COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Ich bin nach Weisheit weit umhergefahren ... Die Weltreise des Adelbert von Chamisso Feature von Holger Teschke Redaktion: Sigried Wesener Chamisso (schreibend, Federgeräusch, im Hintergrund Brandung und Möwen): Am 9. August 1815 ging ich, der deutsche Dichter und Botaniker Adelbert von Chamisso, gebürtig aus Boncourt in der Champagne und Autor der "Wundersamen Geschichte des Peter Schlemihl ", an Bord des russischen Expeditionsschiffs " Rurik?, um eine Reise um die Welt anzutreten. Im Auftrag des Grafen Romanzew und der Russisch-Amerikanischen Handelskompagnie sollte unsere Expedition eine Nordostpassage von der Beringstraße durch das Eismeer nach Sankt Petersburg finden. Auf der Reede vor Kopenhagen wurde ich begrüßt von ... Kotzebue ( militärisch-knapp ) : Otto von Kotzebue, Leutnant im Dienst der kaiserlichen Marine seiner Majestät des Zaren und Kapitän der " Rurik ". Sie haben Empfehlungen vom Grafen Romanzow und von Kapitän von Krusenstern. Schön. Lassen Sie sich eines gesagt sein, Herr Chamisso : Sie sind Passagier an Bord eines Kriegsschiffs,auf dem man nicht gewohnt ist, Passagiere zu haben. Richten Sie sich danach. Guten Tag ! Eschscholtz ( beruhigend ) : Johann Friedrich Eschscholtz, Schiffsarzt und Zoologe. Unser Herr Kapitän ist mitunter ein wenig schroff, aber er meint es nicht so. Es ist nicht leicht, als Sohn eines deutschen Lustspieldichters Offizier in der russischen Marine zu sein. Aber ein ausgezeichneter Seemann ! Kommen Sie, Herr von Chamisso, ich zeige Ihnen unsere Kajüte. ( Schritte zum Niedergang hinunter, eine knarrende Kajütentür wird geöffnet. Unter Deck das Knarren und Rollen des vor Anker liegenden Schiffs. ) Choris ( erfreut und neugierig ) : Ludwig York Choris, Zeichner und Junggeselle ! Willkommen im Salon der schönen Künste und der Wissenschaften ! Chamisso : Sehr erfreut. Ein wenig eng, dieser Salon, wie ? Für drei Forschungsreisende ? Eschscholtz : Herr Choris arbeitet nur am Tage hier, er hat seine Hängematte unter Deck bei den Matrosen. Wir teilen die Kajüte mit Leutnant Schischmarew und Leutnant Sacharin, von denen allerdings meistens einer auf Wache geht. Choris : Wohingegen am Tage auch noch der Leutnant Wormskiold sich hier aufhalten wird, ebenfalls ein Naturforscher. Das ist Ihre Koje, Herr von Chamisso. Drei der Schub- laden gehören Ihnen, die vierte mir. Chamisso : Nicht eben viel Platz für die wissenschaftlichen Sammlungen von drei Jahren. Eschscholtz : Wir werden uns einrichten. Choris : Der Kapitän mag übrigens keine Sammlungen. Er verlangt ein aufgeräumtes Schiff zu jeder Stunde. Lassen Sie nichts an Deck liegen, sonst geht es im nächsten Augenblick über Bord. In der Kajüte. Seegeräusche und Möwen. Chamisso ( schreibend ) : Das Schiff ist die Heimat des Seefahrers. Bei solcher Entdeckungsreise schwebt es zwei Drittel der Zeit zwischen der Bläue des Meeres und der Bläue des Himmels, ein Drittel der Zeit liegt es vor Anker im Angesicht des Landes. Das Ziel der weiten Reise möchte sein, in das fremde Land zu gelangen. Das ist aber schwerer, als es einer sich denkt... An Deck. Wind und Brandung. Choris : Ein schönes Schiff, nicht wahr ? "Rurik?, nach dem berühmten Krieger, der das russi- sche Reich begründet hat. Bestes Föhrenholz, erst vor drei Monaten vom Stapel gelaufen. Kotzebue ( mit Kommandostimme ) : Leutnant Schischmarew, lassen Sie Anker aufholen und Segel setzen. Klar zum Ablegen ! Eschscholtz : Es geht los, Herr Chamisso ! Einmal rund um die Welt ! Ankerkette, Knattern der gehißten Segel im Wind. Chamisso ( schreibend ) : Wir hatten auf der Fahrt durch die Nordsee fast anhaltend widrige Winde bei naßkaltem Wetter und bedecktem Himmel. Die Zeit dieser Fahrt war für mich eine harte Lehrzeit. Ich lernte die Seekrankheit kennen, mit der ich rang, ohne sie zu überwinden. Ich ließ mir von anderen erzählen, die noch mehr gelitten hatten als ich und von Nelson, der nie zur See gewesen, ohne seekrank zu sein. Am 7. September mittags gingen wir vor dem Hafen von Plymouth vor Anker. Ich ward zum Kapitän gerufen. Er ermahnte mich, meinen Entschluss zu prüfen. Dies sei der letzte europäische Hafen, wo zurückzutreten mir noch ein Leichtes sei ... Kajüte des Kapitäns. Chamisso : Aber warum, Herr Kapitän ? Kotzebue : Weil Sie nichts von der Seefahrt verstehen, Herr Chamisso. Sie kommen aufs Achterdeck spaziert wie ein Admiral, obwohl das nur den Offizieren und Steuerleuten zusteht. Sie rauchen ihre Pfeife an Deck, obwohl ich das streng untersagt habe. Und außerdem, verzeihen Sie ... Chamisso ( schnell ) : Es geht mir bereits wieder besser. Kotzebue : Weil wir vor Anker liegen, deshalb. Nun - es ist Ihre Entscheidung. Aber vergessen Sie nicht : Sie sind hier an Bord lediglich Titulargelehrter und haben keine Ansprüche zu stellen. Haben Sie mich verstanden ? Chamisso : Sehr wohl, Herr Kapitän. Chamisso ( schreibend ) : Herrn von Kotzebue ging das Gefühl für alles Musische, was den Ruhm seines Vaters in der ganzen Welt ausmacht, vollkommen ab. Er war ein Seemann durch und durch. Wir lichteten am 23. September die Anker, aber es gelang uns wegen eines schweren Sturms erst am 4. Oktober wieder, die See zu behaupten. Sogar unser guter Doktor blieb reglos in seiner Koje liegen, während die Tische, Stühle und Schubkästen wilde Tänze durch unsere Kajüte aufführten und die Wellen bis an die Mastspitzen schlugen. An Deck. Chamisso : Das war ein rechter Sturm, wie ? Ich freue mich, dass Sie wieder wohlauf sind, Doktor . Lieber Gott, ich dachte, wir segeln geradewegs in die Hölle hinein ! Kotzebue : Das war gar nichts. Warten Sie ab, bis wir vor Kap Hoorn sind. Eschscholtz : Bis dahin hat selbst unser Chamisso Seemannsbeine. Kommen Sie, wir wollen die Windstille nutzen und ein paar Meeresfrüchte käschern. Kotzebue : Aber trocknen Sie Ihr Kroppzeug nicht wieder an Deck, ich warne Sie ! Der "Rurik? ist ein Kriegsschiff und kein zoologisches Museum ! Chamisso ( schreibend ) : Wir segelten in wärmere Breiten und Meer und Himmel prangten in tieferem Blau. Während der Mittagshitze ward ein Zelt ausgespannt und wir schliefen die Nacht über unter freiem Himmel an Deck. Nichts ist der Schönheit solcher Nächte zu vergleichen, wenn man leise geschaukelt vom Zug des Windes durch das schwankende Tauwerk zum lichterfunkelnden, gestirnten Himmel hinaufschaut. Nacht. An Deck, Wind in der Takelage. Chamisso : Ist das nicht herrlich ? Warum malen Sie nicht das Leuchten des Meeres, Choris ? Choris : Dr. Eschscholtz sagte mir, es handelt sich um Quallen und Kalmare. Chamisso : Sind die Wunder der Natur weniger wunderbar, nur weil wir zu wissen meinen, was sie verursacht ? Choris : Ich male, was der Kapitän mir aufträgt. Ich hab hauszuhalten mit meinen Farben. Sie müssen für die ganze Welt reichen. Chamisso ( schreibend ) : Am 28. Oktober mittags um 11 Uhr ließen wir auf der Reede von Santa Cruz die Anker fallen. In Teneriffa sollte hauptsächlich Wein an Bord genommen werden, da wir bis jetzt nur Wasser getrunken hatten. Auf Teneriffa, wie später überall im Umkreis der Erde, haben sich die wißbegierigen Einheimischen Mühe gegeben, an mir den russischen Nationalcharakter zu studieren - an einem Russen, der als Deutscher reiste und als Deutscher ein geborener Franzose aus der Champagne war. Am 1. November 1815 lichteten wir die Anker und verließen die Reede von Santa Cruz. Wind in den Segeln, Rauschen der Bugwelle am Vorschiff Eschscholtz : Jetzt geht es auf den Atlantik, Herr Chamisso ! Sind Sie bereit, den Äquator zu überqueren ? Chamisso Zumindest kann ich die Seekrankheit jetzt mit Portwein bekämpfen. Eschscholtz : Wohl bekomm's ! Wie geht es Ihrer Katze ? Chamisso : Sie hat sich mit einem Kaninchen angefreundet und beide leben in wilder Ehe. Was die Katze vom Fisch übrigläßt, frißt das Kaninchen. Warum haben die Matrosen diesen fliegenden Fisch zerhackt, nachdem er aufs Deck gefallen war ? Eschscholtz : Ein alter Aberglaube. Angeblich bringen fliegende Fische Unglück. Keine Sorge, sie werden noch genug davon zu sehen bekommen. Chamisso ( schreibend ) : Am 23. November 1815 abends um 8 Uhr durchkreuzten wir zum ersten Mal den Äquator. Die Matrosen, die alle Neulinge waren, wußten nicht, was sie tun sollten und ihr Neptun war ziemlich albern. Aber es herrschte eine ausnehmende Fröhlichkeit. Punsch war in hinreichender Menge gereicht worden und die Offiziere stießen mit Wein an. Am 12. Dezember nachmittags um vier Uhr lagen wir vor der brasilianischen Insel Santa Catharina auf Reede. Seewind, Wellen am Bug, Seevögelgeschrei. Chamisso : Nun, mein lieber Choris, ist das die Schönheit der Tropen, von der Sie geträumt haben ? Eschscholtz : Unser Choris träumt vor allem von den tropischen Schönheiten. Bis jetzt hat er sich noch in jedem Hafen verliebt. Choris : Spotten Sie ruhig. Meine Bilder werden die Menschen noch betrachten, wenn Ihre getrockneten Blumen und Käfer längst zu Staub zerfallen sind. Chamisso : Sie vergessen, dass auch die Wissenschaft mitunter dichten kann, Herr Choris. Sehen Sie, hier. Choris ( liest ) : "Peter Schlemihls wundersame Geschichte ". Von Ihnen, Herr Chamisso ? Chamisso : Die Geschichte eines unglückseligen Freundes, von ihm selbst erzählt. Eschscholtz : Sie machen mich neugierig. Aber da kommt das Boot, das uns an Land bringen soll. Choris muss hierbleiben, bis seine Ansicht von Santa Cahtharina für die Nachwelt fertig ist. Wir werden die hübschen Brasilianerinnen von ihm grüßen. Chamisso ( schreibend ) : Wir fanden den Sklavenhandel noch in vollem Flor. Das Gouvernement Santa Catharina bedurfte jährlich fünf bis sieben Schiffsladungen Neger, um die zu ersetzen, die auf den Pflanzungen ausstarben. Die Kraft eines Menschen schnell zu verbrauchen und ihn durch neuen Ankauf zu ersetzen, schien vorteilhafter, als selbst Sklaven aufzuziehen. Plantage. Geräusch von schweren Stampfkolben in Mörsern. Chamisso : Entsetzlich. Solche Arbeiten verrichten in Europa Dampf und Wasser ! Eschscholtz : Menschen sind hier billiger. Chamisso : Eine Schande. Das sollten Sie zeichnen, Choris. Choris : Herr von Kotzebue hat befohlen, uns aus allen politischen Händeln herauszuhalten. Chamisso : So wollen Sie statt dessen fröhliche Eingeborene malen ? Denken Sie daran, wie man Ihre Bilder in 100 Jahren betrachten wird ! Choris : Ich denke daran. Chamisso ( schreibend ) : Wir gingen am 28. Dezember 1815 früh um fünf Uhr mit schwachem Wind unter Segel. Am 10. Januar erhob sich aus Südwest ein Sturm, der uns fast sechs Tage lang unausgesetzt gefährdete. Nachmittags um vier Uhr schlug eine Welle auf das Heck , die große Zerstörung anrichtete und den Kapitän über Bord spülte. Zum Glück verwickelte er sich in ein Tauwerk und konnte sich wieder aufs Verdeck schwingen. Das Wasser drang bis vor die Kajüte des Kapitäns ein, aber Chronometer und Instrumente blieben unbeschädigt. Ein Hühnerkasten mit vierzig Hühnern war über Bord geschleudert und der Rest des Geflügels ertränkt worden. Kajüte. Draußen schwere See, die an Masten und Aufbauten schlägt . Eschscholtz : Ich bin neugierig, was unser Koch heute abend auftragen wird. Chamisso : Ich fürchte, wir werden Curry ohne Huhn bekommen, und zwar bis wir in Chile sind. Eschscholtz : Wenn die Schafe und Ziegen auch noch über Bord gehen, dann gibt's Schild- krötensuppe und Walfischcurry. Wir sind schließlich ein Expeditionsschiff, wie unser Kapitän immer betont. Auf seine Gesundheit ! Gläserklingen, Sturmwind. Chamisso ( schreibend ) : Am Morgen des 19. Januar 1816 sahen wir das Kap San Juan und durchkreuzten am 22. die Mittagslinien des Kap Hoorn. Die Stürme aus Südwest hielten an und brachten die höchsten Wellen, die wir bisher gesehen. Am 31. Januar 1816 ward in der Nähe des Kap Hoorn mein 34. Geburtstag gefeiert. Am 12. Februar 1816 fuhren wir nachmittags in die Bucht von Concepcion ein und waren um drei Uhr in Ansicht von Talcaguano. Unsere Flagge war hier unbekannt und groß die Furcht vor Korsaren aus Buenos Aires, gegen die man sich nicht verteidigen konnte. Endlich wurden wir doch nach einem Ankerplatz gelotst. Der Kommandant von Talcaguano kam an Bord des "Rurik? und lud uns zu Abend in sein. Haus ein. Ich war spät mit dem Kapitän heimgekehrt, als Musik unter unserem Kajütenfenster erklang. An Deck. Spanische Gitarren und Kastagnetten, dazu Gesang. Kotzebue : Was für eine Katzenmusik ! Haben Sie ein paar Piaster in der Tasche, damit wir diese Bettler loswerden ? Chamisso : Um Himmels Willen, Herr Kapitän ! Das ist ein Ständchen, zum Dank für unseren Besuch. Sehen Sie - die beiden Töchter des Kommandanten sind dabei. Wenn wir denen Geld hinwerfen - das wäre eine ungeheure Beleidigung ! Kotzebue : Heißt das, wir müssen Sie an Bord bitten ? Chamisso : Keinswegs. Wir müssen uns nur höflich bedanken. Kotzebue : Meinetwegen. An Schlaf ist unter diesen Umständen ja sowieso nicht mehr zu denken ... Chamisso ( schreibt ) : Endlich will ich dir, mein lieber Eduard, auch von diesem Teil der Welt nach Berlin schreiben. Ich hoffe sehr, dass der Brief dich erreicht. Es lebt sich auf so einer Reise eben wie zu Hause. Man sieht immer stier in die Zukunft, die unablässig als Gegenwart über unser Haupt hinwegfliegt und ist an den Wechsel der Naturszenen ebenso gewöhnt wie daheim an den Wechsel der Jahreszeiten. Der Polarstern ist untergegangen, und das werden wir auch zu unserer Zeit tun. Die Kälte kommt aus dem Süden, der Mittag liegt im Norden und man tanzt am Weihnachtsabend im Orangenhain. Was heißt denn das mehr, als dass eure Dichter die Welt aus dem Hals jener Flasche betrachten, in welche sie eingeschlossen sind ? Wahrlich, ihr Süden und Norden und ihr ganzer naturphilosophisch-poetischer Kram nimmt sich da vortrefflich aus, wo einem das südliche Kreuz im Zenith steht. Es gibt Zeiten, wo ich zu meinem armen Herzen sage : Du bist ein Narr, so müßig umherzuschweifen ! Warum bleibst du nicht zu Hause und studierst was Rechtes, da du doch die Wissenschaften zu lieben vorgiebst ? Und doch atme ich durch alle Poren und zu allen Momenten neue Erfahrungen ein. Wir werden an meiner Reise Stoff auf lange Zeit zu sprechen haben, wenn schon die alten Anekdoten zu welken beginnen ... An Deck. Wind in den Segeln, Brandung am Bug. Kotzebue : Jetzt beginnt die eigentliche Entdeckungsreise, meine Herren ! Wir halten Kurs auf die Osterinseln. Chamisso : Sind Sie schon dortgewesen, Kapitän ? Kotzebue : Nein. Als ich mit Herrn von Krusenstern segelte, haben wir von Chile aus direkten Kurs auf die Marquesas genommen. Choris : Ich habe gelesen, dass Sie dort Menschenfresser angetroffen haben. Kotzebue : Allerdings. Besonders die Weiber sind gefährlich. Sie fressen ihre Liebhaber auf, sobald sie ihrer überdrüssig werden. Eschscholtz ( lacht ) : Liebe geht auch in der Südsee durch den Magen. Chamisso : Herr de Bougainville hat den Völkern der Südsee aber ein ganz anderes Zeugnis ausgestellt ! Kotzebue : Ihr Herr de Bougainville war ein Romantiker. Ich rate Ihnen, auf sein Zeugnis nicht allzuviel zu geben. Sie nehmen besser bewaffnete Matrosen mit, wenn Sie botanisieren gehen. Chamisso ( schreibend ) : Am 25. März passierten wir die nackten Felsen von Salas y Gomez und berührten am 28. die Oster-Inseln. Die Walfische, die wir in der Bucht von Concepcion so häufig gesehen hatten, begleiteten uns noch einige Zeit. Wir sahen auch die ersten Tropen- vögel, diese herrlichen Hochsegler der Lüfte. Als die Oster-Insel sich aus dem Meer erhob, Rauch von den Hügeln stieg und wir am Strand der Cooks-Bay Menschen sich versammeln sahen, da freute ich mich wie ein Kind; alt nur darin, dass ich mich auch darüber freute, mich noch so freuen zu können. Im Landungsboot der "Rurik? Brandung, Geschrei, Gesänge der Insulaner vom Ufer. Eschscholtz : Sie sehen unzufrieden aus, Kapitän. Freuen Sie sich nicht auf unsren ersten Landgang in terra incognita ? Kotzebue : Die Wilden sammeln Steine am Ufer. Wenn das die Blumen sind, mit denen wir begrüßt werden sollen, dann halten wir besser unser Pulver trocken. Achtung, Männer ! Chamisso : Warum sollten sie uns feindlich sein ? Kotzebue : Weil die Amerikaner versucht haben, Eingeborene in die Sklaverei zu verschleppen. Da fliegen schon die ersten Steine ! Geben Sie einen Warnschuß ab, Schischmarew ! Schuß, Geschrei. Choris : Da rennen sie ! Hoffentlich ist keiner getroffen. Die armen Wilden. Kotzebue : Wir kehren um. Ruder hart backbord, Steuermann ! In die Riemen, Leute ! Chamisso ( schreibend ) : Ich ergreife die Gelegenheit, gegen die Bezeichnung " Wilde " in seiner Anwendung auf die Südsee-Insulaner feierlich Protest einzulegen. Ein Wilder ist für mich ein Mensch, der ohne festen Wohnsitz und Feldbau keinen anderen Besitz kennt als seine Waffen, mit denen er sich von der Jagd ernährt. Die verschiedenen Erfindungen der Gesittung, auf die die Völker unseres Kontinents stolz sind, hören unter so veränderten Bedingungen auf, einen Maßstab abzugeben. Wir durchkreuzten am 11. Mai 1816 den Äquator nach Norden. Ein Delphin wurde harpuniert, auch zeigten sich viele Tropen- und Fregattvögel. Wir segelten an den Marshall-Inseln und an vielen kleinen Atollen vorbei, die mit herrlichen Palmen bestanden waren. Am 28. Mai durchschritten wir den nördlichen Wendekreis. Vor uns erhob sich der große Bär und hinter uns senkte sich das Kreuz des Südens. An Deck. Wind in den Segeln, Seegang und Seevögelgeschrei. Eschscholtz : Das war eine enttäuschende Begegnung mit dem Paradies der Südsee, wie ? Grämen Sie sich nicht. Wenn wir die Passage durch die Beringstraße nicht bis Anfang Oktober gefunden haben, dann kommen wir zurück. Choris : Zur Osterinsel ? Eschscholtz : Nach O-Waihi. Das ist von Alaska aus die nächste Inselgruppe, auf der wir uns mit frischem Obst und Gemüse versorgen können. Choris : Jetzt werden wir allerdings erst einmal die kahlen Felsen und Gletscher von Kamtschatka zu sehen bekommen. Ich hoffe, Sie haben Ihre warmen Mäntel eingepackt, meine Herren. Chamisso ( schreibend ) : Wir fuhren am 19. Juni in das weite Becken der Awatscha-Bucht hinein. Hier, zu Sankt Peter und Paul betrat ich zuerst russischen Boden und sollte meine erste Bekanntschaft mit Rußland machen. Der Kapitän ging an Land und es folgten Festmähler, wie sie nur in Kamtschatka zu beschaffen sind. Wir erfreuten uns der russischen Bäder, die vielleicht das Erquicklichste sind, was die russische Gastfreundschaft anzubieten hat. Der Wein war nicht eben der vorzüglichste, aber die Gäste zahlreich und jeder wollte mit jedem trinken, so dass der Gläser sehr viele wurden. Wir versorgten uns mit Parkern, dem gewöhnlichen Pelzkleid der Nordvölker, einem langen Rentierfellmantel mit Kapuze. Wir verließen den Hafen am 14. Juli 1816 und liefen in Richtung Bering- straße aus. An Deck. Scharfer Wind in den Segeln, eisiger Seegang. Choris : In ihrem Parker sehen Sie aus wie ein richtiger Eskimo, Herr Doktor. Jetzt müssen Sie nur noch Kajak fahren und Robben jagen lernen ! Eschscholtz : Sie sollten sich selber sehen ! Die Eskimofrauen werden Sie mit heißen Herzen verfolgen. Choris : Ich stelle es mir sehr unbequem vor, in so einer Wohnung aus Eis und Schnee von der Leidenschaft überwältig zu werden. Eschscholtz : Dafür gibt es Eisbärenfelle. Machen Sie eine Skizze nach der Phantasie. Chamisso : Nichts für ungut, aber was geht Sie das Liebesleben der Eskimos an ? Choris : Sie studieren das Liebesleben der Mollusken, ich das der Wilden. Wir werden sehen, wer am Ende mehr Bücher verkauft. Eschscholtz : Vergessen Sie nicht, dass es in Rußland noch immer einen Zensor gibt . Aber lassen Sie uns unter Deck gehen, dieser Eiswind ist mörderisch ! Chamisso ( schreibend ) : Wir nahten uns am 11. August 1816 einem hohen Vorgebirge und fanden zwischen ihm und dem Kap Espenberg eine niedrige Küste mit weiter Bucht. Herr von Kotzebue liess ankern und wir gingen an Land. Als ich von meiner botanischen Exkursion zurück-kam, fand ich den Kapitän mit einem Eingeborenen, der mit seiner Familie ein Zelt aufgeschlagen hatte und uns Eindringlingen mit Pfeil und Bogen entgegentrat. Der Kapitän ging allein und ohne Waffen auf den Mann zu, beschwichtigte ihn und besiegelte mit Geschenken den Frieden. Der Eskimo nahm uns gastlich auf und ich maßte mir mein altes Dolmetscheramt an. Ich stellte mich pantomimisch, als ruderte ich den Strom landeinwärts und fragte mit Blick und Hand : "Wohin ?? Und er antwortete sehr verständig : " Neun Sonnen rudern, neun Nächte schlafen, Land zur Rechten, Land zur Linken, dann freies Meer, kein Land mehr in Sicht !? Wir lichteten am 13. August die Anker und durchkreuzten das nördlich dieser Straße liegende Meerbecken zur asiatischen Küste hinüber, um dann in die Sankt-Lorenz- Bucht ins Land der Tschuktschen einzulaufen. Die Tiefe des Wassers nahm zu, die Temperaturen nahmen ab und auch das Meer wurde in der Nähe der winterlichen asiatischen Küste kälter gefunden. In der Kajüte. Eschscholtz : Die Sommerkampagne geht zu Ende. Eine Passage haben wir zwar nicht gefunden, aber dafür gibt es jetzt einen Kotzebue-Sund, eine Chamisso-Insel und eine Eschscholtz- Bucht. Nur unser Choris muss noch auf seine geographische Unsterblichkeit warten. Choris : Ich kann darauf verzichten, wenn wir nur bald wieder in wärmere Breiten kommen. Chamisso : Wo der Kapitän bestimmt ein Südsee-Atoll nach Ihnen benennen wird. Choris : Passen Sie lieber auf Ihre Knochensammlungen auf, Herr Naturforscher. Sonst wandern die auch in den Heizkessel, genau wie Ihre Mammutzähne. Chamisso : Erinnern Sie mich nicht daran ! Eschscholtz : Seien Sie froh, dass die Eskimos Sie nicht bei Ihren Grabräubereien erwischt haben. Sonst hätten Sie das fossile Elfenbein in den Hintern bekommen. Chamisso : Jetzt schäm ich mich fast dafür. Aber sehen Sie doch, wie fein diese Figuren und Tiere geschnitzt sind ! Wäre es nicht jammerschade gewesen, solche Kunstwerke auf einem Steinhaufen verrotten zu lassen ? Eschscholtz : Der Steinhaufen war ein Altar und die Figuren Grabbeigaben. Machen wir uns nichts vor, lieber Chamisso. Im Namen der Wissenschaft zu plündern verschafft uns ein ruhigeres Gewissen, aber Plünderung bleibt es doch. Chamisso ( schreibend ) : Wir liefen am 29. August 1816 morgens aus der Sankt-Lorenz-Bucht aus und steuerten nach Unalaska. Die Nächte waren stürmisch und dunkel und dabei leuchtete das Meer, wie ich es schöner nicht zwischen den Wendekreisen gesehen habe. Die Menschen auf Unalaska hatten das Lachen im Gegensatz zu den Eskimos der Beringstraße ganz verlernt. Ich habe sehr verschiedene Zustände der Gesellschaft kennengelernt und Nachbarvölker gleichen Stammes gesehen, von denen diese frei und jene hörig waren. Aber ich habe niemals den Despotismus zu loben einen Grund gefunden. An Deck. Leichter Wind in den Segeln, neben dem Schiff die Blasgeräusche ziehender Walherden. Chamisso : Ich bin froh, dass wir von Unalaska fortkommen. Wie elend leben diese armen Aleuten im Vergleich zu den tschuktschischen Eskimo. Kotzebue : Elend ? Sie haben Arbeit und geregeltes Essen, dank der russischen Handelskompagnie und dem fürsorglichen Regiment unseres Herrn Generalgouverneurs. Chamisso : Aber sie lachen nicht mehr. Kotzebue : Unfug. Sie waren nur ein paar Tage dort, woher wollen Sie das wissen ? Ihnen ist jede Ordnung ein Dorn im Auge , wie ? Chamisso : Mir ist der Despotismus ein Dorn im Auge, Herr Kapitän. Kotzebue : Immer noch nicht geheilt vom Bazillus der Revolution ? Hat nicht Ihre Familie Alles durch sie verloren ? Oder meinen Sie den Despotismus Ihres Kaisers Napoleon ? Chamisso : Ich meine jede Art von Despotismus, Herr von Kotzebue. Kotzebue : Wohl auch den Despotismus eines Kapitäns auf einem Kriegsschiff Seiner Majestät des Zaren ? Chamisso : Sie verstehen mich mit Absicht falsch. Kotzebue : Sie haben keine Vorstellung davon, wie man in diesen Teilen der Welt die Zivilisation durchsetzen muss, Herr von Chamisso. Kümmern Sie sich um Ihre Pflanzen und Kerbtiere. Überlassen Sie die Politik denen, die dazu berufen sind. Chamisso ( schreibend ) : Wir fuhren am 14. September am Morgen mit günstigem Wind aus dem Hafen von Unalaska und steuerten nach San Francisco in Neu-Kalifornien. Herr von Kotzebue zog jenen Hafen den Inseln von O-Wahi vor, weil die Preise für Proviant und Wasser auf den Inseln durch die hohe Frequenz der amerikanischen Schiffe gestiegen sein sollten. Wir segelten am 2. Oktober 1816 nachmittags vier Uhr in den Hafen von San Francisco hinein. Große Bewegung zeigte sich auf dem Fort. Sie ziehen ihre Flagge auf, wir zeigen unsere, die hier nicht bekannt zu sein scheint. Wir lassen den Anker fallen, aber kein Boot kommt vom Ufer. Ich wurde beordert, den Leutnant Schischmarew nach dem Presidio des Gouverneurs zu begleiten. Leutnat Luis de Argello, Kommandant ad interim, empfing uns freundschaftlich und sorgte für die Bedürfnisse auf dem "Rurik ". Am anderen Tag wurden die Zelte an Land errichtet sowie das Observatorium und das Russische Bad. Am Abend statteten wir dem Kommandanten einen Besuch ab. Tafel im Zelt. Gesprächsgemurmel, Gläser klingen, Bestecke klirren. Eschscholtz : Was wollte der Kapitän so dringend übersetzt haben ? Chamisso : Er ist verärgert, weil die Spanier auf unsere Salutschüsse mit zwei Saluts weniger geantwortet haben. Der Kommandant meint, das sei in Spanien der Brauch, aber Herr von Kotzebue besteht auf die fehlenden zwei Kanonenschläge. Eschscholtz : Das nennt man Protokoll. Choris : Das nennt man Blödsinn. Ob in diesem gottverlassenen Winkel der Welt zwei Böller mehr oder weniger für die Flagge des Zaren abgefeuert werden, davon geht doch das Russische Reich nicht unter. Chamisso : Der Zar und Herr von Kotzebue sehen das anders. Eschscholtz : Haben Sie gesehen, in welchem Zustand Fort und Besatzung sind ? Wenn der Kapitän das nach Sankt Petersburg meldet, wird man sich im Kriegsministerium fragen, wie weit es von Alaska nach Kalifornien ist. Chamisso : Woraufhin die Amerikaner sich fragen werden, was die Russen überhaupt auf Alaska zu suchen haben. Eschscholtz : Unsere Expedition ist jedenfalls keineswegs nur eine geographische. Chamisso : Sicher, aber ist es klug, das laut hinauszuposaunen ? Eschscholtz : Der Kapitän winkt Ihnen, Chamisso. Choris Vielleicht bekommt er nun doch noch seine zwei Kracher. Chamisso ( schreibend ) : Am 16. Oktober abends verkündeten Salven vom Fort her die Ankunft des Gouverneurs. Am 17. Morgens wartete Herr von Kotzebue an Bord auf seinen Besuch. Der Gouverneur, ein alter Mann und von höherem Rang, wartete auf dem Presidio. Schließlich war die Stunde gekommen, wo Herr von Kotzebue ins Observatorium zu seinen Instrumenten gehen musste. Ich ließ das zum Presidio melden, und wie er an Land trat, schritt ihm der Gouverneur den Hügel hinab entgegen. Spanien und Rußland fielen sich auf halbem Weg in die Arme und der Frieden war gerettet. Strand. Brandung und Schritte auf Steinen. Eschscholtz : Heute abend nach dem Essen soll es einen Schaukampf zwischen einem Bären und einem Stier geben. Man hat die Bärenfänger schon ausgeschickt. Ist das nicht eine sehr politische Hatz ? Ein russischer Bär gegen einen spanischen Stier ? Chamisso : Ich hasse jede Art von Hatz, politisch oder nicht. Die Kreaturen tun mir Leid. Eschscholtz : Es handelt es sich wohl eher um die Niederlassung des Herrn Kushow in der Bodega-Bucht, die die Spanier als unrechtmäßig ansehen. Chamisso : Wie wird sich der Kapitän aus der Affaire ziehen ? Herr Kushow hat sich auf Befehl von Herrn Baranow in Bodega niedergelassen und Herr Baranow ist der Chef aller Niederlassungen der Russisch-Amerikanischen Kompagnie. Eschscholtz : Der Gouverneur besteht auf Klärung. Er hat russische Gefangene gemacht und will sie loswerden. Sie kosten zuviel und wir könnten sie mitnehmen. Dann hätte der "Rurik? ein paar zusätzliche Matrosen, doch dafür müßte der Kapitän Stellung beziehn. Chamisso : Und deshalb sollen ein Bär und ein Stier sterben ? Eschscholtz : Für die große Politik sterben immer die Falschen. Chamisso ( schreibend ) : Herr Kushow aus Bodega traf ein, der Gouverneur forderte ihn auf, das gegen alles Völkerrecht besetzte Gebiet sofort zu räumen. Herr Kushow erklärte, dass könne er nur auf Befehl des Herrn Baranow tun, der Gouverneur forderte Kapitän von Kotzebue auf, es im Namen des Zaren anzuordnen. Der Kapitän erklärte sich für unbefugt und ich übersetzte das alles. Am Ende wurde ein Protokoll abgefaßt, das dem Zaren und dem spanischen König zugesandt werden sollte. Die Zeit unseres Aufenthaltes in Kalifornien war abgelaufen. Am 28. Oktober wurde das Lager abgebrochen, am 30. alles Getier und Gemüse eingeschifft. Am 1. November 1816 morgens um neun Uhr lichteten wir die Anker und segelten am Fort vorüber. Die Spanier zogen ihre Flagge auf und salutierten uns mit sieben Kanonenschüssen, die wir Schuß für Schuß erwiederten. Wir nahmen Kurs auf O-Waihi. Kapitänskajüte. Mittagstafel. Draußen Sturm, starkes Stampfen des Schiffs und klapperndes Geschirr Eschscholtz : Vor das Paradies haben die Götter die Stürme gesetzt. Unser armer Choris hat kaum etwas gegessen. Chamisso : Um nach O-Waihi zu kommen, nehme ich alle Stürme der Welt in Kauf. Bisher haben wir die Südseeinsulaner ja nur von fern gesehen, aber jetzt werden wir unter ihnen leben ! Dieses Mal ist meine Neugier besonders groß. Kotzebue : " Dieses Mal " hätten Sie sich sparen können, Herr Chamisso. Sie sind zwar der Älteste an Bord, aber immer noch der Neugierigste . Chamisso : Ich danke für Ihr Kompliment, Herr Kapitän. Meine Neugier ist die eines Naturforschers. Kotzebue : So ? Wie Sie meinen. Dann guten Abend, meine Herren ! Seien Sie vorsichtig an Deck. Ich kann nicht wegen jedem Naturforscher umkehren, der vor lauter Neugier in den Pazifischen Ozean fällt. Chamisso ( schreibend ) : Im Morgengrauen zum 22. November enthüllten sich uns die Höhen der Insel O -Waihi. Wir sahen den Mauna Kea, der sich höher über das Meer erhebt als der Montblanc. Kanus kamen ans Schiff. Auf einem befand sich ein weitgewanderter Mann des Königs Tameiameia, der sogar in China gewesen war. Wir baten ihn, bei uns an Bord zu bleiben und uns nach Kavakakoa zu lotsen, wo der König sich aufhielt. Wir erfuhren, dass Russen von der Amerikanischen Handelskompagnie damit gedroht hatten, die Insel mit Krieg zu überziehen und dass man jeden Tag russische Kriegsschiffe erwartete. Das war unser Glück, denn nun konnten wir eine Botschaft vorausschicken und dem König unsere friedlichen Absichten anzeigen. Am Ufer war dennoch zahlreiches Volk in Waffen. Der alte Tameiameia saß auf einer erhabenen Terasse in rotem Maro und mit schwarzer Tapa angetan. Er richtete den Friedensgruß Aroha ! an uns und ließ sich vom Zweck unserer Expedition berichten. Dann lud er uns ein, ein gebackenes Schwein mit ihm zu verzehren und gab uns allen die Hand. ( feierlich ) Drei hervorragende Männer der alten Zeit haben mir die Hand gedrückt : Tameiameia, Sir Joseph Banks und Lafayette. Festmahl vor dem Haus des Königs Tameiameia. Musik und Feuerprasseln, Gesang und Wind in den Palmen. Choris : Was hat es mit dieser Kriegsdrohung auf sich ? Chamisso ( flüstert) : Ein gewisser Doktor Schäfer hat im Auftrag der Kompagnie verschiedene Inseln bereist und ein paar Häuptlinge beschwatzt, sich gegen Tameiameia zu erheben. Er wollte die Inseln für die Kompagnie in Beschlag nehmen und hat sogar die russische Flagge aufgezogen. Choris : Das riecht brenzlig - nach Krieg. Eschscholtz : Das ist gebackenes Schwein, was Sie da riechen. Wir hatten grosses Glück mit unserem Lotsen, sonst hätte man uns mit Pfeilen begrüßt statt mit Hibiskusblüten. Chamisso : A propos Hibiskus - kommen Sie morgen mit mir botanisieren ? Damit werden wir unsere friedlichen Absichten am besten unter Beweis stellen. Ein weißer Mann, der Blumen sammelt, kann nicht ganz schlecht sein. Lachen, Musik und Festlärm. Chamisso ( schreibend ) : Als ich mit Eschscholtz am anderen Tag botaniseren ging, umringte uns eine mehr lachende als drohende Menge. Es war eine große Freude, hier die ersten Pflanzen zu sammeln. Eine Cyperacee ! rief ich Eschscholtz zu und zeigte ihm meinen Fund von fern. Küperake ! Küper- ake ! fing unser einheimischer Führer darauf hin an zu schreien , schwang eine Handvoll Gras über seinem Kopf und begann zu tanzen. So sind diese Menschen fröhlich wie die Kinder und man wird es wie sie, wenn man unter ihnen lebt. Zeltlager, Brandung und Wind in den Palmen Eschscholtz : Während wir uns um die Pflanzen von O-Waihi gekümmert haben, hat unser Choris die Lieblingsfrau des Königs porträtiert. Nicht gerade schmeichelhaft, Ihr Bild. Choris : Ich habe mir sagen lassen, dass Fülle hierzulande als erstes Schönheitsmerkmal gilt. Die O-Waihianer leben noch im Rubenschen Zeitalter. Chamisso : Haben die Hofdamen der Königin Ihnen während des Malens schöne Augen gemacht, Sie junger Rubens ? Choris : Sie haben mir sehr handgreifliche Angebote gemacht, so dass ich den Pinsel kaum ruhig führen konnte. Chamisso : Ich hoffe, Sie haben allen Versuchungen widerstanden. Choris : Mir blieb nichts anderes übrig. Kaum war ich mit der Königin fertig, musste ich mit dem Porträt zum König, der es begutachten wollte. Ich bin zum Hofmaler avanciert. Eschscholtz : Gratulation ! Bleiben Sie bei Hofe ? Choris : Nur, wenn Sie Leibarzt werden ! Und Herr Chamisso Hofgärtner. Chamisso : Ich würde gern die Märchen und Bräuche der Inseln aufzeichen und ein Bruder Grimm der Südsee werden, bevor die Missionare kommen und alles verderben. Kotzebue ( kommt dazu ) : Konspirieren die Herren Wissenschaftler wieder ? Chamisso : Herr Kapitän - wäre es nicht möglich, dass ich bis zur Rückkehr des "Rurik? hier auf O-Waihi bleibe und die Inseln erkunde ? Kotzebue : Sie können die Expedition jederzeit verlassen, Herr Chamisso. Ich halte Sie nicht. Aber der "Rurik? wird Ihretwegen nicht zurückkommen, wenn wir die Passage gefunden haben. Wir segeln morgen früh. Guten Abend, meine Herren ! Chamisso ( schreibend ) : Die Bräuche, die ich noch gesehen habe, werden auf O-Waihi nicht mehr vollführt und der Klang der alten Lieder wird bald verhallen. Missionarshemden verhüllen die schönen Leiber, alles Kunstspiel verstummt und die Gesetze der Zivilisation senken sich still und traurig über diese Kinder der Freude. Aber wir Barbaren nennen jene mit so viel Schönheitssinn begabte Menschen noch immer : "Wilde? ... Am 14. Dezember 1816 morgens nach sechs Uhr forderten wir mit einem Kanonen- schuß den Lotsen, der mit etlichen Doppelkanus herbeikam. Wir wurden aus dem Hafen herausbugsiert, salutierten der königlich-o-waihianischen Flagge und nahmen Kurs auf die Inseln von Radack. An Deck. Geschrei von Seevögeln, leichter Wind in den Segeln. Choris : Jetzt kreuzen wir schon zwei Wochen durch diese Wasserwüste und haben außer Walfischen und Pelikanen nichts zu Gesicht bekommen. Eschscholtz : Vermissen Sie die dicke Königin und ihre handgreiflichen Hofdamen ? Choris : Herr Chamisso hat Recht gehabt. Dort hätten wir forschen und zeichnen können, Stattdessen suchen wir hier nach gottverlassenen Korallenriffen, um darauf die russische Flagge zu hissen ! Eschscholtz : Der Kapitän hat seine Befehle.. Ruf vom Ausguck : Land in Sicht ! Land an Steuerbord voraus ! Eschscholtz : Hören Sie ? ! Choris : Bis jetzt war's jedesmal eine Wolkenbank. Chamisso ( schreibend ) : Am 1. Januar 1817 wurde in den Nachmittagsstunden Land gesehen und da die Insel auf keiner Karte verzeichnet war, nannte der Kapitän sie die " Neujahrsinsel?. Sieben kleine Boote, jedes mit sechs Eingeborenen besetzt, ruderten an uns heran. Wir eröffneten einen Tauschhandel, der ihrerseits mit großer Ehrlichkeit geführt wurde. Die Menschen gaben für Eisen, was sie besaßen : Kokosnüsse, Pandanusfrüchte, Matten, Muschelkränze, ein Tritonshorn und ein mit Haifischzähnen besetztes hölzernes Schwert. Wir steuerten weiter nach Westen und als wir am 4. Januar schon im Begriff waren, das weitere Suchen aufzugeben, stießen wir auf eine Kette von Inseln, die sich unabsehbar von Osten nach Westen erstreckte. Wir waren auf Radack gestoßen. Bald war der "Rurik? wieder von Booten umringt und der Friedensgruß : Aidara ! tönte zu uns hinauf. An Deck. Rufe und Rudergeräusche, ferne Brandung am Riff. Chamisso : Was für elegante Fahrzeuge diese Auslegerkanus sind ! Und wie geschickt die Insulaner damit manövrieren ! Dagegen muss ihnen der "Rurik? wie ein schwimmendes Waschfaß vorkommen. Machen Sie eine Skizze, Choris ? Kotzebue : Das hat nur Sinn, wenn die Boote an Land liegen, so dass man ihre Bauweise studieren kann. Warten Sie, bis wir zu den größeren Inseln kommen. Chamisso : Ich wußte nicht, dass Sie diese Inselgruppe kennen, Herr Kapitän. Kotzebue : Ich kenne sie durchaus nicht. Aber auf den größeren Inseln gibt es naturgemäß größere Bäume und damit besseres Holz für den Bootsbau. Um das vorauszusehen, reicht gesunder Menschenverstand. Chamisso : Was hat er nur wieder ? Eschscholtz : Sagen Sie niemals einem Kapitän, sein Schiff sei ein altes Waschfass. Sonst haben Sie einen Feind bis an Ihr Lebensende. Kotzebue ( vom Achterdeck rufend ) : Lassen Sie Gaffelsegel setzen, Leutnant Schischmarew ! Kurs Ost - Nordost ! Chamisso ( schreibend ) : Nachdem wir vom 5. Januar bis zum 22. Februar verschiedene Atolle der Inselkette durchfahren hatten, ankerten wir am 23. vor den Korallenbänken von Aur. Es umringten uns sogleich wieder mehrere Boote und wir riefen ihnen : Aidera ! zu. Die Häuptlinge kamen an Bord und mit ihnen zwei Fremde von der Insel Ulea : Kadu und sein Schicksalsgefährte Edok. Kadu, der ein Vertrauter des Königs von Ulea war und für ihn Aufträge auf weit entfernten Inseln erfüllte, war während eines Sturms von seinem Kurs abgekommen. Gemeinsam mit drei Gefährten hatte er angeblich acht Monate auf offener See zugebracht und sich mit nichts als Regenwasser und Fischen am Leben erhalten, bevor ihn ein Nordostpassat schließlich nach Aur trieb. Nachdem Kadu von dem Ziel unserer Reise erfahren hatte, machte er uns durch Miene und Zeichen klar, dass er uns begleiten wolle. Er hatte einmal von einem europäischem Schiff auf Ulea gehört und hegte deshalb die Hoffnung, mit uns zu seiner Heimatinsel zurückkehren zu können.. Herr von Kotzebue gab seine Einwilligung, denn offenbar konnte uns der seekundige Mann in diesen Breiten von großem Nutzen sein. Am Strand. Brandung und Wind in den Palmen. Eschscholtz : Ein toller Bursche , dieser Kadu. Acht Monate auf dem Ozean in einem Auslegerboot ! Und wir bilden uns Gottweißwas auf unsere Weltumsegelung mit einem Schiff ein, das zehnmal so groß ist. Chamisso : Forster hat Recht gehabt. Es wäre für die Menschen hier besser gewesen, wenn sie uns Europäer nie zu Gesicht bekommen hätten. Eschscholtz : Vielleicht. Aber Krieg hätten sie trotzdem untereinander geführt. Wir sollten uns hüten, diese Eingeborenen allzu romantisch zu betrachten. Lernen Sie von Kadu, aber machen Sie keinen edlen Wilden aus ihm. Das Rad der Geschichte hat noch keiner zurückgedreht, auch Ihr Monsieur Rosseau nicht. Ich mag nicht in eine Höhle zurückkriechen und rohes Fleisch kauen, wenn ich um die Welt segeln und dabei Beefsteak essen kann. Chamisso : Sie meinen, dass Frieden , Fortschritt und Menschenrechte einander nicht bedingen ? Eschscholtz : Ich meine, dass der Gedanke zu schön ist, um wahr zu werden. Aber vielleicht gründen Sie mit Choris eine Utopia Pacifica und überzeugen mich vom Gegenteil ? Da kommt Kadu. Vielleicht lernen Sie ja als erstes von ihm Bedürfnislosigkeit. Acht Monate nur Regenwasser und Fische. Alle Achtung. Chamisso ( schreibend ) : Kadu studierte unsere Verhältnisse und Sitten, worin er sich bald zu finden wußte. Er verabscheute Krieg und Blutvergießen, war aber keineswegs feige. Sein Journal teilte er nach Monden ein, wofür er Knoten in eine Schnur knüpfte. Er schien wohl zu verstehen, was wir ihm über die Gestalt der Erde und die nautische Kunst anschaulich machten. Selbst beim Erlernen der Schrift gab er sich einige Mühe. Die Lieder, die er in verschiedenen Sprachen sang, waren gleichsam das Buch, worin er nach seinen Erinnerungen blätterte. An Deck. Gesang Kadus und Wind in den Segeln. Eschscholtz : Was treibt unser Freund da ? Chamisso : Er beschwört den Wind, damit wir gute Fahrt nach Norden haben. Eschscholtz : Verstehen Sie, was er singt ? Chamisso : Es ist ein Dialekt aus Ulea. Kowalaia heißt : Wo gehst du hin ? Eschscholtz : Kowalaia. Klingt schön. Chamisso : Und Oa bedeutet Schiff. Eschscholtz : Kowalaia oa ? Wenn wir das selber wüßten. Chamisso : Zunächst wieder nach Unalaska. Eschscholtz : Ich bin gespannt, was Kadu zu den Eisgletschern und Seelöwen sagen wird. Chamisso : Aidara ! Eschscholtz : Aidara ? Chamisso : Frieden. So begrüßt er doch alles Fremde. Chamisso ( schreibend ) : Wir sahen am 19. März das letzte polynesische Riff und fuhren nun aus der heiteren Welt der Südsee dem düsteren Norden zu. Die Tage wurden länger, die Kälte empfindlicher. Ein nebelgrauer Himmel senkte sich über uns. Das Meer vertauschte seine azurblaue Farbe gegen schmutziges Grün. Nun lag noch einmal der eigentliche Zweck der Expedition vor uns : die Nordostpassage durch das Eismeer der Beringstraße zu finden. Am 13. April gerieten wir in einen schweren Sturm mit Schnee und Hagel. Nach Mitternacht nahm die Wucht dieses Orkans in einem solchen Maße zu, dass die Kämme der Wellen bis zu den Masten hinaufschlugen. Ein gewaltiger Brecher zerschmetterte Bugsprit und Steuerrad des "Rurik? und verletzte den Kapitän so schwer, dass er für einige Tage die Koje hüten musste. Der Sturm dauerte noch einen ganzen Tag lang an und erst am 15. April konnte die Mannschaft mit den notdürftigsten Reparaturen beginnen. Am 18. April kamen die Aleutischen Inseln in Sicht. Kajüte. Heulender Wind, Knarren der Aufbauten und Masten von Deck her. Chamisso : Wie geht es dem Kapitän ? Eschscholtz : Sieht nicht gut aus. Er spuckt immer noch Blut. Chamisso : Was nun ? Eschscholtz : Nun gehen wir erst einmal vor Anker und zeigen Kadu die Seelöwen. Wo steckt der Bursche ? Chamisso : Er hilft den Matrosen an den Pumpen. Den ganzen Sturm über war er nicht einen Augenblick seekrank. Eschscholtz : Wer acht Monate auf dem Pazifik überlebt, für den hat so ein Orkan keine Schrecken mehr. Selbst über Schnee und Hagel hat er gelacht. Chamisso : Er fand den weissen Regen sehr schön. Ewuet thap ! hat er gerufen. Choris : Er wird noch genug von taptap bekommen. Jetzt reut es mich, nicht Hofmaler auf O-Waihi geworden zu sein. Was haben wir in dieser Eiswüste zu suchen ? Eschscholtz : Die Nordostpassage, lieber Choris. Unseren Weg nach Hause. Chamisso ( schreibend ) : Wir fuhren am 24. April durch die Straße von Unalaska und wurden am 25. in den Hafen bugsiert, wo wir vor der Ansiedlung Illiulink nahe am Ufer die Anker warfen. Als Kadu die baumlose Einöde dieses Landstrichs sah, forderte er uns auf, die Kokos- nüsse, die wir noch bei uns hatten, hier einzupflanzen, um das Elend der Bewohner zu lindern. Es dauerte lange, ihn zu überzeugen, dass das ganz aussichtslos war. Am 29. Juni 1817 gingen wir unter Segel und fuhren mit Kurs auf die Sankt-Pauls- Inseln gen Norden. Wir sahen riesige Herden von Seebären, die vor allem Kadu faszinierten. Am 10. Juli kamen wir auf der Sankt-Lorenz-Insel an und erfuhren von den Ein- wohnern, dass das Eis erst seit drei Tagen aufgebrochen war . Am 11. gingen wir bei gutem Wetter und Südwind unter Segel. Ich hörte, dass der Kapitän wieder erkrankt und bettlägerig sei und dass an der Nord- ostspitze der Insel stehendes Eis gesichtet worden sei. Dann ließ uns Kapitän von Kotzebue am Morgen des 12. Juli 1817 mitteilen, dass er das Ziel unserer Reise seiner zerstörten Gesundheit wegen aufgeben müsse. An Deck. Wind in der Takelage, schlagendes Segel- und Fahnentuch. Eschscholtz ( verliest laut den Brief des Kapitäns ) : " Ich habe einsehen müssen, dass mein Zustand gefährlicher ist, als ich bisher glauben wollte und es mir nicht erlaubt, weiter in der Nähe des Eises zu bleiben. Wenn ich bedenke, dass uns eine schwierige Rückfahrt bevorsteht und dabei das Leben meiner Mannschaft und das Schicksal des Schiffes von meinem Kommando abhängt, dann fühle ich, dass ich jetzt meinen Ehrgeiz unterdrücken muss und meiner Pflicht nachzukommen habe." Choris ( flüstert ) : Und was nun ? Chamisso : Der Traum von der Nordpassage ist ausgeträumt. Eschscholtz : Da kennen Sie Kapitän Kotzebue schlecht. Wir kommen wieder, meine Herren. Chamisso ( schreibend ) : Wir lagen am Morgen des 22. Juli 1817 wieder im Hafen von Unalaska vor Anker. Hier teilte uns der Kapitän die Einzelheiten der Heimreise mit. Der "Rurik? wurde noch einmal überholt, wir schifften aus, was wir zur Ausrüstung für die Nordpassage an Bord genommen hatten. Ich verpackte den Großteil meiner Sammlungen in Kisten, die auf dem Landweg durch Sibirien nach Sankt Petersburg geschickt werden sollten. Vieles, was gesammelt und herbarisiert worden ist, wurde dort niemals nutzbar gemacht. Der Reichtum kauft überall das Teuerste ein, er sendet Reisende in alle vier Himmelsrichtungen aus, aber das mühsam Gesammelte und Entdeckte wird dann sorglos dem Vergessen überlassen. Manchmal schmückt man seinen Namen noch mit der Herausgabe eines Buches, aber was die Wissenschaft darüber hinaus und freiwillig geleistet hat, das wird mißachtet. Ich habe einmal eine junge Berlinerin sagen hören, gemachte Rosen seien schöner als natürliche, denn sie kosteten ja mehr. Das ist ein großes Kapitel in der Geschichte der Menschen. An Deck. Leichter Wind in den Segeln, Gesang vom Ufer. Eschscholtz : Da läuft unser guter Kadu mit seinen Ziegen am Strand entlang und winkt. Nun ist er doch nicht nach Hause gekommen. Chamisso : Immerhin hat er Eis und Schnee gesehen. Ewuet thap ! Choris : Und das Gärtnern von Ihnen gelernt ! Sie können stolz darauf sein, den ersten Gemüsegarten der Südsee angelegt zu haben. Chamisso : Ich glaube nicht, dass ich die Südsee gut genug kenne, um eine solche Behauptung in die Welt zu setzen. Eschscholtz : Werden Sie Ihre polynesische Grammatik schreiben ? Chamisso : Ich hoffe, dass mir Zeit dazu bleibt. Schade, dass ich nicht mehr Kadus Lieder und Märchen aufschreiben konnte. Wir hatten gerade angefangen, uns gut genug zu verstehen. Choris : Es wäre ein hübsches Paradox gewesen, wenn Sie im Eismeer die Märchen der Südsee gesammelt hätten. Chamisso : Ja. Aus der Traum. Eschscholtz : Warum so düster ? Die Welt ist kleiner geworden. Vielleicht kommen Sie mit der nächsten Expedition zurück. Chamisso : Man kann nicht ein Leben lang vor seinem Schatten davonlaufen, lieber Esch- scholtz. Immerhin hab ich auf dieser Reise um die Welt eine Idee davon bekommen, was das ist : ein Zuhause . Eschscholtz : Und vergessen Sie nicht, wieviel Heu und Käfer wir für die Nachwelt gesammelt haben ! Chamisso ( schreibend ) : Ich pflücke Blumen und ich sammle Heu Botanisieren nennen das die Leute Und anders es zu nennen trag ich Scheu So schweift das Menschenkind nach trockner Beute. Das Leben und die Welt hindurch. Die Reu Ereilet ihn, und wie er rückwärts schaut : Der Abend sinkt, das Haar ist schon ergraut. Am 3. August 1818 lag der "Rurik? zu Sankt Petersburg an der Newa vor dem Hause des Grafen Romanzow vor Anker. Meine Schiffsgesellschaft verabschiedete sich. Ich hatte nur noch das eine Geschäft, mich von Sankt Petersburg so bald als möglich frei zu machen. Herr von Kotzebue unternahm von 1823 bis 1826 noch einmal eine Reise um die Welt. Eschscholtz, inzwischen Professor in Dorpat, hat ihn dabei wiederum begleitet. Choris machte ein paar Jahre später für den Jardin des Plantes eine Reise nach Mexiko und wurde bei Veracruz von Räubern erschossen. Die übrigen Seeleute habe ich auf dem Ozean der Zeit aus den Augen verloren. ( Chamisso ) : Die Verwandlungen des Insekts lassen sich auch am Menschen nachweisen, nur in umgekehrter Reihenfolge. Er hat in der Jugend Flügel, die er später ablegt, um dann als Raupe auf einem Blatt zu leben, auf dessen Ränder er beschränkt wird. Auch ich wollte die Flügel abstreifen, Wurzeln schlagen und eine Familie gründen - oder aber die Flügel wiederum ausbreiten und auf einer anderen Reise nachholen, was für die Wissenschaften zu tun ich auf meiner ersten versäumt hatte. Holger Teschke 1