Deutschlandradio Kultur Länderreport COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Der Erbauer der Göltzschtalbrücke - Eine kleine Industriegeschichte Sachsens - Autor Wolfgang Knape Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 15.07.2011 - 13.07 Uhr Länge 19.57 Minuten gek. Übernahme von MDR Figaro, Sdg. 16.03.2008, Länge 23.40 Minuten Red. : Katrin Wenzel (Künstlerisches Wort) Moderation Da bietet ein Autor einen längeren Beitrag über den Erbauer der Göltzschtalbrücke an. Sie wurde am 15. Juli 1851 feierlich eingeweiht, also vor nunmehr 160 Jahren. Gut, das Jubiläum könnte ein Anlass für eine Sendung sein, aber was könnte diese uns erzählen? Nun, beim Lesen des Manuskriptes erfuhr der neugierige Redakteur viele interessante Fakten über Brücken, Brückenbau, über Johann Andreas Schubert ... Und er stellte schnell fest: da wird eine kleine Industriegeschichte Sachsens ausgebreitet. Und die ist es allemal wert, auch dem Hörer mitgeteilt zu werden. Wolfgang Knape legte sie uns auf den Tisch. -folgt Script Sendung- Script Sendung Atmo Geläut der Wernesgrüner Kirche Sprecher Die Glocken der Kirche rufen zum Gottesdienst. Als Johann Andreas Schubert am neunzehnten März 1808 geboren wurde, befand sich die zuständige Pfarrkirche noch in Auerbach. Der Weg führte über den 600 Meter hohen Taubenberg. Fast zwei Stunden waren die Dorfbewohner unterwegs. Eberhard Göpel Und hier wurde er unter der Liste Wernesgrün Nr. 10 im Jahr 1808 eingetragen ins Register. Hier, unter dem Namen "Andreas". Hier ist der Vater Johann Michael Schubert eingetragen als Hausgenosse seinerzeit ... Sprecher Eberhard Göpel ist der Chronist von Wernesgrün. Er kennt die Geschichten um den "Orts-Heiligen". Und an die 1949 erfolgte Namensgebung der Schule erinnert er sich auch. Eberhard Göpel Die Schule sollte ja den Namen möglichst eines bedeutenden Wernesgrüner Bürgers erhalten. Und da kam ohne Zweifel nur Andreas Schubert in Frage. Selbst wir Kinder wussten natürlich... Wir kannten ja das Denkmal. Das stand ja bereits seit 1936. Und haben ja dort um das Denkmal herum auch viel gespielt. Und dann auch diesen Platz viel genutzt für unsere Zwecke, ohne uns der Bedeutung natürlich von Andreas Schubert richtig bewusst zu sein. Sprecher Die Schuberts waren Bauern. 1806 musste der durch Fronzins verschuldete Hof verkauft werden. Die Familie bezog die Kate am Wernesbach. Zwei Jahre später wurde mit Johann Andreas das achte Kind geboren. Der Vater war Tagelöhner und brachte die Familie nur mit Mühe durch. Zitator (Schubert) Freuden der Kinderjahre waren mir kaum beschieden und besonders vom achten Lebensjahr an litt ich bitterste Entbehrung... Sprecher ... erinnerte Schubert sich später seiner Kindheit und der Hungersnot. Schon frühzeitig musste er mit zupacken. Siebenjährig war er Hütejunge. Mit acht half er dem Bruder Christian, der Rußbutten-Händler war, beim Karrenschieben. Der Butten-Transport erfolgte auf "Schiebeböcken" mit nur einem Rad. Und im bergigen Vogtland war jede helfende Hand gefragt. Ich lasse mir von Eberhard Göpel den Weg beschreiben, den Johann Andreas Schubert in jenem schicksalhaften Herbst 1817 mit seinem Bruder vermutlich ging. Eberhard Göpel Das Tal hinauf aufn Berg zu. Und dann die Kohlenstraße entlang Richtung Rodewisch. Und von Rodewisch aus nach Lengenfeld zu. Da war also alles auf ´ner Anhöhe zu sehen. Und dann ging das wieder hinunter ins Tal. Über Abhorn, nach Lengenfeld. Und von Lengenfeld dann weiter die Straße bis nach man nach Reichenbach kam. Sprecher Nach der letzten Steigung schickte der Ältere den Bruder zurück. Doch der verirrte sich gründlich und kam bis in die Gegend von Leipzig. Dort hängte er sich an eine Kutsche, in der ein kinderloser Polizeipräsident neben seiner Ehefrau saß. In Leipzig angekommen, berichtete der kleine Schwarzfahrer von seinen Irrwegen. Von Russbrennern, von dunklen Wäldern. Vom "Vuchtland", dass "wunnerschi", und von "drham". Und nachdem er geschrubbt, gekämmt, beköstigt und zu Bett gebracht worden war, fassten Ludwig von Rackel und seine Ehefrau einen folgenreichen Entschluss. Sie reisten nach Wernesgrün und boten den Eltern an, ihren Sohn als Pflegekind aufzunehmen und für seine Ausbildung zu sorgen. Und Schuberts Eltern, ihre Notlage und diese wundersame Fügung bedenkend, willigten ein. Der Übergang zur Thomasschule fiel dem Knaben nicht schwer. Die Trennung von Geschwistern und Eltern hingegen sehr. Doch ein Diener nahm sich seiner an. Und auch der Pflegevater war rührend um ihn bemüht. Gelegentlich nahm er ihn auf Reisen mit. Zitator (Schubert) Dreimal war ich als Kind in Karlsbad! Die schönste Erinnerung meiner Kinderjahre hängt damit zusammen, denn dort bekam ich die erste Taschenuhr. Sprecher Im März 1820 verunglückte Schuberts Vater in Wernesgrün. Im Herbst starb der Pflegevater in Leipzig. Die Witwe zog zu ihrem Bruder, der Festungskommandant auf Königstein war. Den Pflegesohn nahm sie mit. Ab Ostern 1821 besuchte er das Freimaurer-Institut in Dresden-Friedrichstadt Dankbar erinnerte er sich später der dort empfangenen Anregungen und unterstützte bis zuletzt die Zöglinge und das Institut. Sein Zeichenlehrer Faber empfahl ihm ein Bildhauerstudium. Weil an der Königlichen Akademie gerade kein Platz frei war, bewarb sich Schubert an der Bauschule unter dem gleichen Dach. Dem Unterricht im Winterhalbjahr folgten Praktika in Werkstätten und auf dem Bau. Alles wurde jetzt für Schubert wichtig! Vor allem die Mathematik, wie sie Professor Gotthelf August Fischer lehrte. Der mochte den Vogtländer und förderte ihn. Um den Mangel an Technikern zu beseitigen, wurde 1828 die "Königlich-Technische Bildungsanstalt zu Dresden" gegründet. Vom ersten Tag an gehörte neben Fischer auch der 2O-jährige Johann Andreas Schubert zur Lehrerschaft. Dr. Klaus Mauersberger Hier haben wir also ein sehr schönes Foto von Hermann Krone. Die Brühlsche Terrasse 1857. Da stand noch dieser kleine Pavillon. Und das ist die Keimzelle, wenn man so will, der Technischen Universität. Sprecher Dr. Mauersberger, seines Zeichens Kustos der Technischen Universität Dresden, führt mich durch die Ständige Ausstellung "Sammlungen und Geschichte" am Zelleschen Weg. Schubert ist hier auffallend gut repräsentiert, und der Kustos hat auch eine Erklärung dafür. Dr. Klaus Mauersberger Er ist vielleicht doch als einer der frühen und als einer der Pioniere, der zugleich ja neben Wissenschaftler und Unternehmer und Erfinder und Techniker und Ingenieur gewesen ist, ist vielleicht doch eine auch wirklich aufschlussreiche historische Persönlichkeit. Also wie gesagt: Schubert ist schon einer der - nennen wir es mal mit Anführungsstrichen - der "Schul-Heiligen"... Sprecher ... der nahezu alle Fächer zu unterrichten vermochte, der das Bauingenieurwesen genauso überblickte wie den Maschinenbau und - im wahrsten Wortsinn - noch ein Poly- Techniker war. Dr. Klaus Mauersberger Aber wir sehen ihn natürlich in erster Linie als den begnadeten Lehrer. Und auch als den beliebten Lehrer, der also wirklich auch als Mensch offenbar sehr anziehend gewesen sein muss. Sprecher Seine Studenten, von denen viele selbst wieder Lehrer oder Ingenieure in in- und ausländischen Unternehmen wurden, verehrten ihn zeitlebens. Und so manch einem, der mittellos war, half er während des Studiums mit Geld. Dr. Klaus Mauersberger Der Schreibsekretär hier - den können wir mal aufmachen - (man hört es) ist also auch so ein spätes Geschenk von dankbaren Studenten, Schülern von ihm, er hat ja Schüler oft zu Tisch gebeten, er hat ihnen - wir würden heute sagen: Jobs versorgt. Und er hat aber auch Patente von sich an Schüler zur Nutzung unentgeltlich weitergegeben. Er war also sehr freizügig da. Sprecher Schubert war eine charismatische Persönlichkeit mit großen fachlichen und vor allem auch menschlichen Qualitäten. Als im Februar 1832 mit Professor Fischer der älteste Lehrer der Bildungsanstalt starb übernahm der 24-jährige auch dessen Stunden. Er lehrte jetzt unter anderem: Zitator Zahlenrechnung. Geometrie. Buchstabenrechnung. Ebene und sphärische Trigonometrie, höhere Mathematik, Statik, Dynamik, Hydrostatik, Hydrodynamik, Maschinenkunde (...) Mechanik und Buchhaltung ... Sprecher Und sobald es ein neues Fachgebiet zu erschließen galt, tat er das am liebsten gleich selbst. Nur wenige Wochen nach Fischers Tod wurde er "in Rücksicht der von ihm bekannt gewordenen Geschicklichkeit" zum Professor berufen. Am 3. Juni heiratete er Florentine Dennhardt, Tochter eines Steuereinnehmers in Mittweida, die ihm vier Kinder gebar und frühzeitig starb. Vor einen der hohen alten Schränke, in denen Teile der historischen Lehrsammlung verwahrt werden, bleibt Dr. Mauersberger stehen. Dr. Klaus Mauersberger Von unseren dreidimensionalen Objekten ist das vielleicht das Wertvollste, was an Schubert erinnert. Schubert hat ja als Lehrer versucht, die Maschinenkunde, also von der Mechanikerausbildung, wenn man so will, in eine wissenschaftliche Ausbildung zu erheben. Und dazu bedurfte es natürlich Lehrmaterials. Und er hat angefangen mit Vorlege- oder Musterblättern. Also er hat Lithografien machen lassen von den gängigen Maschinen. Der Hintergrund war natürlich der beginnende sächsische Maschinenbau. Ich hab jetzt ein Bild aus Chemnitz hier als Hintergrund gewählt, weil man einfach sagen muss, Dresden war natürlich nicht die Wiege des sächsischen Maschinenbaus. Das war Chemnitz. - Die Namen Hartmann, Zimmermann, Hauboldt und so weiter, sprechen also für sich. Das war auch, wenn man so will, die Wiege des deutschen Maschinenbaus Sprecher Im August 1834 unternahm Schubert mit seinem ehemaligen Schüler Carl Beyer eine von höchster Stelle abgesegnete Studienreise nach England. Im Gepäck hatte er hunderte Fragen sächsischer Unternehmer, Handwerker, Wissenschaftler und Beamter. Ein Großteil ihrer Fragen kreiste um den Einsatz von Dampfmaschinen in Werkstätten, auf Straßen und Schienen. Zwei Wochen blieb man in London. Nahm alles aufs Genaueste in Augenschein. Dann begaben sich Schubert und Beyer nach Norden in die Hochburg der englischen Industrie. Zitator (Schubert) Das Erste, was ich an dem Tag nach meiner Ankunft in Manchester besuchte, war, wie sich leicht denken lässt, die Liverpool-Manchester-Bahn! Der Anblick, den eine kommende oder abgehende Wagenreihe, gezogen durch einen Dampfwagen, gewährt, ist wahrhaftig beängstigend und das Ganze eine über alle Beschreibung kolossale Erscheinung... Sprecher ...schwärmte Schuberts in seinem Reisebericht. Rastlos eilten die beiden von Brennpunkt zu Brennpunkt. Besuchten Manufakturen, Seilereien und Lokomotivwerkstätten. Krankenhäuser, Gefängnisse, Hafenanlagen, Brücken und Wasserklosetts. Schubert hielt fest, was verbesserungsbedürftig und was für Sachsen zu übernehmen war. Verblüffend angesichts des englischen Know-hows auch die folgende Einschätzung. Zitator (Schubert) Nachdem ich die Dampfwagen, die Personenwagen, die Transportwagen, das Lazarett aller dieser Fahrmaschinen, das Dienerpersonal an beiden Enden der Bahn, den Transport an Gütern und Personen mehrere Tage hindurch beobachtete hatte, gab ich die Hoffnung auf, je in meinem Leben noch eine Eisenbahn zwischen Dresden und Leipzig entstehen zu sehen! Sprecher Dennoch ließ ihn der Einsatz von Dampfkesseln nach seiner Rückkehr nicht mehr los. Auch davon wird in der Ausstellung anschaulich erzählt. Dr. Klaus Mauersberger Er war natürlich in erster Linie Lehrer. Aber wir haben natürlich auch versucht, die Dinge, die er dann in seinen Ausflügen in die Welt der Technik und des Unternehmertums, wo er nicht so ganz erfolgreich war... Er hat vielleicht nicht diese Hemdsärmligkeit wie Hartmann und Borsig besessen, aber er hat natürlich diesen wissenschaftlichen Impetus in die Industrie reintragen wollen. Sprecher In einer Vitrine ist das Modell der "Saxonia" zu sehen, die zwischen 1837 und 1839 nach Schuberts Plänen in der Maschinenfabrik Dresden-Übigau gebaut worden ist. Zitator (Schubert) Ich habe für das erste in Deutschland gebaute Locomotiv alle nöthigen Theile selbst anfertigen lassen, was mir bis jetzt noch niemand in Deutschland nachzuthun gewagt hat... Kein einziger Arbeiter war mir zur Hand, der jemals an einem derartigen Stücke gearbeitet hatte. Sprecher Die Jungfernfahrt fand im März, die spektakuläre Fernfahrt am 9. April 1839 statt. Prinz Johann hatte erwirkt, dass die "Saxonia" den von englischen Lokomotiven gezogenen Festzügen bei der Einweihung der Strecke Dresden-Leipzig nachfahren durfte. In einem zeitgenössischen Bericht las sich das so. Zitator (Zeitungsmeldung ) Noch nachträglich haben wir zu berichten, wie den Wagenzügen bei ihrer Ankunft in Leipzig zu aller Überraschung eine Lokomotive mit ihrem Tender nacheilte, die sich noch steigerte, als man sah, dass es die von ihrem Erbauer, dem Professor Schubert, geführte Lokomotive "Saxonia" (...) war, die sich so ihre Ebenbürtigkeit unter den Lokomotiven errang, sowie der sächsischen Industrie im allgemeinen gewiss zur höchsten Ehre gereichten. Sprecher Der König war reineweg aus dem Häuschen, als er Schubert - das Gesicht schwarz wie ein Russbuttenhändler! - mit Reisemantel und Zylinder auf seiner Lokomotive sah! Auf der Rückfahrt sollte die "Saxonia" gleich hinter dem Hof-Zug fahren. Doch das ging der englischen Crew entschieden zu weit! Als Schubert, vom Frühstück kommend, Kohle aufnehmen wollte, war der Schuppen leer. Und als er mit erheblicher Verspätung den anderen Zügen nachsetzte, verhinderten nicht weggedrehte Schranken über den Schienen eine zügige Fahrt. In Priestewitz hatte man absichtsvoll die Weichen verstellt, und so raste die feurige Sächsin auf eine unter Dampf stehende führerlose englische Lok. Die Reparaturen sorgten für neuerlichen Aufenthalt. Und zum ersten Mal übernachtete ein Professor aus Dresden in Priestewitz! Später wurde die "Saxonia" für den Fuhrpark der Eisenbahn-Compagnie angekauft. Dort fristete sie, vom anglophilen Personal mit Verachtung bedacht, das Dasein einer Reserve-Lokomotive. Und dabei hätte sie es unbestritten mit jeder Engländerin an Eleganz, Geschwindigkeit und Wasserverbrauch aufnehmen können. Dr. Klaus Mauersberger Und noch vor der "Saxonia" 1839 waren ja die Versuche mit Dampfschiffen. Er hat das Dampfschiff, zumindest das erste, die Königin Maria" - man sieht´s hier vor dem Hintergrund von Übigau und in dem Schloss hat er sogar zeitweise gewohnt, dort war das Direktorium, die Konstruktionsräume und rechts dann die Werkstätten, die man hier sieht, also diese, diesen Schiffskörper hat er wirklich entworfen, hat ihn auch wirklich berechnet nach Auftrieb und so weiter, damit er den notwendigen, nicht zu großen Tiefgang hatte. Er hat auch das Schiff ausgerüstet mit Maschine und mit eigenen Kesseln. Sprecher Ursprünglich hatte Schubert seine Antriebsmaschinen aus England beziehen wollen. Doch das scheiterte an der Bürokratie. So musste er auf deutschen Ersatz zurückgreifen, auf wahre "Monster" aus Preußen, die die sächsische "Maria" im Flachwasser behinderten und gründeln ließen. Spottgedichte erschienen und der Professor musste viel Häme einstecken. Doch schon bald wurden neue und bessere Schiffe gebaut. Johann Andreas Schubert aber durfte für sich den Ruhm in Anspruch nehmen, der Dampfschifffahrt auf der Oberelbe das Tor geöffnet zu haben. Dr. Klaus Mauersberger Und wir haben auch einen Dampfer noch, der mit einer englischen John-Penn-Maschine, die Schubert damals schon nehmen wollte, ausgerüstet ist. Die "Diesbar". Also man kann auch heute noch diese schönen englischen Maschinen mit oszillierenden Zylindern zeigen. Sprecher In den vierziger Jahren wurde Schubert noch einmal in Sachen Eisenbahn aktiv. Diesmal war jedoch nicht der Maschinenbauer gefragt, sondern der Mathematiker, der Baufachmann und Architekt. 1841 war der Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Sachsen und Bayern beschlossen worden. Die Trassenführung erwies sich schwierig. Mit Rücksicht auf die Lokomotiven durfte die Steigung ein Prozent nicht überschreiten. Frau Ketzel Und deshalb, nur deshalb, entschied man sich damals für die Linie Leipzig-Altenburg- Crimmitzschau-Werdau-Reichenbach-Plauen-Hof. Und wenn man dazu das Grundrissprofil anschaut, kann man ganz gut erkennen: Von Leipzig über Altenburg bis nach Werdau haben wir eine ebene Landschaft. Es gab keine größeren Höhenunterschiede. Hier sehen wir Reichenbach, und daneben gleich das Göltzschtal und etwas weiter das Elstertal. Diese beiden Täler mussten zur Entstehung der Eisenbahnlinie überbrückt werden. Sprecher Das waren im Göltzschtal knapp sechshundert Meter. Eine solche Brücke war noch nie gebaut worden. Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben. Der Jury gehörten auch Semper und Geutebrück an. Den Vorsitz übernahm Schubert. 81 Entwürfe gingen ein. Einen brauchbaren gab es nicht. Lediglich vier Arbeiten kamen in die engere Auswahl. Aus den besten Anregungen schuf Schubert einen Kommissionsentwurf: eine durch Bögen aufgelockerte vierstöckige Massivbrücke aus Ziegelstein. Frau Ketel 26 Millionen Ziegelsteine sind bei der Glötzschtalbrücke verarbeitet worden, zwölf Millionen bei der Elstertalbrücke. In der Nähe von Netzschkau sieht man hier, dass ganze Wälder abgeholzt worden sind, um das Gerüstholz zu bekommen, allein für die Göltzschtalbrücke waren 23 000 Baumstämme nötig. Sprecher Die Grundsteinlegung fand im Mai 1846 statt. Im Sommer gab es die erste Unterbrechung. Für den Mittelpfeiler fand man keinen Grund. Der Oberbauleiter Wilke plädierte für einen Lückenschluss mit zwei Bögen. Die kamen dann letztendlich, wie von Schubert vorgeschlagen, elliptisch überhöht zur Ausführung und verstärken bis heute die Ästhetik des einzigartigen Brückenwunders. Schubert brachte zudem seine gewölbetheoretischen Analysen ins Spiel. Das führte zu der Annahme, dass er die Haltbarkeit der Brücke berechnet und ihre Standhaftigkeit damit erst garantiert habe. Doch das war so und zu dieser Zeit nicht möglich. Sprecher Die Brücke über das von der Göltzsch durchflossene breite Tal ist, wie es der Katalog einer Schubert-Sonderausstellung anlässlich seines 125. Todestages 1995 vermerkte, Zitator (Katalog 1995) ... als Ergebnis kollektiven Mühens unter der Federführung von Schubert und Wilke zustande gekommen. Das schließliche Gelingen des kühnen Vorhabens war den in summa von Kollegialität getragenen, spannenden fachlichen Auseinandersetzungen zwischen Schubert und Wilke, die auch dem Aufeinanderprallen von verschienen Denkstilen und Ingenieurkulturen geschuldet waren, wesentlich zu danken. Dabei ist weder der eine auf den "Theoretiker" noch der anderer auf den "Empiriker" festzulegen. Sprecher Schuberts Mitarbeit endete im Sommer 1847. Die Einweihung der Elster- und Göltzschtalbrücken fand vier Jahre später statt. Da hatte er durch seine frühere Nähe zu den Initiatoren des Dresdner Aufstandes von 1849 und seiner liberale Haltung keinen so guten Stand. August Röckel, der Operndirektor und Kopf der Erhebung, hatte in Schuberts Haus in der Friedrichstraße, wo heute eine Bronzetafel auf beide verweist, gewohnt. Gottfried Semper und der Hofkapellmeister Wagner kamen zu konspirativen Treffen; und der Anarchist Bakunin hatte im Gartenhaus ein Versteck. Neben seiner Lehrtätigkeit wurde Schubert aber noch immer zur Mitarbeit in verschiedenen Gremien verpflichtet. Viele Jahre oblag ihm auch die Inspektion von Dampfkesselanlagen. Und so lange er dieses Amt ausübte, flog - laut Aktenlage - kein einziger Kessel in die Luft. Am 12. Dezember 1854 vermerkte Schubert in seinem Tagebuch: Zitator (Schubert) Am Freitag früh halb 7 Uhr fuhr ich über Riesa nach Chemnitz zu meinem Freunde Hartmann, um ein neues Locomotiv abzunehmen. (...) Um Mitternacht reiste ich nach Zwickau, habe auf dem dortigen Bahnhofe eine Dampfmaschinenanlage revidiert. Fuhr von dort auf einem Lokomotiv nach Werdau. Revidierte einige Lokomotiven des dortigen Bahnhofs. Benutzte ferner einen Packwagen nach Altenburg, um nochmals eine neue Dampfmaschinen-Anlage zu besichtigen und fuhr von dort mit dem Postzuge nach Leipzig... Sprecher ... wo er zu Abend aß, um gegen zehn Uhr mit dem Nachtzug weiter nach Dresden zu fahren. Ostern 1869, nach vierzig Jahren, schied Schubert aus seinem Lehramt aus. Dr. Klaus Mauersberger Die Einrichtung, wo er gelehrt hat, die sehen wir hier auf dieser Vase. Das ist also die Polytechnische Schule an Antonsplatz. Das war seine letzte Wirkungsstätte. Die gibt's heute nicht mehr. Das erste Hauptgebäude, der Polytechnischen Schule, also Technische Bildungsanstalt zunächst, Polytechnische Schule, Polytechnikum, Technische Hochschule, 1961 Technische Universität. Und auf der Rückseite ist die Göltzschtalbrücke. Sprecher Johann Andreas Schubert starb am 6. Oktober 1870 in Dresden- Friedrichstadt. Er wurde auf dem Evangelischen Matthäusfriedhof beigesetzt; von seinem Haus nur wenige hundert Meter entfernt und neben seiner ersten Frau... -ENDE SCRIPT- 2