Deutschlandradio Kultur Länderreport COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Spurensuche am Harzhorn - Die folgenreiche Geschichte eines Fundes - Autor Nicolaus Schröder Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 27.08.2010 - 13.07 Uhr Länge 18'48" Regie Roswitha Graf Spr. Thomas Holländer Moderation Spurensuche am Harzhorn. Die folgenreiche Geschichte eines Fundes. Jede Geschichte hat ihre Vorgeschichte - vor Zeiten die der Römer in Niedersachsen, die neueren Geschichtsschreibung, Geschichtsumschreibung in der neueren Zeit. Alles begann vor 10 Jahren. Die Metalldetektoren zweier Hobbyschatzsucher schlagen am Westrand des Harzes an. Die Wissenschaft wird hellhörig und muß in der Folge einige Lehrmeinungen überdenken. Was da aus der Erde auftauchte, deutete auf ein Schlachtfeld hin. Dies muß als Vorwort genügen, die eigentliche Geschichte hat Nicolaus Schröder akribisch vermessen und notiert. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag G 01 Waldgeräusche im Sommer REGIE Geräusch kurz frei & darauf G 02 Stochern im Boden REGIE Geräusch kurz frei & darauf E 01 (Winfried Schütte) Früher, wenn ich Richtung Seesen gefahren bin, dann hat es mich immer schon fasziniert in diesen Wald mal zu gehen und einfach mal zu suchen, irgendwo hat es was Anziehendes gehabt dieser Wald. Und dann kam natürlich diese Geschichte von den Grafen vom Harzhorn gerade Recht, da mal zu gucken. Und das war's eigentlich, das war der Ausschlag gebende Grund. REGIE Geräusch kurz frei & darauf SPR (erzählend) Geschichten wie die vom längst ausgestorbenen Geschlecht der Grafen von Harzhorn, von den Rittern Oldit und Dudit werden im Harz nicht vergessen. Hier ist das Interesse am Vergangenen vielleicht etwas ausgeprägter als andernorts und manchmal findet man Dinge, die einen noch weiter zurückschleudern, in eine Zeit weit vor Grafen und Rittern, Burgen und Minnesang. REGIE Geräusch ausblenden SPR (ab hier berichtend) Winfried Schütte ist technischer Angestellter bei einem Wellpappenhersteller. Er lebt im Landkreis Northeim und in seiner Freizeit interessiert er sich für die Heimatgeschichte. Vor Jahren hatte ein steiles Waldstück direkt neben der A7 sein Interesse geweckt. Entlang dieses Bergrückens führte einmal die alte Handelsstraße nach Goslar. Hier, glaubte Schütte, müßte im Mittelalter einmal eine Burg gestanden haben. Mit einem Metalldetektor machte er sich im Mai 2000 auf, die Burg der Grafen vom Harzhorn zu finden. E 02 (Schütte) Grundsätzlich bin ich immer sonntags morgens losgegangen und, das war der Herr Dix, Kollege von mir oder ein Freund von mir, wir sind dann auf den Berg gegangen und wir hatten eigentlich gar nichts gefunden, bis einfach was man so findet im Wald, einfach so Schrott, Bierdeckel, Dosenlaschen und Patronenhülsen, mehr haben wir nicht gefunden. Und dann wollten wir eigentlich schon zurückgehen und dann sah ich diesen auffälligen Hügel (...) Und ich bin dann noch mal an diesen Hügel gegangen und hab dann auch gleich ne Speerspitze gefunden. SPR Später werden ihm Freunde sagen, die Metallspitze vom Harzhorn sei wahrscheinlich von einer Egge abgebrochen - altes Werkzeug von Waldarbeitern. Schütte war enttäuscht, hatte vom Schatzsuchen erst einmal genug. Dann 2008. Schütte stößt im Internet auf ein Forum für Schatzsucher und erinnert sich an den Karton mit den alten Sachen aus dem Wald. Acht Jahre nach der ersten Suche am Harzhorn stellt er die Fotos seiner Funde ins Netz. Kurz darauf meldet sich ein User aus Köln. In einem verbogenen Metallteil habe er eine Hipposandale erkannt, einen Metallschuh, mit dem römische Truppen die Hufe ihrer Transportpferde schützten. E 03 (Geraschel, dann Schütte) Also hier ist praktisch noch, also der Huf steht hier drin, dann ist hier vorn noch so'n Bügel dran und mit Lederriemen wurden die dann hier über die Knöchel, die Hufe verzurrt. (Petra Lönne) Und sie wurden offenbar auch relativ leicht verloren (lacht) wie wir am Harzhorn feststellen können. (Lachen) SPR Das Harzhorn bei Harriehausen gehört zum Landkreis Northeim. Hier ist Petra Lönne Kreisarchäologin. Als promovierte Ur- und Frühgeschichtlerin ist sie die Spezialistin für die Schätze der Vergangenheit. In Northeim wird sie bei der Rettung steinzeitlicher Gräber ebenso gerufen, wie beim Wiederaufbau eines mittelalterlichen Hauses oder bei Rettungsgrabungen, wenn bei Bauarbeiten auf Gräber oder historisches Gemäuer gestoßen wird. Als Winfried Schütte Petra Lönne im Juni 2008 seine Funde zeigt, ist sie erst einmal skeptisch. E 04 (Lönne) Also ich muss ja ehrlich sein, als ich die Funde gesehen hab, hab ich an der Hipposandale erkannt, dass es sich um römisches Fundmaterial handelt, hab Herrn Schütte erst nicht unbedingt geglaubt, dass das Fundmaterial hier aus dem Kreis Northeim stammt, weil das eben doch so sensationell ist, und ich habe dann Herrn Schütte erst mal vertröstet. SPR Die Kreisarchäologin braucht Zeit und den Rat ihres Kollegen aus Göttingen, der ein Fachmann für's Römische ist. Denn Klaus Grote erforscht das nahe gelegene Römerlager Hedemünden und er besitzt ein Metallsuchgerät. E 05 (Lönne) Herr Grote, Herr Schütte, Herr Dix und ich, wir sind dann zu einem zweiten Termin ins Gelände gefahren, haben dann dort unsere Untersuchungen fortgesetzt, also haben die Geräte angestellt. Und - also nach wenigen Minuten hatten wir dann schon die ersten Ausschläge und ich konnte das gar nicht fassen, muss ich sagen. SPR Die Kreisarchäologen sind elektrisiert. Die große Zahl der eindeutig den Römern zuzuordnenden Teile von Ausrüstung und Waffen deuten auf eine Sensation. Soweit im Norden sind Funde aus der Römerzeit ausgesprochen selten. Kalkriese am Rand des Teutoburger Waldes, der Ort an dem die Varus-Schlacht stattfand oder eben das Römerlager in Hedemünden an der Werra befinden sich in der Nähe. Römer im Harz? Das wäre wirklich neu. Weitere Begehungen fördern Spitzen von Pfeilen, Lanzen, Katapultgeschützen und Ausrüstungsgegenstände sowie Pferdegeschirr zutage. Das Ganze erinnert an den Ort einer Schlacht. G 03 Grabung REGIE Geräusch kurz frei & unter Sprecher legen SPR Ein Sommertag am Harzhorn. Auf dem Höhenrücken ist das Brausen der A7 noch zu hören, doch bald geben Vögel und Bäume den Ton an. Der Grabungstechniker Thorsten Schwarz stapft querfeldein durchs Unterholz. Immer steiler geht es bergab. Brennesseln, Gestrüpp, rutschiger Grund. Dann am Hang eine zwei Quadratmeter große Fläche, von der die oberste Grasschicht entfernt ist. Jetzt markieren viele weiße Schildchen Fundstellen. E 06 (Thorsten Schwarz) (Harz.2) Wagenteil, Speerspitze, Speerspitze, Lanzenschuh, kaputte Speerspitze, undefinierte Teile, Speerspitze, da vorne Wagenteil, Hipposandalenteil, also hier so in diesem Bereich. (Lönne) Also jedes kleine (0:18) Fundzettelchen markiert den Fundort eines Objektes, ... SPR Doch nicht nur Wagenteile, auffällige, dreiflügelige Pfeilspitzen und Kleinteile werden von Thorsten Schwarz und seinen Kollegen gefunden, Münzen ebenso. Die helfen bei der Datierung ... und sorgen für eine faustdicke Überraschung: Das Schlachtfeld ist deutlich jünger als zuvor angenommen. Zu den Fachleuten, die Petra Lönne hinzuzieht, gehört der Römerspezialist Günter Moosbauer, der sich an der Universität Osnabrück mit den Provinzen des römischen Reichs beschäftigt und mit der Erforschung historischer Schlachtfelder auskennt. E 07 (Moosbauer) Ich würde wissenschaftlich gesprochen sagen, wir sind bei einem Ereignis im zweiten Viertel des dritten Jahrhunderts nach Christus und ich würde sagen, da wir Schlussmünzen des Alexander Severus haben, das heißt, wir sind in der Zeit nach 222 bis 234 nach Christus oder 35 nach Christus, und ich denke mal, wir sind nicht nach der Hälfte des dritten Jahrhunderts nach Christus. Aber der Archäologe tut sich manchmal ein bisschen schwer, weil es ja dummerweise auf seinen Funden nicht draufsteht, das war's. SPR Die Münze mit dem Bildnis des Kaisers Alexander Severus ist die jüngste Münze, die bis jetzt gefunden wurde. Sie ist sehr gut erhalten. Dieser Alexander Severus regierte von 221 bis 235, als er in der Nähe von Mainz von seinen rebellierenden Soldaten umgebracht wurde. Zu seinem Nachfolger bestimmen die Aufständischen den Offizier Maximinus Thrax. Er ist der erste in der Reihe der Soldatenkaiser Roms. Nach dieser Münze läge das Zeitfenster, in der sie bei einer Auseinandersetzung am Harzhorn verloren worden ist, zwischen den Jahren 221 bis vielleicht 250 nach Christus. Also weit über 200 Jahre nach der für das römische Reich so verheerenden Varus-Schlacht und der anschließenden Aufgabe des Römerlagers Hedemünden. G 01 Geräusch (siehe Einstieg) G 02 dito SPR Mit seinen Funden hat Schatzsucher Winfried Schütte die Tür zu einem Archäologiekrimi aufgestoßen. Kann es wirklich sein, dass über 200 Jahre nach der Varus-Schlacht und der Aufgabe der ganzen Infrastruktur aus Stützpunkten, Straßen und Lagern, eine so große römische Armee so weit im Norden operierte? Und warum weiß bis heute niemand davon? Nur einer hat von einer Schlacht hoch im Norden berichtet. Herodian, ein Chronist, der von 178 bis 250 lebte, schrieb von einem Feldzug des Maximinus Thrax, der, wie er behauptet, im Jahr 235, also 229 Jahre nach der Varus-Schlacht, den Germanen eine verheerende Niederlage zufügte. Doch der Autor ist in Fachkreisen umstritten, Günter Moosbauer: E 08 (Moosbauer) Der Herodian ist an sich in der historischen Forschung immer so ein bisschen als Luftikus betrachtet worden, der sehr, sehr schwierig zu interpretieren ist, wo man die Quelle sehr, sehr stark hinterfragen muss. Und bei Herodian kommt dazu, er hat genau in dieser Zeit gelebt, er war Zeitzeuge. Er hat natürlich kein historisches Buch geschrieben, das war ein historischer Roman, das heißt entsprechend aufgepeppt und ausgeschmückt, aber da steckt vielleicht doch wesentlich mehr dahinter, als man es sich so denken würde. SPR Auch eine andere Quelle stützt die geographischen Angaben in Herodians Bericht. In der "Historia Augusta", einer Biografiensammlung der römischen Kaiser, findet sich ein interessanter Hinweis. E 09 (Moosbauer) Weil wir da in der neueren Überlieferung, in den neueren Textausgaben eine Nachricht haben, dass diese Schlacht 40 bis 60 Meilen weit in Germanien stattgefunden hat. Es gibt aber eine andere Überlieferungstradition, ne andere Handschriftentradition von der eigentlich der größte Teil des Textes der "Historia Augusta" heute ediert ist, und da steht 400 Meilen drin. Der alte Camille Jullian in seiner "L'Histoire de la Gaule", frühes 20. Jahrhundert, hatte noch die 400 Meilen drin und hat sogar versucht, die Etappen zu berechnen. So bin ich überhaupt auf den Trichter gekommen, dass es unterschiedliche Handschriften gibt. SPR Langsam beginnt sich der Nebel über dem Römerrätsel vom Harzhorn aufzulösen. Denn wenn die 400 Meilen Angabe der "Historia Augusta" stimmt und auch Herodian nicht übertrieben hat, können die römischen Truppen am Harzhorn wirklich zum Heer des Alexander Severus gehört haben. In ihrem Büro in Northeim, zeigt die Kreisarchäologin Petra Lönne einige der neuesten Funde. Gibt es am Harzhorn Spuren, die auf Alexander Severus hinweisen? E 10 (Lönne) Genau, das ist dann hier so eine dreiflügelige Pfeilspitze, hier ist noch ein weiteres Beispiel (Kramen) die sind zum Teil haben die einen sehr langen Dorn, der ist bei diesen beiden Stücken abgebrochen und auch da gibt es immer so kleine Varianten, Variationsunterschiede. SPR Günter Moosbauer: E 11 (Moosbauer) Alexander Severus hatte die Truppen, die er in Mainz aufgeboten hat, die jetzt auch am Harzhorn wohl mit dabei sind, aus dem mittleren Donauraum abgezogen. Da waren diese orientalischen Bogenschützen dabei. Also sind wahrscheinlich die Pfeilspitzen, die wir am Harzhorn fassen, das sind 30, 40 dreiflügelige Pfeilspitzen, Relikte von solchen Bogenschützen Verbänden. Spr Syrische und armenische Bogenschützen und Speerschleuderer aus Mauretanien - es sind die Spuren einer multiethnischen Streitmacht, die am Harzrand ausgegraben werden. Und wie in einem guten Krimi gibt es Indizien, die alle in eine Richtung weisen: Auf das Heer des Alexander Severus. Aber wer führte die Truppen im Harz an? War es wirklich Maximinus Thrax, wie Herodian behauptet? G 03 Schlachtgewimmel REGIE kurz frei & unter Sprecher legen SPR (erzählend) 200 Jahre nach der Varus-Schlacht hat sich die Situation verändert. Rom fällt es immer schwerer sein riesiges Reich zusammen zuhalten. Besonders im Osten und Norden, aus den Gebieten des heutigen Rumäniens, Ungarns, Österreichs und Deutschlands fallen Stämme plündernd in die römischen Provinzen ein, kommen fast bis Rom. 233 greifen Germanen die Region des Mainzer Römerlagers an und verbreiten dort Angst und Schrecken. 200 Jahre nach der Varus-Schlacht sind es vor allem die Nachkommen der Sieger, die gegen die römische Vorherrschaft aufmucken. E 12 (Moosbauer) Ich denke, es war ein reiner Rachefeldzug. Die wollten den Jungs, wenn man das tatsächlich mit 235 in Verbindung bringt, die wollten den Jungs eine aufs Haupt hauen, die 233 die Gegend um Mainz verwüstet haben. Es kann auch sein, dass es ein anderer Einfall ist, auch aus der Zeit natürlich. Ein, zwei Jahre, das kann ich archäologisch nicht festmachen. Aber dann ist es genauso ne Reaktion. SPR (weiter berichtend) Auch wenn unklar bleibt, wer die Truppen letztlich anführte, am römischen Anteil an der Schlacht am Harzhorn besteht kein Zweifel. Die Funde deuten auf bis zu 15.000 Soldaten hin. Aber wie sieht es mit den Gegnern der Römer aus? Wer hatte den Mumm oder war so wahnsinnig sich mit dieser hochgerüsteten Streitmacht anzulegen? Der Prähistoriker Michael Meyer von der Freien Universität Berlin ist der Germanen-Fachmann der Ausgrabung am Harzhorn. Geben Funde und Quellen zahlreiche Hinweise auf die Herkunft der römischen Truppen, ist die Quellenlage für die germanische Seite dünn. E 13 (Michael Meyer, schmunzelnd) Wir haben natürlich den großen Wunsch, zu benennen, mit wem wir es zu tun haben, aber man muss, wenn man sich die Quellenlage anschaut, man muss zunächst einmal sagen, wir haben keine germanischen Schriftquellen, sondern die Namen, die uns überliefert sind, sind von außen aufgeschrieben worden, also von römischen, griechischen Autoren, die eine ganz eigene Sichtweise haben, die eigene Vorstellungen verfolgen, eigene Interessen verfolgen mit ihren Texten. Rom bekommt spätestens 233, wahrscheinlich auch schon 212, 213 nach Christus, es mit einem Gegner zu tun, der uns vorher nicht aus den Schriftquellen entgegentritt, das sind die Alamannen. Und da gibt es eine Diskussion, was sind die Alamannen? und der Name sagt es schon, das sind einfach "alle Männer", das ist also vielleicht wirklich so ein Heerhaufen, ein wild zusammen gewürfelter Trupp, der unter einem Anführer jetzt ins römische Gebiet einfällt und das ist nicht unbedingt ein Stamm. G 03 Schlachtgewimmel REGIE kurz frei & unter Sprecher legen SPR (erzählend) Rätselhafte Alamanen. Ein bisschen muss man sie sich vielleicht wie bei Asterix und Obelix vorstellen: Ein roher, zerstrittener Haufen, der sich schlecht verständigen kann, weil jeder Stamm einen anderen Dialekt oder sogar eine andere Sprache spricht, ein Menschenschlag, der von den kargen Erträgen der Feldarbeit und der Jagd lebt, dem Städte und Handel fremd sind. Für Wissenschaftler besonders unangenehm: Eine Gesellschaft ohne Schriftkultur, ohne Geschichtsschreibung, ohne Städte, ausgestattet mit simpelsten Kulturwerkzeugen und Waffen, die über Jahrhunderte nicht weiterentwickelt wurden - eine Gesellschaft ohne nachweisbaren Fortschritt. Was man über diese Stämme weiss, haben römische und griechische Reisende aufgeschrieben, deren Berichten das ratlose Staunen über diese Barbaren anzusehen ist. E 14 (Meyer) Das ist schon eine sehr mutige Aktion gewesen, sich soweit ins Barbaricum vorzuwagen. Also Germanen sind in der Lage innerhalb kürzester Zeit Kontingente zusammenzuziehen, die tausend oder auch mehr Kämpfer umfassten, das wissen die Römer aus ihrer Konfrontation mit den Alamannen. SPR (weiter berichtend) Trotzdem muss es ein ungleicher Kampf gewesen sein, darauf deutet die geringe Zahl der eindeutig den Germanen zuzuordnenden Funde hin. Vielleicht tausend Germanen verborgen im Wald gegen eine Übermacht gut ausgebildeter und - vom Katapultgeschütz bis zur gepanzerten Reiterei - bestens ausgerüsteter Gegner. Doch wo kamen die Germanen genau her? Ohne schriftliche Überlieferungen, ohne Städte oder Festungen, die es zu dieser Zeit nicht gab, ist es schwer, Zeugnisse von ihnen zu finden. Die Spurensucher sind gefragt, Funde müssen verglichen, Entstehungszeiten datiert werden. Für konkretere Hinweise ist Michael Meyer auf die Unterstützung von anderen Wissenschaftsdisziplinen angewiesen. E 15 (Meyer) Ja, moderne Archäologie, die geht nur noch interdisziplinär, also mit einem ganzen Bündel von Spezialisten, die verschiedene Fragestellungen verfolgen. Und da haben wir hier die Schriftquellen und die Archäologie, das sind schon mal zwei Disziplinen, dann haben wir die Geophysiker draußen, die uns also mit geophysikalischen Messungen Informationen über den Untergrund liefern und auch versuchen, Eingrabungen aus der Zeit der Schlacht schon zerstörungsfrei zu erkennen, dann wurde das ganze aus der Luft beflogen, ein Geländemodell gemessen, dann haben wir mit dem Kollegen Strossek einen Bodenkundler draußen, der uns eine Bodenkarte hier erstellt. Das ist ganz wichtig für uns, um die Veränderungen in der Oberfläche und die Veränderungen des Reliefs zu verstehen, die seit der Schlacht dort oben am Harzhorn in diesen fast 2000 Jahren vonstatten gegangen sind. Dann ist ganz wichtig das Niedersächsische Institut für historische Küstenforschung mit Herrn Bittmann eingebunden, also ein Naturwissenschaftler, der seine Spezialisierung in der Paleobiologie hat, also Archäobiologie, das heißt er sucht nach Pollenablagerungen in der Umgebung, um die Vegetation in der Zeit zu rekonstruieren zu können. SPR Erst wenn die Veränderungen der letzten 2000 Jahre verstanden sind, lässt sich die Landschaft so beschreiben, wie sie im 3. Jahrhundert ausgesehen hat. Erst dann lassen sich Rückschlüsse ziehen über eine mögliche Besiedlung und die wahrscheinliche Lage von Gehöften und Siedlungen. Dafür werden komplexe Modelle gebraucht, die aus zahllosen Einzelinformationen gebildet werden. Wissenschaftliche Kärrnerarbeit, an deren Ende man vielleicht tatsächlich sagen kann, wer zwischen 230 und 250 am Harzrand lebte und wer es war, der die germanischen Guerilleros anführte, denen die Römer so massiv entgegentraten. G 01 sommerlicher Wald REGIE kurz frei & unter Sprecher SPR Auch wenn er am Harzhorn keine Hinweise auf eine mittelalterliche Burg, nicht die Waffen der Ritter Oldit und Dudit fand, kann Winfried Schütte zufrieden sein. Nach seinen Funden müssen die Geschichtsbücher vielleicht nicht umgeschrieben werden, aber ein Zusatzkapitel über die Römerzeit nach der Varus-Schlacht und die alten Germanen könnte am Ende doch dabei herauskommen. Zwei Jahre sind vergangen, seit die Fundstelle am Harzhorn bekannt ist. Es ist erstaunlich wie viel in dieser kurzen Zeit gefunden wurde und wie viel schon bekannt ist. Dabei steht die systematische Erforschung des Geländes noch aus. Beim Landkreis Northeim beginnt man sich auf die neue Attraktion einzustellen. Nach den Römern erwarten sie nun die Touristen. E 16 (Lönne) Deshalb hat sich der Landkreis Northeim entschlossen ehrenamtliche Gästeführer auszubilden und die sind zertifiziert, die mussten auch eine Prüfung ablegen und auch Herr Schütte, der Entdecker der Fundstelle ist eben ein solcher zertifizierter Führer und ich denke das macht dem Besucher ganz besonders viel Spaß, wenn man dann direkt von dem Entdecker geführt wird und also Herr Schütte, seine Erlebnisse dann schildern kann. Das denke ich macht die Geschichte auch wiederum ganz besonders spannend. G 01 + 02 Geräusch kurz frei & weg -ENDE BEITRAG- MOD Spurensuche am Harzhorn. Die folgenreiche Geschichte eines Fundes. Nicolaus Schröder trug das Material zusammen. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Sendung-