr ernst zu nehmen, ich glaube, Künstler nehmen sich selber in ihren Motivationen sehr, sehr ernst, horchen sehr stark in sich rein und daraus entsteht dann das, was man künstlerisches Schaffen nennt. O-Ton_Cisco Und ich glaub, das ist meines Erachtens eine Eigenschaft, die häufig fehlt, also tatsächlich der eigenen Intuition zu folgen, der eigenen Vorstellung zu folgen, den Mut zu haben, zu glauben, dass die eigene Vorstellung es auch wert ist, realisiert zu werden. SPRECHERIN 2: Da ich, wenn ich wach bin, meist arbeite, ist es der Arbeitszusammenhang, der meine Phantasie wie nichts anderes prägt. Man kann vielleicht sogar sagen, die Arbeit subjektiviert mich. Wenn Arbeit mein Leben ist, ich mich mit ihr identifiziere, macht sie mich quasi als Gegenleistung sichtbar. Öffentlich sichtbar. Diese Erkenntnis löst in mir den Wunsch aus, gut dazustehen, wenn ich gesehen werde. Ich will besser werden. Besser werden, um besser gesehen zu werden und besser bewertet zu werden. Und diesen Verbesserungs-Drang empfinde ich in seiner Einfachheit als sehr schön und er hat in meinen Augen etwas Poetisches. O-Ton_Fischer Ich laufe irgendwie so durch die Stadt und lese was oder gucke nen Film oder hab n Gespräch mit jemandem und ne Idee entsteht wie von selber und die ist wie da, weil sie sich aufdrängt aus m Kontext ausm Umfeld, aus ner Dringlichkeit heraus und dann gilt es, danach zu suchen, in welchem Rahmen kann man mit so ner Idee umgehen oder kann man so ne Haltung irgendwie platzieren. SPRECHER 4: Ich erinnere mich an ein ungemein hilfreiches Coaching, das mich zu mir und meinen Kompetenzen geführt hat. Ich durfte lernen, dass in mir, in meinem inneren Unternehmen, mein innerer Unternehmer und meine innere Mitarbeiterschaft leben. Beide sind in mir und arbeiten zusammen. Das birgt eine Riesenchance, denn mein innerer Unternehmer, wird mich ? meine innere Mitarbeiterschaft ? niemals entlassen, denn er ist auf mich angewiesen, ebenso wird meine innere Mitarbeiterschaft mich ? meinen inneren Unternehmer ? nie im Stich lassen, denn sie ist auf mich angewiesen. Das ist symbiotisch und ermöglicht kreative künstlerische Produktion mit unternehmerischer Verantwortung zu verknüpfen. Und das ist so schön. O-Ton_Enninger Einpreisung, Akquise, natürlich, wie komme ich an die Kunden, was ist überhaupt mein Produkt, mit was bin ich am Markt unterwegs, wer ist mein Kunde ? vielleicht entdecke ich, dass nicht die Zuschauer meine Kunden sind, sondern das Kulturamt. SPRECHERIN 2: Meine sehr geehrten Damen und Herren des hiesigen Kulturamtes, mit einem herzlichen Gruß senden wir Ihnen unseren Projektantrag für das kommende Jahr. Seien Sie sicher, dass wir im Falle einer Bewilligung keine Mühe scheuen werden, das Projekt mit voller Hingabe und Begeisterung zu realisieren! SPRECHER 4: ?.wir danken Ihnen sehr für die Verleihung der diesjährigen ?Goldenen Rakete?, dem Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft. Wir werden das Preisgeld umgehend mit Begeisterung in die Umsetzung eines unserer innovativen Projekte stecken und danken Ihnen ganz herzlich für das große Vertrauen. SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Meine sehr geehrte Damen und Herren der hiesigen Rundfunkanstalten, haben Sie vielen Dank für Ihr Vertrauen, uns mit dieser Sendung zu beauftragen. Wir haben Ihren Auftrag mit Begeisterung angenommen, denn ehrlich gesagt: Wir brauchen das Geld, das Prestige und Ihr Logo für unsere weitere Karriere, die wir selbstredend steil planen. Bilanziert man unsere ökonomische Kompetenz im Rahmen unserer Gagen-Verhandlungen an Ihrem Hause, so ist zu konstatieren, dass hier Nachholbedarf besteht. So betrachten wir diesen Auftrag als eine Investition in unsere Zukunft und stellen unsere Kreativ-Ressourcen mit Begeisterung und hoffnungsvoll uneingeschränkt zur Verfügung. O-Ton_Cisco Meistens hat man ja Leitbilder im Kopf, nur die sind einem nicht bewusst und wenn ich anfange, darüber zu reden, sind sie meistens relativ platt, aber wenn ich dann mit Hilfe eben einer Künstlerin mich intensiver damit beschäftige, was habe ich denn für Bilder im Kopf, die mich anleiten, dann komme ich auf tiefere Ebenen. O-Ton_Schmidt In der Tat sieht man heute natürlich auch, dass künstlerische Angebote stärker als Dienstleistung abgerufen werden und der Künstler schon auch in Dienstleistungszusammenhängen steht. O-Ton_Cisco Entweder es sind Künstler, die sich selbst schon damit beschäftigt haben, wie sie ihr Handwerk einsetzen können im Unternehmenskontext oder aber wir lassen sie durch Moderatoren oder Coaches begleiten, damit die eben nicht in die Gefahr kommen, zu weit weg von der Zielgruppe zu sein. Also, es braucht ne kleine Brücke. Wenn wir den Eindruck haben, es ist jemand, der etwas zu sagen hat für uns, aber der zu sehr Künstler ist, und nicht Personalentwickler genug, nicht Trainer genug ist, mit dem arbeiten wir selbst zuerst. O-Ton_Enninger Also da muss ein echter Austausch stattfinden. Da muss man sich wirklich füreinander interessieren, und da haben wir dann plötzlich das Problem der Sprachlichkeit, ja, Kultur- und Kreativwirtschaft kommuniziert anders, redet anders über Wirtschaftlichkeit als klassische Unternehmen und da müssen beide Seiten erst einmal eine gemeinsame Gesprächsbasis schaffen damit überhaupt ein Austausch stattfinden kann. O-Töne_Schmidt_Fischer_Cisco_Piening_Enninger: Kreativität - Kreativität - menschliche Kreativität - Kreativland - der Kreateur - Ressource Kreativität - Kreativdirektor - Künstlerbüro - Kreativ-Fabrik - Kreativ-Unternehmer - Künstler - Kreative - Eigenantrieb - intrinsische Motivation - Eigenmotivation - das emotionale envolvement - Selbstverwirklichung - Faszination - Intuition - Leidenschaft - Chaosfaktor - Innovation - Vielfalt - Multi-Projektmanagment Soundsignal SPRECHERIN 1: Jeder ist ein Kreativer. O-Ton_Enninger In einer Welt, wo auch in anderen Branchen der Wirtschaft freiberufliche Tätigkeit, kleinteiliges Arbeiten immer mehr zu normalen Arbeitsverhältnissen gehört, wird natürlich der Zugang zu künstlerischem Arbeiten naheliegender, also man findet sich einfach in künstlerischen Arbeitsverhältnissen wieder. Gerade dieser Aspekt Selbstverwirklichung ist ja auch ein Thema, der auch in anderen Arbeitsverhältnissen immer stärker betont wird, ich glaube auch, dass es damit zusammen hängt, dass klassische Unternehmen diesen Bereich der Innovation des schöpferischen Aktes immer mehr suchen in der Produktentwicklung und deswegen künstlerisches Arbeiten als extrem innovativ erleben und sich diesen Aspekt glauben zu holen, indem sie Arbeitsformen in die Unternehmen einbauen, die denen ähnlich sind. O-Ton_Schmidt Also der Künstler scheint offensichtlich für eben genau eine solche auch ökonomische Utopie zu stehen, die eben sagt, dass diese Form von Eigenmotivation, Eigenantrieb, die man mit Künstlern verbindet, das persönliche Engagement, dessen, was man macht, das emotionale Envolvement ist sozusagen im Künstlerbild verkörpert und das würde man eben auch gerne in andere Zusammenhänge bringen bis hin zur Friseurin oder zum Müllmann, der eben auch nicht mehr seinen Job abarbeitet, sondern das Ganze mit Leidenschaft und ohne nach Dienstende zu fragen vollzieht. O-Ton_Cisco Die Frage ist, was können wir dann eben tun, um zu bestehen, und dann müssen wir uns unterscheiden im Konzept, in der Art und Weise der Herangehensweise, in der Art, wie wir ein Erlebnis vermitteln. Und da sind wir mitten im Kreativen. O-Ton_Enninger Und da holt man sich eben das know how rein und da versucht man das know how nicht outzusourcen, sondern reinzuholen, um diese Prozesse bei sich in der Firma neu zu steuern. Ich glaube, das ist so ein USP dieser wunderbare Begriff Alleinstellungsmerkmal, den sich klassische Unternehmen holen und suchen. Soundsignal SPRECHERIN 2: Kunst eine runde Sache! O-Ton_Cisco Ich erlebe, dass es Personen gibt, von denen man sich so Aha-Erlebnisse erwartet, so nach dem Motto, man hat immer den Eindruck irgendetwas Wichtiges, irgendeinen neuen Trend zu verpassen, irgendeine Nachricht zu verpassen, die aber wirklich wichtig wäre für den eigenen Geschäftserfolg und man erwartet dann von solchen Leuten, dass sie solche Dinge mitbekommen und dass sie einem so ein Stück weit das Gefühl vermitteln, ganz ganz weit vorne eben in der Entwicklung mit dabei zu sein. Deswegen eben auch dieser Wunsch, kreative Leute im Unternehmen zu haben, so als Sicherheit dafür, dass es einen noch morgen und übermorgen geben kann. O-Ton_Enninger Und so ist die Kultur- und Kreativwirtschaft in gewisser Weise auch ne Art Avantgarde des Arbeitens, so wie sie in anderen Unternehmen gesucht werden, nur man kann sozusagen nicht einfach ein Großraumbüro so ausstaffieren, dass es plötzlich künstlerisch funktioniert. Soundsignal SPRECHER 4: Kunst für ein Leben mit Pfiff O-Ton_Cisco Kreativität bedeutet für mich zwei Dinge, zum einen Dinge zusammen zu bringen, die bisher nicht zusammen gebracht worden sind, also nicht notwendigerweise etwas Neues tun, um etwas Neues zu tun, sondern um zwei Themen, zwei Abteilungen, zwei Personen, zwei Wissensträger, zwei Konzepte zusammenzubringen, die bisher eben noch nicht zusammen gebracht worden sind, und dann zu schauen, was an neuer Inspiration, was an neuen Möglichkeiten, an neuem Know-How an neuem Netzwerk daraus entstehen kann. Das bedeutet für mich, von der Kunst lernen, das bedeutet für mich Kreativität. Soundsignal SPRECHERIN 2: Kunst, göttlich dabei zu sein. O-Ton_Schmidt Das, was man heute Kreativität nennt, eben auch in bürgerliche Lebensideale eingeht und das heißt eigentlich ja heute, dass jeder Mensch ein Kreativer ist, und auch in seiner Arbeit als ein Kreativer gefördert und gefordert werden soll, so dass heute eigentlich ein Künstler in diesem klassischen Bild gar nicht mehr in die - ich würde fast sagen in die Zeit passt. Es ist auf jeden Fall für Künstler eine ganz neue Herausforderung, sich auch selber zu definieren, wenn sie permanent eben damit konfrontiert werden, dass alle um sie herum auch Künstler sind. Irgendwie. O-Ton_Enninger Also ein Unternehmer kann sich selber auch immer kreativ nennen, weil er mit innovativen Produkten ja auch immer neue Märkte erarbeiten muss, denken Sie ans i-pad das hätte niemand gedacht, dass das jemand braucht, ja, wer braucht so ein flaches Teil, das war einfach eine Produkt-Innovation ausm Stand heraus, die man durchaus auch künstlerisch nennen kann. Soundsignal SPRECHER 4: Kunst, seriell originell. O-Ton_Schmidt Der Künstler in den letzten 200 Jahren ist was gewesen, was eben sich in den schönen und möglichst nicht lukrativen Bereichen abspielte. / Ich habe das Gefühl, dass eben diese Bevorzugung der schöngeistigen Kreativität, jetzt zurücktritt, im Vergleich zu jener technischen Kreativität, das heißt der Künstler heute, der Mega-Künstler heute wäre eher Steve Jobs als ein grandioser Maler. Soundsignal SPRECHERIN 2: Kunst, seriell und doch voller Unikate. SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Und immer wieder diese drängenden Fragen: Bin ich kompetent genug? Bin ich kreativ genug? Bin ich überdurchschnittlich genug? Habe ich den passenden Masterplan? Wie steht es um meine Art-Work-Balance? Investiere ich genug in meine kreative Zukunft? Werde ich auch zukünftig wertstiftend mithalten können? Habe ich das Zeug zum kreativen perpetuum mobile? O-Töne_Schmidt_Fischer_Cisco_Piening_Enninger: Konkurrenz - Konkurrenzdruck - in sehr hartem Konkurrenzkampf - vor dieser übermächtigen Konkurrenz ? Herausforderung - Herausforderung - Herausforderungen - Angst ? Ängste - Arbeitsmarktsituation - Unsicherheit ? Erwartungshaltungen - Einsparungen - Erwerbschancen - Zukunft ? Leistungsfähigkeit - mehr rausholen - noch besser noch schneller ? selbstbewusster - effizienter - profitabler Soundsignal SPRECHERIN 1: Jeder ist ein Konkurrent. O-Ton_Cisco Es ist wie so ne Art Angst, überholt zu werden, von ja von irgendwelchen anderen Ländern oder Mächten, die das machen, was wir können, nur die machen `s noch besser noch schneller und noch mehr von dem, was wir tun, und ich kann mir vorstellen, dass eben die Kreativität für Unternehmen spannend wird, in Hinblick darauf, überhaupt bestehen zu können, also, wie kann ich als kleines Land oder als kleines Unternehmen, als kleine Einheit, wie kann man denn sich wirklich vor dieser übermächtigen Konkurrenz noch wehren, wenn nicht eben durch neue Ideen. SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Natürlich ist da auch Scham. Scham schon beim Gedanken an mein mögliches Scheitern. Beim Gedanken nicht zu genügen. Beim Gedanken daran, wie ich öffentlich einen Wert zugewiesen bekomme und alle zusehen können und er den Erwartungen nicht entspricht. O-Ton_Cisco Man erwartet im Grunde genommen Leute, die es irgendwie schaffen, irgendwas zu tun und es auch schaffen, irgendwie zu überleben. SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Scham beim Gedanken ,selbst schuld zu sein. Beim Gedanken überhaupt der Bewertung ausgesetzt zu sein. Beim Gedanken, dass mein Handeln am Ende zu nichts führt, dass ich die Widersprüche zwischen meiner Arbeitsfähigkeit und meinen privaten Erholungsbedürfnissen nicht lösen kann. Beim Gedanken, meinen Status zu verlieren, die soziale Schicht wechseln zu müssen. Abzustürzen. O-Ton_Schmidt Und dann saß beim Arbeitsamt die Sachbearbeiterin vor mir und sagte: ?Hören sie mal Herr Schmidt, das mit diesem Theater und der Wissenschaft das war ja bestimmt ganz schön für Sie, aber das ist nicht lukrativ, das können sie nicht weitermachen, sie müssen jetzt mal was ordentliches lernen? und legte mir dann vier Zettel vor mich hin und sagte, sie können sich jetzt eines von den vier Dingen aussuchen, sonst streichen wir ihnen ihre 120 Euro auch noch und einer von diesen Zetteln war eben Werbetexter, das war damals in Frankfurt, wäre ich in Darmstadt in dieser Situation gewesen, wäre ich zum Gabelstaplerfahrer ausgebildet worden. O-Ton_Enninger Der freiberufliche Arbeitsmarkt gehört zu den ungeschütztesten hier im Land und, obwohl wir die soziale Marktwirtschaft sozusagen als Rahmen haben, führt es oft sehr, sehr stark zur Selbstausbeutung. Also, das liegt tatsächlich an der Struktur des Marktes, dass sehr, sehr viele kleine Akteure Produkte und Dienstleistungen anbieten und miteinander in sehr hartem Konkurrenzkampf sind, härter als man es zwischen Automobilherstellern zum Beispiel hat. SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Ja, eigentlich teilen wir ja mehr, als wir nicht teilen. Eigentlich sind wir ja gleicher als ungleich in dieser Sache ? aber die Konkurrenz verdeckt das ein bisschen, finde ich. Die Konkurrenz zwingt mich irgendwie zur Abgrenzung. Und zum Verbergen meiner Angst. O-Ton_Fischer Ne, über ne Rente zum Beispiel denke ich überhaupt nicht nach, ne Altersvorsorge oder irgendwas anderes, wenn ich das jetzt tun würde, dann würde ich völlig verrückt werden. Und ah, ich weiß nicht, da habe ich auf ne Art, komisch religiöser Begriff, aber da habe ich auf ne Art so' n Gottvertrauen und das wird schon alles werden und diese Idee von diesem unglaublich großen Sicherheitsbedürfnis in so ner Zeit, also in diesem komischen beginnenden 21. Jahrhundert, das ist für mich auch ein ganz komischer Gedanke. SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Ich halte stattdessen immer meine Erfolge hoch. Das ist ein bisschen gepost, aber vielleicht machen das ja andere auch, weiß nicht genau. Funktioniert jedenfalls ziemlich gut. O-Ton_Enninger Da ist ne Branche, die wirtschaftlich sehr, sehr aktiv ist und die zu einer Branche gehört, die so bedeutend ist wie die Automobilindustrie von der Wertschöpfung her, das muss man sich wirklich mal so reinziehen, gerade in Bayern also sehr, sehr bedeutend, wir haben in Bayern einen Kultur- und Kreativwirtschaft-Cluster das ist vergleichbar mit den Niederlanden, ja, und Schweden, wir bewegen uns in diesem bench mark, und trotzdem schauen unsere Künstler immer nach Berlin. Das ist, das ist sehr interessant. SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Ja, das sind so Widersprüche. Wahrscheinlich haben Sie längst 'ne Bewertung für mich im Kopf. Ist ja auch nicht überraschend, ich hab mir von Ihnen ja auch schon ein Bild gemacht. O-Töne_Schmidt_Fischer_Cisco_Piening_Enninger: Anspruch - Anspruch an die eigene Tätigkeit - Karriere - Zeit- versus Geldkalküle - Profilierung - Selbst-Perfektionierung - Selbstentfaltung - Selbstbewusstsein - Flexibilität - flexiblere Arbeitsformen - Disziplin - Selbstdisziplin - Avantgarde des Arbeitens - Wissensträger - Arbeitsleben - Arbeitsbedingungen - Arbeit und Leben - Erfolg - Job - Know-How - Alleinstellungsmerkmal Soundsignal SPRECHERIN 1: Jeder ist sein Jobprofil. SPRECHERIN 2: In unserer Branche ist es sehr, sehr, sehr, sehr wichtig, dass wir so viele Lebensbedürfnisse wie möglich in der Arbeit ausleben. Will heißen: Ja, wir kommen erschöpft aus der Arbeit, ja, wir sind müde, aber ? eben auch ?erfüllt?. Das ist ganz wichtig. Wir favorisieren also das Ausleben aller Lebensbedürfnisse über die Arbeit. O-Ton_Cisco Also mein Eindruck ist, dass der Anspruch an die eigene Tätigkeit extrem hoch geworden ist. Und zwar so hoch geworden ist, das ich in den wenigsten Fällen zum Beispiel Bewerber für meine Abteilung zufriedenstellen könnte. O-Ton_Fischer Für mich ist das die Möglichkeit, ganz viel von den Sachen zu machen, ganz viel von den Interessen umzusetzen, den Interessen nachzugehen, dich ich ohnehin irgendwie mitbringe, und die ich habe, und das bedeutet dann in der Arbeit, dem nachzugehen, was mich interessiert, weil ich glaube, dass es irgendwie ne Wertigkeit und ne Wichtigkeit hat. SPRECHER 4: Ja, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, wir wollen mit unserer Arbeit eine Art Beziehung führen. Das sage ich ganz bewusst. Eine Beziehung zu führen heißt, sich emotional auf das Gegenüber einzulassen. Und wir wollen ? nein wir wählen ? die emotionale Bindung an unsere Arbeit. Das bedeutet natürlich Identifikation, das bedeutet aber eben auch das Mit-Fühlen, das Mit-Gehen, das Mit-Leben mit den Entwicklungen in der Arbeit. O-Ton_Enninger Wenn ich Leute dazu anhalte, begeistert an einem Thema zu arbeiten, arbeite ich vielleicht mal ein bisschen mehr als sonst. O-Ton_Cisco Die haben eine so gute Ausbildung, aber die haben auch so hohe Erwartungen an die Inhalte ihres eigenen Berufes, die man in den meisten Fällen real in den Abteilungen nicht erfüllen kann. Die Arbeiten im Unternehmen sind deutlich banaler, deutlich einfacher, das, was man machen muss, ist einfach nur ein Bruchteil so komplex im Verhältnis zu dem, was sie theoretisch gelernt haben, und da gibt es ein Missverhältnis. SPRECHER 4: Selbstverständlich darf man dabei selber nicht zu kurz kommen, aber es geht eben auch nicht nur um einen selber, es geht eben auch um das Gegenüber, es geht auch um die Arbeit. Und wie in jeder Beziehungsarbeit gibt es hier eben auch nicht nur die Arbeit an der eigentlichen Aufgabe, sondern auch eine Art Arbeits-Beziehungsarbeit, in der ich mit meiner ganzen sich entwickelnden, sich entfaltenden, sich weiterbildenden Persönlichkeit der Arbeitspersönlichkeit gegenüber trete und dieses Beziehungsgeflecht, dieses gemeinsame Erleben, einfach auch gemeinsam gestalte. O-Ton_Cisco ? und dieses Missverhältnis fangen wir auf durch das, was wir Austausch im Team nennen, also durch das, dass wir einen Fachdialog pflegen, um eben bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen, nach mehr Intellektualität, nach mehr Tiefe, nach mehr beruflicher Selbstverwirklichung. SPRECHER 2: Das ganze ist auch so eine Opfer-Täter-Problematik oder Thematik, dass man sich eben nicht einfach nur passiv in die Arbeit fügt, sondern sich selber ? im Besten Sinne ? zum Täter macht. O-Ton_Cisco Aber das, was die Unternehmen verlangen, ist nicht in dem Maße anspruchsvoller geworden wie eben die Ansprüche der jungen Generation. SPRECHER 4: Ich bin Ausgestalter meiner Arbeit, Ausgestalter meiner Arbeitskraft und eben Ausgestalter meiner Beziehung zur Arbeit. SPRECHER 2: Ja, und ich bin Ausgestalter meines Arbeitslebens, meines Arbeitsplatzes, meiner Arbeitsumgebung, meines working spaces. O-Ton_Cisco Da, wo man arbeitet, will man auch leben und dementsprechend möchte man nicht in einem grauen Büro leben oder man möchte nicht in Büromöbeln leben, das muss auch `n anderen Wohlfühleffekt haben, die Arbeitswelt, und ich glaube, je mehr Leute aus der jüngeren Generation in die Unternehmen einziehen werden, desto mehr wird dieser Umstand, dass man auch in der Arbeit lebt oder dass Arbeitswelt auch Lebenswelt ist, sich auch ausdrücken in der Gestaltung der Umgebung. Wenn man schon ein Meeting hat über vier Stunden und dann noch mal ein Meeting über vier Stunden, möchte man nicht unbedingt acht Stunden lang in einem Meetingraum eben meeten. SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Ja, ich würde auch gerne etwas sagen, mich persönlich bedanken. Also, unser Unternehmen ist wirklich klasse. Ich habe ihm viel zu verdanken. Von Anfang an wurde ich hier unterstützt, mich zu entfalten und meine Kompetenzen zu stärken. Deshalb ist es mittlerweile auch viel mehr für mich als ein Unternehmen. Es ist ein Zuhause ? ja, es ist wie eine Familie. Es hat Persönlichkeit, hat Seele, ist so viel mehr als ein Job. ? Und dafür möchte ich Euch allen danken! Euch, meinen Kolleginnen und Kollegen, die sich im vergangenen Jahr miteinander so tapfer und leistungsstark am Markt behauptet haben und die dieses Unternehmen, mein Arbeitszuhause, so sehr prägen. Danke Euch allen! Unser aller Vision ist meine Kraft und Hoffnung. O-Töne_Schmidt_Fischer_Cisco_Piening_Enninger: Standort - Standortfaktoren - Standortmarketing - Standortmarketingmenschen - Stadtraum - Städtemarketing - Diversität - Prestigefaktoren - Freizeitwert - Freizeitbeschäftigung - Unterhaltungswert - Spaß - Wohlfühleffekt - Lifestyle - Vielfalt - Gentrifizierungsprozesse - Gestaltung der Umgebung - Gesellschaftsgestaltung - Lebensgefühl Spaß Soundsignal SPRECHERIN 1: Jeder ist sein Standort. O-Ton_Cisco Das spielt eine Rolle in den Zentralen von Unternehmen, wo es immer mehr intellektuell Beschäftigte gibt, also immer mehr Berufe gibt, die einen bestimmten Kreis von Personen eben anziehen, also beispielsweise, die mehr so ne junge Intelligenz anziehen, die auch nicht - und das wissen wir auch von unseren Studien im Personalmarketing - die auch nicht auf dem Land zum Beispiel leben wollen, eben aus Gründen des Lifestyles, und wo dann es schick ist, sich in eine Umgebung einzubetten als Unternehmen, wo der sogenannte Freizeitwert hoch ist. Aber es geht auch darum, dass der Unterhaltungswert hoch ist, und dass man auch gern in einer Umgebung sein Hauptquartier sucht, in dem es schick ist, sozusagen sich aufzuhalten. Applausmusik, instrumental SPRECHER 5: ?Lebenswert wird eine Stadt auch durch ihre Künstler. Die ?Bohemians? sind es, die sich durch ihre subkulturellen Lebensstile von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und den kreativen Humus einer Stadt bilden, der andere kreative Berufsgruppen anzieht und der für eine lebendige kreative Atmosphäre in der Stadt sorgt.? Aus dem Bericht ?München ? Standortfaktor Kreativität?. Applausmusik, instrumental O-Ton_Cisco Und ob man es glaubt oder nicht, aber für viele junge Leute ist das schon auch ein Grund der Wahl eines Arbeitnehmers, also nicht unbedingt die Rahmenbedingungen, nicht unbedingt ein besseres Gehalt oder bessere Berufsaussichten, sondern einfach auch häufig allein der Tatsache geschuldet, weil das Unternehmen in Hamburg ist oder weil es in München ist oder weil es in Berlin ist. Das spielt eine Rolle und da ist natürlich dieser freie, sich selbst verwirklichende Lebensstil der Künstler schon auch ein Vorbild und attraktiv. O-Ton_Enninger Ich glaube einfach, dass Kulturschaffen ein ganz zentraler Aspekt ist von Leben im städtischen Raum und natürlich, wenn ich viele Kulturschaffende habe in meiner Stadt, die hervorragende Arbeit leisten, dann wäre ich vom Teufel geritten, wenn ich das nicht kommunizieren würde, also ich würde mal sagen, ja, es ist super und es ist gut, dass es in Standortmarketing vorkommt, ganz klar, das heißt aber nicht automatisch, dass da jetzt ein Missbrauchszusammenhang vorliegt (lacht), das heißt einfach nur, ich habe eine Atmosphäre in meiner Stadt, die dazu führt, dass viel künstlerisches und kreatives Schaffen stattfindet und warum soll ich nicht drüber reden, zumal es auch andere tun und da soll man sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen, als Standort denke ich mir. Applausmusik, instrumental SPRECHER 5: ?Die langen Arbeitszeiten mögen von außen betrachtet an Selbstausbeutung grenzen. Für die Hochkreativen selbst bedeutet diese Arbeitsweise allerdings oftmals eine erwünschte stärkere Verquickung von Arbeit und Freizeit.?, Kreativwirtschaftsbericht der Stadt München. Applausmusik, instrumental O-Ton_Enninger Uns geht es wirklich um die Akteure, uns geht es um die Menschen, die kreativ arbeiten, die Kultur schaffen, dass die ihren wirtschaftlichen Wert entdecken, wenn sie es entdecken wollen, das ist ein Angebot, wenn nicht, dann müssen sie nicht kommen und was dann daraus resultiert, ist nicht unsere Baustelle. Also deswegen sind wir auch nicht die Ober-Gentrifizierer, sondern deshalb sind wir einfach nur eine Einrichtung, die falls ne Gentrifizierung kommt, den Künstlern sagt, holt Euch Euren Teil am Kuchen. Applausmusik, instrumental SPRECHER 5: ?Alte und junge Menschen, Männer und Frauen, Singles, Paare und Familien sowie Schwule und Lesben finden in München ihre Lebensräume und urbanen Nischen?, Münchner Kreativwirtschaftsbericht. Applausmusik, instrumental SPRECHER 4: Der kreative Humus, in seiner urbanen Nische! SPRECHERIN 2: Wir, der kreative Humus der Stadt, haben uns gefragt, wie wir unserer Aufgabe im Wettbewerb aus unserer urbanen Nische heraus, am besten gerecht werden können. SPRECHER 4: Wir haben zunächst ein Profil unserer Kern-Kompetenzen erstellt: Soundsignal SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Kreativkompetenz, Lebenskompetenz, Mußekompetenz, Projektionsflächenkompetenz, kurz KLMP. SPRECHERIN 2: Anschließend haben wir unser Nutzen-Versprechen formuliert: Soundsignal SPRECHER 4: ?Wir stärken unsere Kunden für die neue Konsum- und Arbeitswoche und stellen uns als kulturelle Sinn-Prothese im Wettbewerb zur Verfügung? SPRECHERIN 2: Dadurch wurde es uns möglich, unser KLMP-Leitbild zu entwickeln: Soundsignal SPRECHER 4: K SPRECHERIN 3 / AUTORIN: ?Wir folgen unserer brennenden Begeisterung und sind neugierig, was Nutzen schafft.? SPRECHER 4: Kreativkompetenz Soundsignal SPRECHERIN 2: L SPRECHERIN 3 / AUTORIN: ?Unser Handeln und Denken stehen im Dienste der absoluten Begeisterung und Bereicherung für alle? SPRECHERIN 2: Lebenskompetenz Soundsignal SPRECHER 4: M SPRECHERIN 3 / AUTORIN ?Wir suchen und finden die Kraft, die wir brauchen, um zu gewinnen.? SPRECHER 4: Mußekompetenz Soundsignal SPRECHERIN 2: P SPRECHERIN 3 / AUTORIN: ?Wir leben unsere Begeisterung für den Standort und sind stolz eine Ressource zu sein.? SPRECHERIN 2: Projektionsflächenkompetenz O-Töne_Schmidt_Fischer_Cisco_Piening_Enninger: prekärerJob - Dauerprekariat. - Prekarisierung - Einzelkämpfer - Freiberufler - Nischenproduzenten - mangelnde soziale Absicherung - Dumpinglöhnen - Sparmaßnahmen - Wirtschaftlichkeit - Neoliberalisierung - Überlebensstil - Lohnverzichtsforderung - Nachhaltigkeit - Rahmenbedingungen - Selbstausbeutung - Grenzen des eigenen Körpers - keine Entscheidungsgewalt Soundsignal SPRECHERIN 1: Jeder ist sein Stundenlohn. O-Ton_Schmidt Weisen, wie heute Schauspieler, seien sie fest angestellt oder seien sie Freie, behandelt werden, sind in einer Weise skandalös, die man tatsächlich wirtschaftenden Unternehmen so nicht mehr durchgehen lassen würde, also von Dumpinglöhnen, von der Forderung unbezahlt zu proben bis hin zur Lohnverzichtsforderung, das sind einfach Zusammenhänge, die in der Weise nicht funktionieren können und die auch in der umgebenden Gesellschaft natürlich im Stichwort Flexibilisierung, Neoliberalisierung, Prekarisierung anzutreffen sind. O-Ton_Fischer Es ist ja eigentümlich, dass die Gewerkschaft so schwach ist in unserem Feld. Das ist immer was, was total stutzig macht und einen immer wieder auf diesen Widerspruch stößt, dass wir in der Lage und in der Situation sind, sagen zu müssen offensichtlich auf irgendne Art, dass wir dankbar sind, arbeiten zu können. Und dass wir das machen dürfen, was wir machen. In der Ignoranz, dass es harte Arbeit ist. SPRECHERIN 2: Ich sehe Eure Ermüdung. Ich rieche den Angstschweiß derer, die gerade verlieren und spüre die Euphorie derer, die just in diesem Moment oben stehen. Ich ahne die Panik derer, die oben stehen und Angst haben abzustürzen und die leise Hoffnung derer, die unten stehen und hoffen, beim Absturz eines anderen nach oben gespült zu werden. O-Ton_Enninger Kultur- und Kreativschaffende sind tatsächlich Nischenproduzenten. Das ist richtig. Sie sind sehr effektiv, was die Ressourcenverwendung angeht, das ist eine fürchterliche Begrifflichkeit, aber Kultur- und Kreativschaffende können tatsächlich in `nem bestimmten Umfeld sehr, sehr viel bewirken mit sehr begrenzten Möglichkeiten und das ist etwas, was klassische Unternehmen suchen. SPRECHER 4: Ich bin willig, willig zur friedlichen Einigung zum Thema Arbeitszeit, Personalplanung und Arbeitsbedingungen. Willig, meine Disziplin und meinen Ehrgeiz dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Und ich bin demütig. Ich bin demütig und beruhige das sich empörende Kollektiv in mir, dass bei jeder Anstrengung bereit ist zu protestieren. Ich bleibe ruhig. In mir ruht das Kollektiv. O-Ton_Cisco Durch eine allzu große Liebe zum Beruf oder mit `ner allzu großen Identifikation, das führt bei manchen Kollegen, das führt dazu, dass sie manchmal einfach nicht das einfordern vom Unternehmen, was man auch einfordern könnte oder sollte als Gegenleistung für die eigene Leistung, und das führt manchmal zu Schieflagen: Sehnsuchtssong, instrumental SPRECHERIN 2: Und hier noch einmal der Hinweis auf unsere Stellenausschreibung: Wir suchen ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt einen freiberuflichen Kreativ-Allrounder, Beschäftigungsgrad: 24/7 SPRECHER 4: Ihre Bewerbungsunterlagen senden Sie bitte bis morgen an die hiesigen Rundfunkanstalten, Stichwort ?kreativ aber günstig?, die Stelle ist auf neun Wochen befristet, keine Probezeit. Sehnsuchtssong, instrumental SPRECHERIN 3 / AUTORIN: Unsere Unabhängigkeit, unsere Autonomie ist abhängig. Unsere Autonomie ist abhängig von Anerkennung und Geld. Da Geld so etwas wie Anerkennung bedeutet, verkürze ich auf: Unsere Autonomie ist abhängig von Anerkennung. Anerkennung ist ein soziales Phänomen, da braucht es viele. Wir sind Einzelne, wir sind Individuen. Wir sind individuelle Phänomene. Wir sind individuelle Phänomene, die auf Anerkennung angewiesen sind, um autonom zu sein. O-Töne_Schmidt_Fischer_Cisco_Piening_Enninger: Überforderung - Überforderung - Überforderung - Erschöpfung - Lethargie - Sinnfrage - Angepasstheit - Burn-Out - Grenzen - Stopp-Sagen - Widerstände - Widerständigkeit - Widerspruch - Widerstandformen - Gegenentwurf - Querläufer - Kritik - politisches Engagement - politische Reflexion - Denk-Avantgarde - Utopie - die nächste Gesellschaft Soundsignal SPRECHERIN 1: Jeder könnte Gegenwehr. O-Ton_Schmidt Dieses ?warum wehrt ihr euch nicht? hat für mich auch einen gesellschaftlichen Zusammenhang, insofern als wir im Moment politisch in Zeiten leben, wo mir zumindest der Eindruck sich aufdrängt, dass die Dichte an katastrophenartigen Meldungen oder an skandalträchtigen Meldungen zunimmt, während auf der anderen Seite gesellschaftlich eine zunehmende Form von Lethargie spürbar ist. O-Ton_Cisco Es ist eher eine Erschöpfung der Sinnhaftigkeit von Arbeit, die dahinter steckt. Man erkennt nicht mehr den Wert, den Grund, die Ursache, die Motivation, die Zielhaftigkeit für das, was man tut, man macht's einfach. Und man ist auch in dem, was man macht, ziemlich erfolgreich ? das Problem ist, dass man das Ganze als sinnentleert empfindet und dafür gibt es zur Zeit in den Unternehmen überhaupt kein Regulativ. Das ist wie n Tabu, also diese Sinnfrage ist nicht hoffähig, die kann man im Moment nicht stellen und wenn man sie stellt, dann höchstens nur im sehr privaten, vertraulichen Gespräch mit Coaches. O-Ton_Fischer Aber wahrscheinlich glaube ich einfach mehr daran, das Ganze von innen aufzulösen, als von außen. / Deshalb bin ich so ein bisschen ratlos über den Moment, was von außen passieren kann und glaube ich daran, dass wenn man in die Lage kommt, arbeiten zu können, arbeiten zu dürfen, man den Rahmen nutzen muss, um politisch zu agieren. O-Ton_Enninger Uns geht es nicht um die abstrakten Begriffe, also ich bin jetzt kein Philosoph, (lacht) ich war immer schon einer, der so eher anpackend war, der sehr konkret war und wo wir einfach an konkreten Beispielen, am konkreten Erleben, das Künstler einfach in ihrem Alltag mitbringen, anschauen, wie gehe ich denn damit um, dass jemand mein Bild ein Jahr lang in seinem Wohnzimmer hängen hat, ohne was zu bezahlen, ja, weil es ja so schön zur Tapete passt oder zum Vorhang. Das sind Aspekte, die diskutieren wir, und da ermutigen wir auch einfach zu mehr Selbstbewusstsein. O-Ton Schmidt: Wenn man sich jetzt die Frage stellt, ob es denn eine Form des Erzählens gibt oder geben könnte, ist für mich die Konsequenz, dass diese Geschichten auf eine viel komplexere Art funktionieren müssten als vieles, was man in der Tradition gesehen hat. Und angesichts der Komplexität der Gesellschaft, die uns umgibt, habe ich das Gefühl, dass komplexe Erzählungen ne Chance haben, wirklich sehr viel von der Gegenwärtigkeit einzufangen. Und wenn man sich dann dafür entscheidet zu sagen, Theater ist nicht ein kleiner lustiger Zoo, in dem Künstler ihre Kunststücke aufführen, sondern ist vielleicht auch ein Ort der Gesellschaft, dann stellt sich natürlich die Frage, wie muss denn oder wie kann denn oder wie soll denn ein Theater für diese nächste Gesellschaft aussehn. O-Ton Cisco: Also stellen Sie sich vor, unser Vorstand müsste sich vor die Mitarbeiter hinstellen und müsste mal nicht eine Umsatzzahl oder eine Gewinnzahl verkünden, sondern er müsste mal wirklich den Mitarbeitern in 10 Minuten erklären, was das Unternehmen tut und weshalb es wichtig ist, dass das Unternehmen das tut, was es tut und weshalb es noch wichtiger ist, dass WIR es tun und nicht andere es tun, was man eben tut. Soundsignal O-Ton Schmidt: Ich glaube, dass die wunderschöne Dressur, die wir in den Theatern im 19. und 20. Jahrhundert hatten, das heißt, man kommt pünktlich, man lässt sich auf seinen nummerierten Platz nieder und wird dann vielleicht durch eine Pause unterbrochen, aber erst nach zwei oder zweieinhalb Stunden wieder frei gelassen, nachdem man brav Applaus gespendet hat, dass diese Form von Dressur, mit Menschen, die anders sozialisiert sind, nicht mehr in der Form zu machen ist. Soundsignal O-Ton Cisco: Ich glaube, dass die Fähigkeit zu erklären, die Fähigkeit, Sinn zu stiften, nicht in den Managern der jetzigen Generation vorhanden ist, sondern die haben immer funktioniert, die haben immer mehr Geld gebracht, immer schneller, immer effizienter, die haben immer mehr in der Logik der Aufgabenstellungen brilliert und sind darin groß geworden und sind das darin geworden, was sie heute sind, aber sie haben sich eigentlich nie wirklich diese Fragen gestellt. Soundsignal O-Ton Schmidt: Der Künstler als Aktivist oder der Aktivist als Künstler, der eben nicht mehr nur schreibt oder nicht mehr nur Plakate an die Wand hängt, oder nicht mehr nur Reden hält, sondern der auf eine tatsächlich mehr oder minder künstlerische Weise in den öffentlichen Raum eingreift, finde ich ne extrem spannende Bewegung. Soundsignal O-Ton Cisco: Ich kann mich gut erinnern, als ich vor mehr als 20 Jahren mit meinem Beruf begonnen habe, bestand unser Beruf aus 60 bis 70 % daraus eben den Personen, Mittel an die Hand zu geben, um besser zu werden und ? auch hier wieder der Punkt ? was die Leute nicht mehr wissen ist, wozu eigentlich und worum geht?s eigentlich wirklich. Soundsignal O-Ton Schmidt: Ich habe das Gefühl, dass es schlicht und einfach eine Form von Überforderung ist, mit der wir es gerade zu tun haben, also, das, was man so aus seinem Arbeitsalltag unter dem Stichwort Burn-Out-nahe Arbeitsbedingungen kennt, das heißt, es prasseln permanent Mails auf mich ein, es gehen Anrufe ein, und es stehen Leute vor meiner Tür und ich habe das Gefühl, hört doch einfach mal alle auf, lasst mich doch mal alle zufrieden mit all diesem Kram hier, das scheint sich sozusagen auch in einen politischen Bereich fortzusetzen, dass man bei der zunehmenden Dichte an solchen Meldungen, irgendwann nur noch das Gefühl hat, lasst mich zufrieden damit, und es wäre fatal, wenn man sich eben in Ruhe lässt und wenn gesellschaftliche Kräfte die Politik in Ruhe lassen würden. Wachstums-Song, instrumental SPRECHERIN 1: Sie hörten: KREATIV ABER GÜNSTIG Der Künstler als ideales Arbeitsmodell westlicher Ökonomien? Ein Feature von Gesche Piening Sehnsuchtssong, instrumental Es sprachen: Thomas Meinhardt, Gesche Piening, Judith Toth, Sabine Kastius und Heinz Peter Interviewt wurden Agostino Cisco, Jürgen Enninger, Florian Fischer und Ulf Schmidt. Musik: Wolfgang Petters, Hausmusik Ton und Technik: Michael Krogmann und Ruth-Maria Ostermann Regie: Gesche Piening Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks mit dem Deutschlandfunk 2014. Redaktion: Katja Huber SPRECHERIN 2: Und nun noch ein Hinweis für all diejenigen, die sich für unsere Stellenausschreibung interessieren. SPRECHER 4: Im Laufe der Sendung sind bereits ausreichend Bewerbungen von hochqualifizierten Kreativ-Allroundern eingegangen. Sie können sich leider nicht mehr bewerben. SPRECHERIN 3 / AURORIN: Wir wünschen Ihnen aber auf Ihrem weiteren Lebensweg alles Gute und ? bleiben Sie dran! Sehnsuchtssong, instrumental 2