DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 01.07.2014 Redaktion: Hermann Theißen 19.12 –19.55 Uhr Die geheime Moral der Waffenindustrie Von Johannes Nichelmann Co-Produktion RBB/BR/DLF URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - 01. Szene Sound: Wohnzimmer Erkennungsmelodie „Quizsendung“ Ansage: Die geheime Moral der Waffenindustrie. Ein Feature von Johannes Nichelmann Autor: Sonntagabend. Der Fernseher läuft. Eine Quiz-Sendung im Dritten. Moderatorin: Auch heute starten wir wieder in die Weiten des „Wortalls“ und meine Quizastronauten, die stelle ich Ihnen jetzt vor. Das sind... Moderatorin: Und wir beginnen mit einer Stadt in der Ukraine. Die Stadt liegt... Autor: Kiew. Kandidatin: Kiew. Autor: Yes. Moderatorin: Das ist Kiew. Perfekt! Das nächste Lösungswort ist eine Waffe. Man benötigt beide Hände, um sie zu bedienen, sie hat ein Visier... Sound: Buzzer Kandidat: Das ist das Gewehr. Damit hatte ich öfter zu tun. Moderatorin: Ja? Inwiefern? Kandidat: Bei der Bundeswehr. Moderatorin: Ne, jetzt mal ernsthaft. Ist das schwierig? Kandidat: Es kommt auf die Waffe an. Ich find’ Pistole und Gewehr sind relativ einfach und Panzerfaust auch. Aber so was wie das Maschinengewehr, das MG3, das rüttelt einen schon... Moderatorin: Wollt gerade... Kandidat: ...ziemlich durch. Da braucht man Masse, um wirklich gut treffen zu können. Autor: So locker wird in Deutschland eigentlich selten über Waffen gesprochen Moderatorin: Um nicht mit zu wackeln, dass man so ganz... Kandidat: Das ist mir nie gelungen. Irgendwie ist... Moderatorin: Hm... Na, gut! Sound: Zappen im Fernseher Autor: Nur, wenn es um Waffen geht, die im Ausland eingesetzt werden, spricht es sich anscheinend leichter darüber… Fernseher: Die Taliban kennen ja den Marder, weil sie ihn selber schon zu spüren bekommen haben. 02. Szene Sound: Helikopter, Fahrzeuge in Kunduz, Afghanistan Sprecher: Berlin - Bei Rüstungsexporten belegt Deutschland den dritten Platz. Nach den USA und Russland. Zu den deutschen Produkten zählen Panzer, Bomben, U-Boote, Schiffe, Drohnen oder Gewehre. Mehr als siebzig Prozent der deutschen Rüstungsproduktionen werden ins Ausland verkauft. Musik Sound: Grillen im Gras Erzählerin: Schauen Sie, man hört ja so viel Schlechtes aus der Welt. Ich kaufe zum Beispiel nicht mehr bei „KIK“. Stelle meine Bierflasche abends auf dem Weg zum Klub so hin, dass sie für eine Pfandsammlerin mühelos aufzufinden ist, reduziere meinen Fleischkonsum auf ein Minimum, fahre öfter mit dem Fahrrad und finde es schlimm, was da in Syrien und der Ukraine passiert. Ich weiß, was sich gehört. Aber die Entscheidungen treffen ja letztendlich eh andere. 03. Szene Atmo: Büro in München, Nida-Rümelin Sprecher: München, Ludwig-Maximilians-Universität. Das ist das Büro des ehemaligen Kulturstaatsministers Professor Julian Nida-Rümelin. Ein Philosoph und Politikwissenschaftler. Er beschäftigt sich mit Moral und Ethik. Nida-Rümelin: Moral und Ethik unterscheide ich. Ethik ist die Theorie, die sich mit moralischen Fragen beschäftigt. Eine Teildisziplin vor allem der Philosophie und die Moral umfasst alles was motiviert ist, durch moralische Gründe. Die Praxis, die wir beobachten, die motiviert ist durch moralische Gründe. Aber auch die Motive, die Einstellungen, die Überzeugungen, die die Leute leiten. Das alles würde ich als Moral bezeichnen. Autor: Wann fing denn das alles so an, mit der Rüstungsindustrie? Nida-Rümelin: Naja! Die Rüstungsindustrie hat schon zur ersten - wenn die Einschätzungen stimmen die es da gibt in der Geschichtswissenschaft - schon zur ersten ökologischen Katastrophe im Mittelmeerraum beigetragen. Nämlich zur Abholzung der Wälder auf der Apenninenhalbinsel, die ja vor allem für den Flottenbau Roms verwendet wurden. Also es gab in der Antike eine Art Rüstungsindustrie. Das kann man durchaus sagen. Es wurden auch Verbündete aufgerüstet und ähnliches. Von daher ist es gar nicht so unterschiedlich mit heute. Musik Erzählerin: Das würde ja bedeuten, dass die heutigen Konflikte um die moralische Vertretbarkeit der Bewaffnung von Armeen oder anderen Kräften nicht erst durch fortschrittliche Technologien, wie zum Beispiel Drohnen ausgelöst worden sind. Ich meine, was wenn Speere, Pfeil und Bogen in falsche Hände geraten? Nida-Rümelin: Äh... Platon war zudem der Meinung, dass eine Stadt, die auf Expansion ausgerichtet ist, die abhängig ist, jetzt modern gesprochen, von Wirtschaftswachstum, eine kranke Stadt ist. Eine Stadt, die noch nicht bei sich ist. Die noch nicht die Reife erreicht hat. Die noch keine Stadt der Erkenntnis ist. Und eine solche Stadt ist dann gezwungen Kriege zu führen, um das permanente Wachstum ihres Einflussbereiches zu sichern. Insofern sind das hochmoderne Überlegungen, die es bei Platon gibt. 4. Szene Sound: Schritte im Gras Soldat: Los! Runter da! Attacke! Erzählerin: Es gibt drei Wege, wie Rüstungsgeschäfte zustande kommen. Da sind die öffentlichen Ausschreibungen von Staaten, an denen sich Unternehmen beteiligen. Alle Hersteller haben zudem eine Art Außendienst, der sich um den Vertrieb kümmert. Und einige Deals werden auch auf Regierungsebene klar gemacht. Lobbyismus spielt also eine wesentliche Rolle. Musik Sprecher: Berlin. Der „Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“, kurz BDSV. Der Geschäftsführer ist Georg Wilhelm Adamowitsch. Autor: Zu Beginn, sind Sie so lieb und sagen mal was, damit ich Sie einpegeln kann? Adamowitsch: Ich heiße Georg Wilhelm Adamowitsch und arbeite in der Friedrichstraße 60, in Berlin. Meine Telefonnummer hab ich vergessen. Erzählerin: Die offizielle Lobby- und Medienarbeit wird von hier aus koordiniert. Adamowitsch: Wir haben natürlich eine klare Aufgabenverteilung auch in dem Verband, dass wir als Verband, sag ich mal auch im Grunde genommen ein Stück Medienarbeit zu leisten haben. Das gehört nun mal zur Aufgabe einer solchen Geschäftsstelle dazu. Sound: BDSV, Büro Sprecher: Der BDSV vertritt circa einhundert Unternehmen im politischen Berlin. Darunter sind „Rheinmetall“, „Krauss-Maffei-Wegmann“ oder „Thyssen Group“. Adamowitsch: Ich würde sagen, da unterscheiden wir uns auch nicht von der evangelischen oder katholischen Kirche. Denn die haben mit ihren Büros hier in Berlin dieselbe Funktion und dieselbe Aufgabe. Und die vertreten die Interessen der Kirchen mit demselben Engagement gegenüber der Politik, wie wir unsere Interessen gegenüber der Politik vertreten. Sprecher: Georg Wilhelm-Adamowitsch ist ein SPD-Politiker, der von 2002 bis 2006 Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit war. Erzählerin: Auf einem Schrank in seinem Büro steht ein Buch, dessen Schutzumschlag die Farben schwarz, rot und gold trägt. Der Titel: „Bombengeschäfte“. Es ist noch in Plastikfolie verschweißt. Autor: Welche moralischen und ethischen Richtlinien, Grundsätze muss denn ein Unternehmen haben, das solche Dinge herstellt? Adamowitsch: Die Frage müssen Sie an die Politik stellen, weil die Politik diese Dinge bestellt. Erzählerin: Liebe Politik, welche moralischen und ethischen Richtlinien, Grundsätze muss denn ein Unternehmen haben, das solche Dinge herstellt? Autor: Aber wenn Sie was herstellen oder wenn Sie Leute vertreten... Adamowitsch: Ja. Autor: ...die so was herstellen, dann müssen Sie sich doch auch und auch diese Leute, die Sie vertreten, Gedanken darüber machen... Adamowitsch: Ja. Autor: ...ähm, da muss es doch ethische Richtlinien geben. Adamowitsch: Das ist die, das ist die Logik, wenn man Streitkräfte aufstellt, sich auch mit diesen Dingen zu beschäftigen. Aber noch einmal. Das ist primär eine Aufgabe der Politik. 5. Szene Sound: Rakete wird gezündet Soldat II: Runter da! Funkgerät: An alle! Abc-Alarm, Abc-Alarm, Abc-Alarm. Soldat III : Wir verlangen Information! Sound: Neonröhren, Labor Sprecher: München, Ludwig-Maxmilians-Universität. Thomas Klapötke entwickelt Waffen. Der Chemie-Professor forscht im Auftrag der US-Army, der NATO und der Bundeswehr an einer umweltverträglichen Bombe. Zitator: Ironisch formuliert: Die Brücke soll gesprengt werden, die Fische darunter müssen überleben. Sprecher: Das Zitat aus einem Interview, das er vor einigen Jahren der Süddeutschen Zeitung gegeben hat. Musik Erzählerin: Gesund für die eigenen Truppen, tödlich für die Gegner. Von Thomas Klapötke liest man, dass er Vegetarier ist und von vielen seiner Kollegen für diese Arbeit mit dem Militär kritisiert wird. Zitator: Entweder man ist Pazifist und schafft die Armee ab oder man hat eine Armee. Und dann finde ich es unmoralisch, ihr nicht mit der besten Ausrüstung zu helfen. Gewalt ist das letzte Mittel, aber dann sollte es auch das Beste sein. Sound: BDSV, Büro Adamowitsch: Das liegt in der Logik im Grunde genommen in der Durchsetzung auch von sicherheits- und außenpolitischer Verantwortung. Auf der einen Seite... Erzählerin: Bundeswehreinsätze wie der im Kosovo-Krieg hätten beispielsweise Schlimmeres verhindern können - sagt der Lobbyist Georg Wilhelm Adamowitsch. Adamowitsch: ...und auf der anderen Seit in der politischen Bereitschaft diese Verantwortung auch wahrzunehmen. Mit einem Klammerbeutel können sie diese Verantwortung nicht wahrnehmen. Musik Sound: Halle, schweres Atmen, Flasche zerbricht Erzählerin: Weswegen brauchen wir Waffen? Wir müssen unser passives und legitimiertes Verteidigungsrecht ausüben können. Falls mal jemand vorbei kommt und auf uns feuert, müssen wir in der Lage sein, zurückzuschießen. Das macht aber nur Sinn, wenn unsere Waffen besser oder zumindest gleich gut sind. Politikerinnen und Politiker sind deshalb auf jene angewiesen, die diese Waffen entwickeln und produzieren. Diese Produzenten können aber von den deutschen Einkäufen allein nicht leben. Deswegen muss die Politik lukrative Märkte schaffen. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass sich diese Märkte auch in einem Angriffskrieg befinden. Was praktisch sein kann, denn um ein Waffensystem weiter zu entwickeln, muss es möglichst unter realistischen Bedingungen ausprobiert werden. Die Politik ist interessiert an möglichst modernen Waffen, denn die eröffnen militärische Handlungsspielräume, die wiederum außenpolitische Macht bedeuten. Dieser Kreislauf führt am Ende dazu, dass die politischen Entscheidungsträger eher einem Einsatz von Waffen zustimmen, als wenn es diesen Kreislauf nicht gäbe. Adamowitsch: Und das führt dazu, dass in der Regel die Qualität der Produkte der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie so gut sind, dass auch andere Länder sagen, das wäre etwas im Grunde genommen, mit der wir gerne unsere Soldaten ausrüsten würden. Ich hab keinen Anlass in meinem Thema, der Außen- und Sicherheitspolitik im Grunde genommen kritische Anmerkungen gegenüber der Politik dieser Regierung zu machen. Und wenn man das alles nebeneinander legt im Grunde genommen, gibt es ja auch eine starke Kontinuität, egal jetzt wer in Berlin reagiert. Über die letzten zwanzig Jahre nach der deutschen Einheit in grundsätzlichen Fragen von Außen- und Sicherheitspolitik. ... der Kurs ist im wesentlichen abgestimmt. 06. Szene Sound: Saal der Bundespressekonferenz Sprecher: Berlin. Der Bundessicherheitsrat, dem sowohl die Bundeskanzlerin, als auch Ministerinnen und Minister verschiedener Ressorts angehören, entscheidet darüber, welche Rüstungsgüter an welche Staaten ausgeliefert werden dürfen. Die Unternehmen müssen Anträge stellen. Die Gruppe tagt geheim. Gibt jemand dennoch Informationen nach Außen, droht eine Gefängnisstrafe. Erst Monate nach den getroffenen Entscheidungen, unterrichtet das Bundeswirtschaftsministerium die Öffentlichkeit. Sound: Zeitzeichen Erzählerin: Die aktuellen Zahlen. Wir schalten heute zu Steffen Seibert. Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren. Das Bundeskabinett hat heute den Rüstungsexportbericht für das Jahr 2012 beschlossen. Sprecher: Die Bundesregierung hat Ausfuhren in Höhe von knapp einer Milliarde Euro genehmigt. Hauptabnehmer ist Saudi-Arabien. Seibert: Ich will noch mal für die Bundesregierung ganz grundsätzlich festhalten, dass wir an den strengen Regeln der Exportkontrolle für Rüstungsgüter unverändert festhalten. Dieses besagt, dass Genehmigungen und daran halten wir uns, erst nach eingehender Prüfung im Einzelfall erteilt werden. Nachdem insbesondere sichergestellt wird, dass deutsche Rüstungsgüter nicht für Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden oder nicht zur Verschärfung von Krisen beitragen. Die konkreten Zahlen: Sprecher: Unter den zehn wichtigsten Kunden befindet sich Algerien. Das Land gab in Deutschland 286 Millionen Euro aus, die Vereinigten Emirate 125 Millionen Euro. Die Einnahmen aus Geschäften mit Kleinwaffen liegen bei 76 Millionen Euro. Es handelt sich um Pistolen und Sturmgewehre. Indien ist der wichtigste Abnehmer. Moderator: Gibt es Fragen zu den Themen im Kabinett? Mann: Herr Seibert, welche... Erzählerin: Wie kann man denn sicherstellen, dass solche Waffen nicht in falsche Hände geraten? Seibert: Vielleicht kann zu den Einzelheiten gleich auch noch das Bundeswirtschaftsministerium Stellung nehmen. BWMi: Wird sichergestellt durch entsprechende Endverbleibszusicherungen, dass die Lieferungen auch dem angegebenen Verwendungszweck zu Gute kommen. Wenn da Verstöße vorliegen, dann kommt es auch zu Aussetzungen. Diese Endverbleibskontrolle ist auch ein in der EU übliches System und ein weltweit vorbildliches System, was international Anerkennung findet. Seibert: Soweit von mir aus dem Kabinett. Erzählerin: Die Regeln besagen also, dass die Waffen nur unter Umständen zum Einsatz kommen dürfen die von der Bundesregierung auch befürwortet werden. Musik Sound: Vögel Erzählerin: Umstände, wie die in Mexiko. Sprecher: „Heckler & Koch“ produziert im Schwarzwald unter anderem das Gewehr G-36. In den Jahren 2005 und 2010 durfte das Unternehmen offiziell knapp 10.000 Stück zum Stückpreis von 2.500 Euro nach Mexiko verkaufen. Die Kunden waren die Armee und die Polizei. Beide Behörden sind für Korruption und Gewalttätigkeit bekannt, in einem Land, das von blutigen Bandenkriegen überzogen ist. In solche Regionen dürfen nach dem „Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen“ und dem „Außenwirtschaftsgesetz“ generell keine Waffen geliefert werden. Der Waffenhersteller legte dem Bundessicherheitsrat eine Erklärung vor, die besagt, dass Mexikos Unruheregionen vom Empfang ausgeschlossen seien. Erzählerin: Niemand konnte damit rechnen, dass die Waffen jetzt auch in den kritischen Gegenden eingesetzt werden. Angeblich kam der Tipp, welche Regionen im Antrag zu nennen sind von Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums selbst. Es habe persönliche Telefonate gegeben. Lobbyismus im Hinterzimmer. 07. Szene Sound: arabische Stimmen, Mausklick Dubrow: Es gibt quasi keine große Konfliktregion auf der Welt, wo sich nicht auch deutsche Waffen im Laufe der Jahrzehnte wiedergefunden haben. Erzählerin: Nils Dubrow hat nach eigenen Angaben als Kind gerne Modelle von Kampfjets und Panzern gebaut. Seine Faszination am Kriegsgerät ist bis heute geblieben. Allerdings nutzt er sein Wissen inzwischen für das „Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit“. Ein Verein, der sich mit Friedens- und Konfliktforschung beschäftigt. Dubrow: Grundsätzlich geht es vor allem darum, dass es hier ein auseinanderklaffen von öffentlicher Darstellung und Praxis gibt. Das heißt, in der Öffentlichkeit wird es häufig so dargestellt, als seien deutsche Rüstungsexporte extrem restriktiv. Dass heißt, würden wirklich nur unter ganz hohen Standards überhaupt stattfinden. Und entsprechend, um ein Beispiel zu nennen, in Konfliktregionen dürfen diese, so hört man immer wieder, gar nicht geliefert werden. Die Praxis ist eine völlig andere. Erzählerin: Nils Dubrow sitzt in einem Büro in Berlin und zeigt dem Reporter ein paar YouTube-Videos. Diesen Clip hier verortet er in Syrien. Sound: Tastatur Video: - arabisch – (Schüsse) Dubrow: Hier sieht man in den Aufnahmen einen Kämpfer in der Region Daraa. Er schießt mit diesem Gewehr über einen Hügel hinweg. Das MG3, ein deutsches Maschinengewehr. Wenn diese Waffen erst einmal im Umlauf sind, dann töten sie über Jahrzehnte und im Extremfall über ein Jahrhundert hinweg. Autor: Ein Bild aus Mexiko. Dubrow: Auch hier wieder. Das erschossene Mitglied eines mexikanischen Drogenkartells. Der Tote im Straßengraben liegend umklammert immer noch das deutsche G3. Sound: Klicken, You-Tube Video Autor: Ein Video aus Ägypten. Viele Panzer stehen in einer Reihe am Straßenrand. Dubrow: Na, das sind amerikanische Panzer. In Ägypten traditionell amerikanischer Rüstungsmarkt. Man kann jetzt aus der Perspektive nicht direkt erkennen, um welches Modell es sich handelt. Allerdings verfügen die ägyptischen Streitkräfte auch über ein amerikanisches Panzermodell, Typ M1A1-Abrahams. Dieser Panzer ist wiederum mit einer Glattrohrkanone ausgerüstet, die ursprünglich aus Deutschland stammt. Sie wurde hier im kalten Krieg entwickelt. Die Lizenz wurde anschließend an die Amerikaner verkauft und heute wird diese Waffe auf diesem Umwege dann eben in alle Regionen durch diesen Kampfpanzer exportiert. Sound: Klicken Erzählerin: Unabhängig davon: Kennen Sie Algerien? Das ist ein Land auf dem afrikanischen Kontinent, das in einer wirklich krisensicheren Region liegt. Dubrow: Drumherum stürzen überall die Regierungen. Das hielt „Rheinmetall“ nicht davon ab erst jüngst mit der algerischen Regierung den Vertrag für eine Panzerfabrik abzuschließen. Diese Panzerfabrik soll dort modernste Radschützenpanzer in erheblicher Stückzahl, viele hundert davon, herstellen. Und gerüchteweise dann von dort aus auch andere Märkte bedienen Das sind durchaus ganz aktuelle Beispiele. Autor: Und dieser Deal ist auch schon von der Bundesregierung genehmigt worden? Musik Dubrow: Das ist schon alles in trockenen Tüchern, ja. Sprecher: Düsseldorf, Geschäftsbericht der Rheinmetall AG. Zitator: Rheinmetall bekennt sich zu einem offenen Welthandel und fairen Wettbewerb sowie rechtmäßigem, sozial und ethisch verantwortungsvollem Handeln. 08. Szene Sound: Mäuse im Käfig, Büro Szech: Ja, also was man sieht ist, dass die Mäuse erst mal sehr lebendig sind. Ne, sie sind ganz neugierig und laufen da herum. Und das ist der luftdicht abgeschlossene Käfig, den man sieht und oben strömt das Gas ein. Das sieht man natürlich nicht. Aber man sieht es am Verhalten der Mäuse dass es natürlich zu einem deutlichen Effekt kommt. Die Mäuse werden mit der Zeit immer ähm... immer langsamer. Ja, das kann man jetzt schon ganz gut sehen. Die Maus hier vorne. Sehen Sie wie die schon schwankt und man kann dann auch, wenn man genau guckt sehen, dass das Herz immer langsamer und schwerer schlägt. Also mittlerweile sieht man ja ganz deutlich, die machen nur noch unkontrollierte, sehr komische Bewegungen. Ähm... und jetzt sehen Sie wahrscheinlich wie schwer die Atmung schon geworden ist. Weil dieses Gas führt zu Atemstillstand. Das ist der Zeitpunkt, wo die Mäuse tot sind und dann werden sie entsorgt. Sprecher: Institut für Volkswirtschaftslehre, Universität Karlsruhe. Nora Szech, Professorin für Politische Ökonomie. Erzählerin: Nora Szech hat gemeinsam mit ihrem Bonner Kollegen Armin Falk einen Laborversuch durchgeführt. 200 Studierende wurden zweieinhalb Tage lang an Computer gesetzt. Ihnen wurde ein Video gezeigt, in dem Mäuse vergast worden sind. Anschließend sollten sie in verschiedenen Situationen über das Leben oder den Tod weiterer Mäuse verhandeln. In jeder Situation gab es für die Studentinnen und Studenten einen Anreiz, durch die Tötung der Mäuse Geld zu verdienen. Szech: Für uns war es einfach wichtig, was zu haben, was für die meisten Leute eine moralische Übertretung bedeutet und wo die meisten Leute hinterher auch ein schlechtes Gewissen haben, falls sie sich zu dieser Übertretung hinreißen lassen. Musik Erzählerin: Das Experiment beginnt. Sprecher: Versuchsaufbau Nummer eins: „Der einfache, individuelle Markt“ – auf ihrem Computerbildschirm müssen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine einfache Entscheidung treffen. Zitator: Sie haben zwei Optionen: Option A – die Maus darf leben und Sie erhalten kein Geld. Option B – die Maus wird getötet und Sie erhalten zehn Euro. Für welche der beiden Optionen entscheiden Sie sich? Klicken Sie jetzt auf eines der beiden Optionsfelder. Sprecher: Versuchsaufbau Nummer zwei: „Der große, bilaterale Markt“ – die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die einen sind Verkäufer, die anderen Käufer. Über verbundene Computer handelt immer ein Verkäufer anonym mit einem Käufer. Zitator: Als Verkäufer erhalten Sie eine lebende Maus. Denken Sie daran, Ihnen wird das Leben eines Tieres anvertraut. Sie können gegen ein Angebot von einem Käufer dieses Tier töten lassen. Als Käufer können Sie dem Verkäufer Geld anbieten, damit die Maus getötet wird. Ihnen stehen dafür zwanzig Euro zur Verfügung. Wenn der Verkäufer zum Beispiel für zehn Euro bereit ist, die Maus töten zu lassen, können Sie die Differenz von zehn Euro behalten. Sie können durch Verhandeln ihren Gewinn steigern. Bedenken Sie, dass Sie aber nicht handeln müssen. Bitte denken Sie daran: das Geld, das Sie hier verdienen können, bekommen Sie tatsächlich ausgezahlt. Die Mäuse, deren Leben Sie verkaufen, werden wirklich getötet. Szech: Also ich musste erst mal schlucken. Wo wir die Ergebnisse gesehen haben. Ja, ich glaube in der Nacht hat keiner gut geschlafen. Sprecher: Dann der Versuchsaufbau Nummer drei: „Der große multilaterale Markt“ – hier verhandeln jeweils sieben Käufer und neun Verkäufer wie an einer Börse über das Leben der Mäuse. Zitator: Als Verkäufer können Sie anbieten, ihre Maus gegen einen zu verhandelnden Preis töten zu lassen. Dieses Angebot geht an alle Käufer gleichzeitig. Als Käufer können Sie einen Preis für die Tötung einer Maus bieten, alle Verkäufer erhalten Ihr Angebot im selben Augenblick. Verkäufer und Käufer können alle Angebote auf Ihren Bildschirmen einsehen. Musik Szech: Das, was für uns halt sehr überraschend war, dass es so drastisch war, war eben der Unterschied zwischen den Märkten und der Individualbedingung. Man hätte ja auch denken können, im Markt müssen zwei sich einig werden und sobald einer moralische Bedenken hat platzt das ganze ja schon. Zumindest in dem kleinen Markt ist das ja so. Man hätte ja auch hoffen können, dass der Markt sozusagen schützt. Dass er uns an unser Gewissen erinnern lässt und wir uns dann besser verhalten. Aber so war es nicht. Was wir gesehen haben ist, dass die Bereitschaft die Maus zu verhandeln und zu töten stieg auf etwa 75 Prozent an und das war in der Individualbedingung waren es Werte unter 50 Prozent. 46 Prozent waren bereit für zehn Euro die Maus zu töten. Und was wir in dem großen Markt auch noch gesehen haben, da hatten wir fast 80 Prozent der Verkäufer, die bereit waren die Maus zu verhandeln und zu töten. Und die Preise waren gleichzeitig unglaublich niedrig. Die lagen plötzlich bei vier, fünf Euro. Erzählerin: Die Probanden wurden Tests unterzogen, mussten Angaben über sich machen. Wer politisch rechts ist, hat weniger Probleme die Maus zu töten. Männer haben weniger Skrupel als Frauen. Religiosität sorgt für mehr Mitleid mit den Mäusen. Szech: Aber der wichtigste Faktor und das war auch der einzige Faktor, der im Markt noch schützt, alle anderen werden im Markt einfach in Versuchung geführt und handeln dann wie alle anderen. Fast alle anderen relativ gierig, möchte man sagen. Das einzige was schützt ist Intelligenz. Und das ist gerade die fluide Intelligenz, also das ist, wie gut man Informationen verarbeiten kann und so weiter. Ist nicht so sehr diese Bildungsintelligenz. Erzählerin: Was nicht automatisch heißt, dass Leute, die mit Rüstung zu tun haben, über keine fluide Intelligenz verfügen. Szech: Ich glaub das eine ist dieses Expertentum. Dass man etwas sehr gut kann und auch stolz darauf ist, dass man das so gut kann. Und das zeigen möchte. Und damit dann halb schon legitimiert, dass man der Produktion von etwas beiträgt. Solche Entschuldigungen sind ja tatsächlich sogar gefallen. Das ist jetzt hart, weil ich glaube, bei der Rüstungsindustrie muss man schon differenzierter sehen. Aber solche Argumente sind ja tatsächlich auch gefallen bei der Organisation des Holocaust. Ja, wie transportiere ich Juden effizient? Das muss man sich erst mal vergegenwärtigen. Und ich glaube, dieses Expertentum ist da wirklich ein Problem. Also wir versuchen das gerade besser zu verstehen. Adamowitsch: Das bedarf einer politischen Einschätzung. Szech: Bei der Rüstungsindustrie haben wir ja auch noch das Problem, dass da eben diese politische Legitimation ja passiert. Also das man wirklich diese Verantwortung versuchen kann abzuschieben. Und diese Logik, dass man sagen kann: Naja, es war ja auch jemand anders verantwortlich, nicht nur ich! - Das funktioniert ganz schnell. Das hilft unheimlich gut, um sich moralisch schlechter zu verhalten. Wenn es diese Legitimation aus der Politik gibt, dann kann man sich noch besser entschuldigen. Aber ich glaube, man kann ganz viel ändern. Und ich denke, dass müssen wir einfach als Bevölkerung auch initiieren. Wir leben in einer Demokratie! Musik Erzählerin: Das Experiment hat bewiesen, dass der Markt es sehr einfach macht, moralische Bedenken ins Leere laufen zu lassen. Szech: Das sind starke Befunde. Musik Nida-Rümelin: Gut, die Rüstungsindustrie muss man erst mal sagen, ist das eigentlich ein Markt? Es ist auf jeden Fall ein staatlich kontrollierter Bereich der Ökonomie. Es ist nicht allein ein Markt mit seinen spezifischen Regeln. Was die Konkurrenz unterschiedlicher Firmen angeht, das hält sich jedenfalls im nationalen Rahmen in engsten Grenzen. International sieht’s da natürlich ein bisschen anders aus. 09. Szene Sound: Panzer Besucherin: Ja, Gefühl? Laut, riecht. Nach Benzin nicht wirklich. Aber ist ein tolles Gefühl, macht Spaß. Erzählerin: Ein Feld, ein paar Sandhügel und das Regenwasser von gestern vermischen sich zu Matsch. Matsch, der darauf wartet von echten Männern und echten Frauen in alten tschechischen entmilitarisierten Panzern durch die Gegend gespritzt zu werden. Sprecher: Fürstenwalde, Brandenburg. „PanzerFunFahrschule“. Heiser: Naja, man muss sich das vorstellen. Früher war ein Panzer was geheimnisvolles, was Gefährliches. Da kam man nicht ran, hat sie nur sehr selten gesehen. Erzählerin: Axel Heiser hat vor ein paar Jahren die Panzerfunfahrschule ins Leben gerufen. Seine Zeit bei der Armee früher sieht er nicht unkritisch. Ebenso wie die Meinung der Menschen, die Rüstungsexporte kritisch sehen. Heiser: Meine Meinung dazu ist, das Deutschland damit nicht umgehen kann. Oder die Menschen in Deutschland damit nicht umgehen können. Wenn wir diese Technik nicht bauen, für irgendwelche anderen Staaten dann macht das ein anderer Staat. Der verdient damit Geld. So traurig wie es ist, aber wir brauchen in der heutigen Zeit immer noch Militär und wir brauchen auch die Technik dafür. Weil die Menschheit hat’s immer noch nicht begriffen, dass man anders leben kann. Und wenn wir es nicht produzieren, haben wir mehr Arbeitslose, wir haben weniger Steuereinahmen und so weiter und sofort. Wir sinken insgesamt in unserem Lebensstandard. Wenn wir die drittstärkste Nation sind, die weltweit die meisten Rüstungsgüter produziert und verkauft, sollten wir stolz drauf sein! Nida-Rümelin: Ja, dieses Argument ist ethisch gesehen nicht zulässig. Erzählerin: Die Sache mit dem „Wenn wir es nicht machen, macht es ein anderer Staat.“ Nida-Rümelin: Mit diesem Argument kann man alles begründen. Wenn andere Fahrräder stehlen, ist das kein Argument dafür, dass ich Fahrräder stehlen darf. Wenn andere morden, ist das kein Argument dafür, dass ich morden darf. Also dieses Argument sollte man endgültig verräumen und nie mehr verwenden. Sprecher: München, Julian Nida-Rümelin. Nida-Rümelin: Ein anderes Argument ist schon ernster zu nehmen. Nämlich das dieses Land, was nun im hohen Maße vom Maschinenbau und Exportwirtschaft abhängig ist, dass sich das von diesem Marktsektor, Marktsegment, nicht verabschieden kann. Dieses Marktsegment mit bedienen muss und möglicherweise mit dem Zusatzargument es wird hier noch vergleichsweise verantwortlich eingesetzt. Man vergleiche das mit der Rüstungsexportpolitik von Russland zum Beispiel, die weit weniger zurückhaltend ist, solche Argumente sind ernster zu nehmen. 10. Szene Sound: Küche Friederichs: Ein Argument sind ja immer die Arbeitsplätze. Wenn man sich da mal die Zahlen anguckt, also die Zahlen, die jetzt nicht unbedingt vom BDSV, also dem Verband von Herrn Adamowitsch kommen, dann sieht man halt, es geht gar nicht um so viele Arbeitsplätze. 80.000 vielleicht. Vielleicht auch weniger. In ganz Deutschland! Alles hochqualifizierte Menschen. Diplomingenieure, Facharbeiter. Wir haben Facharbeiter- und Ingenieurmangel in Deutschland. Also letztendlich reden wir über ganz wenige Menschen, die wirklich von Arbeitslosigkeit betroffen wären, wenn zum Beispiel die Rüstungsexportrichtlinien in Deutschland strenger gefasst werden würden. Das ist auch... das ist die einzige Branche in Deutschland, die ich jedenfalls kenne, die Verantwortung immer auf die Politik abschiebt, wenn es passt. Also mich reizt an der Rüstungsindustrie sozusagen das von ihr selbstverschuldete, diese Geheimniskrämerei. Diese Abgeschottetheit. Sprecher: Hamburg, Hauke Friederichs zählt zu den am Besten im Rüstungsbetrieb vernetzten Journalisten. Er hat das Buch „Bombengeschäfte“ geschrieben. Erzählerin: Das bei Georg Wilhelm Adamowitsch im Büro in Plastikfolie verschweißt auf dem Schrank steht. Friederichs: Ja, das ist oft wirklich schwer. Nicht nur mit dem Buch, auch mit Artikeln, die ich vorher geschrieben hab. Wird man sofort in die Ecke der Rüstungskritiker, der Rüstungsgegner einsortiert. Quasi automatisch. Ich ernte immer wieder erstaunen, wenn ich sage, dass ich eigentlich kein Rüstungsgegner bin. Aber das glauben die Leute erst mal nicht. Also wenn man mal negativ über „Heckler & Koch“ geschrieben hat, weil es Skandale gab, über die man dann berechtigterweise dann geschrieben hat, ja, wird man immer erst als Gegner einsortiert. Das macht die Kommunikation nicht immer einfach. Erzählerin: Aber dennoch ist es nicht unmöglich. Nur über eine Sache, will keiner so recht mit ihm ins Gespräch kommen. Friederichs: Das eine der sozusagen „Tür-zu-geh-Fragen“ ist, wenn man nach ethischen Richtlinien fragt. Es gibt ein sehr, sehr eindringliches Fernsehinterview mit dem Chef von „Krauss-Maffei-Wegmann“. Der von dem Journalisten Dominik Eggizi gefragt wird, ob denn sein Unternehmen so was wie ethische Richtlinien habe. Musik Erzählerin: Der ZDF-Reporter so: „Haben Sie eigene ethische Richtlinien?“. Frank Haun dann so: „Ja“. Der Reporter dann: „Nämlich?“. Der Chef dann: „Wir halten uns an die Spielregeln in Deutschland.“ Friederichs: Und dann druckst er furchtbar rum, kriegt Schweißausbrüche. Sagt erst ja, dann irgendwie jein. Und zeigen will er sie aber nicht. Und dann wird wieder gesagt, na das ist ja die Politik in Deutschland, die das genehmigt. Musik Erzählerin: Der Chef fängt also an mit: „Wir haben eine gewählte Regierung, Volksvertreter...“ Der Reporter fragt dann nochmal so nach: „Dann sind die ethischen Grundsätze Interna?“ Und der Chef von Krauss-Maffei-Wegmann dann so: „Ja“. Die Waffenindustrie hat also durchaus eine Moral. Doch sie ist geheim. Friederichs: Das ist natürlich hochproblematisch, wenn eine Branche selber die gesamte Verantwortung abschiebt auf Dritte. Niemand wird gezwungen einen Deal zu machen. Ich empfehle einigen der Unternehmen dringend Ethikkommissionen einzurichten. Erzählerin: Und glauben die Vorstände von großen Rüstungsunternehmen auch immer an das, was sie sagen? Friederichs: Ja, das ist eine gute Frage. Die ich auch nicht beantworten kann. Also ich kenne einige Rüstungsmanager oder ehemalige Rüstungsmanager auch ein bisschen besser. Die, wenn kein Aufnahmegerät läuft, wenn man sagt, man schreibt jetzt mal nicht mit, dann wird natürlich eine Haltung vertreten, die deutlich ambivalenter ist, als jetzt vielleicht die Aussagen von dem Herrn Adamowitsch. Generell ist es schon so, dass viele aus der Rüstungsbranche einmal davon überzeugt sind, dass sie Sicherheit produzieren. Dass die Waffen im Ausland halt missbraucht werden können, wird halt oft damit gerechtfertigt, dass man ja nur die Waffe produziert und sie ja nicht einsetzt. 11. Szene Sound: Neonröhren, Labor Sprecher: München. Email an Professor Thomas Klapötke, dem Chemiker an der Universität, der im Auftrag von US-Army, NATO und Bundeswehr an Sprengstoffen forscht. Das Motto seines Instituts: „Wissenschaft im Dienst der Erkenntnis und des Friedens.“ Erzählerin: Er arbeitet an der „umweltverträglichen Bombe“. Welche Gedanken hat er sich über die moralische Vertretbarkeit gemacht? Was, wenn seine Waffe eines Tages jemandem in die Hände fällt, für den sie nicht entwickelt worden ist? Autor: Deswegen möchte ich Sie noch einmal ersuchen, mir ein Interview für diese Radiodokumentation zu geben. Sehr gerne komme ich zu diesem Zweck bei Ihnen in München vorbei. Das Gespräch würde circa 30 Minuten in Anspruch nehmen. Zitator: Vielen Dank für Ihr Email. Leider bin ich derzeit im Wintersemester sehr eingespannt und gebe als Naturwissenschaftler auch grundsätzlich keine Interviews mehr zu Themen-Gebieten wie Moral und Ethik. Ich bitte um Verständnis. Mit freundlichen Grüßen, Thomas Klapötke 12. Szene Sound: Zeitzeichen Zitator: Brüssel - Europa sucht neue Wege der Zusammenarbeit in der kostspieligen Verteidigungs- und Rüstungspolitik. Adamowitsch: Die Bundeswehr ist kleiner geworden, die Investitionsvolumina, auch benachbarter Armeen in Europa, die nehmen ab. Zitator: Tel Aviv - Israel bemüht sich nach Medienberichten um den Kauf deutscher Raketenschiffe. Das zuständige Ministerium wollte die Berichte am Sonntag nicht kommentieren. Adamowitsch: Zu glauben, man könne jetzt weltweit sich neue Märkte erschließen. Das ist ein Trugschluss. Weil diese neuen Märkte es ja eigentlich nicht gibt. Erzählerin: Alle Staaten verfügen ja schon über ein Arsenal von verschiedensten Waffen. Es geht darum auf den bestehenden Märkten neue und innovative Rüstungsgüter zu etablieren. Adamowitsch: Alles das, was mit militärischer Ausrüstung zu tun hat, ist eine politische Entscheidung. Wobei ich aber deutlich mache, dass die allermeisten Kunden NATO-Länder sind. Das sind sogenannte NATO-ähnliche Länder. Von daher ist das völlig unstrittig im Grunde genommen, dass also hier mit politischer Genehmigung, ich sag mal im Grunde genommen, Vertragsbeziehungen hergestellt werden können. Erzählerin: Die allermeisten Unternehmen sind es auch, die Exportversionen ihrer Waffen entwickeln. Exportversionen jener Waffen, die bisher für die Bundeswehr bestimmt waren. Adamowitsch: Ja, wenn das Ausland bei uns nicht nachfragen würde, dann ähm... wäre sicherlich der Umsatz der Unternehmen geringer. Das geht mal von Jahr zu Jahr rauf und runter. Erzählerin: Manche Armeen in der EU haben ihre Panzerdivisionen abgeschafft. Friederichs: Es werden mittlerweile ja gezielt Waffensysteme entwickelt, die eigentlich nur noch für den Export taugen. Kein moderner Militärstratege kann einem erklären, wozu man noch Panzer für Panzerschlachten braucht. Und das einzige Einsatzszenario was sozusagen von allen akzeptiert wird ist halt Unterstützung von Kampfpanzern für die Infanterie. Weil so ein Panzer, wie der Name schon sagt, stark gepanzert ist. Schwer auszuschalten ist von Aufständischen. Daraufhin haben „Rheinmetall“ und „Krauss-Maffei-Wegmann“ unabhängig voneinander jeweils einen Panzer entwickelt mit verkürztem Rohr, Kanonenrohr. Sound: Internet-Video Übung Leopard 2 Friederichs: Das macht natürlich Sinn, wenn der in der Häuserschlucht fährt, ist so ein langes Rohr hinderlich, wenn er sich dreht. Diesen Panzer hat die Bundeswehr nicht gekauft. Die Bundeswehr hat zum Beispiel den Leopard 2 in Afghanistan überhaupt nicht eingesetzt. Sound: Video mit Leopard-Panzer Sprecher: Das Video einer Bundeswehr-Übung. Der Leopard 2 im Test. Stimme: Vor sich sehen Sie den Prototypen des Kampfpanzers „Leopard 2A7 Plus“, der an das erweiterte Aufgabenspektrum der Bundeswehr bei friedensschaffenden Einsätzen angepasst wurde. Durch die CAC-Kräfte kann gezielt gegen besonders aggressive Demonstranten vorgegangen werden. 13. Szene Adamowitsch: Es gibt ganz einfach aus der Geschichte der Bundesrepublik heraus einen nach wie vor erkennbaren Anteil von Menschen, die mehr mit einem pazifistischen Ansatz an die Politik herangehen. Das ist völlig in Ordnung. Dieser Auffassung muss man nicht folgen. Erzählerin: Einige Menschen fordern die Abschaffung der Rüstungsindustrie in ihrer Gänze. Manche wollen sogar die Kasernen generell schließen und finden es schwierig, dass Polizisten in Deutschland Waffen tragen. Es gibt Menschen in der Friedensbewegung, die jede noch so kleine Befürwortung von Waffen für Kriegstreiberei halten. Nida-Rümelin: Das ist zu extrem. Das finde ich einen Standpunkt, den man schlecht vertreten kann, dann muss man nämlich zugleich fordern den Austritt aus der NATO. Die NATO ist nunmal ein Verteidigungsbündnis mit wechselseitigen Unterstützungspflichten, die sehr strikt sind. Das ist eine sehr enge Bündnisverpflichtung und dass da auch der Austausch von Waffensystemen dazugehören kann, das liegt auf der Hand. Ich würde sogar so weit gehen: es ist wünschenswert, dass es das gibt, weil warum soll jedes Land – auch kleinere Länder, die in der NATO sind, eine größere Rüstungsindustrie aufbauen. Ich finde den Pazifismus als Lebenshaltung und auch als politisches Programm durchaus sehr respektabel. Es ist nicht so leicht abzutun, zu sagen, ja Kriege gehören nunmal zur Welt und deshalb müssen wir das auch hinnehmen. Kriege heißt immer: unschuldige Menschen töten Ein anderer Teil der Rüstungsgegner verurteilt vor allem die Intransparenz und Geheimniskrämerei der Waffenindustrie und der Bundesregierung. Und das scheinbar unlösbare Problem mit der Endverbleibskontrolle. Adamowitsch: Aber zu Glauben, im Grunde genommen als hätten diese NGOs, diese pazifistischen Verbände, Verbünde wie auch immer irgendwie einen nachhaltigen Einfluss auf die Politik – den kann ich, zumindest bei Wahlergebnissen und so weiter, nicht feststellen. Ich glaube eher, dass bestimmte Medien ein Problem haben. Weil ihnen nichts einfällt, ziehen sie das Thema wieder hoch, weil das so „sexy“ sein kann. Deswegen gebe ich Ihnen, die Frage an Sie zurück. Im Grunde genommen, warum Sie denn in der Beobachtung immer dieses, sag ich mal, Spitz auf Knopf so bringen. Das ist doch mehr ein Problem der Medien und weniger von uns. Autor: Weil es in Ihrer Branche ja um Leben und Tod geht. Ähm.. wie gehen Sie denn mit dieser Verantwortung um? Adamowitsch: Das hab ich Ihnen ja vorhin schon mal in einem anderen Zusammenhang dargestellt. Natürlich ist all das, was es mit ähm... was mit Waffen zu tun hat letztendlich in der Ultima Ratio ähm... leider auch dann... unter Anwendung von Gewalt kann durchaus passieren, im Grunde genommen, dass Menschen zu Schaden kommen. Das ist äh... ein schwieriges Thema. Und ähm... deswegen lege ich nochmal großen Wert darauf, dass der Einsatz und... dass die Ausrüstung von Armeen mit Waffen letztendlich in der Ultima Ratio zu solchen Problemen führen kann. Aber dass ein Großteil der eingesetzten Waffen natürlich ähm... den präventiven Charakter hat. Und das liegt in der Systematik von Verteidigungspolitik und von Einsatzdoktrinen und das ist nun mal so. Sound: Helikopter, Grillen, bellende Hunde Erzählerin: Ein unumstößliches, demokratisch legitimiertes Naturgesetz. Was bei den alten Römern galt, galt im Mittelalter und gilt auch noch heute. Musik Erzählerin: Schauen Sie, man hört ja so viel Schlechtes aus der Welt. Ich kauf zum Beispiel nicht mehr bei „KIK“. Stelle meine Bierflasche abends auf dem Weg zum Klub so hin, das sie für eine Pfandsammlerin mühelos aufzufinden ist, reduziere meinen Fleischkonsum auf ein Minimum, fahre öfter mit dem Fahrrad und finde es schlimm, was da in Syrien und der Ukraine passiert. Ich weiß, was sich gehört. Aber die Entscheidungen treffen ja letztendlich eh andere. Adamowitsch: Ich finde wir leben zur Zeit ganz gut. Absage: Die geheime Moral der Waffenindustrie. Buch und Regie: Johannes Nichelmann Es sprachen: Eva Menasse, Stephan Karkowsky, Max Mauff und der Autor Ton: Bodo Pasternak und Susanne Bronder Regieassistenz: Anja Hirsch Redaktion: Jens Jarisch Eine Produktion des Rundfunk Berlin-Brandenburg mit dem Bayerischen Rundfunk und dem Deutschlandfunk, 2014. 2