COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Fußball ist schwarz und Rugby weiß? Der südafrikanische Sport 15 Jahre nach der Apartheid von Leonie March DLR Nachspiel, 1.5.10 Atmo 1: Stadion Nationalhymne Autorin: Der Confederations Cup, die Generalprobe für die Fußball-Weltmeisterschaft vor knapp einem Jahr. Die Zuschauer im ausverkauften Ellis Park Stadion in Johannesburg sind für die Nationalhymne aufgestanden, viele singen aus voller Kehle mit. Es ist unübersehbar, dass Fußball der Sport der schwarzen Bevölkerungsmehrheit ist. Weiße Gesichter sieht man nur vereinzelt im Publikum und auch auf dem Rasen: Abwehrspieler Matthew Booth ist damals der einzige weiße Südafrikaner im Nationalteam. O-Ton 1: The football team has always been proportionate?. Sprecher: Unsere Fußball-Mannschaft hat schon immer die Zusammensetzung der südafrikanischen Bevölkerung widergespiegelt. Dazu haben wir nie Quotenregelungen benötigt. Aber es war Zufall, dass ich beim Confederations Cup wirklich der einzige weiße Spieler war. 1996 waren sechs Weiße im Team und an der Basis, vor allem in den Jugendmannschaften, spielen sowohl weiße als auch farbige und schwarze Kinder. Ich war also nur auf nationaler Ebene zum Zeitpunkt des Confederation Cups der Einzige. ?.I was the only one. . Atmo 2: Stadion: Booth Autorin: Jedes Mal, wenn Matthew Booth den Ball berührt, erklingt ein lautes ?Booth? von den Tribünen. Buh-Rufe für den einzigen weißen Spieler? fragen sich internationale Beobachter besorgt. Matthew Booth grinst. O-Ton 2: Look, first of all? Sprecher: Sehen sie, zuerst einmal gehört das zur südafrikanischen Fankultur. Das gab es auch schon bei anderen Spielern. Bei Mark Fish zum Beispiel, riefen sie alle Fish (Anm: mit gedehntem i). Sie suchen sich also einen Spieler mit einem geeigneten Nachnamen aus. Ich kann schon verstehen, dass viele Leute beim Confederations Cup gedacht haben, das sei eine Form von Rassismus. Aber das Gegenteil ist der Fall: Es ist eine Art Spieler anzufeuern. ?form of cheering. Autorin: Matthew Booth ist einer der beliebtesten Spieler des Nationalteams, der Bafana Bafana. Er wurde dazu auserkoren, sein Land bei der feierlichen Gruppenauslosung in Kapstadt zu vertreten. Ein weißes Vorbild in einem schwarzen Sport. Atmo 3: Nationalhymne Rugby-Match (Strophe auf Afrikaans) Autorin: Zu Beginn eines Spiels der südafrikanischen Rugby-Nationalmannschaft. Fast könnte man meinen, man sei in einem anderen Land: Zuschauer und Spieler sind überwiegend weiß. Dabei stellen weiße Südafrikaner gerade einmal 10% der Bevölkerung, betont Marius Roodt vom Institute for Race Relations, einem Forschungsinstitut, das sich mit den Beziehungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Südafrika beschäftigt. O-Ton 3: I mean the South African side at the moment?. Sprecher: In der Ruby-Nationalmannschaft sind momentan nur zwei oder drei Spieler nicht weiß. Das ist 16 Jahre nach Ende der Apartheid durchaus problematisch. Aber es liegt nicht daran, dass schwarze Spieler diskriminiert werden. Rugby ist nun mal nicht besonders beliebt unter schwarzen Südafrikanern. Die Lieblingssportart ist mit Abstand Fußball. ?.more popular game. Musik 1: ?Amandla Ngawakho? von Amadodana Ase Wesile, CD ?Kukh?Induli Eluhlaza?, Code: CDCCP1224 Autorin: Die Gründe dafür liegen in der Geschichte des Landes. Rugby kam im 19.Jahrhundert mit den englischen Kolonialherren ans Kap der guten Hoffnung. Bald begeisterten sich auch die Buren für den Sport, er wurde Teil ihrer Kultur und damit auch ein Symbol für die weiße Vorherrschaft. Während der staatlichen Rassentrennung, der Apartheid, war auch der Sport nach Hautfarben getrennt. Weiße, farbige und schwarze Südafrikaner spielten in unterschiedlichen Clubs und Ligen, organisiert von eigenen Verbänden. Schwarze Südafrikaner in den Townships begeisterten sich überwiegend für Fußball, die privilegierten Weißen dagegen für Rugby. Fußball-Nationalspieler Matthew Booth, Jahrgang 1977, erinnert sich noch gut an diese Zeit. O-Ton 4: Look, at school, I went to a school?. Sprecher: Als zur Schule ging, hatte ich natürlich nur weiße Mitschüler, Rugby und Cricket waren die einzigen Sportarten. Wir Jungs standen damals unter enormem Druck, erfolgreich im Rugby zu sein. Fußball konnte ich nur in einem Verein spielen, wie schon zuvor mein Vater und sein Bruder. Die Hautfarbe war dort eigentlich nie ein Thema. Schließlich war Fußball der erste Sport in Südafrika, der eine integrierte Liga gründete. Das war 1971, mitten in der düstersten Zeit der Apartheid. Fußball hat die Grenzen zwischen den Bevölkerungsgruppen also schon damals überschritten und damit nie aufgehört. Das ist ein großer Verdienst. ?.credit to the sport. Musik noch mal hoch Autorin: Im Rugby dauerte der Prozess wesentlich länger. 1981 wurde Errol Tobias als erster schwarzer Spieler für ein Freundschaftsspiel der südafrikanischen Nationalmannschaft aufgestellt. Doch das blieb eine Ausnahme. Erst ein gutes Jahrzehnt später, in der Zeit um die ersten demokratischen Wahlen 1994 wurden neue Strukturen geschaffen, auf Verbandebene, in den Vereinen und in den Schulen, erzählt Quentin Reynolds von der südafrikanischen Rugby Union. O-Ton 5: We regard the traditional schools? Sprecher: Es gab die traditionellen, also ehemals rein weißen Schulen, an denen in großem Stil Rugby gespielt wurde, im Gegensatz zu den Townships. Hier in der Provinz Kwazulu Natal gab es Rugby nur an 6 ehemals farbigen Schulen und in einem Verein. Viele der Familien kamen aus den Kapprovinzen. Dort hat Rugby in der farbigen Bevölkerung eine über hundertjährige Tradition. Inzwischen ist die Zahl hier bei uns auf 32 Vereine und weit über 500 Schulen in den Townships gewachsen. Es sind also mittlerweile wesentlich mehr als die 64 traditionellen, ehemals weißen Schulen. ?which have 64 schools. Autorin: Quentin Reynolds ist stolz auf diese Statistik. Er selbst galt zu Zeiten der Apartheid als Farbiger und war ein begeisterter Rugby-Spieler. Seit der demokratischen Wende setzt sich der ehemalige Lehrer besonders für die Nachwuchsförderung ein. Mit einem Lächeln denkt er zurück, an die Pionierjahre Anfang der 90er: O-Ton 6: We used to go into the townships? Sprecher: Wir fuhren damals in die Townships und dort war das Interesse an Rugby einfach überwältigend. Wir hatten 30 bis 40 Kinder erwartet, aber es waren über 500 gekommen. Für uns zwei Trainer war das natürlich eine Herausforderung. Wir spielten mit ihnen und sprachen dann mit den Lehrern. Viele von ihnen haben wir inzwischen zu Trainern ausgebildet. Das Interesse ist also da und es wächst weiter. ?.and it is growing. Atmo 4: Rugby Training Autorin: In Durban. Direkt gegenüber des prächtigen Moses-Mabhida-Stadions, das extra für die Fußball-Weltmeisterschaft gebaut wurde, liegt das Rugby-Stadion. Klein sieht es aus im Schatten des neuen Nachbarn. Hier spielen die Sharks, der Rugby-Erstliga-Verein der Hafenstadt, einer der erfolgreichsten und beliebtesten in Südafrika. Auf dem Rasen trainiert der Nachwuchs aus ehemals benachteiligten Gegenden, so heißen die schwarzen und farbigen Wohnviertel, die Townships und Homelands aus Apartheid-Zeiten in der politisch korrekten Amtssprache des neuen Südafrika. Atmo kurz hoch Autorin: Am Spielfeldrand, im Schatten eines Baumes steht Lincoln Xaba. Der Rugby-Trainer ist mit seinen Schützlingen über 400 Kilometer aus Newcastle, einer Kleinstadt im Norden der Provinz Kwazulu Natal angereist. Er ist stolz auf die jungen Talente. Sie brechen gewissermaßen mit der dunklen Vergangenheit, indem sie Rugby und nicht Fußball spielen, sagt der 50-Jährige. O-Ton 7: We grew up playing soccer?. Sprecher: Wir sind damals noch mit Fußball aufgewachsen und die Weißen unserer Generation mit Rugby. Wir mussten also erstmal die Einstellung gegenüber Rugby ändern. Wir haben damals bei Null angefangen. Einige unserer heutigen Spieler hatten noch nie einen Rugby-Ball gesehen, geschweige denn in den Händen gehalten. Doch sie waren bereit, etwas Neues auszuprobieren. Sehr geholfen hat uns damals der Sieg der Südafrikaner bei der Rugby-WM 1995. Der Medienrummel war groß, Rugby in aller Munde und jeder wollte daran teilhaben. ?wanted to get involved. Atmo 5: Archiv Südafrika gewinnt WM 1995 Autorin: Es war ein historischer Moment: Südafrikas neuer Präsident, Nelson Mandela, der erste Schwarze im Amt, trug beim Finale im Johannesburger Ellis Park Stadion das grüne Trikot der Springboks, der südafrikanischen Rugby-Nationalmannschaft. Ein wichtiges politisches Signal, ein weiterer Schritt zur Aussöhnung der tief gespaltenen Gesellschaft. Chester Williams war damals der einzige Schwarze im Kader. 12 Jahre später gewann Südafrika erneut den WM-Titel, doch die Zahl der nicht-weißen Spieler in der Nationalmannschaft hatte sich gerade mal verdoppelt. Nur zwei Farbige gehörten 2007 zum Kern des Teams. Trotzdem wurde es auch in den Townships frenetisch gefeiert, erzählt Politologe Marius Roodt. O-Ton 8: When South Africa?. Sprecher: Als Südafrika 2007 die Rugby-WM gewann, brachte das Team den Pokal auch nach Soweto. Menschenmengen säumten die Straßen und feierten den Sieg. Zwar wird Rugby noch immer von Weißen dominiert, die nur 10% der Bevölkerung, aber 90% der Spieler stellen. Den Fans jedoch scheint das nicht viel auszumachen. Ihnen ist es wichtiger, dass das Team gewinnt. Natürlich muss sich das Gesicht der Mannschaft trotzdem allmählich verändern. Allerdings können wir das nicht erzwingen. Es muss sich durch die Nachwuchsförderung in den ländlichen und den Township-Schulen entwickeln. ?..rural and township schools and so on. Atmo 6: Rugby-Training Autorin: Ausdauerlauf, Pässe mit dem Ball, Liegestütze ? in Durban trainiert Siyanda Dlamini mit seinen Teamkameraden der Provinzauswahl Kwazulu Natals. Es ist kurz vor Mittag, die Sonne brennt unerbittlich. Immer wieder wirft Siyanda einen Blick auf das Stadion der Sharks. Für den heimischen Erstligaverein und dann vielleicht sogar für die Nationalmannschaft zu spielen, das ist sein großer Traum. O-Ton 9: I started rugby in 2007 ?. Sprecher: Ich habe 2007 angefangen, Rugby zu spielen. Damals kamen Trainer in unsere Schule und brachten uns den Sport näher. Für uns war er ja vollkommen neu. Ich komme aus einer ländlichen Gegend und Rugby gab es dort einfach nicht. Meine Mutter war regelrecht schockiert, als ich ihr gesagt habe, dass ich Rugby spielen will. Sie fragte mich, ob ich lebensmüde sei. Aber mich hat der Sport direkt angesprochen. Ich sehe darin ein gutes Ventil für meine Aggressionen. Außerdem gefällt mir, dass man stark wird und einen kräftigen Körper bekommt. ?.I liked it. Autorin: Der schlanke 18-Jährige ist muskulös. Wie ein professioneller Rugby-Spieler sieht er allerdings noch nicht aus. Im Gegensatz zu Gleichaltrigen in den ehemals weißen Schulen, den wohlhabenden Vororten. Sie trainieren von klein auf, unter besten Bedingungen. Das ist Siyanda durchaus bewusst. O-Ton 10: I have to work hart? Sprecher: Ich muss hart an mir arbeiten. Ich muss besonders viel trainieren, denn in meiner Gegend gibt es nicht viele Leute, die vom Körperbau her für Rugby geeignet sind. Ich muss oft allein trainieren, Extra-Trainingseinheiten absolvieren, um mitzuhalten. Das ist ganz schön schwer für mich. ?it was quite hard. Atmo 7: Rugby Training Autorin: Viele schwarze Jugendliche wie Siyanda spielen inzwischen Rugby. Bis in die Elite, in die Erstligavereine oder sogar die Nationalmannschaft aber schaffen es die wenigsten. Die Kluft zwischen Arm und Reich, die in Südafrika so groß ist wie sonst nirgendwo auf der Welt, zeigt sich auch im Sport, meint Jugendtrainer Lincoln Xaba. O-Ton 11: Most of our budget goes into transport?. Sprecher: Den größten Teil unseres Budgets verwenden wir dafür, die Spieler von ihrem Heimatort zu den Sportplätzen zu bringen, denn die gibt es in ihren Gegenden meistens nicht. Für?s Training improvisieren wir, suchen uns ein großes möglichst ebenes Gelände, mähen das Gras, stellen zwei Tore auf und lassen die Kinder darauf spielen. Aber für Ligaspiele reicht das nicht aus. Dafür müssen wir sie schon auf bessere Rugbyplätze bringen. Ein professionelles Spielfeld kennen unsere Kinder nur aus dem Fernsehen, davon träumen sie. ?on the turf pitch. Atmo 8: Rugby-Training Autorin: Vor dem Stadion der Sharks zu spielen, auf dem Rasen, auf dem auch die Profis trainieren, ist für die jungen Talente aus den Townships und Dörfern Kwazulu Natals also etwas ganz Besonderes. Konzentriert hören sie zu, wenn der Trainer etwas sagt. Die Motivation ist sichtlich groß. Denn hier geht es nicht nur um sportlichen Ehrgeiz, betont Lincoln Xaba. Echte Talente haben auch die Chance auf eine bessere Ausbildung. O-Ton 12: What happens is, at our talent?. Sprecher: Zu unserem Auswahl-Turnier, zu dem wir besonders talentierte Spieler einladen, kommen auch Vertreter der ehemals weißen Schulen. Sie suchen dort nach Spielern, die in ihre Mannschaften passen könnten. Sie bieten ihnen Stipendien an, sorgen für eine Unterkunft, übernehmen einfach alle Ausgaben, die mit der Schule zu tun haben. Für unsere Kinder ist das natürlich ein enormer Anreiz, denn eine solche Gelegenheit ist selten. Sie geben alles, um diese Chance zu ergreifen. ?grab that opportunity. Autorin: Die Ausbildung an den ehemals weißen Schulen Südafrikas ist immer noch um Welten besser als in den Townships und ländlichen Gebieten. Mit einem Abschluss einer guten Schule hat man bei der Bewerbung an Universitäten und später auf dem Arbeitsmarkt wesentlich bessere Chancen. Rugby kann also auch ein Weg aus der Armut sein. Das ist bereits dem 13-Jährigen Mbongeni Mkhize bewusst. O-Ton 13: Rugby you got many opportunities? Sprecher: Rugby eröffnet einem viele Möglichkeiten. Wenn ich gut genug spiele, kann ich ein Stipendium bekommen. Meine Freunde haben mich zuerst für verrückt gehalten, aber inzwischen haben sie das auch begriffen und spielen nun Rugby. Meine Familie unterstützt mich. Ihre einzige Sorge ist, dass ich mich verletze, denn wir haben keine Krankenversicherung. Mein größter Traum ist, dass ich einmal ein Springbok Spieler werde. ?a Springbok professional player. Atmo 9: Rugby Training Autorin: Mbongeni rennt wieder aufs Feld, schmeißt sich mit vollem Körpereinsatz auf den Boden, um den Ball zu fangen. Jugendtrainer Lincoln Xaba lächelt. O-Ton 14: These youngsters they grow? Sprecher: Wenn diese Jungen aufwachsen, werden sie für Vereine spielen, jedenfalls ermutigen wir sie dazu. Wir hoffen, dass sie dort mit offenen Armen empfangen werden, dass die Trainer ihr Talent fördern. Die Zeit ist reif für mehr schwarze Spieler in den Provinzmannschaften, denn die sind das Sprungbrett zum Nationalteam. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen einen Blick für diese Talente haben, unabhängig von der Hautfarbe, so dass es ein paar von diesen Jungen weit schaffen. ?youngsters getting through. Autorin: Um genau dies zu gewährleisten, wurden schon vor Jahren Quotenregelungen eingeführt, betont Quentin Reynolds von der südafrikanischen Rugby Union. Auf allen Ebenen: von Schul- bis zu Provinzmannschaften. O-Ton 15: In high schools, in the A side?. Sprecher: In den A-Mannschaften der Schulen sollten von 22 Spielern mindestens 9 farbig sein, in den anderen Schulteams 11, also die Hälfte. Früher war es nicht einfach, farbige Spieler zu finden: Da wurden manchmal auch jene ausgewählt, die eigentlich nicht gut genug waren. Doch jetzt ist das kein Problem mehr. Heute gibt es genügend gute Spieler. ?and the best are the best. Musik 2: ?Tree of life? von Craig Riley, CD ?Out of Africa?, ASIN: B0028IHT1A Autorin: Bei der Nationalmannschaft ist diese Entwicklung allerdings noch nicht angelangt. Zwar wird das Team seit ein paar Jahren vom ersten farbigen Rugby-National-Coach Pieter de Villiers trainiert, die Mehrheit der Spieler aber ist auch weiterhin weiß. Ein Politikum. Trotzdem lehnt Quentin Reynolds Quoten für die Springboks strikt ab. O-Ton 16: For me it is just? Sprecher: Ich finde, dass nur die Besten im Nationalteam spielen sollten. Man sollte nicht wegen der Hautfarbe ausgewählt werden. Ich bin selbst nicht weiß und würde das auch nicht wollen. Man möchte es doch wegen seiner Leistung schaffen. Wenn die Spieler deshalb alle weiß sind, dann ist es halt so. Irgendwann werden sie vielleicht alle schwarz sein. Schließlich spielt Rugby landesweit in den Townships eine immer größere Rolle. Unsere Aufgabe ist es, den Nachwuchs dort zu Top-Spielern auszubilden. Sie auf dieses Niveau zu bringen, ist eine wirklich tolle Herausforderung. ?.really good challenge. Autorin: Das gilt nicht nur für Rugby, sondern für den gesamten südafrikanischen Sport, betont Fußball-Nationalspieler Matthew Booth. O-Ton 17: With South Africas history? Sprecher: Angesichts der Geschichte Südafrikas ist es verständlich, dass die Leute immer noch auf die Hautfarbe achten. Aber ich denke, wir sollten langsam reif dafür sein, Spieler allein aufgrund ihrer Leistungen zu beurteilen. Allein das sollte darüber entscheiden, ob man ins Nationalteam aufgenommen wird. Die Hautfarbe sollte letztendlich keine Rolle spielen. Aber das ist ein langsamer Prozess. Es ist unfair von Cricket und Rugby zu erwarten, dass sie sich über Nacht verändern. 15 oder 20 Jahre sind keine lange Zeit. Wir müssen wahrscheinlich noch eine gute Generation warten, bis die Dinge anders werden. ?.things start to change. Musik kurz hoch Autorin: Den Fortschritt der tief greifenden Veränderung im südafrikanischen Sport allein nach dem Verhältnis von weißen und schwarzen Spielern zu bewerten, sei zu kurz gegriffen, meint auch der Politologe Marius Roodt. O-Ton 18: Obviously the skin color?. Sprecher: Selbstverständlich spielt die Hautfarbe der Sportler eine Rolle. Aber wir müssen auch auf die Nachwuchsförderung schauen. Wenn es keine Angebote für Kinder oder Jugendliche in Schulen oder Vereinen gibt, dann wird sich auf keiner Ebene etwas verändern. Hier hinkt der Fußball Sportarten wie Rugby und Cricket hinterher. Viele Projekte sind im Sand verlaufen. Mit diesem Problem muss sich der südafrikanische Fußballverband auseinandersetzen. ?has to look at. Autorin: Die Nachwuchsförderung ist eines der gravierendsten Probleme am Kap, obwohl Fußball die mit Abstand beliebteste Sportart im Land ist, stimmt Nationalspieler Matthew Booth zu. O-Ton 19: Without a doubt cricket and rugby?. Sprecher: Zweifellos haben Cricket und Rugby große Vorteile: Ihre Ligen sind gut organisiert und alle guten Schulen im Land bieten diese beiden Sportarten an. In den Townships hingegen, wo die Kinder Fußball spielen, mangelt es an Organisation und guten Sporteinrichtungen. Der südafrikanische Fußballverband, SAFA, trägt hierfür einen Teil der Verantwortung. Denn er sollte darauf dringen, dass Fußball an den Schulen angeboten wird und für ordentliche Sportplätze sorgen. Dies gilt nicht nur für die ärmeren Gegenden, sondern für Fußballplätze im ganzen Land. Es ist zwar toll, dass wir nun diese neuen, teuren, fantastisch aussehenden Stadien für die WM haben, aber an der Basis mangelt es noch immer an guten Einrichtungen. Das ist momentan einer der großen Nachteile des südafrikanischen Fußballs. ?.South African football at the moment. Atmo 10: Fußballtraining Autorin: Soweto, Johannesburg. Die Heimat der erfolgreichsten und beliebtesten Fußball-Vereine Südafrikas. Hier trainiert auch der Erstligaverein Moroka Swallows, seit gut einem Jahr unter dem Deutschen Rainer Zobel. Auch er wirft dem südafrikanischen Fußballverband Versäumnisse vor: Es gibt zu wenig ausgebildete Jugend-Trainer, sagt er, die Vereine betreiben keine zielgerichtete Nachwuchsförderung, die Provinz- und Bezirksmeisterschaften wurden vor ein paar Jahren abgeschafft. O-Ton 20: Warum sich der Fußballverband da nicht besser einsetzt, verstehe ich nicht. Denn das ist letztendlich die Zukunft des ganzen Fußballs in Südafrika und letztendlich auch die Basis für einen gut funktionierenden Fußballverband. Ohne Talente, sie glauben die wachsen nur auf der Straße. Wir sehnen uns in Deutschland immer nach Straßenfußballern, die haben wir nicht mehr. Hier haben wir nur Straßenfußballer und genau die Mischung macht?s, wenn man dann gut ausgebildete oder sagen wir mal an der Basis ausgebildete Straßenfußballer bekommt, das wäre ideal und dann würde das einen Riesenschritt nach vorne gehen in allen Beziehungen des südafrikanischen Fußballs. Atmo kurz hoch Autorin: Rainer Zobel schüttelt den Kopf, schaut seinen Spielern eine Weile nachdenklich beim Aufwärmtraining zu. Eine flächendeckende Vereinsstruktur wie in Deutschland gibt es in Südafrika nicht, Sport wurde als Pflichtfach in den Schulen abgeschafft. Manchmal kommen fußballbegeisterte Jungs aus den Townships mit dem Bus direkt zu uns ins Clubhaus, mit der Hoffnung als Talent erkannt zu werden, erzählt er nach einer Weile. Echte Nachwuchsförderung sieht anders aus. O-Ton 21: Wir merken also in allen Vereinen, ich habe auch mit anderen Trainern gesprochen, dass letztendlich die Spieler mit 18 Jahren zwar von der Bewegung her, von der Technik her, ganz toll ankommen. Aber genau von der Basis her, von den ganz einfachen grundlegenden Sachen, die man letztendlich im Fußball höherklassig braucht, die werden überhaupt nicht trainiert. Wir, bei Moroka Swallows, versuchen das jetzt. Also ich hab das angestoßen und wir wollen das mal ein bisschen einführen, dass wirklich einfache Spannstöße, Innenpässe, was man zum Fußball braucht, lernt, wieder beigebracht kriegt. Das ist in den europäischen Ländern natürlich von klein auf, wo die mit 5, 6 oder 7 anfangen, das ist die Basis, und das wird leider in Südafrika nicht gelehrt. Atmo kurz hoch Autorin: Das Problem ist nicht neu. Inzwischen kann man die Auswirkungen der mangelhaften Nachwuchsförderung auch bei Spielen der südafrikanischen Fußball-Nationalmannschaft Bafana Bafana beobachten, meint Trainer Rainer Zobel. O-Ton 22: Das große Problem momentan der Bafana Bafana ist Tore schießen. Das weiß man, da hat man auch ein bisschen Angst vor im Hinblick auf die Weltmeisterschaft. Sie können gut Fußball spielen, sind technisch hervorragend, aber sie würden nicht merken, wenn man ihnen das Tor wegnimmt, oder beide Tore wegnimmt. Sie würden das gar nicht merken während des Spiels, weil sie ja gar nicht zielgerichtet spielen. Und solche Dinge gehören auch zur Basis eines Fußballspiels, dass man so ein Spiel auch nur durch Tore gewinnen kann und nicht Schönspielerei und technisch hervorragende Einzelleistungen. Ich weiß, dass das Publikum dann aufschreit, wenn die einen Hackentrick oder irgendwas ganz Spezielles machen, dann ist das Publikum verrückt. Das verführt natürlich auch die Spieler auf dem Platz das zu tun, aber das macht keinen Sinn. Ich muss immer zielgerichtet versuchen, ein Tor zu schießen oder im Gegenzug ein Tor zu verhindern, das macht Fußball aus. Dieser Gedanke ist bei diesen Straßenfußballern eben nicht vorhanden. Autorin: So schmerzhaft diese Erkenntnis ist, in diesem Punkt muss selbst Fußball-Nationalspieler Matthew Booth dem deutschen Trainer recht geben. O-Ton 23: We are starting to see the effects?. Sprecher: Die Folgen der mangelhaften Nachwuchsförderung wirken sich mittlerweile auch auf unser Nationalteam aus. Seit 1996 geht es mit der Leistung stetig bergab. Aufhalten kann man diesen Trend nur durch eine gute Jugendförderung. In den Top-Fußballländern der Welt, wie Deutschland, England und Brasilien, gibt es derartige Strukturen bereits seit 50 oder 60 Jahren. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen und endlich auch selbst damit beginnen. ?start ourselves now. Atmo 11: Fußballstadion mit Vuvuzelas Autorin: Den entscheidenden Impuls dafür könnte die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika geben. Seit bekannt ist, dass die WM am Kap stattfinden wird, sind Fußball-Projekte wie Pilze aus dem Boden geschossen. Vor allem in den Townships. Mit viel ausländischem Kapital. Doch Matthew Booth bleibt skeptisch. O-Ton 24: The amount of foreign aid?. Sprecher: Der Umfang an Unterstützung aus dem Ausland und die Zahl der Einrichtungen sind wirklich fantastisch. Aber meine Sorge ist, dass sie auch langfristig unterhalten und in eine ordentliche Struktur eingebettet werden müssen. Man kann nicht einfach mal schnell Projekte im ganzen Land aufbauen und dann hoffen, dass sie funktionieren. Wir brauchen eine langfristige Strategie des südafrikanischen Fußballverbandes. Dessen neue Führungsspitze hat inzwischen angekündigt, dass die Nachwuchs-förderung Priorität hat und ich hoffe sehr, dass sich die Einstellung jetzt auch tatsächlich verändert. ?.attitude changes now. Musik 3: Makoti von Busi Mhlongo, CD ?Freedom?, ASIN: B0002JUX7O Autorin: Mit engagierter Nachwuchsförderung in Fußball und Rugby kann Sport auch zu einer sozialen Veränderung in Südafrika beitragen, meint Marius Roodt vom Institute for Race Relations. Und auch die Fußball-Weltmeisterschaft könnte eine Brücke zwischen der weißen Bevölkerungsminderheit und der schwarzen Mehrheit bilden. O-Ton 25: If people see that they can?. Sprecher: Wenn die Leute, vor allem weiße Südafrikaner, erleben, dass sie ein Fußballspiel im Stadion sehen können, ohne dass es Probleme gibt, dass sie dort einfach Spaß haben können, dann verändert das ihre Wahrnehmung. Ich denke, dass jeder Südafrikaner unserer Nationalelf die Daumen drücken wird und hofft, dass die WM ein Erfolg wird, so dass Südafrikaner aller Hautfarben auf das stolz sein können, was wir geleistet haben. Insofern sind der Sport im Allgemeinen und diese WM wichtig für den Zusammenhalt und die Veränderung der Gesellschaft. ?important for this as well. Autorin: Dass dieses Ziel nicht zu hoch angesetzt ist, haben wir bereits bewiesen, betont Quentin Reynolds von der südafrikanischen Rugby Union. O-Ton 26: If you look at the pictures? Sprecher: Wenn sie sich die Bilder nach unserem Sieg bei der WM 2007 in der Presse ansehen, dann bemerken sie, dass sie alle in den Townships aufgenommen wurden. Die Leute hatten Vuvuzelas dabei, obwohl diese im Rugby normalerweise nicht besonders verbreitet sind, und sie trugen Trikots der Springboks. Zweimal haben wir das erreicht, bei der WM 1995 und 2007. Für mich steht außer Frage, dass wir damit einen Beitrag geleistet haben, die Nation zu einen. ? definitely a unifying factor. Autorin: Doch nicht nur bei großen Sportereignissen wie diesen, auch im Alltag kann man beobachten, wie Südafrika langsam zusammenwächst, fügt Rugby-Trainer Lincoln Xaba hinzu. O-Ton 27: We mix these boys together?. Sprecher: Unsere Jungs spielen gemeinsam mit gleichaltrigen weißen Kindern und dadurch entstehen Freundschaften. Das müssen ihre Eltern akzeptieren, dagegen kommen sie nicht an. Die Generation derer, die nicht einmal mit jemandem sprechen, der eine andere Hautfarbe hat, einem Schwarzen oder auch einem Weißen, stirbt langsam aus. Die Zukunft gehört ihren Kindern, die harmonisch in Südafrika zusammen leben wollen. Unser Land ist großartig. Sein Makel ist nur unsere Einstellung einander gegenüber. ?that spoils it. Musik noch mal hoch und blenden 8