COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Deutschlandrundfahrt, 13.9.2008, 15.05 Uhr "Römer, Riesling und Radfahrer" Unterwegs auf dem Mosel-Radweg Von Nicolas Hansen Jingle „Deutschlandrundfahrt“ Opener Musik. Darüber: O-Ton Collage 1. O-Ton: Rudolf Trossen Wenn es elegant gemacht wird, dann hat man einen Wein, der sehr viele Fassetten hat, wie ein geschliffener Edelstein, der schöner aussieht, als der Rohdiamant. Musik kurz hochkommen lassen. 2. O-Ton: Hans-Joachim Kann Ich habe dadurch, dass ich zehn Jahre lang hier gegraben habe wirklich die römische Geschichte handfest kennengelernt. Ich hab hier zweitausend Münzen ausgegraben - römische. Musik kurz hochkommen lassen. 3. O-Ton: Kil Nieuwenhuizen Wir wollen eine Woche fahren. Wir sind in Koblenz angefangen und wir sind den Rhein abgefahren bis an Bingen und dann sind wir die Nahe entlang gefahren und dann haben wir eineinhalb Tage Bergetappen gemacht und dann noch zweieinhalb Tage die Mosel entlang. Musik kurz hochkommen lassen. Sprecher: Riesling, Römer, Radfahrer. Unterwegs auf dem Moselradweg. Eine Deutschlandrundfahrt mit Nicolas Hansen. Musik noch stehen lassen. Autor: Unter der Römerbrücke in Trier fließt nicht nur die Mosel, dort führt auch der Moselradweg entlang. Er beginnt in Thionville in Frankreich und führt bis zum Deutschen Eck in Koblenz. Fünf Tage lang folge ich der Mosel mit dem Fahrrad - bis zur Mündung in den Rhein. In der Tasche habe ich einen Satellitenempfänger, der einmal pro Sekunde meine Position bestimmt. Er speichert Längen- und Breitengrad und überträgt die vielen Positionsdaten metergenau in eine Landkarte. Wenn Sie wollen, können Sie jetzt gemeinsam mit mir auf diese Reise gehen. Rufen Sie dazu einfach die Internetseite der Deutschlandrundfahrt auf: unter www.dradio.de. Dort finden Sie einen Link zu der Landkarte, und auf dieser Landkarte können Sie parallel zu dieser Sendung die Strecke verfolgen, alle Fotos der Reise und die der Gesprächspartner sehen. Geräusch: Münzen fallen auf Stein Sprecherin: Hans-Joachim Kann lässt ein paar Münzen auf einen Stein fallen. Er ist promovierter Anglist und Hobby-Archäologe. Die Münzen hat er selbst unter der Römerbrücke in Trier im Schlamm der Mosel gefunden. 4. O-Ton: Hans-Joachim Kann Das sind zehn Sesterzen, vierfache Asse und dann auch Asse selbst, und das ist so das römische Normalgeld gewesen aus Bronze... (Stimme bleibt oben) Sprecherin: ...und eine Zeit lang konnte jedermann in Trier solche Funde machen. Seit 1981 ist das Gebiet um die Römerbrücke aber archäologisches Schutzgebiet und nur Wissenschaftler dürfen hier noch graben. Trier wurde schon vor Christi Geburt von den Römern gegründet. Doch schon davor waren die Kelten hier. Auf dem heutigen Stadtgebiet siedelte der keltische Stamm der Treverer. 5. O-Ton: Hans-Joachim Kann Die Kelten hatten schon große Eichenstämme in den Fluss geschlagen, Seile wahrscheinlich quer gespannt, damit man sicheren Fußes hier rüber kam und die Römer haben genau an dieser Stelle hier eine Holzbrücke gebaut, 18 vor Christi. Das ist das älteste nachweisbare Großbauwerk in Deutschland, deshalb kann sich Trier auch die älteste Stadt Deutschlands nennen und das hat also hier angefangen auf dem westlichen Ufer. Die Stadt liegt mehr oder weniger auf dem östlichen Teil mit Porta Nigra und Amphitheater, Basilika und so weiter... (Stimme bleibt oben) Sprecherin: ... die Porta Nigra, das römische Stadttor und Wahrzeichen der Stadt, die nie ganz fertig gestellt wurde oder das Amphitheater, das einst 20.000 Besuchern Platz bot: In Trier gibt es zahlreiche römische Bauten, die allesamt zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Darunter auch die Kaiserthermen, eine großflächige Badeanlage aus dem Jahre 300 nach Christi, die nie in Betrieb genommen wurde, da Kaiser Konstantin seinen Amtssitz nach Konstantinopel, das heutige Istanbul, verlegte. Bis dahin war Trier aber fast hundert Jahre lang Residenz der römischen Kaiser. Autor: Bevor ich Trier verlasse, geht es erst einmal bergauf – und zwar kräftig. Vom Petrisberg hoch über der Stadt, ist der Blick auf Trier großartig. Den Weg würde ich allerdings mit dem Fahrrad kein zweites Mal machen. Ein Bus fährt hier auch hoch. Hier oben treffe ich die Jüngsten in dieser „ältesten Stadt Deutschlands“ - meine nächsten Gesprächspartner. Sprecherin: Bevor die Römer unten am Fluß Trier gründeten, unterhielten sie auf dem Petrisberg ein Militärlager. Heute befindet sich hier die Universität von Trier. Am Freitagnachmittag, wenn die regulären Studenten den Campus verlassen haben, treiben sich hier zahlreiche Kinder herum. Sie sind alle zwischen acht und zwölf Jahren und sind auch Studenten – sie besuchen die Universität für Kinder. Unter ihnen sind auch die elfjährige Christina Werel und ihr Bruder Kai. Sie kommen seit zwei Jahren zur Kinder-Uni. 6. O-Ton: Christina Werel In der Kinder-Uni geht man ja hin für die Freizeit und, dass man da was ...- also – da geh’n halt nur Kinder hin, die da halt auch was lernen wollen. Und in der Schule muss man halt hingehen und muss man das lernen und in der Kinder-Uni kann man hingehen und kann man lernen. Sprecherin: In der Kinder-Uni gibt es jedes Jahr etwa dreißig Seminare von Wirtschaft über Jura bis zu Geistes- und Naturwissenschaften. Bei den Juristen lernen Kinder, welche Rechte sie haben. Bei den Wirtschaftswissenschaftlern verfolgen sie beispielsweise die Weltreise einer Jeans von der Baumwollernte in Amerika oder China über die Fertigung bis zum Ladentisch in Trier. Und bei den Naturwissenschaftlern besuchten Christina und Kai in diesem Jahr das Seminar „Wir machen Wind“. Ein bisschen unheimlich war Kai vermutlich schon, als er in einen Windkanal gekrochen ist. 7. O-Ton: Kai Werel Es war lang und es war rund, also nicht so groß, dass man sich da hinstellen konnte. Da muss man in die Hocke. Und dann kam Wind. (Christina weiter:) Und der Wind, wenn man im Windkanal gesessen hat, dann konnte man den – also draußen der Mann, der das gemacht hat, der konnte da die Windstärke einstellen. Sprecherin: Das Land Rheinland-Pfalz finanziert die Kinder-Uni. Es gibt nur Geld für Unterrichtsmaterial. Die Dozenten bieten die Seminare freiwillig und in ihrer Freizeit an. So kommen jährlich 30 Veranstaltungen zu Stande. Holger Kockelmann war in diesem Jahr das erste Mal dabei. Er ist - Ägyptologe. Was jetzt bei vielen Erwachsenen vielleicht ein verhaltenes und nachdenkliches „Aha“ hervorruft, sorgt bei den Kindern für große Begeisterung. Mumien, Totenkult, Pyramiden – großartig. 8. O-Ton: Holger Kockelmann Ich habe auch gemerkt während der Veranstaltung, dass einige auch schon ein gewisses Grundwissen mitgebracht haben. Aus den Medien sicherlich dann, vielleicht das eine oder andere Buch zu Hause gelesen und vielleicht auch im Land selbst gewesen, das habe ich am Anfang gefragt von der Veranstaltung. Es waren doch vielleicht ein, zwei Dutzend, die schon mal am Nil waren und die waren mit der Kultur durchaus schon etwas vertraut. Ein oder zwei waren sogar dabei, die sehr viele Details schon kannten. Es war sehr überraschend eigentlich und von daher hatten die eigentlich alle einen ganz guten Zugang zu der Materie. Sprecherin: Die Idee der Kinder-Uni stammt aus Tübingen und in Trier gibt es sie seit einigen Jahren. Die Seminare finden sowohl an der Uni als auch an der Fachhochschule statt. Christina und Kai Werel sind nur zwei von 1700 Kindern jährlich, die die angebotenen Veranstaltungen besuchen. Für die Dozenten ist es erst mal ungewohnt, sie müssen in eine neue Rolle schlüpfen: vom Hochschul- zum Grundschullehrer. 9. O-Ton: Holger Kockelmann Es ist schon ein anderes Gefühl oder eine andere Voreinstellung, die man mitbringt. Man muss sich ja doch auf anderes Publikum einstellen, aber es ist keine Hürde. Ich hab das das erste Mal gemacht. Ich hab mir natürlich zuerst das Thema überlegt, das war im Fall der Vorlesung Mumifizierung, Totenkult, Tempel und so weiter, und dann hab ich überlegt, was packt man rein an Informationen, die die Kinder wissen müssen oder sollten aber die auch gleichzeitig spannend sind. Sprecherin: Kinder-Unis gibt es nicht nur in Trier, sondern an Universitäten bundesweit. Christina und Kai freuen sich schon aufs nächste Semester und Christina sagt, in der Kinder-Uni ist vieles interessanter als in der Schule. Autor: Noch einmal genieße ich die Aussicht vom Petrisberg und dann geht es wieder hinunter in die Stadt mit ihrer lebendigen Fußgängerzone, dem Dom, ich fahre durch die Brückenstraße, vorbei am Geburtshaus von Karl Marx bis an die Mosel. An der Römerbrücke entdecke ich eine Kilometermarke direkt am Fluss. 193 Kilometer sind es von hier bis zur Mündung in den Rhein. Na dann wollen wir mal. Aus der Entfernung mache ich noch ein Foto von der Römerbrücke für die Karte im Internet. Es ist die gleiche Perspektive, aus der der Schweizer Maler Karl Bodmer die Brücke vor etwa 180 Jahren gezeichnet hat. Er war damals etwa zwanzig Jahre alt und wanderte entlang der Mosel. Seine Bilder begleiten mich auf dieser Radtour. Heute geht es erst mal bis Trittenheim. Musik Interpret: Sascha Titel: Jour de chance CD: Hide & Seek Track: 002 Komponist: Grubert, Robin / Schmitz, Sascha, Zuckowski, Alexander Text: N.N. (engl.), Holland, Claire / Jandová, Marta (frz.) LC/Best.-Nr.: 14666 WARNER / 425041-2 DLR-Archiv#: 93-07681 Autor: Die erste Etappe auf dem Moselradweg führt fast immer direkt am Fluss entlang. Nachdem ich Trier hinter mir gelassen habe, fahre ich durch kleine Dörfer. In einigen Abständen stehen am Wegesrand auf einem kleinen Sockel immer wieder runde, etwa 1,50 Meter hohe, säulenartige Steine mit Gravierungen. Ein Schild klärt auf, dass es sich um einen Leugenstein aus dem 3. Jahrhundert nach Christus handelt. Aber was ist ein Leugenstein? Sprecherin: Eine Leuge war ein Längenmaß der Kelten. Entfernungen wurden in keltischen Gebieten eine Zeit lang in Leugen gemessen statt in Meilen und eine Leuge waren 2.45 Kilometer. Was heute Kilometersteine sind, waren bei den Kelten die Leugensteine. Autor: Ich fahre weiter. Der Satellitenempfänger in meiner Tasche blinkt und empfängt fleissig meine Positionsdaten. Dunkle Wolken sind mittlerweile aufgezogen und entladen sich bei Mehrang in einem kurzen aber heftigen Regenguss. Ich mache unter einer Brücke Mittagspause. Auf der anderen Flussseite liegt Mehrang mit seinem schlichten, gelben Fährturm. Nachtisch gibt es ein paar Kilometer weiter. Kilometerlang erstrecken sich dort Brombeerbüsche am Wegesrand, die große, dunkle, süße Früchte tragen. Auch andere Radfahrer haben angehalten und naschen von den Zweigen. Und im nächsten Ort, in Detzem, mache ich die Bekanntschaft von Beckey und Archie Crow. Sprecherin: Die beiden stammen aus Fort Worth in Texas und sind extra zum Fahrradfahren nach Deutschland gekommen. 10. O-Ton: Archie Crow In 1993 habe ich in Trier gearbeitet für einen Sommer mit einem Architekt. Ich bin ein Architekt. So, ich habe Mosel gesehen und diese Teil Deutschland. Sprecherin: Beide wirken sehr sportlich. Beckey erzählt, sie ist Professorin für Sportmedizin an der Universität von Arlington in Texas. Sie kommt gerne hier her, weil das Radfahren hier so viel schöner ist als zu Hause. Dort gibt es mehr Menschen, mehr Autos und mehr Industrie, meint sie. Hier ist alles viel grüner und etwas kühler, einfach schöner. Und Archie fügt hinzu, dass in Texas zurzeit über 40 Grad Hitze seien und dass sie auch am Fluss leben, dort Rad fahren, aber es sei nicht so grün wie hier. 11. O-Ton: Beckey Crow [engl.] More people, more cars, more industry. This is much greener, cooler, more beautiful. (Archie weiter:) In Texas right now it’s over a hundred degrees Fahrenheit and we live on a river and bicycle on a river but it’s not as green as this river. Sprecherin: Die beiden wollen auch bis nach Koblenz, dann weiter nach Köln und von dort mit dem Schiff den Rhein entlang. Schließlich mit dem Zug nach Frankfurt und zurück nach Texas. Dort, wo wir leben, sagt Archie, haben wir eine monatliche Fahrradtour organisiert. Es gibt dort einige Parks und den Fluss, wo wir fahren. 12. O-Ton: Archie Crow [engl.] Where we live, we have organized a monthly bicycle ride. We live near some parks and near the river and we ride down the river. We do it a lot but we’ve organized a monthly ride with our little neighborhood we live in. And the rides are only about ten miles which would be about 16 Kilometer. We’ve encouraged a lot of people to go with us and they say, well, that’s too far. I can never ride a bicycle that far. Sprecherin darüber: Wir fahren dort oft, sagt er, aber wir haben diese Gruppe aus der Nachbarschaft mit denen wir so 10 Meilen fahren, also etwa 16 Kilometer. Sie wollten, dass möglichst viele mit ihnen fahren, aber die sagen alle, das sei zu weit. So weit könnten sie nicht auf dem Fahrrad fahren. 12. O-Ton: Ende (Beckey:) And the one person who rides with us all the time is a lady from Germany. Sprecherin: Und Beckey fügt hinzu, die einzige, die immer mit ihnen komme, sei eine Frau aus Deutschland. Autor: Rechts und links an den Hängen stehen jetzt überall Weinstöcke. Es geht zum Teil sehr steil bergauf und jeder noch so kleine Felsvorsprung ist mit Wein bepflanzt. Trittenheim ist mein Tagesziel. Auf Empfehlung meiner Wirtin mache ich abends noch eine kleine Wanderung durch die Weinberge. Die Mosel macht hier eine enge Schleife und von der gegenüberliegenden Flussseite hat man eine schöne Aussicht auf Fluss und Landschaft. Für die Karte im Internet mache ich noch ein paar Fotos vom Sonnenuntergang und auf dem Rückweg begegnen mir zwei Männer. Einer von ihnen ist Erik van Duijn. Er ist Weinhändler vom Eisselmeer, der hier Winzer besucht, mit denen er zusammenarbeitet. Der Weinberg in dem ich ihn treffe, ist nicht irgendein Weinberg, sagt Erik van Duijn. 13. O-Ton: Erik van Duijn Das ist die Trittenheimer Apotheke. Und das ist eigentlich einer der besten Weinberge hier von Trittenheim, hier in die Gegend so. Ein berühmte Weinberg mit auch viel Steillagen, kann man sehen Steillagen und da gibt’s, wenn man es gut bearbeiten kann, gute Weine. Zum Beispiel von ältere Rebstock auch und das ist natürlich immer interessant für einen Weinhändler, mal einen schönen Weinberg zu sehen. Sprecherin: Er erzählt, dass er zunehmend mehr Bio-Wein im Sortiment haben muss. Bio-Wein muss nicht gut sein, aber es können gute Weine sein, sagt er. 14. O-Ton: Erik van Duijn Wenn ein Wein natürlich angebaut wird, dann kommt das eigentlich, das terroire besser raus, sagt man. Dann spürt man besser, wo der Wein herkommt. Zum Beispiel: überall auf der Welt gibt’s zum Beispiel Chardonnay und das wird gemacht von großen Betrieben: Chile, Afrika, Frankreich, Australien. Und eigentlich, wenn das von der Produktion aus so mit den großen Betrieben gemacht wird und nicht biologisch, dann spürt man kaum, wo der Chardonnay herkommt. Aber wenn man einen Chardonnay macht auf unterschiedenen Boden, dann kann man spüren! Deswegen ist auch wichtig, denke ich auch für den Weinbau hier, um wieder entsprichungsvolle Weine zu machen und das kann ja mit biologischen Anbau. Sprecherin: Erik van Duijn lässt sich aber nicht von den großen Namen verleiten. Er weiß, nur eine gute Weinlage macht noch keinen guten Wein. Viel hängt davon ab, wieviel Arbeit der Winzer in seinen Wein steckt. Deshalb will er wissen, wie die Winzer arbeiten, von denen er seinen Wein kauft. Am nächsten Tag hat er einen Termin bei einem Winzer in Piesport. Autor: Der junge Schweizer Maler Karl Bodmer, der auf dieser Reise mein Begleiter im Geiste ist, zeichnete den Ort auf seiner Wanderung entlang der Mosel um 1830. Seine Bilder sind kaum größer als eine Postkarte aber von faszinierendem Detailreichtum. Die Originale werden im Mittelmoselmuseum in Traben-Trarbach gehütet. Was in Bodmers Tagen noch unentdeckt war, ist die römische Kelteranlage in Piesport. Die Geschichte über diese 1700 Jahre alte Anlage können Sie jederzeit auf unserer Internetseite hören. Neben einem Link zu diesem Beitrag finden Sie dort auch einen Link zu der Landkarte mit der Reiseroute, zu den Fotos von der Radtour und denen von den Gesprächspartnern. Die Deutschlandrundfahrt finden Sie im Internet unter www.dradio.de. Musik Interpret: Valo, Ville Avelon, Natalia Titel: Summer Wine CD: Summer Wine Track: 001 Komponist: Hazlewood, Lee Text: Hazlewood, Lee LC/Best.-Nr.: 14666/Warner Music International / 119191-2 DLR-Archiv#: 92-68291 Autor: Auf dem Moselradweg von Trier nach Koblenz ist verhältnismäßig viel Verkehr. Mir begegnen häufig Radfahrer - paarweise, in kleinen Gruppen, ältere, die ihr Gepäck zum nächsten Hotel vorausschicken lassen und jüngere Leute mit Zelten. Die Route verläuft abseits der Straße, vorbei an Weinfeldern und Streuobstwiesen. Von Piesport fahre ich immer auf der rechten Flussseite über Wintrich nach Brauneberg. Schon von weitem ist der Kirchturm von Brauneberg zu sehen. Auf dem Bild, das der Maler Karl Bodmer vor etwa 180 Jahren von Brauneberg malte, sind drei Männer in einem kleinen Boot zu sehen, die im seichten Uferwasser ihre Netze einholen. Besonders die Uferlandschaft hat sich seit den Tagen Karl Bodmers deutlich verändert. Heute wird die Mosel aufgestaut, um sie besser schiffbar zu machen. Die kleinen Buchten und das flache Uferwasser gibt es dadurch nicht mehr und die niedrige Vegetation in Ufernähe ist der Landwirtschaft gewichen. Die Veränderungen werden auch ein paar Kilometer weiter in der Doppelstadt Bernkastel-Kues deutlich. Bernkastel liegt auf der rechten Flussseite, Kues auf der Linken. Bodmer zeichnete das St.-Nikolaus-Hospital in Kues vom Bernkasteler Ufer aus. Im Vordergrund wieder das flache Ufer, ein paar Kähne, Fuhrwerke und Menschen. Heute ist hier eine richtige Kaimauer, darauf ein asphaltierter Parkplatz und ein Anleger für Ausflugsschiffe. Geblieben ist das St.-Nikolaus-Hospital. Sprecherin: Das Gebäude ähnelt einem Kloster. Es gibt eine Kapelle, einen Kreuzgang und Zimmer für 33 Bewohner. Es war als Armenhospital geplant. 33 abgearbeitete, alleinstehende Männer sollten hier im Alter ihren Lebensabend verbringen können. Seit seiner Fertigstellung im Jahre 1458, seit 550 Jahren, dient das Hospital nun als Altenheim. Nikolaus von Kues, der Stifter, hat den Bau nie selbst gesehen. Er lebte als Kardinal in Rom, wo sein lateinischer Name Cusanus lautete. Er habe jedes Detail selbst verfügt, heißt es. Das Heiligtum der Anlage liegt über der Sakristei: die bedeutende Cusanus-Bibliothek. Hinter dicken, feuerfesten Türen lagert ein wahrer Schatz und Winfrid Johann hat den Schlüssel dazu. 15. O-Ton: Winfrid Johann Die ältesten Bücher, die der Cusanus in der Bibliothek hat sind aus dem neunten und zehnten Jahrhundert, die waren also schon mehrere Hundert Jahre alt, als er sich selbst diese Schriften besorgt hat und dann geht es natürlich bis in die Zeit in der er lebte. Es sind also auch Bücher hier in der Bibliothek, die eigens für Nikolaus Cusanus geschrieben worden sind. Wir können uns das gleich dahinten ansehen. Zum Beispiel die Predigten des Nikolaus von Kues, die stehen hier. Man sieht die sind ganz einfach zusammen gebunden, Sermones, denn es gibt fast dreihundert Predigten des Cusanus, die hier im Konzept festgehalten sind und zwar in Latein, außer einer: die Vater-Unser-Erklärung, die ist in Moselfränkisch. Sprecherin: Der Raum hat einen quadratischen Grundriss, in der Mitte eine Säule, an der Decke ein Kreuzgewölbe mit Schlusssteinen. Einer zeigt das Krebswappen, denn mit bürgerlichem Namen hieß Cusanus Nikolaus Krebs. An den Wänden Bücherschränke mit Glastüren. Dahinter die jahrhundertealten Schriften. 16. O-Ton: Winfrid Johann Zu erst die Bibel, natürlich komplett, und zwar in Latein und auch zum Teil in Griechisch. Dann kommen die Kirchenväter, die also Erläuterungen zu dem Inhalt der Bibel gegeben haben. Dann gibt es hier, weil der Cusanus ja auch als Philosoph tätig gewesen ist die Philosophen Aristoteles, Platon und so weiter. Dann sind die Werke von Cusanus selbst sind dann hier, einmal die Predigten, dann aber auch Bücher von den Handschriften, die er geschrieben hat – also von der De docta ignorantia oder De quaerendo Deo...(geht weg und blättert) Sprecherin: Winfrid Johann ist gewissenhaft und schaut schnell noch mal in einem Buch nach dem richtigen Titel. 16. O-Ton weiter: ...äh, ja... De coniecturis, De quaerendo Deum, De filiatione Dei und so weiter bis zu den vier Büchern De Idiota – über den Laien, gell? Specherin: Der Buchdruck war noch nicht erfunden, daher sind alle Bücher von Hand geschrieben, Buchstabe für Buchstabe akribisch gemalt, liebevoll und aufwendig verziert. Zu Cusanus Zeit waren Bücher Schmuck, Prestigeobjekt und erst dann Informationsquelle. Atmo: Straße Nikolausufer unterlegen Autor: Ich weiß jetzt, dass dieser Cusanus oder Nikolaus von Kues Kardinal in Rom war, aber was war er für ein Mensch? Ich werde zu Anna Reuter geschickt, steige aufs Rad und fahre das, wie sollte es auch anders heißen, Nikolausufer entlang zum Cusanus Geburtshaus, das an einer vielbefahrenen Straße liegt. Eine ältere Frau öffnet die Tür und macht zunächst einen ziemlich abweisenden Eindruck. Naja, denke ich mir, du stellst deine paar Fragen zum Thema und dann bist du wieder weg. Doch dann sitzen wir in einem gemütlichen, kleinen Innenhof und Anna Reuter beginnt zu erzählen. Sie ist 81 Jahre alt und weil sie wenig Geld hat, tauscht sie die Besucherführungen gegen Miete. Als sie hier vor 20 Jahren hier einzog, wusste sie auch noch nicht, wer dieser Nikolaus von Kues ist. 17. O-Ton: Anna Reuter Es gibt ja das Institut für Cusanus Forschung, das ist ein Teil der Theologischen Fakultät in Trier und da hab ich sofort mich eingetragen. Im Winter, da ist ja recht still. Da hab ich nur nachmittags offen und jeden Winter mach ich ein Semester, nicht? Im Sommer mach ich nur so, geh ich zu Vorträgen oder wenn Symposien sind, gerade waren wir in Finnland, riesige, wunderschöne Tagung in Finn... – hmmm es war toll... (lacht, Stimme bleibt oben) Autor: An der Universität lernte sie, dass Nikolaus, wie sie ihn mittlerweile liebevoll nennt, der Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns und Schiffers war. Er lebte nur bis zu seinem sechszehnten Lebensjahr in Kues und ging dann zum Studium nach Padua in Italien, studierte römisches-, später germanisches Recht und schlug eine kirchliche Laufbahn ein. Und in der Kirche machte er Karriere. Anna Reuter studiert seit 20 Jahren das Leben von Cusanus und ist mittlerweile eine angesehene Cusanus-Expertin. Wann immer sie Zeit hat, bildet sie sich weiter, besucht Seminare und liest. 18. O-Ton: Anna Reuter Und dann gibt’s diese wunderschönen Bücher alle und dann diese Autoren, diese Professoren jeder schreibt’n Buch oder zwei und dann bringen sie die mir und dann muss man die doch lesen, nicht? Inzwischen bin ich befreundet mit großen Historikern und, und, und – sie reden mit mir, wie mit einem Professor, nicht? Und eine Menge Anfragen bekomm ich von anderen Leuten, Studierenden oder die ihre Doktorarbeit über Nikolaus von Kues schreiben und das ist, diese, dies Treffen mit den Leuten, diese Beziehungen, die man hat, das ist ein großes Glück und eine große Freude für einen. Was meinen Sie, was ich für nette Leute kenne, die immer wieder kommen oder jetzt mit Finnland, wenn ich Ihnen diese Geschichte erzähle mit Finnland – nein, das dauert zu lang, das sind so tolle Sachen, wissen Sie, nicht? Voriges Jahr waren wir in Petersburg. Es gibt ja inzwischen in der ganzen Welt Cusanus-Gesellschaften. Und ganz befreundet bin ich ja mit diesem japanischen, mit dem Herrn Yamaki, mein Freund Professor Yamaki. Die haben 64 Mitglieder in Tokio. Autor: Eins ist sicher: es mag eine Reihe Gelehrter geben, die mir sicherlich vieles über Nikolaus von Kues hätten erzählen können, aber niemand kann so begeistert und so leidenschaftlich über Cusanus reden, wie die 81jährige Anna Reuter. Musik Interpret: El Perro del Mar Titel: God Knows (you gotta give to get) CD: El Perro del Mar Track: 002 Komponist: El Perro del Mar Text: El Perro del Mar LC/Best.-Nr.: 01801 V2 / M 11038552 DLR-Archiv#: 92-53138 Autor: Die Moselregion ist eine der wichtigsten Weinbauregionen in Deutschland. Ich fahre mit dem Fahrrad von Trier entlang der Mosel bis nach Koblenz. In Trittenheim war mir der holländische Weinhändler Erik van Duijn begegnet. Er hat mich auf eine Idee gebracht. Bio-Wein wird immer beliebter hat er erzählt. Doch wie schützen Weinbauern ihre Reben, wenn sie keine Chemie einsetzen dürfen? Ich besuche das Julius-Kühn-Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau oder kurz: die Biologische, wie man in Bernkastel-Kues sagt. Auf vielen Büroschreibtischen stehen Fotos von der Ehefrau, den Kindern, dem Hund, vom Haus mit Garten oder vom eigenen Boot. Nicht so bei Dr. Michael Maixner. An der Wand hängt ein Riesenbild, von dem man ahnt, dass es sich um eine Vergrößerung aus dem Mikroskop handelt. 19. O-Ton: Michael Maixner Was Sie da oben sehen, ist eine Raubmilbe, das ist ein kleines Spinnentier, also eine Milbe, die für den Weinbau als Nützling sehr wichtig ist. Sprecherin: Darum geht es hier: den Pflanzenschutz so effektiv wie möglich zu machen und dabei wenig Chemie einzusetzen. Früher gab es Winzerschulen. Schon die experimentierten mit dem Schutz der Weinreben. Später wurden Forschungseinrichtungen gegründet, die in den Weinbauregionen gezielt Methoden entwickelten, um Schädlinge zu bekämpfen. Im 19. Jahrhundert wurden die Reblaus oder verschiedene Pilzkrankheiten aus Nordamerika eingeschleppt, die über Frankreich auch nach Deutschland kamen. 20. O-Ton: Michael Maixner Ein neues Problem oder ein relativ neues Problem im deutschen Weinbau ist die Schwarzfäule, die aber im konventionellen Weinbau jetzt aber weitgehend im Griff ist, im ökologischen Weinbau gibt es da noch recht große Probleme und zu diesem Aspekt haben wir ein Verbundforschungsprojekt mit anderen Anstalten, das von uns koordiniert wird und wo wir uns auch um die Bekämpfung im Freiland kümmern. Sprecherin: Das ist das Arbeitsgebiet von Bernd Loskill. Der Biologe steht draußen im institutseigenen Weinberg. 21. O-Ton: Bernd Loskill Sie sehen hier einen Rebstock, der ist von der Schwarzfäule befallen, einerseits die Blätter, andererseits die Trauben und hier kann man dann deutlich diese braunen Flecke erkennen, diesen deutlichen schwarzen Rand und wenn man sich das genauer anschaut, sieht man dann auf dem inneren Bereich diese kleinen Fruchtkörper. Sprecherin: In den Labors werden neue Mittel entwickelt doch bevor diese zum Einsatz kommen, werden sie im Gewächshaus getestet. Sind sie dort erfolgreich, müssen sie im Freiland beweisen, was sie können. Doch so einfach wie mit chemischen Mitteln ist die natürliche Bekämpfung der Schwarzfäule nicht. 22. O-Ton: Bernd Loskill Es ist schwierig und relativ aufwendig, also man muss halt relativ oft behandeln mit Mitteln wie zum Beispiel Schwefel und Kupfer – also beide Mittel zeigen eine Wirkung gegen den Pilz, aber die ist im Vergleich zu konventionellen Mitteln doch nicht so optimal ist. Sprecherin: Die Wissenschaftler vermuten, dass die Schwarzfäule durch brach liegende Flächen verbreitet wird. Dort kann sich der Pilz ungehindert entwickeln, denn dort wird er nicht bekämpft. Außerdem ermutigen sie Winzer schon bei ersten Anzeichen, die befallenen Blätter und Trauben herauszusammeln, damit sich der Pilz nicht weiter ausbreitet. Geräusch: Sense unter Sprecherin legen Direkt am Radweg, nur etwa 15 Kilometer von Bernkastel-Kues entfernt, liegt der Weinberg von Rudolf Trossen. Er ist Öko-Winzer und einer, der hofft, dass bald ein ökologisches Mittel gegen die Schwarzfäule gefunden wird. 23. O-Ton: Rudolf Trossen Ich hab die Lehre gemacht im elterlichen Betrieb, weil ich als Arbeitskraft ja auch gebraucht wurde, hab mit zwölf angefangen, den Pflanzenschutz komplett zu machen. Also ich hab an der Spritzpistole gestanden und hab alles an Chemikalien, was damals eingesetzt wurde hab ich sozusagen eingeatmet und hab dann so mit 14, 15 dann angefangen mehr und mehr Fragen zu stellen, ob das denn richtig sei. Sprecherin: Als Rudolf Trossen den elterlichen Betrieb übernahm, entschied er sich für den ökologischen Landbau. Doch das war gar nicht so einfach. Im Dorf stieß er auf Widerstand, weil er plötzlich etwas anders machte. Doch Widerstand war genau das, womit er als junger Mann gut umgehen konnte. Er selbst war ein linker Rebell, ein Joschka Fischer der Winzer, engagierte sich in der Umweltschutzbewegung, kämpfte auch gegen Atomenergie. Doch fachlich fehlte es damals noch an Kenntnissen. Ein Kollege, erzählt Trossen, hat mal gesagt, sie hätten keine Kunden gehabt, sondern Sympathisanten. 24. O-Ton: Rudolf Trossen Erst später hat man dann rausgefunden, dass es geschickt ist, wenn man einen Wein, der eine opulente Säure hat auch mit einer gewissen Restsüße harmonisiert. Die Süße ist dann weniger wahrnehmbar aber die Säure auch. Also man hat, wenn es elegant gemacht wird, dann hat man einen Wein, der sehr viele Fassetten hat, wie ein geschliffener Edelstein, der schöner aussieht, als der Rohdiamant. Aber muss man sehr vorsichtig und mit viel Gefühl agieren im Keller und das musste man auch erst lernen. Sprecherin: Trossen liebt seinen Beruf, er ist mit Leidenschaft Winzer. Er sitzt vor seinem Haus, die Haare sind nicht mehr so lang wie früher und grau sind sie auch geworden, die Augen vermutlich nicht mehr so kämpferisch wie damals. Er wettert, wenn auch mit ruhiger Stimme gegen die industriell gefertigten Weine. Er spricht von Trinkmarmelade und fragt, ob man Wein herstellen dürfe, wie Coca-Cola. 25. O-Ton: Rudolf Trossen So hat man auch hier dann Weine, die einen gewissen Mangel an Originalität haben, die keine Persönlichkeit haben, die wohl dann irgendwie schmecken nach irgendwas und dieses Schmecken nach irgendwas möchte man in diesen Fabriken unter Kontrolle bringen und dazu benützt man Maschinen. Eine davon ist ein sogenannter Fraktionator. Dieses Gerät zerlegt den Wein in seine einzelnen Bestandteile. Säuren oder die Mineralien, die im Wein sind aber auch diese Geschmacks- und Geruchsanteile, die werden so auseinander- so wie so’n Setzkasten und man kann den Wein virtuell neu zusammensetzen. Der wird jetzt je nach Marktsegment, was man ansteuert im Verkauf – sagen wir mal man möchte ne Note, die nach Johannisbeer oder nach Brombeer oder nach Himbeer – andere Geschmacksnuancen dareinkriegen, nimmt jetzt keine synthetischen Aromen, sondern nimmt Aromen, die man aus einem anderen Wein, den man eben zerfleddert, dort nimmt man die praktisch heraus und setzt die in diesen Wein, den man nachher verkaufen will zu. Sprecherin: Umstritten aber legal. Erfolg wird auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner gemacht. 26. O-Ton: Rudolf Trossen Die Weine, die so hergestellt werden, sind ja schon auf dem Markt und das sind opulente Geschosse, das sind – perfekt. Das ist dasselbe wie – Playboy-Weine, also wo man ja auch, wenn man diese Magazine sieht genau weiß, da ist jetzt nachgeholfen worden. Da wurde mit Implantaten nachgeholfen und dann noch retuschiert, sodass man ein Kunstprodukt – und da geht der Streit los: ist das noch Wein nach unserem Verständnis? Autor: Wir sitzen vor seinem Haus auf der Bank und Rudolf Trossen fragt mich, ob er sich Musik für die Sendung wünschen dürfe. Ich sage, ja natürlich. Doch dann fällt ihm kein Titel ein. Nur eine Stunde nachdem wir uns verabschiedet hatten, kam eine e-mail von dem alten Kämpfer: Rio Reiser – „Wann?“ Musik Interpret: Rio Reiser Titel: Wann? CD: Das Beste von Rio Reiser – König von Deutschland Track: 002 Komponist: Rio Reiser Text: Rio Reiser LC/Best.-Nr.: 00162 / Columbia / 476590-2 DLR-Archiv#: 9050759 Autor: Die Mosel windet sich durch das hügelige Land zwischen Trier und Koblenz. Der Fahrradweg am Ufer verläuft fast immer in Sichtweite zum Fluss, er ist gut ausgebaut, verläuft ohne nennenswerte Steigungen; mein Sattel und mein Po scheinen auch langsam Frieden zu schließen. In Traben-Trarbach steht ein herrschaftliches Haus am Radweg. Eine Tafel am Haus erinnert an den Besuch Goethes, der hier zu Gast war nachdem er in den Fluten der Mosel bei peitschendem Sturm und hohen Wellen beinahe in Seenot geraten wäre, wie es sich in den Dichter-Erinnerungen lesen lässt. Sprecherin: Während man in Traben-Trarbach auf die zahlreichen Jugendstilgebäude stolz ist, scheint ein Kleinod vernachlässigt zu werden. Die ehemalige Villa der Kaufmannsfamilie Böcking beherbergt heute das Mittelmoselmuseum. Christoph Krieger zeigt stolz, was das Museum zu bieten hat und erzählt viele Geschichten und Anekdoten aus der Geschichte des Hauses. Das Museum hat in den letzten Jahren eine 180-Grad-Wende vollzogen, von einem Null-Acht-Fuffzehn-Heimatmuseum zu einem Haus mit einem erkennbaren Konzept. (Atmo von O-Ton 41 unterlegen) Gezeigt wird die bürgerliche Wohnkultur des 18. und 19. Jahrhunderts. Christoph Krieger führt zunächst durch die Belle-Étage mit dem Musikzimmer. 27. O-Ton: Christoph Krieger (spielt am Klavier) Das ist ein Hammerflügel, technisch also das, was man auch heute noch bei Instrumenten hat, vom Klang her klingt es ja bei weitem noch nicht so wie heutige Klaviere oder Flügel. (spielt auf Klavier, darüber Sprecherin) Sprecherin: In den anderen Räumen zeigt das Museum ebenfalls antike Möbel, darunter viele Raritäten und auch Kuriositäten. Als Schmuck an einigen Wänden, Delfter Kacheln. Doch erst wenn Christoph Krieger die Exponate erklärt, werden viele Zusammenhänge deutlich. 27. O-Ton weiter: (bricht Klavierspiel ab) Na, da hakt’s schon. Ja, ganz einfach: heute haben Sie in einem Flügel einen Stahlrahmen drin. Das heißt die Seitenspannung ist heute wesentlich höher, als bei diesem Instrument. Obwohl es ganz erstaunlich ist, wenn wir die Kräfte, die hier Wirksam sind aufaddieren, hängt hier ein Zug von knapp drei Tonnen dran – und das jetzt seit fast 200 Jahren. Atmo Museum Sprecherin: Krieger hat nicht nur ein Konzept in dieses Haus gebracht, sondern bringt auch Leidenschaft, Engagement und vor allem Sachkenntnis mit. (Geräusch Schließen kurz aufblenden) Viele schöne Dinge, die das Museum zu bieten hätte, können zur Zeit nicht gezeigt werden, weil einige Räume nicht renoviert sind – so auch die Bibliothek. Krieger öffnet eine kleine Schachtel, zieht sich weiße Handschuhe an und schlägt das Seidenpapier auf. Vorsichtig entnimmt er ein Paspartout. Das sind sie: die Originalzeichnungen von Karl Bodmer. 28. O-Ton: Christoph Krieger Bodmer ist ja eigentlich in den USA fast bekannter als hier wegen seiner Indianerdarstellungen. Wo die dann wieder überrascht sind, dass er auch darüber hinaus was gemacht hat. Das sind jetzt die Originale und die Kostbarkeit, die wir haben – wir haben fünf der originalen, kupfernen Druckplatten von Bodmer. Sprecherin: Bodmer wurde nach seiner Moselreise 1832 von Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied engagiert, um ihn als wissenschaftlicher Zeichner auf einer Reise nach Nordamerika zu begleiten. 400 Skizzen und Aquarelle entstanden auf dieser Reise. Sie dokumentieren die Landschaft der Prärie und die Lebensweise der Indianer westlich des Mississippi. Musik Interpret: UB 40 Titel: Red Red Wine CD: The very best of UB 40 – 1980-2000 Track: 001 Komponist: Neil Diamond Text: Neil Diamond LC/Best.-Nr.: 03098 Virgin / 850424-2 DLR-Archiv#: 91-55748 Autor: Traben-Trarbach mit seinen Jugendstil-Häusern liegt hinter mir. Vor mir: der Moselradweg bis nach Koblenz. Zum ersten Mal ist der Radweg unbefestigt und er führt leicht bergauf. Auf einer Anhöhe in einem schönen Buchenwald mache ich Pause, setze mich auf einen am Boden liegenden Baumstamm und blicke hinab auf die Mosel. Kurze Zeit später bekomme ich Gesellschaft. Kil und seine Begleiterin Betty. Die beiden stammen aus Haarlem in den Niederlanden. Betty sagt, die Berge machen ihr etwas zu schaffen. 29. O-Ton: Betty Postma Die Natur ist schöner hier, find ich. Aber etwas schwieriger, wenn man an Höhe musste. Aber es ist schöner. Es ist mehr Natur. In Holland wird schneller wieder Industrie oder etwas. Und hier kann man weiter sehen. 30. O-Ton: Kil Nieuwenhuizen Wir wollen eine Woche fahren, wir sind Nähe das Ende. Wir sind in Koblenz angefangen und wir sind den Rhein abgefahren bis an Bingen und dann sind wir die Nahe entlang gefahren und dann haben wir eineinhalb Tage Bergetappen gemacht durch den Hunsrück und dann noch zweieinhalb Tage die Mosel entlang. Autor: Wir fahren weiter. Die beiden sind deutlich schneller unterwegs, denn sie fahren nicht in die Ortschaften mit ihren kleinen Straßen und gemütlichen Straußwirtschaften, wo Kleinigkeiten zu essen und Wein serviert werden. Ich verbringe die nächste Nacht in Cochem und fahre weiter Richtung Koblenz. Beilstein ist so ein kleiner Ort: kleine Häuser, enge Gassen und ein gemütlicher Marktplatz mit zahlreichen Cafés. (leichte Musik unterlegen) Der Radweg führt jetzt leider viel an der Bundesstraße entlang, deshalb wechsele ich auf die linke Moselseite. Hier führt er über kleine Straßen und schließlich wieder durch Weinfelder. Die Strecke ist wieder durchgängig asphaltiert, es geht leicht bergab, die Sonne scheint und ich freue mich auf Koblenz, wo die Mosel in den Rhein fließt. (Musik abreißen lassen, evtl. metallisches Geräusch) Plötzlich trete ich ins leere. Mir ist sofort klar, meine Kette ist gerissen. Sie liegt etwa fünf Meter hinter mir auf dem Weg. Ein kurzer Blick: reparieren ist aussichtslos. Ärgerlich. 15 Kilometer vom Deutschen Eck entfernt muss ich mit dem Zug weiterfahren. Doch dorthin will ich auf jeden Fall. (Atmo Deutsches Eck unterlegen) Und angekommen sehe ich viele Radfahrer – alle mit Packtaschen, einige fahren den Rhein entlang, andere die Mosel. Von weitem beobachte ich eine Familie, die sich gegenseitig in den Arm nimmt. Ich gehe hin, frage nach dem Grund der Freude und lerne Familie Flade aus Meckesheim kennen. 31. O-Ton: Isolde Flade Wir sind die letzten vier, fünf Tage von Metz an der Mosel entlang bis hierher mit dem Rad gefahren und wir haben uns deswegen umarmt, weil wir es ohne Platten und ohne Regen geschafft haben. Sprecherin: Das Deutsche Eck hat seit jeher Symbolkraft. Mosel und Rhein fließen hier zusammen. Benannt ist das Deutsche Eck nach dem Deutschen Orden, der hier im 13. Jahrhundert das Deutschherrenhaus errichtete. Ende des 19. Jahrhunderts wurde am selben Ort das monumentale Reiterstandbild von Kaiser Wilhelm I. errichtet, über das Tuchcholsky einmal schrieb, es sehe aus, wie ein riesiger Tortenaufsatz. Autor: Familie Flade hat mittlerweile auf einer Bank Platz genommen und Brote ausgepackt. Froh, das Ziel erreicht zu haben, denkt Gregor Flade zurück, was sie alles gesehen haben. 32. O-Ton: Gregor Flade Zum Beispiel gibt’s auf der Mosel ein richtiges Römerboot, ein nachgebautes. Und es gibt ganz tolle Städte, viel Tourismus aber auch sehr, sehr ruhige Fleckchen und sehr, sehr schöne Radwege – bis auf die letzten Kilometer, die etwas an der Straße entlang gingen. Aber es gibt wirklich sehr schöne Fleckchen hier. Autor: Und auch Tochter Felicitas konnte der Reise etwas Gutes abgewinnen, obwohl ihre Eltern sie zu dieser Tour zunächst überreden mussten. 33. O-Ton: Felicitas Flade Wir haben ab und zu auch mal ein Glas Moselwein getrunken und das ist frisch vom Winzer gekommen. Wir sind die ganze Zeit an den Weinbergen vorbeigefahren, man hat gesehen, wo es herkommt und der Wein war sehr frisch und hat besonders gut geschmeckt. Autor: Die Flades sprudeln nur so. Was der eine erzählt, weckt Erinnerungen beim nächsten. Wir sitzen auf der Bank am Deutschen Eck und erzählen uns unsere Erlebnisse und auch ich erinnere mich an die vielen schönen Momente dieser Reise. Musik schon unter Autor legen. 34. O-Ton: Christoph Krieger Goethe hat an dem Feldzug teilgenommen, um, wie er es selber formulierte, das Kanonenfieber mal am eigenen Leibe zu erfahren und als der Ende Oktober in Trier ankam, wollte er nur eins: möglichst schnell weg. Musik kurz aufblenden 35. O-Ton: Christina Werel Ich finde da lernt man andere Sachen, weil in der Schule, da geht man ja nicht in den Windkanal oder so und da macht man auch nicht so Sachen, wie hier in der Kinder-Uni. Musik kurz aufblenden 36. O-Ton: Anna Reuter Und eine Menge Anfragen bekomm ich von Studierenden oder die ihre Doktorarbeit über Nikolaus von Kues schreiben und diese Treffen mit den Leuten, diese Beziehungen, die man hat, das ist ein großes Glück und eine große Freude für einen. Was meinen Sie, was ich für nette Leute kenne. Musik kurz aufblenden. Darüber: Sprecher: Riesling, Römer, Radfahrer. Unterwegs auf dem Moselradweg. Eine Deutschlandrundfahrt mit Nicolas Hansen. 1