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Danach, nach der Veränderung der Kreise und dadurch, dass es den Kreis Lebus nicht mehr gab, ist dann also nach und nach das historische Lebuser Land aus den Köpfen der Menschen hier in der Region entschwunden. 3. O-Ton: von Hardenberg_01 (0'37") (take: 80:23-81:00) Die Gegend lebt natürlich auch immer wieder von Außeneinflüssen, Menschen, die sich hier in den Landstrich verlieben oder hier ihre Arbeit finden und gern hier sind. Man muss ja auch (...), gerade im Oderbruch, mit der Einsamkeit leben können. (...) und manche suchen das, manche suchen genau diese Ruhe und Eintönigkeit. 4. O-Ton: Hagedorn_01 (0'11") M 49 Für die künstlerische Arbeit selbst war der Ort für mich erstrebenswert mit seiner Ruhe, Beschaulichkeit und eben dieser schönen (...) historischen Substanz, die man hier findet. Sprecher v. Dienst: Ansage Adel, Adebar und Adonisröschen. Das Lebuser Land in Brandenburg. Eine Deutschlandrundfahrt mit Thomas Doktor Musik Ende Atmo 1: Landstraße Autor: Die Bundesstraße 1, die ehemalige Reichsstraße 1, die von Aachen über Königsberg an die deutsch-litauische Grenze führte, war einst die längste deutsche Fernstraße überhaupt. Auf halber Strecke der alten Route verläuft die Straße ganz im Osten der Republik, in Brandenburg zwischen Berlin und der Oder, dem Grenzfluss zum Nachbarland Polen. Hier im Landkreis Märkisch Oderland stehen sich die Einwohner nicht auf den Füßen: Die rund 193.000 Einwohner des Landkreises verteilen sich auf eine Fläche von knapp 2200 Quadratkilometern so, dass sich im Mittel 90 von ihnen einen Quadratkilometer teilen. Die Fahrt geht durch lang gezogene Straßendörfer wie Heidekrug und Hoppegarten. Die Dörfer unterbrechen die Fahrt zwischen weiten, ebenen Feldern unter den im Vorfrühling noch blattlosen Ästen von Eichen, Buchen und Ahornbäumen, die als typische Brandenburger Allee, die Straße säumen, an den Stämmen auf Hüfthöhe jeweils mit großen weißen Streifen bemalt. Wald tritt an die Strecke heran und verdunkelt die Sicht, die Straße verläuft in langen Kurven mitten durch den Müncheberger Stadtforst. Ein Mischwald aus Birken, Eichen, Buchen und Fichten, dazwischen ragen Findlinge und nackter Stein aus dem Boden. Plötzlich wird es hell: Der Forst ist durchquert und eine in sanften Hügeln geschwungene Ebene weitet den Blick. Atmo 2: Ebene mit Windrädern (alternativ Atmo Döbberin) Autor: Ein dutzend weißer Windräder bewegt sich im Hochnebel zur Rechten, mehr blasser Schein als Sein. Karg scheint das Land auf den ersten Blick, die Obstbäume, die auf den Nebenwegen die Alleen bilden, halten in knorrigen Verknotungen an den Ästen fest, dem steten Wind trotzend. Auf den zweiten Blick deuten die weitläufigen Felder intensive Landwirtschaft an. Die Ebene gehört zur sogenannten Lebuser Platte, einem Relikt der letzten Eiszeit und ist der erste namentliche Fingerzeig auf der Suche nach dem Lebuser Land. Der zweite Fingerzeig ist kulinarischer Natur. Atmo: Lietzen_Wild_01, Außen, Schritte; Graf v. Hardenberg: "... das ist die Wildkammer ....geh'n wir rein?" 5. O-Ton: Graf v. Hardenberg (0'16")/ M 132 Hier wird Wildschwein, Rotwild, Rehwild verarbeitet, im Wesentlichen zu Fleischstücken, im Einzelnen: Rehkeule, Rehrücken, aber auch Leberwurst, Salami, Schinken, ganz begehrte Produkte. Atmo_Wildverkauf Autor: Gebhard Graf von Hardenberg führt durch die Räumlichkeiten des Hofverkaufs für Wild und andere Produkte, auf dem Gelände der alten Templerkomturei in Lietzen, vier Kilometer südlich der alten Reichsstraße 1 in malerischer Hanglage oberhalb der Seenkette des Platkower Mühlenfließes. Herrenhaus, Feldsteinkirche und der Speicher, - der älteste Profanbau östlich der Elbe - sind auf einer Fläche von 20 ha von einer übermannshohen Feldsteinmauer umgeben. Drinnen, in den hell gefliesten Räumen zur Wildverarbeitung weist Graf von Hardenberg auf rollbare Edelstahlgestelle, an glänzenden Metallhaken baumeln dunkel geräucherte Würste und Schinken: 6. O-Ton: Graf v. Hardenberg (0'50")/M 134 Das sind jetzt (...) die Salamis, Wachholdersalami oder (...) Knoblauchsalami, das ist der Schinken. Der ist eigentlich (...) das Produkt, was am Besten geht, weil es einfach die höchste Qualität, ... - es hat alles `ne Bombenqualität, aber der Schinken ist wirklich sehr ungewöhnlich. Er ist fast wie Bündnerfleisch. (...) Insofern ist der Schinken fast mit das beste vom Fleisch, es werden sogar Rücken verarbeitet als Schinken. Aber die Qualität ist sensationell, ganz mager und völlig fettfrei. Das ist eben das gute bei Wild, nicht? Autor: Der über Buche geräucherte Wildschweinschinken, innen von einem ganz dunklen Rosa, verbindet Geruch und Geschmack des Buchenrauches mit dem allerdings beeindruckenden Ge- schmackserlebnis von zart auf der Zunge zergehendem Wildfleisch. Musik 1; G.F. Haendel: Il Pastor fido / Bourée (1'06) Atmo: Lebus Adonishänge_01 / 02 Autor: An den Steilhängen der Oderberge, wo die Lebuser Platte um bis zu 60 Meter ins Odertal abfällt, befindet sich einer der westlichsten Vorposten einer Flora und Fauna, die sonst nur in der Schwarzmeerregion zu Hause ist. Auf der Westseite der Oder gelegen, genießen die Hänge schon früh im Jahr die Sonne vom Morgen bis in den Nachmittag. 7. O-Ton: Teichert_02 (0'57")/ M 113 Hier (...) links von uns ist einer der (...) Hänge, die sich dann weiter ziehen bis Lebus. Das sind ungefähr 3-4 Kilometer. Diese ganze Kante hier ist Naturschutzgebiet, aufgrund der besonderen Arten an Flora und Fauna, die da vorkommen, an erster Stelle das Frühlingsadonisröschen und dann also auch die Wiesenkuhschelle. Und andere Pflanzen könnte man ohne Ende aufzählen. Ein Eldorado für Botaniker, also die können hier eigentlich zu jeder Jahreszeit: Frühlingsadonisröschen ist das Bekannteste. Da ist auch der größte Massenansturm hier. Aber, wer sich für die Pflanzenwelt, für Steppenpflanzen interessiert, der kann hier im Laufe des Jahres vorbeikommen und findet immer etwas, was des Botanikers Herz erfreut. Autor: Burkhard Teichert lehnt an einem Holzgeländer unmittelbar an der Hangkante der Oderberge auf dem Gelände der Landeslehrstätte Lebus. Der 58jährige, der bis zum letzten Jahr den Vorsitz im Verein "Die Naturfreunde, Landesverband Brandenburg" führte, trägt festes Schuhwerk, eine beigefarbene Hose und eine jagdgrüne Jacke. Unter der beigefarbenen Schirmkappe steigt Pfeifenrauch auf. Im Hintergrund liegen die flachen Holzbauten des Lehr- und Tagungsortes, zu seinen Füßen, in rund 50 Metern Tiefe erstreckt sich das Odertal in einer Weite von sieben Kilometern. Die gegenüberliegende Hangkante, im leichten Dunst nur als blassblaue Kontur auszumachen, befindet sich bereits auf polnischem Gebiet. Polen beginnt gleich auf der anderen Uferseite des gemächlich dahin fließenden Grenzflusses. Gut zu erkennen an den rot-weiß lackierten hölzernen Grenzpfählen auf dem Flussufer. 8. O-Ton: Teichert_03 (0'24")/ M 76 Die Oder ist ja, wie sagt man, wie so eine launige Diva das Jahr über (...). Einmal hat sie zu viel Wasser, dass die ganzen Wiesen, die wir vor uns ja im leichten grau-grün zu sehen sind um die Jahreszeit, völlig überschwemmt sind und dann, wenn's in die Sommermonate geht (...) hat man ein fast ausgetrocknetes Flussbett (...) Autor: Teichert weist in die Landschaft, klopft die Pfeife aus und deutet den Weg. Um auf die Adonishänge zu gelangen, geht es zunächst hinab in die Aue ... Atmo: Schritte 9. O-Ton: Teichert_04 (0'11")/ M 153 Um (...) die Hänge, (...) über das ganze Jahr auch so erleben zu können, ist es also auch nötig, dass sie freigehalten werden. Autor: ... erklärt Teichert und zeigt auf einige frische Schnittstellen naher Bäume. Baum- und Buschbewuchs sind die natürlichen Feinde des Adonisröschens, deshalb gilt es, den Bewuchs schon im Keim zu ersticken: 10. O-Ton: Teichert_05 (0'30")/ M 154 (...) um den Aufwuchs überhaupt nicht erstmal so groß werden zu lassen, (...) wird hier also eine Beweidung mit Schafen durchgeführt. (...) Die sogenannten "Pfennigsucher", die halten den Aufwuchs also dann kurz. Und sind natürlich auch in zweiter Hinsicht eine Wohltat für das Adonisröschen, denn die Adonisröschensamen treten die Schafe mit ihren Hufen ein und dann können die also wieder wachsen. Atmo: Adonishang_hinauf Autor: Quer in den Boden eingelassene Baumstämme, bilden eine Treppe, die auf den südlichsten der Adonishänge führt. Auch in Mallnow und Podelzig weiter nördlich oder am Reitweiner Sporn, einem 81 Meter hohen, weit ins Land ragenden Vorsprung findet das Adonisröschen einen geeigneten Lebensraum. Atmo frei Autor: Burkhard Teichert ist stehen geblieben und weist auf eine der zwölf Tafeln des Adonis - Themenpfades, die nicht nur auf deutsch, sondern auch auf polnisch über die Tier- und Pflanzenwelt an den Oderhängen informieren. 11. O-Ton: Teichert_05 (0'23")/ M 122 Ja, hier ist es mal auf' m Foto abgebildet: Das Frühlingsadonis- röschen und nicht nur das ist abgebildet, sondern auch der Adonis, den kann man sich anschauen in seiner ganzen Schönheit (...) in einer Skulptur, die zwar nicht hier im Gelände steht, aber doch den Namensgeber sehr schön abbildet. Autor: Andernorts ist es der Krokus, der als blühender Frühlingsbote begrüßt wird, in Lebus an der Oder wird die Blüte des kleinen Stars der Steppenvegetation alljährlich im April mit einem großen Adonisröschenfest begangen. Und zum Gesang der Goldammer erhebt sich dann auch die Erdhummel zum summenden Flug. Musik 2: N. Rimsky-Korsakow: Hummelflug (2'40") Atmo: Lebus_01 an der Oder, gelegentlich Autos auf Kopfsteinpflaster Autor: Eine halbe Stunde zu Fuß entlang der Adonishänge durch die Oderaue liegt Lebus, die Stadt, nach der die Region benannt wurde. Lebus ist eine beschauliche Kleinstadt von knapp 3500 Einwohnern, die von einem dreiteiligen, bis zu 55 Meter hohen Bergrücken herab bis ans Oderufer reicht. Der Stamm einer großen Weide neben der alten Furt über den Fluss, zeigt die Bissspuren eines Bibers. Atmo_auf den Turmberg Autor: Der Turmberg und die beiden angrenzenden Berge oberhalb der nach dem Krieg wiedererrichteten Stadtkirche St. Marien tragen die in Grundmauern erhaltenen Züge einer über 3000jährigen Siedlungsgeschichte. Nach den Germanen kamen die Slawen und vermutlich war es der Stamm der Lebeuzzi unter Wilzenfürst Liubus, der im 10. Jahrhundert Lebus seinen Namen gab. Im 12. Jahrhundert erreichte das Lebuser Land durch die Errichtung eines polnischen Bistums mit Sitz in Lebus für die folgenden 150 Jahre seine größte Bedeutung und Ausdehnung auf beiden Seiten der Oder: Buckow in der Märkischen Schweiz im Westen, Górzow im Norden und Lagow im Süden markierten die Grenze des Bistums "Lebuser Land" 12. O-Ton: Teichert_07 (0'20")/ M 90 Wenn man diese Städtenamen hört, dann weiß man in etwa, ist man im Bereich des alten, historischen Lebuser Landes, das ja auch nur existiert hat (...) bis ins 15. (...) Jh. und dann sich aufgelöst hat durch Gebietsreformen, wie wir sie auch von heute kennen. Autor: Der Bischofssitz wurde schon Mitte des 14. Jahrhunderts nach Fürstenwalde verlegt, Lebus verlor zunehmend an Bedeutung. Brandschatzungen zerstörten die Burganlagen auf dem Turmberg. Auch von der Kathedrale ist nichts mehr zu sehen. Die Ruinen der Burgtürme wurden unter Friedrich II. abgetragen, die Steine für den Bau eines Ziegelofens auf der anderen Oderseite verwendet. Mit den Gebietsreformen der DDR 1950 und 1952 verschwand mit dem Kreis Lebus das letzte Relikt des alten Lebuser Landes von der Landkarte. 13. O-Ton: Teichert_09 (0'48")/ M 156 Danach, nach der Veränderung der Kreise und dadurch, dass es den Kreis Lebus nicht mehr gab, ist dann als nach und nach auch (...) das historische Lebuser Land aus den Köpfen der Menschen hier in der Region entschwunden und (...) ist dann erst wieder, sage ich mal, so nach der Wende in den 90er Jahren aufgetaucht und wurde also auch wieder genutzt, um Identifikationen eventuell herzustellen in der Bevölkerung und gerade auch mit dem Blick dann, dass ja Polen später auch mal in die EU sollte, also auch für grenzübergreifende Zusammenarbeit genutzt worden Autor: Die Zusammenarbeit fand ihren Höhepunkt 2003, als das Lebuser Land von der "Naturfreunde Internationale" zur "Grenzübergreifenden Europäischen Landschaft des Jahres" gewählt wurde. Autor: Auch die polnische Seite stellt sich in die Namenstradition des alten Bistums. Bei einer Gemeindereform vor zehn Jahren gab sich der Polnische Landkreis auf der gegen-überliegenden Seite der Oder einen neuen, alten Namen: Wojwodschaft Lubuskie, Lebuser Land. Atmo_Infopunkt: Außen, Verkehr, dann hinein Autor: An der auf dem Hochplateau gelegenen Ausfallstraße nach Frankfurt / Oder befindet sich der "infopunkt Lebus". Hier stehen Jutta Pappelbaum und Dorothea Janz, zwei freundliche Mittfünfzi- gerinnen, Gästen im Lebuser Land mit Rat und Tat zur Seite. Zahlreiche Fahrradtouristen auf dem Oder- Neiße-Radweg nutzen z.B. die 11 thematischen Routenpläne zu reizvollen Abstechern ins Lebuser Land und sind, so Jutta Pappelbaum, ganz begeistert von der Region: 14. O-Ton: Pappelbaum_01 (0'12")/ M 89 Wenn man kurz raus ist aus Lebus, also denkt man, man ist in einer anderen Welt. Man kann Tiere beobachten, also die Störche gehen auf dem Radweg spazieren, man kann Pflanzen sehen die (...) ganz selten sind (...) Autor: Aber nicht nur Naturliebhaber und Radler schätzen die Gegend, ergänzt Dorothea Janz: 15. O-Ton: Janz_01 (0'09")/ M 90 Viele kommen hier nur zum Fotografieren her oder setzen sich an die Oderberge, um dann frühmorgens den Sonnenaufgang zu fotografieren (...) Autor: Auch wenn das Mittelalter in Lebus nicht mehr so imposant in Erscheinung tritt wie der Sonnenaufgang, führt die Suche nach eindrucksvollen Gebäudeanlagen aus dieser Zeit nicht weit entfernt nach Lietzen. Musik 3: Dead can Dance: Saltarello (2'36") Atmo_Lietzen_01 16. O-Ton: Graf von Hardenberg_02 (0'31")/ M 3 Quasi mit Christianisierung im 13. Jahrhundert, 1220, 30, 40 geht das hier los und die Templer haben hier angefangen zu siedeln, sich quasi eine der ersten Komtureien zu errichten. (...) ((Komtureien als Ritterordensgut (...) Und im Prinzip natürlich um Geld zu verdienen für den großen Machtkampf im Mittelmeer: Der Kampf gegen den Islam, der Kampf gegen alles Nicht-Christliche - und hier wurde das Geld verdient.)) Autor: Gebhard Graf von Hardenberg, deutet auf Mauerwerk aus Granit, der ältesten Bausubstanz der einschiffigen Kirche mit ihrem fünfseitigen Chor aus dem 15. und dem Fachwerkturm nebst Wetterfahne aus dem 18. Jahrhundert. Mit seinem kurz geschnittenen graumelierten Haar , der dunkelgrünen Hose und der braunen Steppjacke sieht der knapp 50jährige Graf so gar nicht nach einem späten Erben der alten Tempelherren aus, die das rote Templerkreuz auf ihren weißen Umhängen trugen und sich den Leitspruch gaben: Non nobis domine, non nobis sed nomini tuo da gloriam, "Nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen gib Ehre." Atmo: Schritte unterlegen, Kirchentür Autor: Im Inneren der Kirche schwebt unter dem blau ausgemalten Kreuzgewölbe aus dem 15. Jahrhundert ein Taufengel. Die bemalte lebensgroße Holzfigur reckt den linken Arm gen Himmel, in der rechten Hand hält sie ein rot bemaltes Taufbecken. Zu den Taufen wurde die Engelsfigur heruntergelassen. 17. O-Ton: Graf von Hardenberg_04 (0'28")/ M 33 Außerdem ist sehr ungewöhnlich für (...) diese Kirche, dass wir hier die ganzen Gedenktafeln noch haben, die hier an den Wänden hängen. Das sind Totenschilde, Gedenkschilde für jeweilige Komture, also die Chefs der Komturei oder sogar für die jeweiligen sogenannten Herrenmeister, die Chefs des Ordens, die eigentlich ihre Residenz später in Sonnenburg hatten. Autor: Nach dem Verbot des Templerordens übernahmen die Johanniter die Komturei Lietzen und blieben die folgenden fast 500 Jahre. 1814 erhielt der Preußische Reformer und Staatskanzler Fürst Karl August von Hardenberg die Komturei als Beigabe seiner Dotation im nahen Quilitz, das er in Neuhardenberg umbenannte. 18. O-Ton: Graf von Hardenberg_06 (1'00")/ M 48 Mein (...) Großonkel, Carl-Hans von Hardenberg war (...) letzter Besitzer vor dem Krieg und während des Krieges und war beteiligt an den Umsturzplänen um Stauffenberg herum und wurde auch sofort eine Woche nach dem 20. Juli `44 verhaftet und sein Besitz wurde eingezogen, beschlagnahmt. Er selber wurde schwer verletzt, weil er versucht hat, sich das Leben zu nehmen (...) in Sachsenhausen im KZ interniert, im Krankenlager und im Krankenlager diese Zeit überlebt und wurde erstaunlicherweise kurze Zeit nach dem Krieg (...) von den Russen wieder eingesetzt, weil sie von seiner Geschichte wussten. Aber das hat glaub ich keine drei Wochen gedauert, dann hat die hiesige (...) Bezirks- (...)gewalt dann gesagt: "Nein das geht gar nicht, dass wir die anderen alle verjagen und den hier lassen und dann wurde er quasi richtig enteignet durch die DDR Regierung. Autor: Denn die Devise lautete im Allgemeinen "Junkerland in Bauernhand". 1949 benannte die DDR-Führung Neuhardenberg in Marxwalde um. Auf dem VEG, dem Volkseigenen Gut Lietzen, wurde eine Schweinemastanlage für 7000 Tiere gebaut. 19. O-Ton: Graf von Hardenberg_07 (1'00")/ M 49 Erst nach der Wende kam die Entscheidung der Bundesregierung, das Beschlagnahmte, (...) Dinge, die eben schon von den Nazis beschlagnahmt worden sind (...), dass die zurückgegeben werden sollten. Und das hat dazu geführt, dass ich ins Spiel kam, als Neffe dieses Onkels. (...) Dieser Onkel, der Sohn des Widerständlers hat mich dann adoptiert und dann bin ich `93 hier mit meiner Familie hergegangen, um diesen Betrieb wieder zusammenzuführen (...) und hier zu leben und das tun wir auch. Autor: Gebhard Graf von Hardenberg hat die Landwirtschaft erlernt und verließ bereitwillig seinen Hof bei Göttingen, um die alte Templer- Komturei wieder zu bewirtschaften. Vorausgegangen war ein Grundsatzurteil, in dem die Bundesregierung die Flächen, an die Alteigentümer zurückgab, die bereits vor 1945 unter den Nazis und nicht erst durch die spätere Bodenreform enteignet worden waren. Atmo: Lietzen_Außen Autor: Da die Restitution Siedlungsland, das in der DDR an einzelne Bauern vergeben worden war, von der Rückgabe ausschloss, verfügt Gebhard von Hardenberg nun über die Hälfte des Landes, das vor 1944 im Familienbesitz war. Er versucht durch Zukauf von Flächen, einen wirtschaftlich soliden Betrieb in Lietzen aufzubauen. 20. O-Ton: Graf von Hardenberg_08 (0'23")/ M 49 Und was ich oder wir als Familie hier dazu tun können, um diesen Hof weiter instand zu setzen (...) das werden wir weiter tun. Dazu sind wir zu gerne hier. Es ist einfach ein schönes Fleckchen Erde (...) und das erkennen inzwischen ja auch einige andere (lacht). Musik 4: Franz Schubert: Piano Quintet in A (D667) / Forellenquintett / Variation 1 (0'56") Atmo: Marxdorf Autor: Vor der Trockenlegung des Oderbruchs im 18. Jahrhundert stellte der Fischfang eine der Haupterwerbsquellen dar. Auch heute gibt es in den zahlreichen Gewässern der Region und eigens angelegten Zuchtteichen eine umfangreiche Fischzucht. Entlang der Märkischen Fischsstraße findet der ambitionierte Freizeitangler zahlreiche Gelegenheiten, die Angel auszuwerfen. Vier Kilometer von Lietzen entfernt liegt das Dorf Marxdorf. Der Name geht auf die Templergründung Marquardsdorf zurück und hat nichts mit der Verehrung von Karl Marx zu tun. Atmo: Schechert's Hof_01 Autor: Um den malerischen kleinen Teich gruppiert sich das alte Angerdorf mit seinen Feld- und Ziegelsteinhöfen, die als typische Brandenburger Vierseithöfe ausgeführt sind. Beinahe schon am Ende des unbefestigten Fahrweges liegt linker Hand Schechert's Hof. Durch die Tordurchfahrt des Quergebäudes geht es in die rustikale "Oderland-Taverne". Atmo: Schechert's Hof_02 Autor: Draußen vor den Fenstern der gemütlichen Gaststube erhebt sich der überdachte, gusseiserne, schwarze Räucherofen mit seinen beiden Räucherkammern und dem auf die Front gegossenen Spruch: "Unser täglich Brot gib uns heute." Hier betreibt Wolfgang Schalow seine Fischräucherei, Weinstube und ein Fischrestaurant. 21. O-Ton: Schalow_01 (0'36")/ M 60 Von Hause aus bin ich Elektriker, Elektromeister, habe einen eigenständigen Betrieb gehabt, war selbständig in Berlin und der Hof hier ist der ehemalige Hof von den Schwiegereltern und nach der Wiedervereinigung hatten wir die Möglichkeit, hier auf dem Hof wieder Fuß zu fassen und meine Betriebe hierher zu verlegen. Zwischenzeitlich mache ich aber nur noch, was mit Fisch und Gastronomie und Räucherei zu tun hat. Autor: Der 67jährige ist ein Quereinsteiger, hat sich aber seit 1990 den Ruf als einer der versiertesten Fischköche in Brandenburg erarbeitet. Während es die seltene Quappe, eine Dorschart, die zum Laichen in die Nebenarme von Oder und Warthe zieht, nur im Winter gibt, stehen andere Fischarten ganzjährig zur Verfügung: 22. O-Ton: Schalow_02 (0'26")/ M 61 Weiter gibt es bei uns natürlich die Fische, die wir hier in der Region haben, das sind die Karpfen von den Teichwirtschaften, Zander, Barsche, Forellen von den Fischereibetrieben. Welse natürlich nicht zu vergessen, Schleie. Das kommt fangfrisch, so wie die Fischer es zur Verfügung haben zu uns in die Küche und dann auf die Speisekarte und dann auf den Teller. Autor: Schalow streicht mit der Hand über die schwere braune Lederschürze, die er über einer grauen Hose und einem schwarzen T-Shirt trägt. Hinter ihm an der Wand hängt eine Urkunde der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, die seine Welsroulade prämiert hat, ein andere Spezialität seiner Küche ist der Lachs auf Spanferkelart: 23. O-Ton: Schalow_03 (0'41")/ M 51 Bei dem Lachs nach Spanferkelart hat also auch nur das Wort Spanferkel (...) was gemein: Nach Art des Spanferkels wird bei uns ein großer Lachs, der so um die 5 Kilogramm hat, in den Ofen geschoben, in unserem Fall nicht in einen Backofen, sondern in einen unserer Räucheröfen und wird da über mehrere Stunden bei mittlerer Temperatur, so bei 60, 70, 80 Grad gar gezogen. Und wenn das dann aus dem Ofen kommt, dann hat also dieser Lachs einen unnachahmlichen Geschmack, eine Wahnsinns(...)konsistenz, was die Zartheit betrifft und ist also auch wunderbar saftig. // Da geht ein Raunen durch den Saal Autor: Wolfgang Schalow hat nicht nur sein eigenes Restaurant im Blick. Er schaut gerne über den Tellerrand. Im Interesse der Tourismusentwicklung sucht er den Kontakt und die Zusam- menarbeit mit anderen Gastronomen im Lebuser Land. Im Verein "Oder-Culinarium" organisieren sich seit letztem Jahr rund 20 Gaststätten auf beiden Seiten der Grenze und verpflichten sich einem gemeinsamen Kriterienkatalog, der neben der frischen Zubereitung vor allem das Kochen mit regionalen und saisonalen Produkten vorsieht. 24. O-Ton: Schalow_04 (0'26")/ M 62 / M 63 Wir leben hier im Gebiet des Oderbruchs, was frische Lebensmittel betrifft, wie im Schlaraffenland. (...) Bei uns (...) gibt es also alles direkt vom Erzeuger, Honig nicht zu vergessen, Spirituosen: Liköre werden hier hergestellt (...) aus einheimischen Früchten. Also: Wir leben hier richtig gut und das geben wir natürlich auch an unsere Gäste weiter. Atmo_Küche, Braten mit Fett, Besteck Autor: Ein Blick in die Küche. Dort steht Frau Kuchenbäcker am Herd und bereitet gerade eine Portion Quappenfilets zu. Während sie die Filets in Mehl wendet, bruzzeln in einer der beiden Pfannen schon die Zutaten: Atmo_Küche_02, darin: 25. O-Ton: Kuchenbäcker_01 (0'37")/ M 56 Bratkartoffeln, Gemüse ... und die Quappe kommt gleich noch rein. (...) Wintergemüse mit Möhren, (...) Kohlrabi, Spitzkohl, Sellerie, von allem etwas. Atmo_Küche_03 Autor: Die Quappenfilets werden kurz beidseitig gebraten, dann ist die Spezialität auch schon fertig. Die hellen Quappen auf Wirsingbett werden neben den Bratkartoffeln und dem Gemüse angerichtet, dazu leuchtet ein frisches Salatbouquet vom Teller Atmo_Raumatmo_Gastraum Autor: Zur Quappe empfiehlt Wolfgang Schalow einen Grauburgunder von der Nahe, den Winzer kennt er seit Jahrzehnten. Atmo: Raumatmo_Kundin kauft ein Autor: Für die Osterzeit wirbt Wolfgang Schalow engagiert für den Brandenburger Karpfen. Den hält die lokale Fischzucht gleich in mehreren Arten vorrätig: Da gibt es Spiegelkarpfen, Schuppen- karpfen, Gras- oder den Marmorkarpfen. 26. O-Ton: Schalow_05 (0'37")/ M 56 Man sollte also keine Scheu haben vor dem Karpfen. Viele sagen immer der Karpfen ist modderig, der Karpfen hat Gräten, das sind alles Sachen aus der Vergangenheit. Wenn ich heute bei einem Fischer meines Vertrauens einen Karpfen kaufe, dann kann ich mir sicher sein, dass der ordentlich gehältert worden ist, so dass der schlammige Geruch nicht mehr da ist und wenn ich `n sehr guten Fischereibetrieb habe, der schneidet mir aus den Karpfen gleich die Filets und wenn er ganz gut ist, dann schneidet er mir die Filets auch so, dass die Gräten nicht mehr zu spüren sind. Autor: Wer die Scheu vorm Karpfen nicht allein am heimischen Herd ablegen will, hat über das Jahr immer wieder Gelegenheit, bei Wolfgang Schalow und anderen Fischgastronomen an Kochkursen teilzunehmen, in denen noch der eine oder andere Tipp zur Fischküche eingeholt werden kann. Wer lieber kochen lässt, kann sich durch den Verein "Oder Culinarium" zu einer kulinarischen Reise durchs Lebuser Land anregen lassen und seine persönliche Fisch- und Wildtour aus den rund 20 Restaurants wählen. Musik 5: The Beatles: Norwegian Wood (instr.) Atmo: Landstraße_02 Autor: Die Fahrt geht nach Norden in die Märkische Schweiz. Storchennester gibt es in vielen Dörfern im Lebuser Land, mal auf dem First einer alten Scheune, mal auf eigens aufgestellten Masten. Je nach Witterung kommt Adebar Ende März bis Mitte April zum Nisten in die Region. In engen Kurven geht es auf das Hochplateau. Hier liegt Ihlow, das Dorf der "Offenen Höfe". G_Glocke_Ihlow_Extra Atmo: Holzofen Autor: Uwe Steinkamp legt ein großes Holzscheit in den gusseisernen Ofen seiner geräumigen Wohnküche. Die sechs gekröpften Rohre auf der Oberseite der tonnenförmigen Brennkammer sehen aus wie die Auspuffkrümmer eines Sechszylindermotors, dienen aber dazu über die angeschlossenen Leitungen, auch die anderen Räume des alten Feldsteinhauses zu beheizen. 27. O-Ton: Steinkamp_01 (x'xx")/ M 59 Das war Liebe auf den ersten Blick. Es stand in der Annonce: "Stall- und Garagengebäude und ich hab schon gedacht, na gut, Stall, das wird irgend so ein Holzverschlag sein und Garage irgend so eine Wellasbest-Bude ... 28. O-Ton: Hagedorn_02 (x'xx")/ Transkript S 2f Das ist das, was mich an der Gegend gereizt hat, (...) dass man nicht als zwanzigster hier her kommt, (...) sondern auch vieles (...) neu gestalten kann (...) 29. O-Ton: Steinkamp_02 (x'xx")/ M 59f Und dann kommen wir hier raus und sehen Feldstein und sehen Backstein ((und sehen Biberschwanzgedeckte Dächer im 45? Grad Winkel )) und Häuser, die so geformt waren, wie man (...) als Kind immer Häuser gemalt hat, so ganz schlicht, ganz klar und gerade und eindeutig und das war einfach super! 30. O-Ton: Hagedorn_03 (x'xx")/ Transkript S 2f ... und praktisch auch dieser Gegend ein neues kulturelles Gesicht geben kann (...) Im letzten Jahr habe ich ((auf dem eigenen Gelände)) eine kleine Galerie aufgebaut, die halt auch das Dorfbild mit prägt und das ist das, was mir hier auch gut gefällt. Autor: ... erzählen Uwe Steinkamp und Udo Hagedorn. Der eine stammt aus der Eifel, der andere aus Thüringen, der eine ist Gartenarchitekt und Holzskulpteur, der andere Maler, beide kamen von Berlin in das 180 Seelen Dorf Ihlow, gerade einmal eine Stunde Fahrt von der Hauptstadt entfernt. 31. O-Ton: Rothschild_01 (x'xx")/ Transkript S 6 / 40:28 (Also) das mit dem Künstlerdorf, das haben (...) andere sich (irgendwie) ausgedacht, weil die gemerkt haben, dass also hier mehrere Leute sind, die malen und (...) mit Holz da arbeiten und dann kamen auch ganz viele einfach regelmäßig, um hier eben an den Teichen zu sitzen oder vor den Häusern (...) und zu malen. Autor: Marion Rothschild, Pianistin und Klavierlehrerin betreibt den Biobauernhof mit Hofcafé in Ihlow gemeinsam mit ihrem Mann, Lars Spangenberg, der als 1. Offizier zur See fuhr, bevor er in Ihlow an Land ging. Die drei Neu-Ihlower sitzen in der Küche im Haus von Uwe Steinkamp. Der Geruch von Tee, Kaffee und dem Holzbrand im Ofen erfüllt den hell getünchten Raum, in dem nichts mehr daran erinnert, dass er früher als Kuhstall genutzt wurde. Durch die verglaste Tür zum Hof fällt der Blick auf ein mit Granit eingefasstes Wasserbecken. 32. O-Ton: Steinkamp_03 (x'xx")/ Transkript S 4 / 80:30 Viele denken immer, wir kennen uns von früher aus Berlin oder sonst woher, das ist definitiv nicht der Fall. Wir haben uns tatsächlich erst hier im Ort kennen gelernt. Autor: Seit Mitte der 90er Jahre haben sich verschiedene Kreativberufler in Ihlow angesiedelt. Vor zwei Jahren entwickelten sie das Konzept "Offene Höfe", um Besucher an den Wochenenden nach Ihlow einzuladen: In die Bücherscheune z.B., wo 35.000 antiquarische Bücher in über 6 Meter hohen Regalen auf stöbernde Entdecker warten, in die Kunstgalerie des Malers Udo Hagedorn oder in den Hof draußen vor der Wohnküche, in dem Uwe Steinkamp, seinen Besuchern die Kunst der Gartenarchitektur präsentiert. 33. O-Ton: Steinkamp_05 (0'25") / M 62 (Also) das Dorf selber ist ja auch (...) Ort des Staunens und Schauens und Sich-Wohlfühlens. (...) Alles findet statt in diesen alten Feldsteinhäusern, ist über diese alte Pflasterstraße miteinander verbunden, gruppiert sich rund um die Kirche mit den beiden Teichen und wirkt eigentlich sehr, (...) in sich geschlossen und harmonisch aufeinander abgestimmt. Autor: Wohl fühlen sich vor allem die Ihlower selbst, die abseits der Metropole einen Ort der Ruhe für sich und ihre Familien gefunden haben, erzählt Marion Rothschild: 34. O-Ton: Rothschild_02 (0'05") / M 70 Man wacht dann wirklich im Sommer manchmal auf, weil die Nachtigallen so laut singen - also es ist schon verrückt. Autor: Die Mutter von zwei Kindern findet neben dem Hofcafé noch die Muße, sich ans Klavier zu setzen. 35. O-Ton: Rothschild_03 (0'15") / M 75 und M Man kann wunderschön Musik machen hier, man kann sich zusam- mentun, hier gibt's komischerweise ganz viele Klavierspieler in der ganzen Gegend (...) Man macht eben mehr selbst, als dass man soviel Konsument ist von Kultur Atmo: Hof_Steinkamp (M 197/Ihlow) Autor: Jetzt, wo der Frühling in ersten zarten Knospen die Weiden am Teich hinter dem Hof von Uwe Steinkamp gelb einfärbt, wird es auch Zeit das Werkzeug für die Holzbearbeitung wieder aus dem Schuppen zu holen. 36. O-Ton: Steinkamp_06 (0'05") / (Ihlow 1 !!!) M 196 Das ist hier so, das nennt sich Klüpfel (...) und das sind verschiedene Stechbeitel und Schnitzeisen ... Autor: ... erklärt Steinkamp sein Handwerkszeug. 37. O-Ton: Steinkamp_07 (0'15") / (Ihlow 1 !!!) M 197 Mal gucken, das ist so ein Stück Ahornholz, also was ziemlich hartes ... Atmo: Stechbeitel Autor: Mit dem hölzernen Klüpfel, einem kurzen runden Holzhammer, treibt Steinkamp das Eisen ins Holz ... Atmo: Stechbeitel / Schaben Autor: Unter seinen Schlägen fliegen Holzspäne von dem hüfthohen Holzstamm auf. Bald wird ein schlangenförmiges Muster im Holz sichtbar. So fertigt Uwe Steinkamp neben Gartenmöbeln auch große Holzskulpturen. Musik 6: Chopin, Etude Nr. 9, op. 25, Idil Biret Atmo: Kostrzyn / Küstrin NA Autor: Küstrin die polnische Grenzstadt liegt dort, wo die Warthe von Osten her in die Oder mündet. Hier endet der Regionalzug aus Berlin und hier beginnt der polnische Teil des alten Lebuser Landes. 38. O-Ton: Skalba_01 (0'13") / M 157 Das ist die Region, wo man tausende von Gänse und Enten beobachten kann (...) die überwintern hier und das ist ein Sumpfland und ein Paradies für Ornithologen. Autor: ... bewirbt Küstrins Stadtmanager Ryszard Skalba den Nationalpark Warthemündung, in dem über 250 Vogelarten ansässig sind. In den Auen und Feuchtwiesen des Mündungsgebietes nisten oder rasten zahlreiche Zugvögel. Während der Vogelzüge im Frühjahr und im Herbst machen bis zu 200.000 Vögel Station in der Region. Hier leben Weißstörche, Schwarzstörche, Fisch- und Seeadler, Kraniche, Graureiher und der zum Vogel des Jahres gekürte Eisvogel. Ryszard Skalba sitzt in seinem Büro im zweiten Stock der Stadtverwaltung von Kostrzyn, wie Küstrin heute heißt. Der joviale Mittfünfziger im blauen Anzug hat aber nicht nur die meist schon etwas älteren Naturliebhaber als Besucher Küstrins im Blick: 39. O-Ton: Skalba_02 (0'21") / M 167 Für die Jugendlichen haben wir hier in Küstrin selbst das größte Open-Air Rockkonzert Europas. Bis 300.000 junge Leute kommen jedes Jahr zu uns - seit fünf Jahren - aus ganz Europa, aus ganz Polen natürlich vor allem, auch aus Deutschland, aus Schweden, aus Holland, ... Autor: Ausgerichtet wird das Festival, das keinen Eintritt erhebt, von einer Stiftung in Warschau, die Spendenhilfen für Kinderkrankenhäuser sammelt. Anstatt Werbeplakate oder Broschüre drucken zu lassen, erfand die Stiftung das Festival, um den Spendern zu danken. Schon der Name stellt das Event in eine große Tradition. 40. O-Ton: Skalba_03 (0'13") / M 166 Auf polnisch "Przystanek Woodstock" und auf deutsch "Haltestelle Woodstock nennen wir es, als Erinnerung an das dieses Woodstock Festival in den 60er Jahren in Amerika. Autor: Den guten Zweck, dem das Festival gewidmet ist unterstützen auch die Künstler. 41. O-Ton: Skalba_04/04b (0'14")//(0'20") / M 166 / M171 Manchmal kommen auch Stars zu dem Festival: Aus Deutschland gab es vor einigen Jahren die Toten Hosen z.B. - und die Hauptsache: Alle Künstler spielen umsonst - nur Reisekosten, Essen, Trinken, das ist alles. ((wenn man solch ein Publikum hat, 200.000, 300.00 (...) junge Leute. (...) Da braucht man kein Geld. Autor: Für drei Tage Ende Juli, Anfang August verwandelt sich das ehemalige Militärareal in Küstrin in ein Meer aus Zelten, Bühnen und Menschen. Wer sich nicht für Rockmusik interessiere, meint Skalba mit einem wohlwollenden Schmunzeln, könne das Ganze auch als soziologisches Ereignis betrachten. Atmo_Witnica_01; Wegweiserpark, Mühlbach Autor: Witnica, ehemals Vietz, liegt eine halbe Stunde weiter östlich am Nordufer der Warthe. Ein Fließ schlängelt sich durch eine weitläufige Grünanlage im Zentrum der 7000 Einwohner Stadt. Hier befindet sich der Wegweiserpark von Witnica. Meilensteine und Wegweiser aus verschiedenen Epochen, technische Innovationen des Reisens wie das Treibrad einer Dampflok oder der Anker eines Schiffes sind hier aufgestellt und erinnern an historische Wendepunkte des Reisens. Burkhard Teichert, der den Initiator des Parks in Witnica besuchen will, zeigt ein Stück den Weg hinunter. Atmo_Witnica_02, Schritte, darin Burkhard Teichert (0'08") / M 35: Das finde ich eigentlich das spannendste an diesem Park ... Kriegsende, die Hilfswegweiser ... Autor: Im Mittelpunkt eines "Exodus" genannten Bereichs des Parks steht eine Skulptur. Sie stellt einen Baumstumpf dar, aus dem statt Ästen nur noch Stümpfe ragen. Auf den Stamm sind kleine Wegweiser mit Ortsnamen genagelt. Atmo: Heimatstube_Witnica_01 / Weg hinein, Tür, Treppe, etc. 42. O-Ton: Czarnuch_01 (0'35") / M 58 Wenn haben wir hier in `45 gekommen, was typisch war in Landschaft, das war erschossene Bäume. Russen hat an Baum genagelt Wegweiser: Berlin, Landsberg, usw. Und haben wir zu diesem symbolischen Baum genagelt symbolische Wegweiser in drei Sprachen: in deutsch, in russisch und in polnisch. Autor: ... erinnert sich Zbigniew Charnuch, der fast 80jährige Initiator des Wegweiserparks. Burkhard Teichert und er haben auf einem Sofa im Dachgeschoss des Heimathauses Witnica Platz genommen. In einer Vitrine sind zahlreiche Veröffentlichungen zur lokalen Geschichte auf deutsch, polnisch und englisch ausgestellt. Zbigniew Charnuch war 15, als er 1945 nach Witnica kam. Die zerschossenen Bäume mit den Hilfswegweisern, die Rotarmisten, deutsche Flüchtlinge auf dem Weg nach Westen und polnische Vertriebene aus dem Osten kommend, hinterlassen hatten, brachten ihn auf die Idee für dieses Mahnmal gegen die Vertreibung. Vertriebene waren schließlich nicht nur die über die Oder gejagten Deutschen, sondern auch die umgesiedelten Polen. Ihre Heimat lag im ehemaligen Osten Polens, in Gebieten, die Russland zugesprochen wurden, z.B der heutigen Ukraine. 43. O-Ton: Czarnuch_02 (0'10") / M 173 Das ist die Haupttatsache dieses Gegend - das ist Veränderung des Kultur - in eine Jahr ist Veränderung des Kultur ... Autor: ... resümiert der ehemalige Geschichtslehrer, mit den beweglichen, buschigen weißen Augenbrauen und dem grauen Anzug. Er ist als Jugendlicher dabei, als nach 1945 deutsche Beschriftungen von den Gebäuden entfernt werden, nötigenfalls, in dem der Putz bis aufs Mauerwerk abgeschlagen wird. Er erinnert sich daran, wie ein renommierter Slawist die deutschen Ortsnamen ins Slawische "zurück übersetzt". Die Spuren der verhassten Deutschen sollen gründlich getilgt werden. 44. O-Ton: Czarnuch_03 (0'20") / M 178 Diese "Deutsch (...) als Feinde" durch die Literatur, durch die Schule, durch die politische Einfluss, das alles liegt tief, dauert viele Jahre, dass kann ich das etwas verändern. Autor: Als er in den 80er Jahren nach Witnica zurückkehrte, gründet Charnuch den deutsch-polnischen Verein "Freunde Witnicas".Er beginnt danach zu forschen, was vor der polnischen Besiedlung in Witnica war, nimmt an jährlichen Treffen ehemaliger und jetziger Bewohner Witnicas teil und bringt sich die Deutsche Sprache selbst bei. Er beginnt Zeugnisse der deutschen Geschichte zu sammeln. Die größeren Exponate werden zum Grundstock des Wegweiserparks. Seit der Wende arbeitet er verstärkt mit den unmittelbaren Nachbarn auf der deutschen Seite der Oder zusammen. Charnuch ist überzeugter Europäer. Gemeinsam mit Burkhard Teichert und anderen Partnern stellt er seine neue Heimat bewusst in die Tradition des alten Lebuser Landes, weil er in der Geschichte auch einen gemeinsamen Weg in die Zukunft findet: 45. O-Ton: Czarnuch_07 (0'24") / M 180 Dass so wie damals hat unsere Vorfahren hat in diese Gegend eine neue Welt gebaut, wir haben hier Chance am Grunde dieser Traditionen diese unsere neue Welt gebaut, diese europäische Welt. Autor: In der Überwindung der Grenzen sieht Charnuch eine große Chance für das Lebuser Land, in Deutschland und in Polen. Denn Grenzen verlaufen im Kopf und dort beginnt auch der Krieg, sagt er. 46. O-Ton: Czarnuch_08 (0'14") / M 176 Was wir haben gemacht ist doch unwahrscheinlich große Sache, aber es zeigt auch, dass ist das nicht zum Ewigkeit. Dass man muss jedes Jahr diese schöne Blume gießen. MUSIK: Atmo: Straße Atmo: Gorzyca_01 Autor: Die Fahrt auf der Südseite der Warthemündung mit ihren weit verzweigten Gräben und Fließen führt wieder nach Westen nach Gorzyca an der Oder. Im 13. Jahrhundert war auch Gorzyca einmal Sitz der Lebuser Bischöfe. Was außen wie ein rot verklinkertes Einfamilienhaus an der Hauptstraße aussieht, entpuppt sich als Geheimtipp für das Nationalgericht der Polen: Bigoz. "Restauracja Sloneczna", Restaurant Sonne, steht an der Fassade. 47. O-Ton: Mariola_01 (0'29") / M 183 Das ist Sauerkohl - erklärt auf polnisch - Sauerkohl, normal Kohl und graues Fleisch, halbe Fleisch gebraten, halbe Fleisch in die Sauerkohl: Kochen, das ist alles ... Autor: .. erklärt Frau Mariola, die Wirtin des Restaurants Sonne in Gorzyca. Der Mann am Nachbartisch kommt eigens aus Berlin hier her und ist mit der polnischen Küche im Allgemeinen und dem Bigoz im Besonderen offenbar bestens vertraut ... 48. O-Ton: Berliner_01 (0'50") / M 184 Eine Reihe von Zutaten müssen dazu gehören: Das sind Sauerkraut, Weißkohl, im Verhältnis eins zu eins. Mehrere Sorten Fleisch, in der Regel Schweinefleisch, oft auch Wild, (...) Wurst, Zwiebeln, Speck, und zwar sowohl ausgelassener als auch Räucherspeck, (...) Pilze, meistens getrocknete Pilze, und meistens auch Dörrpflaumen,- das ist so die Grundausstattung. Man merkt auch dadurch, dass das ein ziemlich deftiges, mächtiges Gericht ist, so dass beim traditionellen Essen als Beilage Brot gereicht wird, und (getrunken) als Getränk dazu Wodka getrunken wird. Autor: Schon der polnische Adel des 18. Jahrhunderts schätzte Bigoz, insbesondere, wenn es auf die Jagd ging: 49. O-Ton: Berliner_02 (0'30") / M 185 Dann kam der große Kessel mit, wurde von der Dienerschaft hinterher getragen mit dem schon fertigen Bigoz. Man setzte sich irgend wohin, es wurde ein Feuerchen gemacht, der Topf wurde über das Feuer gehängt, meistens mit dem Deckel drauf und wenn der Deckel dann (... ) durch die Hitze nach oben gesprengt wurde, es einen lauten Knall gab, das nannte man dann "Bigoz swiwatem", also Bigoz mit Salut. Das war dann der Startschuss für das Gelage mit Bigoz, Brot und reichlich Wodka. Autor: Bigoz wird jedes Mal, wenn es auf's neue erwärmt wird, noch intensiver im Geschmack. Kein Wunder also, dass Frau Mariola zahlreiche Deutsche zu ihren Kunden zählt, die Bigoz bei ihr kaufen und mit nach Hause nehmen. Atmo: Oder / Atmo: Gänse Autor: Abendstimmung an der alten Furt durch die Oder in Lebus. Burkhard Teichert blickt auf die andere Seite der Oder, wo sich ein Schwarm Gänse in den Auenwiesen niedergelassen hat. Die kommen zum Fressen auf die deutsche Seite und fliegen abends wieder zurück nach Polen, erklärt er. Da haben es die Vögel leichter als die Menschen, ergänzt er. 50. O-Ton: Teichert_10 (0'20") / M 186 ... aber zumindestens wird daran weiter gearbeitet, dass an der historischen Stelle in Lebus, wo es mal eine Fähre gab vor 1945 schon und viele Jahre davor, wieder eine installiert wird und wieder eine Möglichkeit geschaffen wird, a) für die Bevölkerung zueinander zu finden, aber auch, was ja ganz wichtig ist, für den Tourismus ... Autor: Die Fährverbindung für Lebus ist mittlerweile in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden und über die Jahre haben auch die zuständigen Ämter und Gemeinden ein zunehmend offenes Ohr für die Ideen Burkhard Teicherts, oder Zbigniew Charnuchs, unter der alten Bezeichnung Lebuser Land eine Region zu bewerben, deren Reize selbst die Einwohner noch immer erst entdecken. 51. O-Ton: Teichert_11 (0'20") / M 187 ... wenn wir heute also mit neuen Ideen kommen, haben wir schon eine größere Aufgeschlossenheit, als in den Jahren davor. Und da kann man nur sagen: Mensch, wat willst'e mehr. (lacht) N' bisschen was hat man doch erreicht, (...) in der Zeit ... Musik Sprecher v. Dienst: Absage Adel, Adebar und Adonisröschen. Das Lebuser Land in Brandenburg. Eine Deutschlandrundfahrt mit Thomas Doktor Musik 1 Interpret: English Baroque Soloists / John Eliot Gardiner Titel: Il Pastor fido / Bourée CD: Alcina-Il - Pastor fido - Terpsichore Track: 21 Komponist: Georg Friedrich Haendel Text: -.- LC/Best.-Nr.: -.- / ECD 88084 DLR-Archiv- Nr.: 50-00329 Musik 2 Interpret: Das Orchester der Volksoper Wien / Berislav Klobucar Titel: Scherzo aus "Das Mädchen von Zar Galatan" / Hummelflug CD: Romanze Track: track 1 Komponist: Nicolai Rimsky-Korsakow Text: -.- LC/Best.-Nr.: LC 08367 / CD 77832 DLR-Archiv- Nr.: 91-96796 Musik 3 Interpret: Dead can dance Titel: Saltarello CD: wake Track: CD 1 / track 13 Komponist: Brendan Perry / Lisa Gerrard Text: -.- LC/Best.-Nr.: -.- / DAD 2303 CD DLR-Archiv- Nr.: 91-96756 Musik 4 Interpret: Mitglieder des Belecea Quartetts / Thomas Adès (piano) Titel: Piano Quintett in A (D667) "Forellenquintett" CD: Adès: Piano Quintet / Schubert: "Trout" Quintet Track: track 8 Komponist: Franz Schubert Text: -.- LC/Best.-Nr.: LC 06646 / 5 57664-2 DLR-Archiv- Nr.: 50-12573 Musik 5 Interpret: Chantal Titel: Norwegian Wood CD: Get Back - Beatles strictly instrumental Track: track 8 Komponist: Lennon / McCartney Text: Lennon / McCartney LC/Best.-Nr.: LC 07035 / 2700060014 D DLR-Archiv- Nr.: 91-85974 Musik 6 Interpret: Idil Biret Titel: Etude Nr. 9, op. 25 CD: Chopin, Etudes Track: track 21 Komponist: F. Chopin Text: -.- LC/Best.-Nr.: LC 9158 / Naxos DLR-Archiv- Nr.: 8