Zerstörtes Leben, zerstörtes Land Syrische Flüchtlinge in Jordanien Eine Reportage von Andre Zantow Atmo 1 - Kinder (47:10 min) Der grüne Plastikball fliegt durch eine enge Gasse hoch hinauf in den Himmel. Gerade mal zwei Meter stehen die Mauern auseinander ? aber das stört die sechs Kinder auf dem sandigen Boden nicht. Barfuß schießen sie den Ball immer wieder ausgelassen in die Luft. Nur der Kleinste darf nicht richtig mitmachen. Atmo 1 Kinder Er versucht sich stattdessen auf einem Fahrrad ohne Sattel. Als Besuch kommt, singen die Kinder aus vollem Herzen ein Lied über ihre Heimat. Atmo 2 - Lied (O-Ton 48:50 min) ?Syrien, Syrien - Ein Aufstand des Stolzes und der Freiheit.?, - so klingen Kinderlieder in Kriegszeiten. Atmo 2 - Lied (O-Ton 48:50 min) Die Jungs und Mädchen sind mit ihren Geschwistern und Müttern aus Syrien geflüchtet ?ins südliche Nachbarland Jordanien, wie so viele. 5 Familien - insgesamt 22 Menschen. Sie alle leben nun in einer 3-Zimmer-Wohnung im Osten von Amman. Asmaa, eine Mitarbeiterin der Hilfsorganisation CARE, geht durch die Gasse, vorbei an den Kindern. Sie wird sehnlichst erwartet. Atmo 3 - Reingehen 6.20 min Die Jordanierin, Mitte zwanzig, weißes Kopftuch, registriert syrische Flüchtlinge ? nimmt also Name, Alter, Gesundheitsstatus auf. Alles um zu bewerten, wer Hilfe erhält und wer nicht. Asmaa setzt sich auf eine Matte im Wohnzimmer. Das misst gerade vier mal vier Meter. Von der Decke dröhnt ein Ventilator und wirbelt die 35 Grad warme Luft durcheinander. Atmo Ventilator Alle 22 Familienmitglieder haben nun Platz genommen. Männer gibt es keine. Die sind noch in Syrien. O1 ? Freistehend (Englisch) (O3 ? Beschützen ? 25:30 min) They just protect others in the night. Ob sie tatsächlich nachts andere Menschen beschützen, wie die Frauen sagen, oder ob sie kämpfen ? und wenn ja, auf welcher Seite, das ist für den Fragebogen von Hilfs-Dienst-Mitarbeiterin Asmaa nicht relevant. Also wendet sich die Jordanierin der ersten alleinerziehenden Mutter zu. O2 SprecherIN 6 OV - (O4 ? 11.26 min, 12:10 min) Sie hat 9 Familienmitglieder. Ihr Ehemann ist noch in Syrien. Eine ihrer Töchter ist krank ? etwas mit dem Blut. Alle im Raum blicken auf das 13-jährige Mädchen, das apathisch rechts in der Ecke liegt. Jemand hebt ihren Ellbogen hoch, der ist dick angeschwollen und bräunlich verkrustet. O3 ? Freistehend (Englisch) (O5 ? Fatima - 15:07 min) Fatima. Fatima. Fatima muss in einer Privatklinik am Arm operiert werden für umgerechnet 540 Euro. Aber das Geld hat die Familie nicht. Einen Teil könnte Asmaas Hilfsorganisation beisteuern. Sie notiert etwas auf den Fragebogen und stuft die Großfamilie als sehr bedürftig ein. Wegen der kranken Fatima, weil kein Mann im Haushalt ist, und weil sie mit 5 Familien in einer 3-Zimmer-Wohnung leben. Das sorgt auch für Probleme mit dem Vermieter. Es gibt schon Mietschulden und die Hälfte der Familien soll ausziehen. O4 ? Freistehend (Engslisch) (O-Ton 20:40 min) The landlord said to separate for 2 families here and the others find another house. Der Vermieter hat offenbar Angst um die Wohnsubstanz. Schwer zu glauben, bei dem Anblick. Die Wände sind dreckig, der Putz fällt herunter. Die Elektrokabel laufen frei an der Außenwand. Die Wohnung hat keinen Tisch, keinen Kühlschrank, keine Waschmaschine, nicht mal genug Schlafmatten und Decken für alle. O5 ? Freistehend (Engslisch) (O-Ton 18:50 min) The mattresses and the blankets are not enough for all. Auch die kleine Küche ist notdürftig ausgerüstet. Rechts eine Spüle mit einem löchrigen Arbeits-Brett. Darunter ein paar Töpfe. Links zwei Mauer-Steine auf denen ein alter Gasherd mit drei Platten steht. So leben die Syrer jetzt seit gut vier Monaten in Jordanien. Erspartes haben sie keines mehr. Arbeiten dürfen die Flüchtlinge auch nicht. Wahrscheinlich müssen sie bald in ein Flüchtlingslager. Dort hätten sie zwar Lebensmittel, aber eine Unterkunft ohne Strom. Hier können sie über den Fernseher wenigstens die Nachrichten verfolgen. O6 ? Freistehend (Engslisch) (O-Ton 27:19 min ? Afraid of husband.) They talk about the news in Syria. Their country is destroyed completly. She is afraid for her husband and others. Ihr Land sei komplett zerstört, klagen die Frauen. Und, sie hätten Angst um ihre Ehemänner und die anderen. Asmaa tröstet ein wenig und verabschiedet sich dann von der Großfamilie. Noch schnell das ausgefüllte Formular in die Handtasche geschoben, dann muss die 26-jährige Jordanierin gehen. Mit hohen Schuhen und enger Hose stöckelt sie wieder los. Vorbei an Bananenschalen und Plastikmüll. Dann bleibt sie stehen. Von oben ? aus einer Wohnung im dritten Stock plättert eine Flüssigkeit in die Gasse. Atmo 4 - Tropfen (5:20 min) Asmaa zieht ihre Handtasche heran, steigt über die Pfütze und erreicht das Auto. Es geht weiter, zur nächsten Familie. Atmo 5 - Auto Asmaa weiß, dass ihre Hilfsorganisation CARE nur Gelder für etwa zehn Prozent der Flüchtlinge hat. Ihr Job ist es die Menschen zu befragen, nachzuprüfen, wer am bedürftigsten ist. Ein schwieriges Unterfangen bei so viel Not. Viele verstehen nicht, warum sie nicht bedürftig sind und beschweren sich. Die meisten sind aber froh, dass sich überhaupt jemand kümmert, auch wenn Asmaa die Familien oft nur an andere Hilfsorganisation weiterleiten kann. Atmo 6 - Aussteigen (4:15 min) Das Auto stoppt vor einer Bauruine. Zumindest sieht es so aus. Asmaa nimmt ihre Sonnenbrille ab und steckt sie auf ihr weißes Kopftuch. Grobe Mauersteine bilden die Hauswand. Kein Putz, keine Farbe. Stromkabel schaukeln im Wind. Es gibt kein Dach. Ein alter Mann öffnet in knittrigem Streifenhemd die Tür. Atmo 7 Reingehen (0021) Er heißt Abdulah, 72 Jahre und trägt für den Gast ein traditionelles weißes Tuch auf dem Kopf, das er mühsam, aber wenig kunstvoll zusammengebunden hat. Abdulah führt müde ins Wohnzimmer, wo schon seine Frau Latifa und ihre acht erwachsenen Töchter sitzen. Asmaa will von den syrischen Flüchtlingen wissen, ob sie gesundheitliche Probleme haben. Alle blicken auf den Vater und dessen linkes Auge. Das ist geschlossen und rot angeschwollen. Atmo 8 Gespräch - (3:50 min) Das ist von der ?Situation in Syrien?, sagt die Mutter. Ein Metallsplitter. Der Vater braucht dringend eine Operation. Erst gestern sei er auf dem Weg zur Moschee gefallen, weil er nicht mehr klar sehen kann. Atmo 9 Gespräch (8:00 min) Auch der Mutter fällt es schwer zu laufen. Sie leidet an Diabetes und Bluthochdruck. Aber die meisten Sorgen macht sich die Familie um Enham. Die 25-jährige Tochter sitzt tief gebeugt neben den Schwestern ? und zeigt auf ihre linke Hand, die völlig steif wirkt. In Syrien hat sie Psychologie studiert, erzählt sie, dann - kurz vor dem Abschluss ? wurde sie angeschossen. O7 ? SprecherIN 5 ? (Tochter - Bus was passierte - 26:30 min) Es gab wohl eine Ausgangssperre. Aber davon wusste ich nichts. Ich bin also nach der Uni in den Bus eingestiegen und wollte nach Hause fahren. In dieser Zeit gab es wohl auch eine Welle von Verhaftungen ? auf jeden Fall war da ein Kontrollpunkt. Einer der Kontrolleure hat den Bus zurück ins Stadtzentrum geschickt, als ob das Absicht war. Und dann haben einige Mädchen gerufen ?Da ist ein Scharfschütze? und der hat dann mehrmals auf den Bus geschossen, ich habe meine Arme über den Kopf geworfen und wurde getroffen. Ich bin dann ins Krankenhaus, wurde aber nicht richtig behandelt, weil das Krankenhaus hätte berichten müssen, was passiert ist, also gab es nur leichte Desinfektionsmittel. Die bräunliche Narbe vom Durchschuss in der linken Hand ist noch klar erkennbar ? Enham kann den Daumen nicht mehr beugen. Aber sie hat noch Glück gehabt, so scheint es, denn sie berichtet, dass einer ihrer Brüder erschossen wurde. Nach diesen traumatischen Erlebnissen will die Familie nur noch eines: weg aus Syrien. Sie suchen Sicherheit, kommen nach Jordanien - leben nun in dieser Erdgeschoss-Wohnung. Im Flur ist eine Treppe in den ersten Stock, aber oben ist nur Bauschutt und Holz. Atmo 10 Treppe und Holz Das erste Stockwerk wurde nie fertig gestellt. Das Dach fehlt komplett. So landet Lärm, Regen und Kälte direkt im Wohnraum bei den syrischen Flüchtlingen. Atmo 11 Tropfen Im Flur tropft es aus dem Wasserhahn. Auch die Leitungen sind defekt. Umgerechnet 180 Euro verlangt der Vermieter für diese Wohnung, bald sollen die Syrer raus, weil sie nicht mehr zahlen können. Vielleicht kann Asmaas Hilfsorganisation die Miete für einen Monat übernehmen. Aber das kann sie der Familie noch nicht sicher zusagen. Immerhin ? eine kleiner Hoffnungsschimmer. Das Familienoberhaupt Abduhlah verabschiedet Asma, die fährt gleich weiter über eine staubige Straße. Die nächste Familie wartet. Atmo 12 Auto Die Hilfsorganisation CARE kann nur wenige Mitarbeiter beschäftigen, die wie Asmaa die bedürftigen Familien vor Ort besuchen. Die allermeisten Syrer kommen in Jordaniens Hauptstadt Amman selbst zu einer zentralen Anlaufstelle und lassen sich dort registrieren. Atmo 13 - Eingang Hilfsorganisation Junge Männer und schwarz verhüllte Frauen mit ihren Kindern drücken und schieben in Richtung Eingangstor. Jeder kämpft um einen vorderen Platz. Von oben drückt die Sonne ? schon morgens sind es 30 Grad. Bis auf die Straße stehen die Wartenden. Atmo 14 - Tür 9 öffnen Alle paar Minuten öffnet sich ein Blech-Tor und der nächste darf hinein in den kühlenden Schatten. Über eine Treppe geht es in ein zweistöckiges Gebäude. Dort herrscht hektisches Bürotreiben. Atmo 15 Telefonieren Ein Mitarbeiter nimmt Anrufe von Flüchtlingen entgegen, ein anderer sitzt an der Rezeption und verteilt Wartenummern. Wie in einer deutschen Arbeitsagentur erhält jeder der Syrer einen Fall-Manager, dem er seine Lage schildert. Warum ist er geflohen? Wie viele Personen leben in der Wohnung? Gibt es Babys? Ist die Mutter alleinerziehend? Atmo 16 tippen Sind alle Daten eingegeben, muss der Fallmanager die Bedürftigkeit einschätzen. Nur die Notfälle können Sofortgelder erhalten ? für Miete oder medizinische Betreuung. Dafür gibt es ein ausgeklügeltes Punktesystem. Trotzdem bleibt es eine schwere Entscheidung, die auch Sundus täglich treffen muss. Die 28-jährige arbeitet hier seit ein paar Wochen als Freiwillige Fallmanagerin, früher war sie Lehrerin im syrischen Daraa. O8 Freistehend (Englisch) ? (Interview Sundus Volunter ? 15:55 min) Every day you hear a new story. Every day. Jeden Tag hört sie neue Erlebnisse von syrischen Flüchtlingen. Oft sind es Horrorgeschichten, wie ihre eigene. O9 ? Sprecherin 3 OV (Interview Sundus Volunter - 9:48 ? 11:42 min) (Two years you are living in an area of our country.) Zwei Jahre lang haben wir in unserer Gegend mit Bomben und Granatsplittern gelebt ? jeden Tag. Unsere Familie war reich in Syrien. Wir hatten drei Häuser. Nun sind alle zerstört. Den letzten Ramadan haben wir deshalb im Keller der Moschee verbringen müssen. Nicht mal Wasser hatten wir da genug. Wir haben lange versucht in Syrien zu bleiben, aber dann haben die Regierungstruppen meinen Großvater erst gefoltert und dann in seinem Haus ? vor unseren Augen - verbrannt. Warum gerade ihre Familie angegriffen wurde? Da wird die Englisch-Lehrerin fast wütend. O10 Freistehend (Englisch) ? (Interview Sundus Volunter - 1:17 min) We are against the regime. Because the regime is so bad. Der Krieg hat das Leben der 28-Jährigen zerstört. Sie war Teil der Mittelschicht, eine feste Anstellung, vielleicht bald verheiratet - nun ist sie ein Flüchtling. Dabei hat ihre 7-köpfige Familie noch Glück. Sie haben Erspartes ? ihr Vater besaß mehrere Juweliergeschäfte. So können sie immerhin eine Fünf-Zimmerwohnung in Amman mieten. Aber wie lange, ohne Arbeit? Atmo 17 Kopierer Ein Kollege von Sundus steht am Kopierer und dupliziert leere Registrierungsformulare. Auch Muhammad ist Flüchtling und arbeitet bei der Hilfsorganisation als Freiwilliger. Um offen reden zu können, geht der 30-jährige Mann nach draußen in den Hof. Er wirkt stämmig, nicht besonders groß, hat aber muskulöse Oberarme. O11 SprechER 4 OV (Interview Muhammad Volunter ? 1:22 min) (Before war in Syria.) Vor dem Krieg in Syrien habe ich zuerst mein Jura-Studium beendet und mich dann sehr für den Import und Export interessiert und war dann Besitzer von zwei Supermärkten. Einer im Zentrum von Damaskus und einer außerhalb. Zum einen bin ich immer am Vormittag gefahren, zum anderen nachmittags. Nun gibt es seine Supermärkte nicht mehr. Sie wurden dem Erdboden gleich gemacht, erzählt er. Auch ihn hätte es fast getroffen. Muhammad zeigt auf seinen rechten Unterarm. Dort ist eine lange Narbe zu sehen. ?Eine zweite habe ich am Bein?, versichert er. O12 SprechER 4 OV (Interview Muhammad Volunter ? 2:40 ? 3:38 min) Ich bin gerade außerhalb von Damaskus mit meinem Auto gefahren. Und dann gab es eine Straßensperrung. Die Soldaten haben mich gestoppt und gefragt was ich im Auto habe. Ich habe gesagt: Ihr könnt euch alles anschauen. Der Soldat hat ersten hinten geguckt und dann gesagt ich solle aussteigen. Dann sollte ich weggehen und nach 200 Metern fängt er an auf mich zu schießen. Eine Kugel trifft mich ins Bein und eine in die Hand. Muhammad schafft es in eine Gasse, wo ihn die oppositionelle Freie Syrische Armee findet und ins Krankenhaus transportiert. Später kommt er nach Jordanien, hier will er sich noch einmal operieren lassen, weil immer noch Metall-Splitter in seinem Körper sind. O13 SprechER 4 OV (Interview Muhammad Volunter ? 5:28 min) (Yes, I have now metal from here to here. The doctor..) Der Doktor hat letzte Woche drauf geschaut und nach den Röntgenaufnahmen meinte er, in zwei bis drei Monaten kann es wieder raus. Ob er nach der Operation zurück nach Syrien will ? da schüttelt der 30-Jährige der Kopf. Ehefrau, beide Kinder und die halbe Familie sind inzwischen in Jordanien. Mohammed sieht sich nicht als Kämpfer. Er will nur den Menschen helfen, sagt er. O14 SprechER 4 OV (Interview Muhammad Volunter ? 10:50 min) (Im not fighter. From the start the revolution in Syria.) Als die Revolution in Syrien angefangen hat, habe ich den Menschen aus humanitären Gründen geholfen. Den Armen, den Kranken, denen, die wegen des Krieges nicht zur Arbeit gehen können. Und wir haben Medizin aus dem Libanon und Jordanien zur Freien Syrischen Armee gebracht. Deshalb wissen die Regierungstruppen wer ich bin. Und ich war im Fernsehen und habe gesagt was los ist - bei Al Jazeera. Nun will der 30-jährige Jurist irgendwohin ins Ausland gehen. Hier in Jordanien kann er keine Medikamente sammeln und an die syrische Bevölkerung schicken. Die jordanische Polizei hat ihn aufgrund von privaten Telefonaten sogar schon einbestellt und aufgefordert ?neutral? zu bleiben, behauptet er. Also hat Muhammad versucht ein Visum in der Deutschen Botschaft zu bekommen, aber er kam nicht einmal rein. Auch die Franzosen wollen ihm nicht helfen. Niemand will die Syrer, meint er traurig. Vom Ausland erwartet er nichts mehr. O15 SprechER 4 OV (Interview Muhammad Volunter ? 21:40 min) (Honestly) Ehrlich gesagt, wenn die Franzosen, die Deutschen oder die Europäer das Syrische Volk unterstützen wollten, dann hätten sie das von Anfang an getan. Jetzt ist es zu spät. Was Länder jetzt tun, ist doch nur um sich vor den anderen wichtig zu tun. Wir haben die Hoffnung verloren. Atmo 18 Muhammad ? der Jurist ? geht wieder in sein Büro. Wenigstens hier kann er als Freiwilliger ein paar Syrern helfen. Auch wenn es nur für kurze Dauer ist. Einen Monat Notfallgeld für die Miete hat zum Beispiel Samya erhalten, die einige Straßen weiter in Amman eine Bleibe gefunden hat. Die 39-jährige Frau hat ihr Dorf südlich von Damaskus verlassen. Gerade mal 200 Kilometer trennen sie von ihrer Heimat und doch ist es eine andere Welt. Der Krieg in Syrien hat für sie alles verändert. O16 SprecherIN 1 OV ? (01 - Interview Syrian woman Samya - 5.30 min) Bei uns haben die Leute gerade demonstriert, als auf einmal die Regierungs-Truppen kamen und auf die Demonstranten geschossen haben. Mein Bruder ist nun ein Märtyrer. Die haben ihn aus dem Auto gezehrt, zu einer Kontrolllinie gebracht und erschossen. Ihr Bruder wurde getötet, weil ihr anderer Bruder in der oppositionellen Freien Syrischen Armee kämpft, glaubt Samya. Sie selbst hat damals vor allem Angst um ihre drei Kinder gehabt. Nachdem sie Gerüchte hörte über Regierungstruppen, die Häuser von Zivilisten angreifen und Frauen vergewaltigen, entschließt sich die alleinerziehende Mutter zu fliehen. Atmo 19 - Hauseingang Straße Das war im August 2012. Seit dem ist fast ein Jahr vergangen. Samya lebt nun mit ihren beiden Töchtern und dem Sohn in einer kargen Wohnung, aber besser als ein Zelt. Ihr altes Haus sei inzwischen wirklich angegriffen worden, schildert sie leise. Dabei rollen ein paar Tränen über ihr Gesicht, das eingerahmt wird von einem weißen Kopftuch. Trotz der Trauer versucht die 39-Jährige stets freundlich zu bleiben und zu lächeln. Wohl auch wegen der Kinder, die jedes Wort der Mutter aufmerksam verfolgen. Alle vier sitzen im Wohnzimmer, das wie der Rest der Wohnung keine Möbel hat ? nur Matten, die auf dem Boden liegen, gegenüber ist die kleine Kochecke. Rückzugsmöglichkeiten gibt es in dieser Zwei-Zimmerwohnung keine. Und Beschäftigung für die Kinder schon gar nicht. O17 Freistehend (Arabisch) ? (O8 ? Samya ? Homestudy ? 40:35) Spielen, Rumalbern, und Fernseh-Schauen. Atmo 20 - Raum Spielen, Rumalbern und Fernsehschauen, erklärt Samya. Mehr gibt es für ihre 11-jährige Tochter, den 12-jährigen Sohn und die 15-jährige Tochter im fremden Land nicht zu tun. Obwohl es keine sprachlichen Integrationsprobleme geben dürfte. Syrer und Jordanier sprechen Arabisch und können sich problemlos verständigen. Aber Jordanien ist angesichts von inzwischen 500.000 syrischen Flüchtlingen einfach überlastet. Schulen haben keinen Platz mehr. Lehrer arbeiten schon im Schichtbetrieb. Und Bücher für Heimunterricht kosten Geld, das Samya nicht hat. Um die ersten Mieten zu zahlen, musste sie sogar ihr Hochzeitsgeschenk verkaufen: zwei Goldarmbänder. O18 Freistehend (Arabisch) ? (O3 ? Samya ? 18:12 min ? Gold) Ich habe meine zwei Goldarmbänder verkauft. Nun hat die Frau im dunklen Ganzköpergewand keinen Schmuck mehr im Haus. Außer einem Korb mit kleinen, bunten Glasperlen. Die hat Samya von einer Textil-Firma, für die sie illegal tätig ist. Ihr ist es als Flüchtling verboten in Jordanien zu arbeiten. Atmo 21 - Sticken Mit ruhiger Hand fädelt Samya eine glitzernde Perle nach der anderen auf einen Faden und stickt sie dann kunstvoll an die Ärmel einer Jacke. Viel Feingefühl ist nötig, damit das Muster gelingt. Mehrere fertige Jacken liegen schon neben ihr in dem sonst leeren Raum. Pro Stück erhält sie von der Textilfirma umgerechnet 35 Cent. So kommt sie im Monat auf einen Lohn von rund 40 Euro. Das ist gerade mal ein Drittel der Miete, deshalb sucht sie nun weitere Unterstützer. O19 ? SprecherIN 1 OV - (O5 ? Samya ? Hilfsorgas ? 20:21 min) Ich habe mich an viele Hilfsorganisationen gewandt, aber bisher keine Reaktion bekommen.. Langfristige Hilfe erhält sie bisher nur von einem lokalen Supermarkt. Dort kann sie mit Lebensmittel-Gutscheinen pro Monat für etwa 100 Euro einkaufen. ?Das genügt schon für die vier-köpfige Familie?, sagt sie dankbar. ?Wir brauchen nicht viel.? O20 Freistehend (Arabisch) - (06 ? Samya ? Essensscheine ? 22:45 min) Es ist leicht ? sie brauchen nicht viel. Samyas drei Kinder sitzen still daneben. Erst als die Mutter erklärt, dass im nächsten Monat wohl kein Geld mehr da ist für die Miete, wird die 15-jährige Sheefa hellhörig und legt ihr Handy beiseite. Atmo 22 ? Saatari-Gespräch drunter (31:40? Einwurf Tochter: Sataari) ?Dann müssen wir wohl zurück nach Saatari?, wirft die Tochter ein. Das ist das große Flüchtlingscamp an der syrisch-jordanischen Grenze. Eine Zeltstadt mit 120.000 Menschen und einem rauen Umgangston, in dem es die Familie nur zwei Monate ausgehalten hat. O21 - SprecherIN 1 OV (O7 ? Samya ? Saatari - 32:10 ? Why left Saatari) Wir kommen aus einer Gegend, es ist so, als ob wir aus dem Zentrum von Damaskus kommen. Und im Flüchtlingslager ? die Menschen dort ? Ihre Art ? das waren andere Menschen. Ich habe mich gefragt, können das überhaupt Syrer sein? Die Art und Weise, wie sie vor der Lebensmittel-Abgabe standen. Ein riesiges Gedränge. Nicht nur wir haben uns geschämt, uns in diese Menge einzureihen. O22 - SprecherIN 2 OV (Tochter) Manchmal bin ich auch gegangen. Ich habe mich aber nicht in die Menschenmenge getraut, sondern gewartet. Als ich einen Soldaten um Hilfe gebeten habe, hat der nur gelacht. Am Ende bin ich oft mit leeren Händen nach Hause gekommen. Das war normal. Atmo 23 ? Straßengeräusche (2. Tag - 007 ? 0:18min) Um sich das enge Mit- und Gegeneinander im Zeltlager zu ersparen, ziehen über 70 Prozent der syrischen Flüchtlinge in die Städte der Nachbarländer, vor allem in den Libanon und nach Jordanien. Eine halbe Million Syrer leben inzwischen in Jordanien, sie müssen versorgt werden ? in den Lagern und in prekären Unterkünften. Samya und ihre Kinder können sich nicht selbst helfen und wovon sie auf Dauer leben sollen, ist völlig unklar. Viele Spenden für die syrischen Flüchtlinge erhalten die Hilfsorganisationen nicht. Der Krieg dauert schon über zwei Jahre, er schockiert nicht mehr. Und es gibt kaum Bilder aus dem umkämpften Land, so bleibt es oft ein politischer Konflikt in den Medien. Sie berichten über diplomatische Vorschläge, Konferenzen mit den USA und Russland, aber die inzwischen 1,6 Millionen Flüchtlinge sind weit weg. Dabei sind es von Berlin nur vier Flugstunden nach Amman. Atmo 24 ? Kapitän Durchsage (Arabisch + Englisch) ? (00 ? Atmo Flug Landen 1) .. Queen Alia International Airport ? Thank you.